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Hochschulen als Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung

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5<strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> <strong>Motoren</strong><strong>der</strong> <strong>wirtschaftlichen</strong> <strong>Entwicklung</strong>3. Berliner BildungsdialogHochschulrektorenkonferenz und Veranstaltungsforum <strong>der</strong> VerlagsgruppeGeorg von HoltzbrinckBerlin, 27. September 2000Beiträge zur Hochschulpolitik 11/2001


Beiträge zur Hochschulpolitik 11/2001Herausgeben von <strong>der</strong>HochschulrektorenkonferenzRedaktion: Brigitte Goebbels, Ute GreitzkeAhrstraße 39, D-53175 BonnTel.: 0228-887-0Telefax: 0228-887110Internet: www.hrk.deBonn, August 20016


Nachdruck und Verwendung in elektronischen Systemen – auch auszugsweise – nurmit vorheriger schriftlicher Genehmigung <strong>der</strong> Hochschulrektorenkonferenz6


3InhaltVorwortProfessor Dr. Klaus Landfried, Präsident <strong>der</strong>Hochschulrektorenkonferenz 5Einführung:<strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> <strong>Motoren</strong> <strong>der</strong> <strong>wirtschaftlichen</strong> <strong>Entwicklung</strong>Professor Dr. Klaus Landfried,Präsident <strong>der</strong> Hochschulrektorenkonferenz 7Leistungsfähige Hochschule <strong>als</strong> Voraussetzung für einenwettbewerbsfähigen WirtschaftsstandortProfessor Dr. Dagmar Schipanski, Ministerin für Wissenschaft,Forschung und Kunst des Landes Thüringen 11Wissenstransfer zwischen <strong>Hochschulen</strong> und WirtschaftDr. Soenke Mehrgardt, Executive Vice President,Infineon Technologies AG, München 21Regionalökonomische Bedeutung von <strong>Hochschulen</strong>Dr. Wolfgang Flieger, Fachbereich Sozial- undWirtschaftswissenschaften, Universität Kaiserslautern 31<strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> Lieferanten innovativer AbsolventenProfessor Dr. Hans-Jürgen EwersPräsident <strong>der</strong> Technischen Universität Berlin 41<strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> Motor für ExistenzgründungenProfessor Dr. Achim Mehlhorn, Rektor <strong>der</strong> TechnischenUniversität Dresden 47Professor Dr. Gerhard Fettweis, Vorstand CTO,Systemonic AG, Dresden 55DiskussionMo<strong>der</strong>ation: Professor Dr. Klaus Landfried 59Seite3


Technologiezentren <strong>als</strong> Infrastruktur für InnovationenProfessor Dr. Jürgen Timm, Rektor <strong>der</strong> Universität BremenDr. Ing. Günther W. Diekhöner, geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter,Die Denkfabrik Forschungs- und <strong>Entwicklung</strong>s GmbH, Bremen 71Forschungskooperationen von Wirtschaft und WissenschaftProfessor Dr. Georg Obieglo 77Rektor <strong>der</strong> Fachhochschule ReutlingenDr. Horst Soboll, DaimlerChrysler AG, Stuttgart 83Innovationen durch QuerdenkerDr. Raimund Wegener, Abteilungsleiter,Fraunhofer Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik,Kaiserslautern 87DiskussionMo<strong>der</strong>ation: Dr. Werner A. Borrmann, Vice President Europe,A.T. Kearney, Düsseldorf 93SchlusswortProfessor Dr. Peter Frankenberg, Vizepräsident <strong>der</strong> Hochschulrektorenkonferenz,Bonn und Rektor <strong>der</strong> Universität Mannheim 101Teilnehmerverzeichnis 1094


VorwortBildung und Wissen, die <strong>Entwicklung</strong> von technischem know how, das Vorhandenseineiner ausreichenden Zahl hochqualifizierter Arbeitskräfte sindwichtige Faktoren für die wirtschaftliche <strong>Entwicklung</strong> und für die künftigeProsperität eines Landes. Diese Erkenntnis hat zu Beginn <strong>der</strong> sechziger Jahrezu erheblichen Anstrengungen geführt, die Bildungsbeteiligung und vorallem auch den Zugang zum Hochschulstudium zu steigern. Die gegenwärtigeDebatte über den Mangel an IT-Fachkräften zeigt, dass diese Bemühungenauch nach Jahrzehnten <strong>der</strong> Expansion des tertiären Bereichs fortgesetztwerden müssen.<strong>Hochschulen</strong> sind jedoch nicht nur gesamtwirtschaftlich ein wichtiger Faktor,die einzelne Hochschule ist auch ein bedeuten<strong>der</strong> Wirtschaftsfaktor inihrer Region: sie ist ein wichtiger Beschäftiger, die Hochschule selbst unddie Hochschulangehörigen entwickeln Kaufkraft und regen Handel undDienstleistungen an, aufgrund interessanter Forschungsergebnisse und hochqualifizierterAbsolventen sind Hochschulregionen interessante Standorte fürmobile Unternehmen, die dem Wirtschaftskreislauf vor Ort wie<strong>der</strong> neueImpulse geben.Es gibt eine Reihe von Hochschulregionen, in denen sich die Zusammenarbeitvon <strong>Hochschulen</strong> und örtlicher Wirtschaft hervorragend entwickelt hat.Hier findet ein Austausch von Wissen, Erkenntnissen, Personal zum Vorteilbei<strong>der</strong> Seiten statt. Aufgrund <strong>der</strong> guten Zusammenarbeit erwachsen aus den<strong>Hochschulen</strong> kleine innovative Unternehmen, die bald auf dem Markt Fußfassen und Nachahmer finden. Einige dieser beispielhaften Kooperationenzu zeigen und ihre Erfolgsfaktoren näher zu beleuchten, auch die Problemeanzusprechen, die entsprechenden Erfolgsmodellen zum Teil entgegenstehen,war Ziel des dritten Berliner Bildungsdialogs, <strong>der</strong> am 27. September2000 in Berlin stattfand.Die Hochschulrektorenkonferenz und die Verlagsgruppe Georg vonHoltzbrinck haben 1998 gemeinsam die Berliner Bildungsdialoge ins Lebengerufen. Sie stellen ein Diskussionsforum zu zukunftsrelevanten Themen imHochschulbereich dar, das ausgewählte Entscheidungsträger aus Wissenschaft,Wirtschaft und Politik zu einem intensiven Erfahrungs- und Informationsaustauschzusammenführt.5


Wie bereits in den Vorjahren entwickelte sich ein höchst lebhafter Meinungsaustauschzwischen den Teilnehmern, <strong>der</strong> uns ermuntert, den Dialogregelmäßig weiterzuführen.Die HRK dankt dem Veranstaltungsforum <strong>der</strong> Verlagsgruppe Holtzbrinck,Arthur An<strong>der</strong>son, Wirtschaftsprüfungs- und SteuerberatungsgesellschaftmbH, Köln, A.T. Kearney GmbH Düsseldorf, Infineon Technologies AG,München, und dem DIHT für die Zusammenarbeit und Unterstützung bei<strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Veranstaltung.Bonn, Juli 2001Professor Dr. Klaus LandfriedPräsident <strong>der</strong> Hochschulrektorenkonferenz6


<strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> <strong>Motoren</strong> <strong>der</strong> <strong>wirtschaftlichen</strong><strong>Entwicklung</strong>Professor Dr. Klaus Landfried,Präsident <strong>der</strong> Hochschulrektorenkonferenz, BonnEs war einmal ein deutscher Stammtisch von Leuten, die reisten zwar viel zusonnigen Stränden, wussten aber nichts über die <strong>Hochschulen</strong> an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong>o<strong>der</strong> über die zuhause. Dennoch sprachen sie davon, dass man zweiMilliarden in den Hochschulbereich werfen könne und es nicht einmal"plumps" mache. Sogar in den Medien konnte man es hören und lesen. DieWirklichkeit ist an<strong>der</strong>s. Nicht nur, dass den <strong>Hochschulen</strong> auf Grund einerkleinlichen bürokratischen Gängelung, aus <strong>der</strong> sie sich nun - län<strong>der</strong>weiseunterschiedlich - Schritt für Schritt lösen, und auf Grund gesetzlich festgelegter,allzu umständlicher Entscheidungsstrukturen die Hände gebundenwaren, ihre Mittel, auch zusätzliche Mittel, optimal zu verteilen und einzusetzen.Die positiven Effekte, die von <strong>Hochschulen</strong> trotz aller Schwierigkeitenauf die wirtschaftliche <strong>Entwicklung</strong> des Landes wie <strong>der</strong> Region ausgehen,wurden und werden unterschätzt. Sicherlich gab es immer schon Vermutungen,dass <strong>Hochschulen</strong> Wachstumsfaktoren seien. Sonst wären dieGründungen neuer <strong>Hochschulen</strong> in den sechziger o<strong>der</strong> siebziger Jahren,vereinzelt aber auch noch heute, nicht zu erklären. Die Vorstellungen, inwelchem Umfang und auf welche Art und Weise <strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> Motor <strong>der</strong><strong>wirtschaftlichen</strong> <strong>Entwicklung</strong> dienen, waren aber eher verschwommen. DieFinanzpolitiker jedenfalls entziehen sich bis heute <strong>der</strong> Erkenntnis, dass Ausgabenfür den Hochschulbereich Zukunftsinvestitionen sind.Um das wirtschaftliche Potential etwas genauer auszuloten, mit diesemPfund auch zu wuchern und um auch überzeugende Argumente gegen dieKürzungsmentalität in einigen Län<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Hand zu haben, haben Wissenschaftlerin den letzten Jahren eine Reihe von Untersuchungen vorgenommen,die nähere Aufschlüsse über die tatsächlichen ökonomischen Effektegeben. Diese Studien haben folgendes gezeigt:- Von den speziellen Ergebnissen des "Produktionsprozesses" <strong>der</strong> <strong>Hochschulen</strong>,<strong>der</strong> Produktion von neuem Wissen und Können gehen wichtigeökonomische Effekte aus. Durch Innovationen aus <strong>der</strong> Forschung entstehenneue Produkte und Dienstleistungen, d.h. neue Arbeitsplätze.- <strong>Hochschulen</strong> produzieren hochqualifizierte Arbeitskräfte. Gerade <strong>der</strong>Mangel an IT-Fachleuten, den wir zur Zeit beklagen, zeigt uns, welch7


ein Standortfaktor die Existenz einer Hochschule für ein mobiles Unternehmensein kann, das überlegt, wo es sich günstigerweise nie<strong>der</strong>lassensollte.- Auch die durch Kooperation von Unternehmen mit einer Hochschuleo<strong>der</strong> durch Startups mögliche Gewinnung von neuen Erkenntnissen,lässt sich wirtschaftlich nutzen. Wissen und Können von Mitarbeiternsind für die Kapitalisierung des Unternehmens wichtiger <strong>als</strong> Geld.- <strong>Hochschulen</strong> sind wichtige Beschäftiger. Sie ziehen weitere Institutionennach sich, die ebenfalls wie<strong>der</strong> Arbeitsplätze schaffen. Ich erwähnenur die Technologieparks.- Diese Institutionen und ihre Beschäftigten entwickeln Kaufkraft, fragenGüter und Dienstleistungen nach und beleben damit die Wirtschaft einerRegion. Auf Grund direkter, indirekter und induzierter Nachfrageeffekteim regionalökonomischen Wirtschaftskreislauf entstehen Umsätze, Einkommenund Arbeitsplätze, die die Ausgaben für den Hochschulbereichum eine Vielfaches übertreffen. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Ausgaben für denHochschulbereich sind auch regionale Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung.- Für strukturschwache Regionen spielen <strong>Hochschulen</strong> deshalb eine existentielleRolle, handele es sich hierbei um Ruhrgebiet o<strong>der</strong> Saarlandnach dem Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> Zechen, um Westpfalz o<strong>der</strong> bayerische Oberpfalznach dem Abzug <strong>der</strong> dominierenden alliierten Streitkräfte, umKüstenregionen, die unter den Problemen von Fischfang und Werftindustrieleiden o<strong>der</strong> um Regionen in den jungen Län<strong>der</strong>n, die noch nichtüber einen wettbewerbsfähigen Mittelstand samt Infrastruktur verfügen.Aber natürlich sind <strong>Hochschulen</strong> nicht nur für benachteiligte Regionenwichtig. Gerade in prosperierenden Regionen sind sie wichtige Drehscheibenzur Verteilung rentablen Wissenskapit<strong>als</strong>, in welcher Formauch immer.- Auch die Kulturelle Ausstrahlung von <strong>Hochschulen</strong> stärkt über einehöhere Lebensqualität die wirtschaftliche Anziehungskraft einer Region.Vor diesem Hintergrund muss es schon sehr verwun<strong>der</strong>n, dass das Bundesfinanzministeriumerst jetzt eine Studie in Auftrag geben muss, die die Frage,ob es sich bei Ausgaben für den Hochschulbereich um "verlorene" konsumptiveAusgaben o<strong>der</strong> aber - wie in <strong>der</strong> Wissenschaft schon lange klar - umInvestitionen handelt, klären soll. Positiv ist aber zu bewerten, dass die Politik,unabhängig von <strong>der</strong> Klärung dieser haushaltssystematischen Frage, in-8


zwischen zu erkennen scheint, dass Schul- und Hochschulbereich nicht längergeeignet sind, um Finanzlöcher zu schließen. Dies zeigen sowohl diePläne <strong>der</strong> Bundesregierung, Zinseinsparungen infolge <strong>der</strong> UMTS-Einnahmen vor allem auch für Bildung und Forschung zu verwenden, <strong>als</strong>auch die Tatsache, dass einige Landesregierungen spürbar mehr Geld inBildung und Forschung investieren.Dankbar freue ich mich über das Engagement so vieler herausragen<strong>der</strong> Referentenwie Diskussionsteilnehmer. Denn für die Zukunft bedeutsam wird vorallem die Frage, wie wir die positiven Effekte optimieren, wie wir das Potentialvon Hochschule und Wirtschaft noch gewinnbringen<strong>der</strong> einsetzen können.Dem Veranstaltungsforum Holtzbrinck, lieber Herr Dr. Wilkes, sei erneut -denn dies ist unser dritter gemeinsamer "Berliner Bildungsdialog" - für diefruchtbare Zusammenarbeit herzlich gedankt, ebenso den Unternehmen, die<strong>als</strong> Sponsoren die Veranstaltung nachhaltig unterstützen, nämlichA.T.Kearney, Arthur An<strong>der</strong>sen, Infineon technologies und dem DIHT, <strong>der</strong>uns freundlicherweise seine Räume zur Verfügung stellt.Ich wünsche uns allen aufschlussreiche Vorträge, eine fruchtbare Diskussionund neue Erkenntnisse darüber, wie wir noch erfolgreicher die f<strong>als</strong>chenParolen des "Es war einmal" - Stammtischs wi<strong>der</strong>legen können.9


