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Und wie gesund ist Ihre Schule? - Schule & Gesundheit - Hessen

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Autorinnen:<br />

Prof. Dr. Irmgard Vogt <strong>ist</strong> Leiterin des Instituts für Suchtforschung<br />

(ISFF) der Fachhochschule Frankfurt am Main,<br />

Dipl. Sozialarbeiterin Jana Fritz wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

am selben Institut.<br />

sind, und obwohl sie alle unter diesen<br />

leiden, unterscheiden sie sich oft nicht<br />

sonderlich von anderen Kindern und<br />

Jugendlichen. Sieht man von besonderen<br />

Problemlagen ab, sind ihre Entwicklungschancen<br />

(fast) ebenso gut <strong>wie</strong> die von<br />

anderen Kindern und Jugendlichen – mit<br />

einer Ausnahme: Sie sind stärker als<br />

diese gefährdet, selbst von Alkohol oder<br />

Drogen abhängig zu werden. Aber auch<br />

hier gilt, dass es nicht alle trifft, sondern<br />

nur einen Teil. Es gibt also Entwicklungschancen,<br />

die genutzt werden können. 2<br />

Da viel mehr Väter als Mütter Alkoholprobleme<br />

haben, geht die Gewalt sehr<br />

viel häufiger vom Vater als von der Mutter<br />

aus. Mütter, die sich und ihre Kinder<br />

erfolgreich vor den Wutausbrüchen und<br />

den Gewalttätigkeiten des alkoholabhängigen<br />

Vaters schützen können, vermitteln<br />

den Kindern und Jugendlichen zugleich,<br />

dass es Alternativen gibt. Dazu gehört das<br />

Bemühen der Mütter, die Väter zu einer<br />

Behandlung der Krankheit zu bewegen<br />

und sie in der Abstinenz zu unterstützen.<br />

Gelingt das nicht, kommt es oft zur Trennung<br />

und dem Zerfall der Familie.<br />

Kinder aus alkoholbelasteten Familien<br />

sind überdurchschnittlich oft Scheidungskinder.<br />

Auch hier darf nicht übergeneralisiert<br />

werden; die me<strong>ist</strong>en Scheidungskinder<br />

haben keine alkoholabhängigen<br />

Elternteile.<br />

Überdurchschnittlich hoch <strong>ist</strong> auch der<br />

Anteil der Kinder und Jugendlichen mit<br />

Verhaltensstörungen. Diese lassen sich<br />

in manchen Fällen, in denen die Mutter<br />

alkoholabhängig <strong>ist</strong>, auf Beschädigungen<br />

in der vorgeburtlichen Entwicklung des<br />

Kindes zurückführen, beispielsweise<br />

auf das Fetale Alkoholsyndrom (FAS, in<br />

Deutschland auch als Alkoholembryopathie<br />

bezeichnet), das zu dauerhaften<br />

Störungen der kognitiven Entwicklung<br />

führt, die oft mit anderen Funktions- und<br />

Verhaltensstörungen einhergehen. Dazu<br />

gehören unter anderem Minderbegabung,<br />

Sprach- und Hörstörungen so<strong>wie</strong> feinmo-<br />

torische Störungen. Einige dieser Kinder<br />

fallen durch Aufmerksamkeitsdefizite<br />

und Hyperaktivitätsstörungen auf (ADHS)<br />

auf. Hinzu kommen andere abweichende<br />

Verhaltensweisen, <strong>wie</strong> Aggressivität,<br />

Desinteresse an schulischen Le<strong>ist</strong>ungen,<br />

<strong>Schule</strong>schwänzen usw., die man aber<br />

auch bei anderen Kindern mit Eltern, die<br />

keine Alkohol- oder Drogenprobleme<br />

haben, findet.<br />

Problemhinweise sind Alkoholexzesse<br />

auf dem Schulgelände oder auf Klassenfahrten.<br />

Jugendliche, die sich als besonders<br />

trinkfreudig hervortun und die<br />

durch betrunkenes Verhalten besonders<br />

auffallen, sind gefährdet, sich an einen<br />

riskanten Konsumstil zu gewöhnen. Kommen<br />

dazu Hinweise, dass es in der Familie<br />

Alkoholprobleme gibt, sollten die Verantwortlichen<br />

darauf reagieren und Hilfsangebote<br />

bereitstellen.<br />

Als Erwachsene beschreiben sich die<br />

