Wheelie_04_2009_6 23.03.2009 18:48 Uhr Seite 30 des Isoard. In einem Punkt unterscheiden sich die französischen Alpenpässe positiv von ihren berühmten Geschwistern in Österreich, der Schweiz oder in Südtirol: Von dem dortigen vor allem in den Ferienzeiten hektischen Treiben spürt man hier fast gar nichts. Allerdings stört auf den schmäleren, fein asphaltierten malerischen Sträßchen der Split, der, meist in den Kurven liegend, zur größten Vorsicht beim „Kurvenwalzer-Tanzen“ mahnt. Über Guillestre, St. Paul bis zum Fuße des Col de la Bonette, mit 2802 Höhenmetern der höchste Pass der gesamten Alpen, führt unsere Tagesroute. In Jausiers steuern wir ein Hotel an, welches uns „alte“ Herren plötzlich wieder zu jungen Hüpfern werden lässt. Nein, nicht das Hotel, sondern die Besitzerin, eine traumhaft schöne Spanierin, macht mir wackelige Beine, der Magen spielt Achterbahn und meine sonst recht redegewandte „Gosch“ scheint auszutrocknen. Tja, die französischen Alpen haben schon echt tolle Kurven zu bieten! Nicht unerwähnt möchte ich allerdings das höchst sonderbare Verhalten der Dorfbewohner lassen, die sich gemeinsam mit ihren Partnern zum Abendessen im Restaurant einfinden. Streng getrennt nach Madame und Monsieur nehmen sie an den Tischen Platz. Trotz freundlichem Gruß würdigen sie uns keines Blickes und wenn doch, darf man 30 WHEELIES Reisebericht – Französische Seealpen diesen, stark untertrieben, als unfreundlich bezeichnen. Hat sich bis hier noch nicht herum gesprochen, dass der Krieg schon über 60 Jahre zu Ende ist?! Am dritten Tag nehmen wir also den König der Pässe, den Col de la Bonette unter die Räder. Nach Benzingesprächen auf der Passhöhe mit einer Bikergruppe aus Tauberbischofsheim zieht es uns auf der „Route Imperiale“ weiter nach Süden. Schon wieder Split, der gegen mein Visier klatscht? Von wegen! Diese „Steinchen“ erweisen sich als sehr weich und es stellt sich heraus, dass mir die vorn fahrenden Jungs das dunkle Resultat des Verdauungsvorganges etlicher Bergschafe an die Birne schleudern. Wir wählen bei St. Sauveur sur Tinee die schlecht zu findende Abzweigung zum Col de la Cayolle. In Beuil, einem kleinen Bergkaff, gönnen wir uns die schon obligatorische Cappuccinopause. Diese wird gestört vom Lärm einiger PS-strotzender Sportwagen. Ein exklusiver Motorsportclub fährt hier London – Monte Carlo. Einige Kilometer weiter schauen diese kleinen Promis samt ihrer weiblichen Begleitung etwas bedröppelt aus der Wäsche, als sie den kompletten Pass, ohne Chance zum Überholen, hinter drei beladenen Vieh-LKWs herzuckeln müssen. Ein breites Grinsen unter dem Helm möchte ich an dieser Stelle nicht verleugnen. Respekt allerdings dem „Germanenrocker“, der oben am Cayolle mit kurzer Hose und T-Shirt die Aussicht genießt! Die Abfahrt vom Cayolle ist der mit Abstand übelste Streckenabschnitt unserer Tour. Uns zieht es zum Lac de Serre-Poncon. Bei einer Tankpause sehen wir am Dorfplatz die Männer Boule spielen. Von runden Dingen schon immer angezogen, schaue ich begeistert zu. Die haben die nötige Portion „Gemütlichkeit“ echt intus, stelle ich neidvoll fest. Kurt holt mich schnell wieder in die Realität zurück. Kilometer fressen ist angesagt. Dicke Wolken, gefüllt mit allerlei Feuchtigkeit, zwingen uns allerdings in Corps an der Route Napoleon zum Nachtlager. Der drohende Wetterumschwung ist, welch ein Graus, am nächsten Morgen mit fetten Regenschauern tatsächlich voll im Gange. So fällt unser weiter geplantes „Pässeblasen“ erstmals flach und wir
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