Leistungsfähige Hochschule <strong>als</strong> Voraussetzung für einenwettbewerbsfähigen WirtschaftsstandortProfessor Dr. Dagmar SchipanskiMinisterin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes ThüringenDieser Bildungsdialog, den Sie hier in Berlin veranstalten, ist für mich einegroße Freude. Es liegt mir sehr viel daran, dass Wirtschaft und Wissenschaftnicht nur in Dialog kommen, son<strong>der</strong>n auch in Dialog bleiben, und dass wirvoneinan<strong>der</strong> lernen, um die Probleme, die auf uns zukommen, gemeinsambewältigen und auch Neues gemeinsam gestalten zu können. Eine Abgrenzungzwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist notwendig, auch Voraussetzungfür ein entsprechendes Weiterkommen bei<strong>der</strong> Bereiche. Aber beideBereiche können sich nicht losgelöst voneinan<strong>der</strong> weiterentwickeln, son<strong>der</strong>nsie sind stark miteinan<strong>der</strong> verbunden, was we<strong>der</strong> Einmischung noch Bevormundung<strong>der</strong> Universität bedeuten soll und darf, son<strong>der</strong>n gegenseitige Befruchtungund gegenseitigen Meinungsaustausch."Leistungsfähige Hochschule für einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort",so lautet <strong>der</strong> Titel meines Referates. Ich will dies am BeispielThüringens erläutern. 1993 konnte man Thüringen <strong>als</strong> praktisch deindustrialisiertbezeichnen. Die vorher vorhandenen Industriebetriebe in den verschiedenenZweigen – Wirtschaft, Elektronik, Maschinenbau, Feingeräte,Optik - waren alle auf Grund ihrer Struktur in <strong>der</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong>Beschäftigten, die ja Vollbeschäftigung entsprach, nicht wettbewerbsfähig.Und zum an<strong>der</strong>en war die Ausrüstung <strong>der</strong> Betriebe nicht auf dem Stand <strong>der</strong>Zeit. Parallel zum Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> Industrie erfolgte die Umstrukturierung<strong>der</strong> Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in Thüringen unter Beratungvon Hochschulrektorenkonferenz, Deutscher Forschungsgemeinschaft unddes Wissenschaftsrates. Dieser Prozess ging seit 1990 vor sich. Und es isteine <strong>der</strong> Erfolgsseiten des deutschen Einigungsprozesses für die neuen Bundeslän<strong>der</strong>insgesamt.Soviel zu den regionalen Gegebenheiten. Wie sah es aber in <strong>der</strong> internationalen<strong>Entwicklung</strong> aus? Die internationale <strong>Entwicklung</strong> ist in den letzten Jahrendurch den Übergang von <strong>der</strong> Industrie- zur Wissensgesellschaft gekennzeichnet.Es gibt unendlich viele Definitionen über Wissensgesellschaft. Ichwill keine weitere Definition versuchen. Aber ich möchte wenigstens einigeCharakteristika benennen. Bekanntlich arbeiten <strong>der</strong>zeit so viele Wissenschaftlerweltweit, wie in den letzten 2000 Jahren zusammengenommen.Und Sie wissen auch, dass täglich ungefähr 20.000 wissenschaftliche Publi-11


kationen erscheinen. Das heißt, das Wissen unserer Zeit vermehrt sich ineiner ungeheuren Vielfalt. Wissensbereitstellung alleine heißt noch nicht,dass wir es auch nutzen können. Vor uns liegt die Aufgabe, dieses Wissenauch wirklich zu unserem eigenen Wissen zu machen und in Produkte umzusetzen.Und eines dieser Produkte ist in den vergangenen Jahren das Internetgewesen, das vor elf Jahren sozusagen eingeführt wurde und jetzt eineweltweite Nutzung erfahren hat, die ganz neue ungeahnte Möglichkeitenbietet.Ich komme damit zu dem vierten Punkt, <strong>der</strong> in den letzten zehn Jahren entscheidendwar und <strong>der</strong> auch auf unsere <strong>Entwicklung</strong> wesentlichen Einflussgenommen hat. Das ist die Globalisierung. Unter diesen Voraussetzungenmussten wir in Thüringen eine strukturelle Umwandlung vornehmen. HerrLandfried hat vorhin darauf hingewiesen, dass man oft auf die Wissenschaftslandschaftzurückgreift und versucht, durch wissenschaftlicheSchwerpunkte die Wirtschaft in den Regionen zu beleben. Genau das habenwir gemacht, und zwar unter dem Vorzeichen <strong>der</strong> Globalisierung. Es heißt ineiner Broschüre, die <strong>der</strong> Rat für Forschung, Technologie und Innovation <strong>der</strong>vorigen Bundesregierung erarbeitet hat und dessen Mitglied ich war: "Diezunehmende Globalisierung <strong>der</strong> Wirtschaft ist die Konsequenz eines andauerndenIntegrationsprozesses <strong>der</strong> Weltmärkte zu einem Weltbinnenmarkt.Globalisierung bedeutet dabei internationale Arbeitsteilung, Wettbewerbsfähigkeitund Standortoptimierung. Kompetenz in diesem Prozess bedeutetWissen, Erfahrung und Urteilskraft für die verschiedenen Bereiche in Wirtschaft,Wissenschaft, Verwaltung und Gesellschaft. Kompetenz dieser Artkann aber immer weniger durch einzelne Akteure bereitgestellt werden. Wirbrauchen, um kompetent zu sein in diesem Wettbewerb, Netzwerkstrukturen,die zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Bildung und Mediengeknüpft werden müssen." Wir sind dam<strong>als</strong> schon von <strong>der</strong> Tatsache ausgegangen,dass wir im Zusammenhang mit den Lösungsstrategien, die wir fürdie Zukunft entwickeln müssen, auf sogenannte Kompetenzcluster o<strong>der</strong>Kompetenzzentren zurückgreifen werden. Unter solchen Kompetenzclusternverstehen wir Netzwerke zwischen Universitäten, Fachhochschulen, außeruniversitärenForschungseinrichtungen und mit den Unternehmen. Das kannin Regionen sein, das kann in Städten sein. Das kann zwischen verschiedenenLän<strong>der</strong>n sein. Aber wichtig ist, dass dort verschiedene Kompetenzen ausverschiedenen Disziplinen und auch aus unterschiedlichen Technologiebereichen,aus unterschiedlichen Produkt- und Produktionsbereichen, zusammengefasstwerden. Das heißt, dass in diesen Clustern die Erforschung, die<strong>Entwicklung</strong>, die Produktion, die Vermarktung bis zu den Zuliefererstrukturenzusammengefasst werden. Wir in Thüringen versuchen ganz konsequentdurch gezielte Politik in <strong>der</strong> <strong>Hochschulen</strong>twicklung und in <strong>der</strong> <strong>Entwicklung</strong>12


von außeruniversitären Forschungszentren solche Kompetenzzentren zubilden. Wir müssen Lösungen für ganz unterschiedliche Problemstellungensuchen. Ich will Beispiele nennen: Wir brauchen Lösungen für die wachsendenUmweltbelastungen. Wir brauchen Lösungen für die Verkehrsproblemein Ballungsräumen. Und wir brauchen Lösungen für die Wissensgesellschaft,für die Bildung in <strong>der</strong> Wissensgesellgesellschaft.Als Beispiel für solche Kompetenzzentren wird immer wie<strong>der</strong> das SiliconValley genannt. In den letzten Jahren haben sich hier in Deutschland aberauch mehrere Kompetenzzentren gebildet, eins bei Karlsruhe, übergreifendnach Straßburg, für Nanotechnologien, die Region Aachen ist ebenso einsehr gutes Beispiel für ein solches Zusammenwirken, die Region um München,Martinsried, mit <strong>der</strong> Biotechnologie. Und ich möchte auch nicht zuletztdie Region Jena nennen, die in Thüringen ausstrahlt, mit Biotechnologieund Softwaretechnologien. Das Kernstück dieser Kompetenzzentren sinddie Universitäten und die Fachhochschulen. Denn Nachwuchs und Fachkräftefür solche Regionen werden in den Universitäten und in den Fachhochschulenausgebildet. Wichtig ist aber auch, dass ein Netzwerk zur Industriehin existiert, dass diese Fachkräfte auch adäquat eingesetzt werden könnenund dass eine Rückkopplung zur Forschung und Ausbildung in <strong>der</strong> Universitätstattfindet.Wir haben uns in Thüringen von Anfang an davon leiten lassen, dass wirnicht in <strong>der</strong> Lage sein werden, die vorhandenen Kapazitäten <strong>der</strong> Universitätenund <strong>Hochschulen</strong> jeweils zu Volluniversitäten auszubauen. So stellt sichjetzt nach zehn Jahren die <strong>Entwicklung</strong> so dar, dass wir vier Universitätenhaben, eine Universität in Jena, die ich <strong>als</strong> Volluniversität im HumboldtschenSinne bezeichnen würde, die in diesen letzten zehn Jahren eine ganzenorme <strong>Entwicklung</strong> genommen hat. Sie konzentriert sich auf die Naturwissenschaften,die Geisteswissenschaften, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftenwurden neu aufgebaut. Und dieser Neuaufbau von Geistes-, WirtschaftsundSozialwissenschaften hat dazu geführt, dass sich dort von Anfang aneine sehr enge interdisziplinäre Zusammenarbeit an <strong>der</strong> Universität etablierthat. Und von dieser engen interdisziplinären Zusammenarbeit profitiert sowohl<strong>der</strong> Student <strong>als</strong> auch die mit <strong>der</strong> Universität kooperierende Wirtschaft.Es ist eine Fachhochschule in Jena gegründet worden, die sich auf die praxisnaheAusbildung für Industriezweige konzentriert, die noch in dieserRegion vorhanden waren. Ich habe vorher gesagt, wir waren deindustrialisiert.In Jena betraf das die Abwicklung von sehr großen Teilen von Zeiss.Es ist aber ein Kernbereich von Zeiss erhalten geblieben und Lothar Späthhat mit <strong>der</strong> Jenoptik ein völlig neues Unternehmen gegründet. Es war diewechselseitige Befruchtung eines neuen Unternehmens – <strong>der</strong> Jenoptik – und13


einer Universität, die gerade reorganisiert wurde, die zu diesem innovativenKlima wesentlich beigetragen hat. Es waren in Jena Teile <strong>der</strong> Pharmaindustrie,die von Schering übernommen worden sind. Und es ist auch noch Schottübernommen worden. Sie sehen, dass diese Konzepte aufgehen können,wenn noch ein bestimmtes Industriepotential vorhanden ist.Eine weitere Universität, die wir in Thüringen rekonstruiert und neu gegründethaben, ist die Bauhaus-Universität Weimar. Diese Universität lebt davon,dass sie sich ein völlig neues Konzept gegeben hat, die Verbindung vonArchitektur und Kunst, die Verbindung von Baustofftechnologie, Bauwesenzur Architektur, aber auch zur Kunst, zum Design und zum mo<strong>der</strong>nen Konstruieren.Die Computertechnologien sind von Anfang an an dieser Universitätfest installiert und integriert worden, so dass dort eine neuartige Aufgabenstellungentstanden ist, <strong>der</strong> sich diese Universität mit sehr viel Forschungspotentialwidmet. Die TU in Ilmenau ist vollständig umorganisiertworden, mit Schwerpunkten auf Informationstechnologien und auf neueMedien. Wir haben <strong>als</strong>o versucht, alle neuen <strong>Entwicklung</strong>en, die sich Anfang<strong>der</strong> 90er Jahre abzeichneten, aufzunehmen in Studiengängen, die eineVerbindung hatten zwischen Technik und Wirtschaft, Wirtschaftsingenieurwesen,Wirtschaftsinformatik. Wir haben aber auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite auchVerbindung aufgenommen zwischen Computerdesign, zwischen Softwaretechnologienund Kommunikationswissenschaften, um von vornherein gewappnetzu sein für <strong>Entwicklung</strong>en, die sich dam<strong>als</strong> abzeichneten. Die UniversitätErfurt wurde neu gegründet <strong>als</strong> geisteswissenschaftliche Universität,<strong>als</strong> eine Reformuniversität, die insbeson<strong>der</strong>e die Reformierung des geisteswissenschaftlichenStudiums zum Inhalt hat. Ich sage immer etwas ketzerisch,das ist die Reformuniversität für die alten Bundeslän<strong>der</strong>, denn sie solleine Reformuniversität sein für die Universitäten, die ihren Schwerpunkt inden Geisteswissenschaften haben. Ich glaube, sie ist auf einem guten Wegedahin, indem sie neue Studienabschlüsse anbietet, indem sie auch ein strukturiertesgeisteswissenschaftliches Studium anbietet, indem sie mit einem"Studium fundamentale" beginnt, das für verschiedene Geisteswissenschaften<strong>als</strong> Grundlage genommen wird.Für den Wirtschaftsstandort Thüringen war das nicht die herausragendeUniversität. Aber sie entwickelt sich immer mehr zu einem integralen Bestandteilin Thüringen. Und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite belebt Konkurrenz dasGeschäft. Die Konkurrenz zwischen Erfurt und Jena bringt ganz neue Ideenauf beiden Seiten hervor.Die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Hochschulen</strong> in Thüringen besteht darin, dass siesich Profile gegeben haben, und dass diese Profile einan<strong>der</strong> ergänzen. Und14