Kinder und Jugendlichen aus Alkoholikerfamilien<br />

als eher traurig, ängstlich oder<br />

depressiv, aber auch als eher ärgerlich,<br />

zornig und wütend und insgesamt als weniger<br />

fröhlich. Sie erleben sich selbst als<br />

Personen mit starken Stimmungsschwankungen,<br />

die sie nicht immer beherrschen<br />

können. 3 Dazu kommt aber auch, dass<br />

sich vor allem die Mädchen als Personen<br />

wahrnehmen, die schon sehr früh im Leben<br />

Verantwortung übernehmen mussten<br />

und das auch getan haben. Darin kann<br />

eine besondere Stärke liegen, die sie zu<br />

ausgeprägten Persönlichkeiten heranreifen<br />

lässt. Auch dies we<strong>ist</strong> darauf hin, dass<br />

es kein sich zwingend erfüllendes Fatum<br />

<strong>ist</strong>, in einer Familie mit Alkoholproblemen<br />

aufzuwachsen.<br />

Da es keine eindeutigen körperlichen<br />

Merkmale oder besonderen Verhaltensweisen<br />

gibt, die Kinder und Jugendliche<br />

aus Familien mit Alkoholproblemen von<br />

anderen Kindern und Jugendlichen unterscheiden,<br />

sollten Erzieher/innen und Lehrer/innen,<br />

die den Verdacht haben, dass<br />

bestimmte Schüler/innen einen solchen<br />

A L K O H O L<br />

Familienhintergrund haben, diesen mit<br />

konkreten Beobachtungen belegen. Dazu<br />

gehört das Gespräch mit Kolleginnen<br />

und Kollegen über diese Schülerinnen<br />

beziehungsweise Schüler und die eigenen<br />

Vermutungen. Weiterhin sollte das Gespräch<br />

mit den Eltern oder einem Elternteil<br />

gesucht werden, in dem die konkreten<br />

Probleme des Schülers angesprochen<br />

werden, um Wege zu finden, die zu Lösungen<br />

führen können. Alkoholprobleme<br />

in der Familie können nur dann ein Thema<br />

des Gesprächs sein, wenn ein Verdacht<br />

erhärtet <strong>ist</strong>. Dann <strong>ist</strong> aber auch zu überlegen,<br />

wer ein solches Gespräch führen soll.<br />

In <strong>Schule</strong>n, an denen Sozialarbeiterinnen<br />

beziehungsweise Sozialarbeiter und<br />

Psychologinnen beziehungsweise Psychologen<br />

arbeiten, sollten diese solche<br />

Gespräche übernehmen.<br />

Lehrkräfte können auch den Kontakt zu<br />

ihren Schülerinnen beziehungsweise<br />

Schülern direkt suchen. Sie sollten dabei<br />

bedenken, dass für Kinder und Jugendliche<br />

das Thema Alkoholprobleme in der<br />

Familie mit sehr viel Schuld- und Schamgefühlen<br />

besetzt <strong>ist</strong>. Sie werden sich<br />

also nur dann gegenüber einer Lehrkraft<br />

öffnen, wenn sie zu dieser großes Vertrauen<br />

haben. Die Familie wird mehrheitlich<br />

als eine Einheit empfunden, die durch<br />

Abschottung nach außen Fremden jeden<br />

Zugang beziehungsweise Einblick verwehrt.<br />

Hat sich ein Kind doch anvertraut,<br />

erwartet es dann von dieser Lehrperson<br />

auch, dass sie Verantwortung übernimmt<br />

und ihm be<strong>ist</strong>eht. Oft <strong>ist</strong> es besser, wenn<br />

Lehrkräfte Fachleute aus der <strong>Schule</strong><br />

selbst oder aus anderen Institutionen heranziehen<br />

und diesen solche Gespräche<br />

überlassen.<br />

1 Vogt, I. / Fritz, J.: Alkoholabhängige Mütter und ihre<br />

Gefühle gegenüber ihren Kindern. In: Verhaltenstherapie<br />

und Psychosoziale Praxis, 38/2006, (1), S.17 – 38<br />

2 Zobel, M.: Kinder aus alkoholbelasteten Familien.<br />

Hogrefe, Göttingen 2000<br />

3 Klein, M. / Zobel, M.: Prävention und Frühintervention<br />

bei Kindern aus suchtbelasteten Multiproblemfamilien<br />

(1996 – 1999). RIAS, Mainz 2001<br />

P l u s p u n k t 4/2006 17

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