das Ganze wird ergänzt durch eine Netzwerkstruktur und durch Forschungsverbündezwischen den Universitäten und durch Verbundstudiengänge. ZumBeispiel ist <strong>der</strong> Studiengang Werkstoffwissenschaften neu eingerichtet worden.Man kann sich für diesen Studiengang sowohl in Jena, <strong>als</strong> auch inWeimar, <strong>als</strong> auch in Ilmenau immatrikulieren lassen, man erhält ein gemeinsamesGrundstudium, das über das Netz übertragen wird und man kann sichdann im Fachstudium auf unterschiedliche Bereiche konzentrieren. Dasentspricht den Profilen Werkstoffe in <strong>der</strong> Bauindustrie, naturwissenschaftlicheGrundlagen für mo<strong>der</strong>ne Werkstoffe und technische Bearbeitung fürWerkstoffe an <strong>der</strong> Technischen Universität in Ilmenau. Wir haben versucht,aus dem Potential, das wir in Thüringen hatten, eine Verbundstruktur zuschaffen, damit diese in ganz Thüringen und von <strong>der</strong> Wirtschaft genutztwerden kann.Ergänzt werden diese vier Universitäten durch vier Fachhochschulen, die inErfurt, Jena gegründet worden sind. In Schmalkalden wurde eine Fachhochschuleaus einer Ingenieurschule neu gebildet und Nordhausen ist eine Neugründung.Die Fachhochschulen sind bewusste Gründungen in strukturschwachenRegionen, weil wir uns davon einen Einfluss auf die Regionversprechen. Jede Universität und jede Fachhochschule hat ein Transferzentrum.Und in Campusnähe befindet sich ein Technologie- und Grün<strong>der</strong>zentrum.Das ist das Grundkonzept, das wir für die Wechselwirkung zwischenWissenschaft und Wirtschaft aufgebaut hatten, auch ein Grundkonzept, vondem wir annahmen, dass sich die wissenschaftlichen Potentiale dieser Universitätenund Fachhochschulen positiv auf die Wirtschaft auswirken werden.Diese Universitäten und Fachhochschulen werden ergänzt durch außeruniversitäreForschungseinrichtungen. Damit möchte ich dann die Aufzählungbelassen. Wir haben ein Fraunhofer-Institut, drei Max-Planck-Institute, diealle in Jena konzentriert sind. Wir haben vier Landesinstitute, die in Ilmenau,Jena, Erfurt und in Heiligenstadt sind. Dazu kommt noch ein Institut <strong>der</strong>Blauen Liste. In Thüringen waren vor <strong>der</strong> Wende fünf Prozent <strong>der</strong> Forschungskapazitäten<strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften. Es gab eine sehrgroße Diskrepanz und Disproportion. Wir haben es bis heute noch nichtgeschafft, diese Disproportion aufzuholen. Aber wir bemühen uns darum.In Jena sind nunmehr 17.000 Studenten. Und diese 17.000 Studenten bildendas Potential für die Betriebe in Jena. Sie bilden aber auch das Potential fürAusgründungen, die in Jena eine wesentliche Rolle spielen. Es haben sichdurch den Aufbau von den Technologie- und Grün<strong>der</strong>zentren sehr vielekleine Startups gebildet. Und diese Startups leben von den Erkenntnissen15


und vom wissenschaftlichen Austausch und teilweise auch von den Geräten,die an <strong>der</strong> Universität und an außeruniversitären Instituten vorhanden sind.Es ist aber, das muss ich an dieser Stelle betonen, nicht allein dieses Klimazwischen den Startups, <strong>der</strong> Wirtschaft und <strong>der</strong> Universität, es gehört dazuein gutes Marketing. Ohne ein gezieltes Marketing auf <strong>der</strong> ganzen Welt füreine Region wäre ein solcher Aufschwung nicht möglich gewesen. Ich habevorhin gesagt, wir versuchen systematisch an allen Universitäten und Fachhochschulendurch diese Grün<strong>der</strong>zentren diese Verbindung zu stärken. Aberso ein selbsttragen<strong>der</strong> Aufschwung, wie er jetzt in Jena zu verzeichnen ist,hängt auch damit zusammen, dass die Marketingaktivitäten einer ganzenRegion dort gebündelt sind und sich dadurch auch Startups bilden, die wie<strong>der</strong>Zulieferer für die bestehende Industrie sind, und die auch untereinan<strong>der</strong>schon kooperieren. Die Startups in <strong>der</strong> Biotechnologie haben sich in denletzten Jahren über die Vermarktung weltweit etabliert. Es sind darunterfünf, die mittlerweile zur Börse gegangen sind. Und das sind Startups, diesich aus <strong>der</strong> Universität und aus den außeruniversitären Forschungszentrengebildet haben.Was hat das Ministerium dazu getan, denn es geht ja um die Forschungspolitik?Von uns aus gibt es bestimmte Forschungsprogramme. Die för<strong>der</strong>n dieVerbundforschung zwischen den <strong>Hochschulen</strong> und <strong>der</strong> Industrie. Dabeilegen wir Wert darauf, dass Produktideen geför<strong>der</strong>t werden, das heißt, Ideen,die zu Produkten führen können. Wir haben dies auch evaluiert. Die Forschung,die in den letzten Jahren geför<strong>der</strong>t worden ist, hat dazu geführt, dasssich durch Verbundprojekte ungefähr 30 Startups gebildet haben. Wir habenzusätzlich ein Programm, "get up", das die Generierung von technologieorientiertenUnternehmen för<strong>der</strong>t. Hier wird die Produktidee mit <strong>der</strong> Erstellungeines Businessplanes verbunden. Und es ist uns gelungen, die wirtschaftswissenschaftlichenFakultäten unserer Universitäten dafür zu gewinnen, dasssie bei diesen Businessplänen Unterstützung leisten. Das geht so weit, dassmittlerweile ein Lehrstuhl für Existenzgründung an <strong>der</strong> Fachhochschule inErfurt eingerichtet worden ist. Der nächste soll an <strong>der</strong> Fachhochschule inSchmalkalden entstehen. Wesentlich war aber auch, dass sich an <strong>der</strong> UniversitätJena ein Professor voll dafür eingesetzt hat, in <strong>der</strong> Forschung, Existenzgrün<strong>der</strong>seminaredurchzuführen, und mit seinen Mitarbeitern die Businessplänezu begleiten.Das Ministerium gibt gezielt Geld in solche Aktivitäten. Und sie werdennicht immer nur von uns initiiert, son<strong>der</strong>n die Mitarbeiter aus den Universitätenkommen zu uns mit ihren Ideen. Wir haben einen Fond für solche kreativenIdeen bereitgestellt. Die besten werden durch Begutachtung ausgewähltund geför<strong>der</strong>t.16


Auf diese Weise haben sich in den letzten Jahren die Existenzgrün<strong>der</strong>initiativenin Jena sehr stark entwickelt. Allen bekannt ist die Intershop. Die Intershopist ein Technologieunternehmen, das mittlerweile weltweit agiert, dasan<strong>der</strong>e Betriebe in vielen Teilen <strong>der</strong> Welt aufkauft, das aber seinen Sitz nachwie vor in Jena hat. Wir haben mit dieser Intershop auch von Seiten <strong>der</strong>Forschungseinrichtungen <strong>der</strong> Universitäten sehr enge Verbindungen. Ichnenne Intershop immer <strong>als</strong> ein Beispiel um zu zeigen, wie die jungen Leutemit ihrer Region verwurzelt sind. Sie sind neulich zu uns gekommen undhaben gefragt, wie man eine Stiftung gründet. Und wir haben es ihnen erläutert.Darauf hat Intershop eine Stiftung eingerichtet mit einer Stiftungsprofessurfür e-commerce an <strong>der</strong> Universität Jena. Und sie haben eine Stiftungeingerichtet, um die Kulturellen und infrastrukturellen Aktivitäten in ihrerRegion entsprechend unterstützen zu können. Das heißt, dass auch die Wirkung,die die Universitäten in die Gesellschaft entfalten, aufgenommen wirdvon <strong>der</strong> Wirtschaft, so dass sich daraus ein bestimmtes Verbundensein entwickelthat.Ein weiterer Punkt, <strong>der</strong> von uns initiiert worden ist, sind Ringvorlesungenauf dem Gebiet von Existenzgründung, die an allen Universitäten angebotenund auch übers Netz übertragen werden. Diese Ringvorlesungen finden nachFeierabend statt, damit aus Betrieben o<strong>der</strong> Instituten Leute daran teilnehmenkönnen, die vielleicht Ideen haben und sich ausgründen wollen. Eine Bilanzdieser Ausgründungen: Es sind in <strong>der</strong> Region Ilmenau in den letzten 10Jahren ungefähr 100 Ausgründungen erfolgt. Sie haben 700 Arbeitsplätzegeschaffen. Bei dem Businesswettbewerb, den wir in den vergangenen Jahrendurchgeführt haben, sind 35 Unternehmen mit 130 Arbeitsplätzen geschaffenworden. Und wir haben jetzt 31, die im Plan sind. Es sind 270 Arbeitsplätzegeplant.Ich habe bei dieser ersten Aufzählung bewusst darauf orientiert, dass dieUniversitäten und Fachhochschulen eingebunden sein müssen in ein bestimmtesinnovatives, in ein kreatives Klima, damit sie wirklich auch ihreAktivitäten voll entfalten können. Was sehe ich nun <strong>als</strong> wichtig an und <strong>als</strong>wesentlich? Wie müssen die Universitäten selbst gestärkt werden, wie müssensie strukturiert sein, damit sie so leistungsfähig sein können? Wichtig ist,dass die Entscheidungskompetenz in die <strong>Hochschulen</strong> übertragen wird. Dasheißt, Entscheidungskompetenzen über Forschungsrichtungen, die aufgenommenwerden, Entscheidungskompetenzen auch über die Einrichtung vonneuen Studiengängen. Das hat sich sehr positiv bei uns ausgewirkt. Wirhaben jetzt z.B. einen Antrag auf Bioinformatik. Wir haben im übrigen seit1990 alle Informatikvarianten vorgehalten und haben jetzt das Echo, dassdiese vorgehaltenen Kapazitäten verstärkt angenommen werden.17


Es gehört dazu die Stärkung <strong>der</strong> Stellung von Rektoren und Dekanen. In den<strong>Hochschulen</strong> brauchen wir transparente Entscheidungsstrukturen, aber auchLeute, die letzten Endes sagen, ja, so wird es gemacht. Ich weiß, dass ichdamit nicht unbedingt immer sehr viel Beifall ernte, wenn ich an Universitätenselbst bin. Wir haben neue Formen effizienter Hochschulorganisationgestartet im Thüringer Hochschulgesetz. Die Universitäten und Fachhochschulenkönnen für bestimmte Programme Anträge stellen. Die UniversitätErfurt hat das ganz konsequent genutzt. Wir haben jetzt in den neuen Haushaltsverhandlungenerreicht, dass eine weitgehende Flexibilisierung desHaushaltes für alle Universitäten und Fachhochschulen durchgesetzt wordenist. Beson<strong>der</strong>s wichtig ist dabei die jährliche Übertragbarkeit. Wir habenjetzt Zweijahreshaushalte, so dass für zwei Jahre Planungssicherheit gegebenist. Ich würde mir eine noch größere Planungssicherheit wünschen, aber damuss ich noch einen harten Kampf mit dem Finanzminister ausfechten.Wichtig ist auch die aktive Aufnahme aller Internetmöglichkeiten, denn dieMedienstudiengänge selbst und auch die Vernetzung <strong>der</strong> Universitäten untereinan<strong>der</strong>haben eine sehr hohe Effizienzsteigerung bewirkt, auch im Informationsaustausch.Wir haben an diese Netze teilweise die klein- undmittelständischen Betriebe mit angeschlossen, so dass sie partizipieren könnenan unserem Meinungs- und Gedankenaustausch. Ein weiterer Punkt sindHochschulräte, die in Thüringen eingerichtet worden sind, in denen Vertreter<strong>der</strong> Wirtschaft sitzen.Ebenso eingebunden sind die Industrie- und Handelskammern. Es hat sicheine sehr kreative Mischung ergeben, die eben ihre Erfolge zeigt. Entscheidendist auch, dass eine leistungsfähige Lehre an diesen <strong>Hochschulen</strong> aufgebautworden ist. Die Hinwendung zum Studenten spielt eine große Rolle.Wir haben auch die Praxis in das Studium integriert. Ich habe gestern Abendeinen Studenten begrüßen können, <strong>der</strong> ein halbes Jahr bei DaimlerChryslerin Peking gearbeitet hat. Das war sein Fachpraktikum. Und er ist jetzt wie<strong>der</strong>zurückgekommen, um noch ein Semester Vorlesungen zu hören und seineDiplomarbeit zu schreiben. Er spricht fließend englisch, hat eine an<strong>der</strong>eKultur kennen gelernt und hat den Praxisbezug, weil er dort SAP umgesetzthat. Diese praxisintegrierten Bestandteile des Studiums sind für mich nachwie vor ein wesentlicher Vorteil <strong>der</strong> Studienstrukturen in Thüringen.Ein weiterer Punkt, den wir beför<strong>der</strong>n, ist, dass auch die Geistes- und Sozialwissenschaftenin die Problemstellungen mit einbezogen werden. Ichmöchte <strong>als</strong> Beispiel, das wir angeregt haben, das Ethikzentrum an <strong>der</strong> UniversitätJena nennen. Es gibt Ethiklehrstühle in verschiedenen Fakultäten zuverschiedenen Fachgebieten. In Jena hat sich ein Zentrum für Biotechnolo-18


gie und Gentechnologie herausgebildet. Diese Forschungen sollen ethischbegleitet werden durch dieses Bioethikzentrum.Mit einem neuen Gesetz wollen wir die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Hochschulen</strong>weiter stärken. Die <strong>Hochschulen</strong> sollen in die Lage versetzt werden, Weiterbildunggegen Studiengebühren anzubieten. Sie sollen ein Weiterbildungsangebotfür die Region aufbauen, auch ein Weiterbildungsangebotdirekt mit Wirtschaftsbetrieben, damit sie wissen, was die Wirtschaft for<strong>der</strong>t,und zum an<strong>der</strong>en die Wirtschaft etwas über die neuen Forschungsergebnissean den <strong>Hochschulen</strong> erfährt. Wichtig ist, dass man Weiterbildung gegenBezahlung macht, damit die Hochschule Mittel einwerben kann, um auchihre eigene Ausstattung, z.B. die Computerausstattung, zu verbessern. Dazuist <strong>der</strong> Staat finanziell nicht allein in <strong>der</strong> Lage.Nicht allein durch die Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Politik wird diese kreativeMischung verursacht. Wichtig ist es, dass dieser Rahmen auch ausgenutztwird, dass er von den Professoren erkannt wird und sie ihn entsprechendauszunutzen und Schwerpunkte zu setzen. Ich habe den Eindruck, dass durchdie Umstrukturierung in den letzten Jahren und durch den Neuaufbau <strong>der</strong>Universitäts- und Forschungslandschaft in Thüringen eine sehr kreativeMischung von Professoren und Nachwuchswissenschaftlern aus Ost undWest entstanden ist, die sich in unterschiedlicher Weise befruchtet haben.Aus <strong>der</strong> Mentalität <strong>der</strong> ehemaligen DDR heraus kommt die enge Verbindungzu den Wirtschaftsbetrieben. Man kann ohne irgendwelche Barrieren mit <strong>der</strong>Wirtschaft diskutieren, auch mit ihr zusammenarbeiten. Barrieren bildeneinzig und allein das Dienstrecht, das nach wie vor hemmend ist. Genausoist eine sehr große Transparenz zwischen den <strong>Hochschulen</strong> und den außeruniversitärenForschungsrichtungen festzustellen. Das liegt nicht nur an dengemeinsamen Berufungen. Es ist auch <strong>der</strong> Austausch von Studenten, vonDiplomanden, von Praktikanten, <strong>der</strong> reibungslos passiert und <strong>der</strong> auch direktbeför<strong>der</strong>t wird. Und man sieht auf beiden Seiten die Vorteile eines solchenAustausches.Was wünsche ich mir noch, damit das Ganze sich besser entwickeln kann?Von <strong>der</strong> Politik ist die Verän<strong>der</strong>ung des Dienstrechtes zu leisten. Das heißt,dass die starren Vorschriften, die den <strong>Hochschulen</strong> die notwendige Flexibilitätnicht ermöglichen, z.B. im Einstellen von wissenschaftlichem Nachwuchso<strong>der</strong> im flexiblen Reagieren auf bestimmte Forschungsrichtungen,abgebaut werden müssen. Die Curricularnormwerte empfinde ich ebenfalls<strong>als</strong> hemmend. Ich weiß nicht, wie weit es gelingen wird und in welchenZeiträumen, diese Einengung abbauen. Aber das muss eine erklärte Zielstellungsein.19


Und ich möchte mit einem Beispiel enden. Wir haben jetzt diese vielen Diskussionenum Informatikabsolventen und um die Greencard. Ich glaube,nicht das Bildungssystem hat versagt. Wir haben einfach in den letzten fünfJahren nicht genügend Gymnasiasten gehabt, die diese Studiengänge annehmenwollten. Auf Grund <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion kommt jetzt eineMasse von Studenten an die Universitäten und an die Fachhochschulen, umgenau diese Studiengänge zu studieren. Für mich ist es das f<strong>als</strong>che Signal,hier jetzt den Numerus clausus einführen und die Leute erst mal außen vorlassen. Informatik ist solch ein kompliziertes, solch ein schweres Studium,dass ich finde, je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich dafür interessiert, sollte erst einmal das Grundstudiumdurchmachen und sehen, wie er im Umgang mit dem Computer, mit<strong>der</strong> Softwareerstellung und vielen an<strong>der</strong>en Dingen klar kommt. Die <strong>Hochschulen</strong>müssen in <strong>der</strong> Lage sein, flexibel auf die gestiegene Nachfrage zureagieren. Sie nehmen die Studenten auf und wir werden sehen, wie vieledas Studium durchhalten. Aber es ist besser, dass jemand erfährt, wo eigentlichseine Begabungen liegen, <strong>als</strong> dass er erst einmal überhaupt nicht studierenkann. Dann verliert er kostbare Zeit. Ich habe nach vielen Mühen einInformatikson<strong>der</strong>programm auflegen können. Und in diesem Son<strong>der</strong>programmist diesmal nicht etwas für die Forschung eingestellt, son<strong>der</strong>n etwasfür die Lehre. Es ist wichtig, dass man die <strong>Hochschulen</strong> unterstützt, dass sieim Grundstudium ordentliche Seminare und Praktika anbieten können. Mitdiesem Son<strong>der</strong>programm können Lehrer eingestellt werden, die wie in <strong>der</strong>Schule 20 Stunden pro Woche in den Grundlagenpraktika und in den GrundlagenseminarenLehre machen. Diese können dann auch wie<strong>der</strong> entlassenwerden, wenn <strong>der</strong> Bedarf nicht mehr da ist. In <strong>der</strong> Zukunft wird es noch vielhäufiger vorkommen, dass eine <strong>Entwicklung</strong> sich <strong>als</strong> erfolgversprechendanbahnt, die wir vorher überhaupt nicht gesehen haben und die wir auch garnicht sehen konnten. Deshalb ist mein Petitum für die Hochschulpolitik,kreative Strukturen zu versuchen. Bei diesem zuletzt genannten Programmhatte ich auch Schwierigkeiten mit den <strong>Hochschulen</strong>, denen diese Lösungnicht gefiel. Sie wollten neue Lehrstühle und eine neue Ausstattung. Dasging aber nicht. Mir geht es darum, zu versuchen, mit unseren begrenztenRessourcen und Reserven eine möglichst optimale Ausbildung zu bieten.20


Wissenstransfer zwischen <strong>Hochschulen</strong> und WirtschaftDr. Soenke MehrgardtExecutive Vice President <strong>der</strong> Infineon Technologies AG, MünchenWir diskutieren im Laufe des heutigen Tages ein außerordentlich wichtigesThema, das wir – und ich spreche jetzt hier <strong>als</strong> Stellvertreter für unsere Industrie- gemeinsam für außerordentlich wichtig für unsere Gesellschafthalten. Das Thema Bildung wird, wenn ich auf die Namen und die Titel <strong>der</strong>Herren nach mir schaue, im weiteren Verlauf <strong>der</strong> heutigen Veranstaltungnoch mit außerordentlich viel Kompetenz beleuchtet. Ich möchte hier bescheidenauftreten, denn <strong>als</strong> ein Fachmann im bildungspolitischen Bereichwerde ich nicht auftreten können. Ich werde versuchen aus dem Blickwinkeleines Vertreters <strong>der</strong> Industrie die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Facette dieses Themas zudiskutieren und mit Beispielen zu illustrieren, speziell unter dem Aspekt:"Was sind eigentlich die Menschen und die Mitarbeiter, die wir in unsererIndustrie brauchen und was sind die neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen, die hierbewältigt werden müssen?".Lassen Sie mich beginnen mit einem kurzen Überblick, einem Blitzlehrgangzum Thema Halbleiter, vor allem mit einem Blick auf den Halbleitermarkt,aber auch, was für Mitarbeiter brauchen wir und wünschen wir uns.Die <strong>Entwicklung</strong> des Halbleitermarktes, ist berühmt, weil in allen Magazinenund Zeitungen immer wie<strong>der</strong> diese außerordentliche Zyklizität, diesesstarke Auf und Ab, herausgestellt wird. Im Jahre 1995 wurde mit einemgesamten Marktvolumen von 150 Milliarden Dollar zunächst ein Höhepunktim Halbleitermarkt erreicht. Danach folgte ein Rückgang des Marktvolumens,bis – nach etwa fünf Jahren – wie<strong>der</strong> eine deutliche Steigerung erzieltwurde. Trotz des Rückgangs im Marktvolumen hat es in diesen fünf Jahreneine immense Steigerung <strong>der</strong> Produktivität und <strong>der</strong> Produktion selbst gegeben.In diesen fünf Jahren 1995 bis 1999 hat es jedes Jahr einen dramatischenAnstieg <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong> Technologien, Än<strong>der</strong>ung aller Produkte, undeine Erhöhung aller Stückzahlen um 20, 30 Prozent pro Jahr gegeben. Trotzdemist in dieser Zeit <strong>der</strong> Preis für Halbleiterprodukte stark zurückgegangen.Dies ist ein wesentlicher Unterschied unserer Industrie zum Beispiel zurAutomobilindustrie. In <strong>der</strong> Automobilindustrie ist es ja so: Wenn die Umsät-21


ze um zehn Prozent heruntergehen, dann werden im wesentlichen, plus minusPreisän<strong>der</strong>ungen, auch zehn Prozent weniger Autos produziert.Der Halbleitermarkt wächst am schnellsten von allen großen Märkten, wiezum Beispiel Chemie, Elektro- o<strong>der</strong> Pharma. Wenn man dagegen die jährlichenSchwankungen betrachtet, so findet man relativ starke Schwankungenim Wachstum und eine starke Zyklizität des Marktwachstums. Diese zyklischenSchwankungen werden manchmal etwas despektierlich <strong>als</strong> Schweinezyklenbezeichnet. Es sind diese Zyklen, dieses ständige Auf und Ab, dasunsere Branche so außerordentlich schwierig beherrschbar macht, weil inunserer Branche ja gleichzeitig kontinuierlich und extrem innovativ weiterentwickeltund außerordentlich schnell weiter investiert werden muss.Was sind denn nun die beson<strong>der</strong>en Schwierigkeiten, die wir in unseremWachstumsmarkt haben? Denken Sie bitte an eins: Die Halbleiterindustriehat bereits 40, 50 Jahre hinter sich und in diesen 40, 50 Jahren ein gleichbleibendesexponentielles Wachstum <strong>der</strong> Komplexität erlebt, insbeson<strong>der</strong>e<strong>der</strong> technologischen Komplexität, <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong> Inhalte, die in denProdukten steckt. Wir gehen heute davon aus, dass dieses Tempo mindestensnoch zehn bis 20 Jahre ungebrochen weiter beibehalten werden kann, trotzaller Unkenrufe, die aus <strong>der</strong> Wissenschaft manchmal kommen, weil dieStrukturen, mit denen wir arbeiten, langsam an physikalische Grenzen stoßen.Es ist in <strong>der</strong> Industrie bisher noch nie da gewesen, dass über den Zeitraumvon etwa 60 Jahren ein ungebrochenes exponentielles Wachstumdurchgehalten worden ist. Exponentielles Wachstum bedeutet jedes Jahr eineVerdoppelung <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong> Produkte, die wir herstellen. Sehr schnellkommen Sie dann auf diese unglaublichen Zehnerpotenzen, die unsere Industriein ihrer Komplexität zugelegt hat und die zu sehr vielen neuen Betrachtungsweisengeführt hat. Der Halbleitermarkt hat immer schnellereInnovationszyklen entwickelt. Die letzten fünf Jahre sind ein bisschen depressivgelaufen. Immer dann, wenn die Halbleiterindustrie anfängt insSchwimmen zu geraten, vielleicht sogar unter <strong>der</strong> Wasseroberfläche, entwickeltsie dieselbe Eigenschaft, wie ein normaler Mensch in dem Augenblickauch entwickeln würde: Sie fängt an zu strampeln wie eine Wahnsinnige.Und immer dann, wenn unsere Industrie umsatzmäßig einbricht, fangen dieInnovationszyklen an, ganz beson<strong>der</strong>s schnell zu laufen. Wir sind <strong>als</strong>o jetztgerade am Ende einer Phase, in <strong>der</strong> die Zeit zwischen zwei innovativen Produktgenerationenunglaublich kurz geworden ist. In diesem Zusammenhangwird gerne von einer Explosion <strong>der</strong> Komplexität gesprochen.Lassen Sie uns diese Zunahme <strong>der</strong> Komplexität einmal genauer betrachten:Die meisten von Ihnen haben ihre Handies dabei. – Übrigens, in jedem IhrerHandies ist ein Bauteil von uns drin. Das ist doch ganz verblüffend, wie sich22


so etwas verbreitet. - Wenn Sie die <strong>Entwicklung</strong> <strong>der</strong> Mobiltelefone über dieletzten fünf Jahre vergleichen, dann werden Sie sehen, dass das von einemschweren kofferartigen Gerät in sehr wenigen Jahren zu einem sehr kleinen,auch bei je<strong>der</strong> Dame noch irgendwo im Handtäschchen unterzubringendenGegenstand geworden ist. Gleichzeitig ist die Funktionalität dieser Geräteaußerordentlich stark angestiegen. Innerhalb <strong>der</strong> Geräte haben wir in dieserZeit eine Multiplikation aller Features, aller Techniken, <strong>der</strong> Leistungsfähigkeitaller Bauteile erlebt, die unglaublich ist. Und das ist eins <strong>der</strong> Beispiele,die nur möglich sind in diesem Kontext <strong>der</strong> sich schnell entwickelnden Wissenschaft,Wirtschaft und Technologie.Kurz zu unserer Firma. Wir sind inzwischen zur Nummer Acht unter denweltweiten großen Halbleiterunternehmen aufgestiegen, haben jetzt nach denschwierigen letzten Jahren einen erfreulichen Rekordumsatz, fast fünf MilliardenEuro allein in den ersten drei Quartalen dieses Geschäftsjahres. Daslaufende Geschäftsjahr schließt in wenigen Tagen. Das vierte Quartal istauch sehr stark gewesen. Allein in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres1999/2000 haben wir eine Steigerung von 68 Prozent des Umsatzeserreicht. Sie sehen <strong>als</strong>o, die Dynamik unserer Industrie ist außerordentlichgroß, eines <strong>der</strong> schnellst wachsenden Unternehmen in den letzten fünf Jahrenin <strong>der</strong> gesamten Branche – never stop thinking – unser Slogan, auf denich nachher noch einmal zurückkomme. Infineon unterhält Fertigungsstättenauf drei Kontinenten, 21 <strong>Entwicklung</strong>sstandorte weltweit, 25.000 Patente,die auf eine doch messbare Art schil<strong>der</strong>n, wie wir unsere Intellectual Propertyaufgebaut haben, und eine tolle Kundenbasis. Es fällt auf, dass sich diedrei europäischen Halbleiterunternehmen in den letzten fünf Jahren dochsehr wacker geschlagen haben, dass wir uns noch ein bisschen wackerergeschlagen haben, darüber sind wir nicht traurig. Aber die europäischenUnternehmen, wobei Europa ja vor fünf Jahren nicht notwendigerweise <strong>als</strong>das Land von High-Tech bezeichnet worden ist, haben sich alle außerordentlichgut geschlagen. Die Japaner waren übrigens die Verlierer in dieser Zeit.Wir sind jetzt in einem Mittelfeld positioniert, wo, so meine ich, ein echterglobaler Wettbewerb beginnen kann.Wichtig ist zu sehen, dass in unserer Industrie über die letzten Jahre dreiParadigmenwechsel stattgefunden haben. Bil<strong>der</strong> wie diese sind immer sehrgrob und oberflächlich, aber ich glaube, es charakterisiert ein wenig, wasvorgegangen ist und womit wir uns heute konfrontiert finden. Eine arbeitsintensiveÄra waren die 50er, 60er Jahre. Das ist die Zeit, in <strong>der</strong> Halbleitertechnologienoch so etwas wie eine klassische Maschinentechnik war. Daswar Feinmechanik. Da waren einzelne Menschen damit beschäftigt, dieBauteile herzustellen. Es folgte die fertigungsintensive Ära. Sie kennen23


vielleicht die Reinraumtechnik. Leute, die wie Roboter o<strong>der</strong> wie Astronautenaussehen und mit ihren Häubchen verkleidet in Reinsträumen herumlaufen.Die Fragestellungen waren auf <strong>der</strong> ganzen Welt gleich: Kann denn jemandDinge, die kleiner sind <strong>als</strong> Lichtwellen, überhaupt noch herstellen. Kriegtman diese ganzen Staubkörner da weg? Das war die Zeit, in <strong>der</strong> die Beherrschung<strong>der</strong> Fertigungstechnik in den großen Werken entscheidend für eineführende Position im Wettbewerb war. Fertigungstechnik ist für die kommendenzehn Jahre ein sekundäres Thema geworden. Verstehen Sie michnicht f<strong>als</strong>ch: Sekundär heißt, Sie müssen das Thema in jedem Fall außerordentlichgut beherrschen. Wenn Sie die Fertigungstechnik nicht komplett imGriff haben, dann haben Sie überhaupt keine Chance, ein Mitspieler zu sein.Die Fertigungstechnik ist aber nicht mehr <strong>der</strong> Gegenstand an sich geworden,son<strong>der</strong>n Fertigungstechnik ist eine unabdingbare Voraussetzung. Das neueThema, mit dem wir uns konfrontiert finden, ist <strong>der</strong> dominierende FaktorWissen in einer wissensdominanten Ära.Lassen Sie uns kurz betrachten, wie wir unsere Mitarbeiter gerne sehenmöchten, die in dieser "Wissens-Ära" für uns arbeiten. Welche Eigenschaftensind das denn, die wir bei Mitarbeitern heute gerne sehen? Da sind unterschiedlichsteBegriffe, beispielsweise diese Gruppe: Intelligent, unabhängig,eigenständig. Das beschreibt ein wenig die Eigenschaften, die ich meine,wenn ich sage: Ich will einen eigenständigen Mitarbeiter. Ich will einenselbständigen Mitarbeiter. Ich bin allerdings manchmal ein wenig vorsichtig,denn bei manchen Menschen ist ein gewisser Unterton zu spüren, etwa in<strong>der</strong> Art: Eigenständiger Mitarbeiter schon, aber er soll bitte schön auf dashorchen, was ich ihm sage. Ich versuche an <strong>der</strong> Stelle durchaus etwas selbstkritischzu sein. Ich nehme noch an<strong>der</strong>e Begriffe: geldgierig, egoistisch. Dasist in diesem Fall sehr positiv gemeint. Ich denke in diesem Zusammenhangbeispielsweise an sogenannte Startups; Frau Ministerin Schipanski hat denBegriff Startup bereits mehrfach verwendet. Startups sind zunächst einm<strong>als</strong>owohl technisch-wissenschaftlich <strong>als</strong> auch wirtschaftlich betrachtet, außerordentlichleistungsfähige Unternehmen. Gegenbeispiele bestätigen diesenSatz selbstverständlich. Wenn Sie sich einzelne Beispiele heraus picken,werden Sie in Startups außerordentlich extravagante exklusive Superleistungenfinden. Die Mitarbeiter in diesen Startups sind sehr häufig praktischausschließlich geldorientiert und regelrecht geldgierig. Wenn ich jetzt versuche,das Thema ein kleines bisschen systematischer zu fassen, dann habenwir unter einer Überschrift "Wissen ist entscheiden<strong>der</strong> Faktor für künftigenErfolg" Begriffe wie Intuition, Kreativität, abstraktes Denken, kritischesDenken, logisches Denken angeordnet. Ein kleines Problem, das ich hieranreißen möchte, das auch die Frau Ministerin vorhin erwähnt hat, ist andieser Stelle: Wissen im klassischen Sinne dessen, was an <strong>der</strong> Schule gelernt24


und geprüft wird, hat einen sehr stark inflationären Charakter und mit <strong>der</strong>Zeit an Bedeutung verloren. Wissen ist etwas – und das wurde heute schonmehrfach gesagt – das im Internet in einer vergleichsweise gut greifbarenForm vorhanden ist. Wenn Sie irgendeine Frage haben, dann ist es selbst indem heutigen, ja noch sehr steinzeitartigen Zustand des Internet vergleichsweiseleicht möglich, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Ich hatte vorkurzem für einen Vortrag die Frage: Hat <strong>der</strong> Herr Gauß nun eigentlich denAlgorithmus für Computertomographie geschaffen o<strong>der</strong> nicht? Hat er dafürden Grundstein gelegt? Sie werden es nicht glauben, aber mit "Computertomographie"und "Gauß" <strong>als</strong> Stichworte kommen Sie im Internet tatsächlichinnerhalb von fünf Minuten zu einer Fundstelle, aus <strong>der</strong> die Antwort zudieser Frage erschlossen werden kann. Wissen an sich ist nicht das Thema,das primär für unsere Industrie wichtig ist. Es ist ein wissensqualitativesMerkmal, was ich durch Begriffe wie Intuition, Kreativität, abstraktes undkritisches und logisches Denken kennzeichnen möchte. Ich erlaube mir andieser Stelle eine persönliche These in den Raum zu stellen; und ich bin jetztin diesem in bezug auf Bildung so kompetenten Kreis ganz beson<strong>der</strong>s vorsichtig.Ich möchte aber trotzdem die These aufstellen, dass unser Schulsystemvon <strong>der</strong> ersten Klasse <strong>der</strong> Grundschule an ein Intuitions- und Kreativitätsabgewöhnungsorganist. Nun sind solche Thesen selbstverständlich immerein wenig polemisch. Trotzdem glaube ich, ob ich jetzt auf meine eigenenKin<strong>der</strong> schaue, ob ich im Bekanntenkreis schaue, ob ich auf das schaue,was ich selbst <strong>als</strong> Schüler, <strong>als</strong> Kind, später <strong>als</strong> Student, <strong>als</strong> Assistent und <strong>als</strong>Lehrer an <strong>der</strong> Hochschule erlebt habe, dass die These im Kern nicht ganzf<strong>als</strong>ch ist. Lei<strong>der</strong> haben wir nicht die Zeit, dieses Thema intensiv zu diskutieren.Ich darf an dieser Stelle einfach nur zusammenfassend auf folgendeshinweisen: Ich glaube, dass wir <strong>als</strong> Gesellschaft und <strong>als</strong> Industrie speziell,die so innovativ und schnell vorgeht, einen Menschentypus brauchen, beidem ich nicht sicher bin, ob das heutige Bildungssystem diesen sehr freien,sehr in eine kreative Richtung orientierten Menschen wirklich för<strong>der</strong>t, o<strong>der</strong>ob nicht viele unserer Systeme – ohne dass ich Ihnen ad hoc einen Verbesserungsvorschlagvorlegen könnte – eher ein störendes Organ sind.Der Vortragstitel lautet "Wissenstransfer". Die Frage ist <strong>als</strong>o, welche Möglichkeitenes heute für den aktiven Wissenstransfer zwischen Hochschule,Wissenschaft und Wirtschaft gibt. Als ich das hinschrieb, fiel mir auf, dassich selber Wissenstransfer zuvor<strong>der</strong>st sehe <strong>als</strong> den Transfer von <strong>der</strong> Hochschulein die Wirtschaft. An<strong>der</strong>s formuliert und wenn ich mich selbst kritisierenmöchte, wird <strong>als</strong> Wissenstransfer in diesem Zusammenhang zuerst aneinen Prozess gedacht, bei dem die Wirtschaft den Anspruch erhebt, Wissenbei den <strong>Hochschulen</strong> abholen zu können. Und wenn sie das nicht kann, habendie <strong>Hochschulen</strong> etwas f<strong>als</strong>ch gemacht.25


Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch die Frage, welche Richtung wirdabei eigentlich meinen, wenn wir das Wort Wissenstransfer benutzen.Könnte es sich dabei nicht auch um einen Transfer von <strong>der</strong> industriellenForschung und <strong>Entwicklung</strong> in die <strong>Hochschulen</strong> hinein handeln? Ich denke,dass sich die zeitliche Distanz zwischen <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>sten Forschungsfront anden <strong>Hochschulen</strong> und dem, was in <strong>der</strong> Halbleitertechnik heute industriellund wirtschaftlich vorgeht, in <strong>der</strong> Realität sehr stark verringert hat. Ausmeiner heutigen Sicht meine ich, dass Wissenstransfer in gegenseitigerWechselwirkung ein außerordentlich symmetrischer Prozess sein kann undsein sollte.Lassen Sie uns kurz betrachten, was wir bei Infineon zum Thema Wissenstransferauf den Weg gebracht haben. Einerseits glauben wir, dass wir hierbereits sehr aktiv sind, an<strong>der</strong>erseits muss ich in einer solchen Runde ganzoffen zugeben, dass wir gerade einmal die ersten Schritte in eine Richtunggemacht haben, die wir für außerordentlich notwendig halten. Wir habensehr aktiv unterschiedlichste Forschungskooperationen in die Wege geleitet.In diesen Kooperationen arbeiten wir mit außerordentlichen, mit exzellentenführenden Einzelpersonen o<strong>der</strong> Instituten o<strong>der</strong> ganzen Universitäten zusammenund nutzen die Tatsache, dass wir dort ein wenig helfen und mitarbeitendürfen. Es gibt aber durchaus auch den umgekehrten Fall, dass wir Forschungsthemenbehandeln, zu denen <strong>Hochschulen</strong>, Hochschullehrer undEinzelpersonen eingeladen sind und gerne mitarbeiten. Das ist die vorhinschon angesprochene Symmetrie, die ich sehe.Natürlich haben wir unterschiedlichste Formen <strong>der</strong> Betreuung von DiplomundDoktorarbeiten. Wir sind stolz, dass <strong>der</strong> ITG För<strong>der</strong>preis 2000 an einenunserer Doktoranden, <strong>der</strong> bei uns seine Dissertation geschrieben hat, geht.Wir haben unterschiedlichste Dialogforen, sehr enge, im jährlichen, manchmalhäufigeren Rhythmus stattfindende Austauschplattformen, in denen überAusrichtung, Projekte, Kooperationen gesprochen wird. Wir sind <strong>der</strong>zeitsehr aktiv dabei, das Thema Forschungssemester für Hochschullehrkräfteintensiver zu verfolgen.Mein Vater ist selbst Professor, ich habe <strong>als</strong>o zu Hause noch erlebt, wiepositiv solche Forschungssemester wirken können; das Forschungssemesterist eine einzigartige Einrichtung weltweit, die Hochschullehrer zur Verfügunghaben. In dem Jahr, in dem Semester, in dem ein Hochschulprofessorsein Forschungssemester nimmt, ist er vom Tagesbetrieb seiner Lehrtätigkeitentlastet und kann sich ganz intensiv einer Forschung widmen, so dass einForschungssemester in <strong>der</strong> Industrie eine sehr positive Wirkung für beide26


Seiten ermöglicht. Wir haben zum Beispiel eine Kooperation zu einer Mikroprozessorarchitekturin unserem Designzentrum in den USA mit einemdeutschen Professor gehabt, für den es toll war, im Silicon Valley in unseremUmfeld tätig zu sein, und <strong>der</strong> in dieser Zeit für uns unglaublich vieleneue Blickwinkel eröffnet hat. Solche Arten <strong>der</strong> Zusammenarbeit wollen wirweiter vertiefen und unser Netzwerk Richtung Universitäten und ForschungsEinrichtungensystematisch ausbauen.Darüber hinaus stellen wir finanzielle Mittel für Startups im universitärenBereich bereit.Um Mitarbeiter, die frisch von <strong>der</strong> Universität kommen, für uns gewinnen zukönnen und an <strong>der</strong>en "neuem" Wissen partizipieren zu können, haben wirdie klassischen, aber inzwischen sehr gut ausgearbeiteten Mitarbeiterwerbungsprogramme.Wir haben beispielsweise in Dresden ein Jobcenter eingerichtet.Wir haben im Grunde genommen so etwas ähnliches wie ein eigenesArbeitsamt. Damit wollen wir sicherstellen, dass auch in diesem – angesichts<strong>der</strong> wachsenden Konkurrenz vor - zunehmend schwierigeren Umfeld, einattraktives und informatives Angebot geschaffen wird, in dem sich potentielleneue Mitarbeiter ausführlich mit Infineon beschäftigen können.Daneben haben wir virtuelle Recruitment-Prozesse im Internet. Wir habenInternetforen. Wir haben globale Recruitment-Initiativen usw.Wir haben eine Fülle von Partnerschaften mit verschiedenen <strong>Hochschulen</strong>.Das ist eine Mixtur von Projekten; große und kleine Projekte; Projekte, beidenen das Hochschulinstitut in <strong>der</strong> alleinigen Führung ist und wir einenkleinen Beitrag leisten; Projekte, bei denen wir einen größeren Beitrag leistenund das Hochschulinstitut in spezifischen Teilen zuarbeitet. Deutschlandist durchaus sehr nennenswert vertreten ist. Denn wir haben ja weiterhin denabsoluten <strong>Entwicklung</strong>s- und Forschungsschwerpunkt in unserer Firma trotz<strong>der</strong> starken Expansion außerhalb Deutschlands immer noch im deutschenUmfeld.An einem Beispiel aus <strong>der</strong> allerjüngsten Vergangenheit möchte ich Ihnenzeigen, wie die Entstehungsgeschichte einer für beide Seiten fruchtbarenKooperation aussehen kann. In diesem Fall ist das Beispiel eine Kooperationmit einer Universität in Österreich. Das Ganze hat vor einigen Jahren begonnen,<strong>als</strong> wir in <strong>der</strong> Linzer Johannes-Keppler-Universität mit zwei Lehrstühlenin sehr komplexen Forschungsthemen, die sich speziell um den BereichUMTS o<strong>der</strong> dritte Mobilfunkgeneration drehen, eine enge Zusammenarbeitbegonnen haben.27


Übrigens darf ich diesen Kreis nebenbei auf eines aufmerksam machen. Wirwissen, welche summen bei <strong>der</strong> Versteigerung <strong>der</strong> UMTS-Lizenzen erzieltwurden. Wenn man sich die zur Verfügung stehenden Frequenzbän<strong>der</strong> betrachtet,stellt sich leicht die Frage, was in den Frequenzen zwischen 200und 900 Megahertz passiert. Das ist dasjenige Frequenzband, in dem heutedas normale Fernsehen übertragen wird. Überlegen Sie mal, was das Frequenzbandwert ist, wenn man diesen Maßstab zugrunde legt. Da könnteman mit ein klein wenig mehr Technologie und mit einem klein wenig mehrAmbitionen seitens <strong>der</strong> Politik wesentlich effizientere Lösungen anbieten.Diese Technologie würde erlauben, dass man auf einem eingeschränktenTeil des vorhin angesprochenen Frequenzbandes genauso viel gutes o<strong>der</strong>schlechtes Fernsehen übertragen kann wie heute. Dann hätten wir ein paarHun<strong>der</strong>t Megahertz frei. Und <strong>der</strong> Staat könnte bei einer weiteren Versteigerungin einem ähnlichen Rahmen vielleicht mehrere hun<strong>der</strong>t Milliarden DMzusätzlich erlösen. Davon könnte man dann zehn Prozent in die Forschungstecken und dann würde die Diskussion hier überflüssig sein.Die Kooperation mit <strong>der</strong> Universität Linz ist meiner Meinung nach hervorragendgelaufen. Das war eine reine Forschungskooperation, aus <strong>der</strong> herausaber das Interesse <strong>der</strong> beiden Lehrstuhlinhaber immer stärker wach gewordenist. Beide Seiten hatten hier den Eindruck, dass etwas ganz Interessantespassiert. Das richtet sich aus, das befruchtet sich gegenseitig. Und es istwirklich eine Begeisterung auf beiden Seiten hochgekommen. Am Ende hatdie Universität gesagt: Das ist eine ganz tolle Sache. Bevor ich die Mitarbeiterjetzt verliere und die Firma Infineon ein Designzentrum aufmacht, machenwir das doch richtig, juristisch legal, gemeinsam. Und das ist geschehen.Die beiden Lehrstuhlinhaber haben von ihrer Universität die Erlaubnisbekommen, <strong>als</strong> Geschäftsführer eine Firma zu gründen. Die Firma heißtDICE. Die Majorität <strong>der</strong> Firma ist mit 50,3 Prozent in unserer Hand, ohnedass wir eine inhaltliche Führung beanspruchen. Die Firma befindet sichquasi auf dem Universitätsgelände, <strong>als</strong>o, das heißt in 100 Meter Distanz.Mitarbeiter können hin- und herlaufen. Die Lehrstuhlinhaber, die gleichzeitigGeschäftsführer sind, sind je<strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> Lage zwischen beiden Weltenhin und her zu pendeln. Beide Seiten profitieren enorm von dieser sehr engenKooperation. An dieser Stelle konnten bereits ganz wesentliche Leistungenfür die dritte Generation im Mobilfunk erbracht werden.Der Erfolg lässt sich wie folgt kurz zusammenfassen: eine erfolgreicheForschungskooperation mit einer engen Anbindung an die Universität, sehrschnelle <strong>Entwicklung</strong> auch marktfähiger Produkte, und ein guter Zugang zuausgezeichneten Mitarbeitern.28


Ich möchte einigermaßen in <strong>der</strong> Zeit bleibend abschließen: Das wichtigsteaus <strong>der</strong> Sicht von Infineon Technologies ist, weiter zu denken. "Never stopthinking" - das ist <strong>der</strong> Slogan, den wir für unsere neue Unternehmensphilosophievor gut einem Jahr gewählt haben. Und das zu einem Zeitpunkt, <strong>als</strong>wir mit <strong>der</strong> neu gewonnen Eigenständigkeit erste Überlegungen angestellthaben: Was sind denn die neuen Herausfor<strong>der</strong>ung für unsere dynamischeBranche, wie bekommen wir die sogenannte "Intellectual Property", die wirbrauchen, und was bedeutet das genau für unsere Mitarbeiter? Ich glaube,aus heutiger Sicht haben wir eine gute Wahl getroffen. Für uns selber istdieser Slogan – never stop thinking – eine außerordentlich wichtige Leitlinieund aus meiner Sicht auch sehr wichtig gewesen für den Erfolg, den wir bisjetzt hatten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.29


Regionalökonomische Bedeutung von <strong>Hochschulen</strong>Dr. Wolfgang Flieger, Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften,Universität KaiserslauternZum Thema ein klares Bekenntnis vorab: Die originären Aufgaben von<strong>Hochschulen</strong> sind die Forschung, die akademische Lehre und die universitäreWeiterbildung.<strong>Hochschulen</strong> sollen aber auch durch räumlich nahe Bildungsangebote zurVerwirklichung von Chancengleichheit beitragen.So waren mit den Neugründungen <strong>der</strong> sechziger und siebziger Jahre ebensoregionalpolitische Ziele verknüpft wie mit <strong>der</strong> Neustrukturierung <strong>der</strong> Hochschullandschaftin den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n: <strong>Hochschulen</strong> sollten <strong>als</strong>Schrittmacher und 'change agents' helfen, ökonomische, soziale und KulturelleDisparitäten innerhalb <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland abzubauen.Die regionalen Arbeitsmärkte sollten mit qualifizierten Arbeitskräften versorgtwerden und die regionalen Unternehmen mit aktuellen Forschungsleistungen.So heißt es im Hochschulbauför<strong>der</strong>ungsgesetz von 1969: "Bund und Län<strong>der</strong>haben ... darauf hinzuwirken, dass ... die wissenschaftlichen <strong>Hochschulen</strong>nach Fachrichtungen, Zahl, Größe und Standort ein zusammenhängendesSystem bilden, durch das ein ausreichendes und ausgeglichenes Angebot anForschungs- und Ausbildungsplätzen gewährleistet wird".Noch deutlicher wird die Begründung dieses Passus im entsprechendenKabinettsentwurf: "Ein wesentliches Ziel ... muss es sein, ein Hochschulsystemzu entwickeln und aufrechtzuerhalten, das regionale Unterschiede insachdienlicher Weise berücksichtigt und ausgleicht."Das heißt, bereits dam<strong>als</strong> wurde <strong>Hochschulen</strong> zumindest implizit eine regionalökonomischenBedeutung zugeschrieben, die heute in <strong>der</strong> Terminologie<strong>der</strong> Regionalökonomik bzw. <strong>der</strong> "New Economic Geography" <strong>als</strong> endogenes<strong>Entwicklung</strong>spotenzial bezeichnet wird.Auf welchen Wegen <strong>Hochschulen</strong> die regionalen Märkte und Akteure beeinflussen- o<strong>der</strong> zumindest über ein entsprechende Potenzial verfügen - willich im Folgenden darstellen.31


Dabei sind nicht nur die eigentlichen <strong>Hochschulen</strong> zu berücksichtigen, son<strong>der</strong>nauch unmittelbare Hochschulfolgeeinrichtungen. Hierzu zählen sowohldie Studentenwerke mit ihren Verpflegungsbetrieben und Wohnheimen <strong>als</strong>auch rechtlich selbständige An-Institute. Hochschule und Folgeeinrichtungenzusammen werden hier <strong>als</strong> "System Hochschule" bezeichnet.Hinsichtlich <strong>der</strong> Abgrenzung <strong>der</strong> regionalökonomischen Effekte infrastrukturellerEinrichtungen unterscheidet man zwischen den Wirkungen <strong>der</strong> Leistungserstellungund denen <strong>der</strong> Leistungsabgabe.Im Rahmen <strong>der</strong> Leistungserstellung einer Hochschule, bei <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>umzwischen Investitionen und Betrieb differenziert werden kann, tritt eineHochschule <strong>als</strong> Arbeitgeber und <strong>als</strong> Auftraggeber auf. Dies sind die direktenWirkungen.Von den Beschäftigten gehen zudem Ausgabenströme für Konsumgüter indie Region aus, ebenso von den Studierenden. Diese Wirkungen werden <strong>als</strong>indirekte bezeichnet.Das heißt, die Leistungserstellung einer Hochschule schlägt sich regionalökonomischprimär <strong>als</strong> erhöhte Nachfrage auf dem Arbeits- und dem Gütermarktnie<strong>der</strong>.Von <strong>der</strong> Steigerung <strong>der</strong> Nachfrage gehen über regionale Multiplikatoreffektewie<strong>der</strong>um sogenannte induzierte Wirkungen aus, wobei die Intensität vonden direkten über die indirekten zu den induzierten Wirkungen abnimmt.Insgesamt übt die Leistungserstellung einer Hochschule positive Beschäftigungs-und Einkommenseffekte auf ihre Region aus.Die Ausgaben einer Hochschule und ihrer Mitglie<strong>der</strong> wirken sich aber nichtnur quantitativ aus. Sie haben auch qualitative und damit strukturelle Effekte.So kann man etwa davon ausgehen, dass die Nachfrage nach EDV-HardundSoftware ein korrespondierendes Angebot hervorruft, das hinsichtlich<strong>der</strong> Breite <strong>der</strong> Angebotspalette, <strong>der</strong> Verfügbarkeit vor Ort, aber auch preislichbesser ist <strong>als</strong> in Städten ohne Hochschule. Gleiches gilt für Copy-Shops.Weitere Güter und Dienstleistungen, <strong>der</strong>en Angebot durch die Existenz einerHochschule überhaupt erst induziert o<strong>der</strong> zumindest verbessert, verbreitert32


und/o<strong>der</strong> verbilligt wird, sind denkbar. Dabei handelt es sich in vielen Fällenum qualitativ o<strong>der</strong> technologisch hochwertige Leistungen.Diese Effekte <strong>der</strong> Leistungserstellung sind einerseits unweigerlich, an<strong>der</strong>erseitsaber kein Spezifikum von <strong>Hochschulen</strong>. Sie entstehen dem Grundenach ebenso im Umfeld einer größeren Behörde o<strong>der</strong> einer Unternehmensnie<strong>der</strong>lassung.An<strong>der</strong>s dagegen die Effekte <strong>der</strong> Leistungsabgabe, um die es im Laufe diesesTages primär gehen wird: Sie sind weitestgehend hochschulspezifisch, stellensich wie folgt dar:Erstere bezeichnen das Ausmaß, in dem die Erfüllung <strong>der</strong> eigentlichen Aufgaben<strong>der</strong> Hochschule in <strong>der</strong> Region ökonomisch wirksam wird, d.h. in demsich ihre Forschungs-, Lehr- und Weiterbildungsaktivitäten in ihrem Einzugsbereichnie<strong>der</strong>schlagen. Damit erfasst die Leistungsabgabe die eigentlichen'Produkte', den Output einer Universität. Diesen zu ermitteln, wäresowohl aus bildungsökonomischer wie aus Wachstumstheoretischer bzw.regionalökonomischer Perspektive von erheblichem Interesse. Allerdings ist- neben methodischen Problemen - mit einer solchen Untersuchung eineextrem aufwendige Datenerhebung verbunden, die im Rahmen <strong>der</strong> vorgenommenenUntersuchung nicht zu leisten war.Als Hochschulregion wurden in dieser Untersuchung die Stadt und <strong>der</strong>Landkreis Kaiserslautern gewählt. Alternative Möglichkeiten wären dieBeschränkung auf die Stadt Kaiserslautern o<strong>der</strong> die Erweiterung auf diegesamte Region Westpfalz gewesen. Ausschließlich die Stadt Kaiserslauternzur räumlichen Bezugsgröße zu machen, hätte jedoch unberücksichtigt gelassen,dass einige <strong>der</strong> Beschäftigten eben nicht dort, son<strong>der</strong>n in umliegendenOrten wohnen. Darüber hinaus beschränken sich auch die Beschaffungsausgabenkeineswegs auf in <strong>der</strong> Stadt ansässige Unternehmen. Vielmehrwären es gerade diese Ausgaben gewesen, die die Ausdehnung auf die gesamteWestpfalz nahegelegt hätten. Da sich aber die Konsumausgaben <strong>der</strong>Beschäftigten und <strong>der</strong> Studierenden auf die Stadt und den Landkreis Kaiserslauternkonzentrieren, wurde dieser mittlere Einzugsbereich <strong>als</strong> Hochschulregiondefiniert.Der zeitliche Rahmen <strong>der</strong> Untersuchung sind die Jahre 1992 bis 1996. EinFünfjahreszeitraum gewährleistet, dass zufällige und einmalige Ereignissedie Resultate nicht verzerren. Auf den Einbezug von 1997 wurde verzichtet,weil viele Daten noch nicht verfügbar sind. Dabei wird im Text vorwiegendauf das Jahr 1996 Bezug genommen, bei größeren Schwankungen <strong>der</strong> jeweiligenGröße im Fünfjahreszeitraum wird versucht, diese zu begründen.33


Die Universität <strong>als</strong> ArbeitgeberDer Raum Kaiserslautern ist, gemessen an Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsindikatorenim interregionalen Vergleich <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong>, nach wievor strukturschwach, nicht zuletzt auf Grund seiner beson<strong>der</strong>en militärstrategischenBedeutung. Hier privat zu investieren galt lange Zeit <strong>als</strong> beson<strong>der</strong>sriskant, und auch öffentliche Infrastrukturinvestitionen blieben aus. DieBeschäftigungseffekte <strong>der</strong> Truppenstationierung waren zwar über eine langeZeit in <strong>der</strong> Lage, das strukturelle ökonomische Defizit zumindest partiell zukompensieren. Seit ende des "Kalten Krieges" ist dies jedoch nicht mehr <strong>der</strong>Fall. Allein die alliierten Streitkräfte haben ihren Bestand an Zivilbeschäftigtenin Stadt und Landkreis Kaiserslautern zwischen Januar 1990 und Juni1996 um ca. 4.300 auf 5.700 reduziert.Bei absolut 19.510 Arbeitslosen belief sich die Arbeitslosenquote im ArbeitsamtsbezirkKaiserslautern 1996 auf 13,3 Prozent. Der HauptamtsbezirkKaiserslautern, <strong>der</strong> die Stadt und den östlichen Teil des Landkreises umfasst,verzeichnete mit 14,3 Prozent die zweithöchste Quote in Rheinland-Pfalz,im Dienststellenbezirk Landstuhl, <strong>der</strong> den westlichen Teil des Landkreisesabdeckt, betrug die Quote 13,6 Prozent. Basierend auf diesen Zahlen ergibtsich für die Hochschulregion eine Arbeitslosenquote von 14,1 Prozent, wobei<strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit mit einer Quote von ca. 18 Prozentin <strong>der</strong> Stadt Kaiserslautern lag.Kaiserslautern verfügt mit Opel und Pfaff lediglich über zwei gewerblicheUnternehmen mit mehr <strong>als</strong> 1.000 Beschäftigten. Trotz <strong>der</strong> erwähnten Stellenreduzierungwar die amerikanische Kaiserslautern Military Community1996 mit insgesamt 5.628 Beschäftigten neben Opel <strong>der</strong> bei weitem größteArbeitgeber.Daneben dominierten insbeson<strong>der</strong>e öffentliche Arbeitgeber mitinnerregionalen Aufgaben, wie etwa die Stadtverwaltung und das Klinikummit jeweils zirka 1.900 Beschäftigten sowie die Schulen mit rund 1.300Lehrkräften in <strong>der</strong> Stadt und gut 600 im Landkreis. Angesichts solcherRahmenbedingungen sind die Beschäftigungseffekte <strong>der</strong> UniversitätKaiserslautern um so bedeutsamer.1996 zählten die Universität und ihre Folgeeinrichtungen 1.703 Beschäftigte.Es wäre aber natürlich ein Fehlschluss anzunehmen, ohne die Universitätwäre die Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen in <strong>der</strong> Untersuchungsregion um genau diesen34


Betrag höher. Insbeson<strong>der</strong>e Professoren und Dozenten kann man eine überdurchschnittlicheräumliche Mobilität unterstellen. Ungeachtet <strong>der</strong> Frage, obsie ursprünglich aus <strong>der</strong> Westpfalz stammen o<strong>der</strong> nicht, ist anzunehmen,dass sie bei Nichtexistenz <strong>der</strong> Universität keineswegs auf dem regionalenArbeits-markt arbeitslos wären. Sie würden ihrem Beruf wohl eher an eineman<strong>der</strong>en Ort nachgehen, sei es im In- o<strong>der</strong> Ausland. Ähnliches dürfte für dengrößten Teil <strong>der</strong> Akademischen Mitarbeiter gelten. Zur Ermittlung <strong>der</strong> tatsächlichenAuswirkungen auf den regionalen Arbeitsmarkt ist deshalb einenähere Betrachtung <strong>der</strong> Beschäftigtenstruktur <strong>der</strong> Universität vonnöten.Die unmittelbare Entlastung des Kaiserslauterer Arbeitsmarktes durch dieUniversität kann man im Umfang <strong>der</strong> 798 Stellen annehmen, die an <strong>der</strong>Universität Kaiserslautern für nichtwissenschaftliche Mitarbeiter, einschließlich<strong>der</strong> Auszubildenden, angesiedelt sind.Über diese direkten hinaus gehen von <strong>der</strong> Universität und ihren Folgeeinrichtungen,ihren Mitarbeitern und nicht zuletzt von den Studierenden erheblicheindirekte Beschäftigungs- und Struktureffekte aus. Die Nachfrage <strong>der</strong>Universität und ihrer Angehörigen nach Gütern und Dienstleistungen induziertUmsätze, Einkommen und damit Arbeitsplätze bei Unternehmen undBehörden <strong>der</strong> Region. Diese Effekte werden im folgenden untersucht.Primäre NachfragewirkungenPrimäre Nachfragewirkungen entstehen durch unmittelbar universitätsbedingteAusgaben, die direkt in die Region fließen. Dies sind einerseits dieSachmittelausgaben und Investitionen <strong>der</strong> Universität. Darüber hinaus sinddie Konsumausgaben <strong>der</strong> Beschäftigten und <strong>der</strong> Studierenden zu berücksichtigen.SachmittelausgabenDie Sachmittelausgaben bzw. <strong>der</strong> Materialaufwand <strong>der</strong> Universität Kaiserslauternbeliefen sich 1996 einschließlich <strong>der</strong> Bauinvestitionen auf ca. 85Millionen DM.Während die Sachmittelausgaben <strong>der</strong> Universität im engeren Sinne relativkonstant zwischen 50 und 60 Millionen DM lagen, ergeben sich bei denBau-investitionen naturgemäß erhebliche Schwankungen, da sie nur in <strong>der</strong>Phase <strong>der</strong> Errichtung eines Neubaus anfallen. An <strong>der</strong> Universität Kaiserslauternwurden 1992 ein Son<strong>der</strong>müllager, ein Gewächshaus und eine Laborhallefür das Bauingenieurwesen fertiggestellt, 1993 war nach zweijähriger Bau-35


zeit das Gebäude 42 fertiggestellt, das neben Büros, Seminarräumen und <strong>der</strong>Fachbereichsbibliothek des Maschinenbaus und des Wirtschaftsingenieurwesensauch über drei Hörsäle mit Foyer verfügt. Nach einer Neubaupauseim Jahr 1994 wurde 1995 das Architekturgebäude um ein Kunstzentrumerweitert und 1996 ein Verwaltungsgebäude errichtet. Der deutliche Anstiegdes Materialaufwandes von Studentenwerk und An-Instituten ergibt sichinsbeson<strong>der</strong>e daraus, dass einige dieser Institute erst im Laufe des betrachtetenZeitraums gegründet wurden.Diese Ausgaben fließen natürlich nicht in voller Höhe in die Region. Wie imRahmen einer früheren Untersuchung festgestellt wurde, variieren die Regionalfaktoren<strong>der</strong> einzelnen Ausgabenposten zwischen 100 Prozent bei Gas,Wasser, Strom und 14,5 Prozent bei den restlichen Sachmittel- und Investitionsausgaben.Insgesamt wurde für die Universität Kaiserslautern ein Regionalfaktorvon 35 Prozent ermittelt, so dass für 1996 davon auszugehen ist,dass 29,75 Millionen DM <strong>der</strong> Sachmittelausgaben in <strong>der</strong> Region verausgabtwurden.Allerdings machen nicht die Sach-, son<strong>der</strong>n die Personalausgaben mit überzwei Drittel den Löwenanteil <strong>der</strong> Gesamtausgaben aus. Die von ihnen ausgehendenEffekte werden im nächsten Abschnitt dargestellt.Ausgaben des Person<strong>als</strong>Um die regionalen Wirkungen <strong>der</strong> Einkommen <strong>der</strong> Universitätsbeschäftigtenermitteln zu können, bedarf es zum einen <strong>der</strong> Kenntnis <strong>der</strong> Lohnsumme,zum an<strong>der</strong>en plausibler und überprüfbarer Hypothesen hinsichtlich <strong>der</strong> Frage,wie die betreffenden Haushalte ihr verfügbares Einkommen verwenden.Da eine eigene Erhebung hinsichtlich <strong>der</strong> Einkommensverwendung <strong>der</strong> Mitarbeiterim Rahmen dieser Studie selbst stichprobenweise nicht möglich war,werden im folgenden Ergebnisse <strong>der</strong> Haushaltsstichprobe des StatistischenBundesamtes aus dem Jahre 1995 herangezogen.In dieser Haushaltsstichprobe wurde das Konsumverhalten charakteristischerHaushaltstypen untersucht. Angesichts <strong>der</strong> Struktur <strong>der</strong> Universitätsbeschäftigtenwurden die folgenden Haushaltstypen gewählt, um <strong>der</strong>en Einkommensverwendungabzubilden.Haushaltstyp II:- 4-Personen-Haushalte von Angestellten und Arbeitern mit mittlerem Einkommen.Es handelt sich hierbei um Ehepaare mit zwei Kin<strong>der</strong>n. Ein Ehepartnerist alleiniger Einkommensbezieher. Das Bruttoeinkommen aus <strong>der</strong>36


hauptberuflichen nichtselbständigen Arbeit lag 1995 zwischen 3.750 DMund 5.750 DM im Monat.Haushaltstyp III:- 4-Personen-Haushalte von Angestellten und Beamten mit höherem Einkommen.Hierbei handelt es sich ebenfalls um Ehepaare mit 2 Kin<strong>der</strong>n. EinEhepartner ist Hauptverdiener, das Bruttoeinkommen aus <strong>der</strong> hauptberuflichen,nichtselbständigen Arbeit lag 1995 zwischen 6.500 DM und 8.800 DMmonatlich.-Im folgenden wird angenommen, dass die Verwendungsstruktur des verfügbarenEinkommens (nicht dessen Höhe!) <strong>der</strong> akademischen und <strong>der</strong> nichtwissenschaftlichenMitarbeiter je zur Hälfte einem <strong>der</strong> beiden Haushaltstypenentspricht, während Professoren dem Haushaltstyp III zugeordnet werden.Insgesamt ergibt sich ein Gesamtausgabevolumen von 108,1 Millionen DM,die jedoch nur potentiell regional-wirksam sind. So ist beispielsweise nichtauszuschließen, dass einige <strong>der</strong> Beschäftigten ihre Haushaltsgeräte nicht vorOrt kaufen, son<strong>der</strong>n über den Versandhandel beziehen. Nimmt man deshalban, dass Ausgaben für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren sowieWohnungsmieten vollständig in die Region fließen, die an<strong>der</strong>en Positionenaber nur zu zwei Dritteln, verbleibt ein regionalwirksames Ausgabenvolumen<strong>der</strong> Beschäftigten von 88,4 Millionen DM.Ausgaben <strong>der</strong> StudentenAngesichts ihrer technisch-naturwissenschaftlichen Ausrichtung war dieUniversität Kaiserslautern in den letzten fünf Jahren auf Grund einer rezessivenArbeitsmarktentwicklung und damit korrespondieren<strong>der</strong> negativerMeldungen über die Berufsperspektiven von Ingenieuren und Naturwissenschaftlernvon sinkenden Studienanfängerzahlen betroffen.Auch wenn davon auszugehen ist, dass sich <strong>der</strong> rückläufige Trend <strong>der</strong> Präsenzstudenten(Fernstudenten sind in dieser Untersuchung nicht zu berücksichtigen)in den nächsten Jahren wie<strong>der</strong> umkehren wird, soll im folgendenvon <strong>der</strong> vergleichsweise niedrigen Zahl des Wintersemester 1996/97 ausgegangenwerden.Einer Untersuchung des Deutschen Studentenwerks (DSW) zufolge verausgabteein Student 1995 in den alten Bundeslän<strong>der</strong>n im Schnitt 1.231 DM imMonat.37


Analog zur Studie des DSW wird davon ausgegangen, dass sich Studierendeneun Monate im Jahr am Studienort aufhalten. Zwar liegen an <strong>der</strong> UniversitätKaiserslautern in vielen Studiengängen die Prüfungszeiträume in <strong>der</strong>vorlesungsfreien Zeit, so dass sich die Studierenden tendenziell länger inKaiserslautern aufhalten. Demgegenüber steht jedoch ein überdurchschnittlicherAnteil von Wochenendpendlern, so dass die Annahmen des DSW auchauf Kaiserslautern zutreffen dürften. Da die Lebenshaltungskosten von 1995auf 1996 nur sehr geringfügig angestiegen sind und auch die Einkommen <strong>der</strong>Studierenden nicht gestiegen sein dürften, wurde auf eine nominale Anpassungverzichtet. Insgesamt ergibt sich für 1996 ein Ausgabevolumen <strong>der</strong>Studierenden (ohne Fernstudium) von 86,0 Millionen DM, das sich auf verschiedeneAusgabenarten verteilt.Damit haben die studentischen Konsumausgaben einen erheblichen Anteilan den primären regionalökonomischen Wirkungen <strong>der</strong> universitären Leistungserstellung.ZusammenfassungDie von <strong>der</strong> Universität ausgehende primäre Nachfrage in <strong>der</strong> Stadt und demLandkreis Kaiserslautern belief sich auf insgesamt über 200 Millionen DM,wobei die zentralen Wirkungen nicht von den Haushalten <strong>der</strong> Universitätund ihrer Folgeeinrichtungen ausgehen, son<strong>der</strong>n von den Konsumausgaben<strong>der</strong> Beschäftigten und <strong>der</strong> Studierenden.Dabei lassen sich zwei gegenläufige Tendenzen ausmachen: Während dieBeschäftigtenzahl und damit die Personalausgaben vor allem auf Grund <strong>der</strong>Gründung und Erweiterung rechtlich selbständiger Folgeeinrichtungen innerhalb<strong>der</strong> Untersuchungsperiode um 13,4 Prozent bzw. 27,9 Prozent gestiegensind, war die Zahl <strong>der</strong> Präsenzstudierenden im selben Zeitraum um22,1 Prozent rückläufig. Da aber, wie erwähnt, mit einer baldigen Trendumkehr<strong>der</strong> Studiengangspräferenzen zu rechnen ist, dürften die ermitteltenprimären Nachfragewirkungen im Zeitablauf ein relatives Minimum darstellen.Sekundäre NachfragewirkungenDie Primärnachfrage <strong>der</strong> Universität und ihrer Angehörigen in <strong>der</strong> Regionführt nur teilweise zur Erhöhung des 'Volkseinkommens' im Raum Kaiserslautern.Die Ausgaben <strong>der</strong> Beschäftigten für Literatur o<strong>der</strong> Autos beispielsweisesind für den Verkäufer nicht Einkommen, son<strong>der</strong>n Umsatzerlöse, vondenen <strong>der</strong> größte Teil - im Falle des Buchhändlers - an Großhändler und38


Verlage bzw. - im Falle des Autohändlers - an den Hersteller abzuführen ist.Der originäre regionale Einkommenseffekt <strong>der</strong> Primärnachfrage ist damitkleiner <strong>als</strong> eins. Da aber die regionalen Anbieter und ihre Beschäftigtenebenfalls einen Teil ihres Einkommens im Raum Kaiserslautern verausgaben,dieser Umsatz hier wie<strong>der</strong>um zu Einkommen, Beschäftigung un<strong>der</strong>neutem Konsum führt, kommt es letztlich zu sogenannten regionalen Multiplikatoreffekten.Die Größe des regionalen Einkommensmultiplikators hängt neben <strong>der</strong> Sparneigungsehr stark von <strong>der</strong> Größe und Struktur <strong>der</strong> betrachteten Region ab.Je größer diese ist, desto größer auch <strong>der</strong> in ihr verbleibende Wertschöpfungsanteilan den nachgefragten Gütern und Dienstleistungen. Gleiches gilt,je stärker die sektorale Angebotsstruktur <strong>der</strong> regionalen Nachfrage entspricht.In an<strong>der</strong>en Studien zu den regionalen Wirkungen einer Hochschule wurde<strong>der</strong> Einkommensmultiplikator mit bis zu 2,5 veranschlagt, was jedoch deutlichzu hoch angesetzt erscheint. Sowohl <strong>der</strong> dafür notwendige Anteil <strong>der</strong>regionalen Wertschöpfung <strong>als</strong> auch die erfor<strong>der</strong>liche Umschlagshäufigkeitdes Geldes dürfte wenig realistisch sein. Legt man einen plausibler erscheinendenWert von 1,5 zugrunde, entsteht durch sekundäre Effekte ein zusätzlichesEinkommen in <strong>der</strong> Region von 102,1 Millionen DM, so dass sich <strong>der</strong>Gesamteffekt auf 306,3 Millionen DM beläuft.Zusammenfassung und AusblickDie Universität Kaiserslautern übt insbeson<strong>der</strong>e auf die Stadt, aber auch aufden umgebenden Landkreis eine erhebliche ökonomische Wirkung aus.Alleine die im Rahmen dieser Untersuchung betrachtete Leistungserstellungtrug 1996 über 300 Millionen DM zum regionalen Einkommen bei. Mit über1.700 Beschäftigten ist die Universität einer <strong>der</strong> größten Arbeitgeber <strong>der</strong>Region und kann so <strong>der</strong>en Strukturschwäche wenn nicht beseitigen, so dochzumindest min<strong>der</strong>n.Wie eingangs erwähnt, wäre es außerordentlich interessant, neben diesenWirkungen <strong>der</strong> Leistungserstellung diejenigen <strong>der</strong> Leistungsabgabe auf dieRegion zu untersuchen. Welche Rolle spielte die Universität etwa für dieAnsiedlung des Forschungs- und <strong>Entwicklung</strong>szentrums des AutomobilzulieferersKeiper Recaro? Was bedeutet ihre Existenz für das Business InnovationCenter (BIC) Kaiserslautern, welche Impulse gehen von den Aktivitäten<strong>der</strong> universitären Kontaktstelle für Information und Technologie (KIT)im Bereich Technologietransfer aus? Hat sich die Universität zum "Motor39


für die <strong>Entwicklung</strong> <strong>der</strong> Region Westpfalz" entwickelt, und wenn ja, sinddiese seriös quantifizierbar? Dies zu untersuchen, wäre allerdings eine außerordentlichaufwendige Aufgabe.40


<strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> Lieferanten innovativer AbsolventenProf. Dr. Hans-Jürgen EwersPräsident <strong>der</strong> Technischen Universität BerlinAbsolventen von <strong>Hochschulen</strong> können in zwei Berufsfel<strong>der</strong>n innovative, d.h.<strong>als</strong>o vor allem problemlösungsorientierte Wirkungen entfalten:- <strong>als</strong> abhängig Beschäftigte und- <strong>als</strong> selbständige Unternehmer.In beiden Fel<strong>der</strong>n ist es von zentraler Bedeutung, unsere Studierenden mitdem notwendigen fachlichen und überfachlichen Rüstzeug und - bereitswährend des Studiums - mit den erfor<strong>der</strong>lichen praktischen, betrieblichenErfahrungen zu versehen. Um problemlösungsorientierte Absolventen auszubilden,muss die Universität Schwerpunkte in Forschung und Lehre schaffen,die die technologischen Aktivitätsfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft berücksichtigenund mit den auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Landes- und gegebenenfalls Bundespolitikidentifizierten Technologieschwerpunkten korrespondieren. Die folgendenAusführungen orientieren sich am Beispiel meiner eigenen Universität, <strong>der</strong>TU Berlin, die zur Zeit einem grundlegenden Umstrukturierungsprozessunterworfen ist.Das Ziel vor Augen, <strong>als</strong> Universität einen internationalen Spitzenplatz zuerreichen, fassen wir die äußerst schwierigen finanziellen Rahmenbedingungenauch <strong>als</strong> Chance für einen Neubeginn auf. Die zur Verfügung stehendenMittel müssen in Schwerpunkten konzentriert werden, die breite Fächerpalettevon früher wird es in dieser Form nicht mehr geben. Starke Forschungsbereichesind <strong>der</strong> einzige Garant für eine erfolgreiche Ausbildungund eine För<strong>der</strong>ung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Universitäre Studiengängezeichnen sich durch eine forschungsgekoppelte Konzept- undTheorieorientierung aus. Die Reflexion des neuesten Forschungsstandessichert Qualität und Aktualität <strong>der</strong> Lehre und för<strong>der</strong>t zugleich die Qualität<strong>der</strong> Darstellung von Forschungsergebnissen. Deshalb müssen die Lehrendensowohl in <strong>der</strong> Lehre <strong>als</strong> auch in <strong>der</strong> Forschung ausgewiesen sein.Es ist erklärtes Ziel, vor allem junge Wissenschaftler zu berufen, die miteinem ehrgeizigen wissenschaftlichen Programm den Willen verbinden,einen Großteil ihrer Mittel von außen einzuwerben. Grundsätzlich mussmehr <strong>als</strong> ein akzeptables Lehrangebot sichergestellt werden. Die TUB hat inAnlehnung an die Wissenschafts- und Technologiefel<strong>der</strong> des Landes Berlineine Reihe von Forschungsschwerpunkten <strong>als</strong> künftige "Centers of Excel-41


lence" definiert, die durch gezielte Berufungen entwickelt und gestärkt werdensollen. Das gilt für die Anstrengungen zur Optimierung des Standortesauf dem Feld <strong>der</strong> Biotechnologie ebenso wie für den "Forschungs- und Anwen<strong>der</strong>verbundVerkehrssystemtechnik" (FAV).Die durch den Akademischen Senat verabschiedeten Leitlinien für fakultätsübergreifendeForschungsschwerpunkte (FSP) zielen auf die Einrichtungund Unterstützung von leistungsstarken Forschungsbereichen. Unter denForschungsschwerpunkten sind im wesentlichen technologisch umrisseneThemenfel<strong>der</strong> zu verstehen, in denen ein hoher, mittel- bis langfristig auchzahlungskräftiger gesellschaftlicher Bedarf an grundlagen- und anwendungsorientiertemWissen besteht. Die Leitlinien formulieren die Ziele, dieOrganisation und Finanzierung sowie inhaltliche Kriterien und Verfahren<strong>der</strong> Einrichtung. In den Bereichen:- Mikrosystemtechnik,- Biotechnologie,- Internationale Geosystemanalyse,- Informations- und Kommunikationstechnologie und- Verkehrarbeiten bereits erfolgreich fakultätsübergreifende Forschungsschwerpunkte.Die aktuellen Technologieschwerpunkte des Landes Berlins sind:- Biotechnologie und Medizintechnik- Verkehrstechnologie- Medien-, Informations- und Kommunikationstechnologie- Und das Kompetenznetz "Optische Technologien".Mit <strong>der</strong> Einrichtung ihrer Forschungsschwerpunkte verfolgt die TU Berlinauch das Ziel, den Beitrag <strong>der</strong> TU Berlin zu den Schwerpunktfel<strong>der</strong>n <strong>der</strong>Berliner Technologiepolitik sichtbar zu machen und die Wechselwirkungenmit Forschungseinrichtungen <strong>der</strong> Region zu stärken. Strategische Allianzenfestigen die Schnittstellen zwischen Universität, Unternehmen und außeruniversitärenForschungseinrichtungen in Forschung und <strong>Entwicklung</strong>.Hiervon profitieren wie<strong>der</strong>um Lehre und Studium. Schnittstellen bestehengenau dort, wo die Universität über Forschungskapazität in technischen undnaturwissenschaftlichen Gebieten verfügt und es insbeson<strong>der</strong>e für technologiebasierteUnternehmen zunehmend schwieriger wird, mit eigenen <strong>Entwicklung</strong>sabteilungenGrundlagenforschung sowie <strong>der</strong>en Umsetzung inmarktfähige Produkte zu betreiben. Die Bereitstellung innovativer Absolven-42


ten geschieht durch solche tragfähigen Allianzen und Netzwerke zwischenUniversität und Unternehmen. Allerdings müssen die Netzwerke auch in denZeiten längerfristig belastbar sein, in denen sich die wirtschaftlicheGroßwetterlage nicht so erfolgversprechend darstellt. Am Beispiel <strong>der</strong>Informations- und Kommunikationstechnik, aber auch des Maschinenbaus,erfahren wir im Moment die Konsequenzen einer Beschäftigungspolitik, dieeher auf kurzfristige Perspektiven ausgerichtet ist. Die Deckung des<strong>der</strong>zeitigen Bedarfes an IT-Spezialisten und -Ingenieuren, wäre weitauseinfacher zu erreichen, wenn unsere Partner in <strong>der</strong> Industrie vor einigenJahren unsere Absolventen auf halben Stellen "geparkt" hätten und dieUniversitäten die Absolventen in <strong>der</strong> Zwischenzeit zur Promotion geführthätten. Der heutige Bedarf ließe sich schneller und effektiver bedienen.Erfolgreiches Arbeiten in einer durch Wettbewerb, Arbeitsteiligkeit undKooperation geprägten Berufswelt setzt neben den fachlichen Fähigkeiten inwachsendem Maße Kommunikations- und Teamfähigkeit, Leistungs- undVerantwortungsbereitschaft und Führungseigenschaften voraus. Den Erwerbdieser Kompetenzen müssen die Fakultäten durch das Angebot entsprechen<strong>der</strong>Lehrveranstaltungsformen för<strong>der</strong>n (Praxisprojekte im Verbund mit <strong>der</strong>Industrie, selbständiges Arbeiten in Kleingruppen, Präsentationen, etc.).Praxisorientierung soll in jedem Fall integraler Bestandteil von Lehrveranstaltungensein, z.B. praxisorientierte Projekte, Einbeziehung externer Lernortewie Betriebserkundungen, Exkursionen etc.Der Praxisbezug, den die Studierenden in ihrem Studium erfahren können,stellt ein zentrales Moment <strong>der</strong> notwendigen laufenden Anpassung des Studienangebotesan verän<strong>der</strong>te wissenschaftliche wie gesellschaftliche Bedingungendar. Er kann optimal nur über eine reale Betriebspraxis <strong>der</strong> Studierendenauf ihren künftigen Arbeitsfel<strong>der</strong>n bereits während des Studiumshergestellt werden.Zwei Initiativen <strong>der</strong> Technischen Universität Berlin will ich hier beispielhafterwähnen: das "Center für Wandel und Wissensmanagement" und das "CareerCenter" <strong>der</strong> TU Berlin.Das an <strong>der</strong> Fakultät Wirtschaftswissenschaften angesiedelte "Center fürWandel- und Wissensmanagement" bietet in Zusammenarbeit <strong>der</strong> SiemensAG und <strong>der</strong> DaimlerChrysler AG in einer dreistufigen Struktur den Studierendenfolgende Dienstleistungen an:43


1. Während des Sommersemesters Durchführung einer Vortragsreihe, bei<strong>der</strong> hochrangige Manager über aktuelle Fragestellungen eines Großkonzernsberichten,2. Praxisprojekte im Wintersemester, in denen Studierende gemeinsam mitSiemens-Mitarbeitern in Projekte eingebunden sind, und3. die Möglichkeit, Studien- und Diplomarbeiten über die Praxisprojekteo<strong>der</strong> über aktuelle Fragestellungen des Wandel- und Wissensmanagement zuschreiben.Das in <strong>der</strong> Stabsstelle Wissenstransfer angesiedelte Career Center bietet inZusammenarbeit mit <strong>der</strong> Vereinigung <strong>der</strong> Unternehmensverbände in Berlinund Brandenburg und dem Hochschulteam des Arbeitsamtes folgenden Servicean:1. Unterstützung von Unternehmen beim Personal Recruitment über dieVermittlung von Praktikanten, Werkstudenten und Absolventen,2. Unterstützung von Studierenden, Absolventen und wissenschaftlichemMitarbeitern bei <strong>der</strong> Suche nach einem geeigneten Praktikumsplatz im InundAusland (Studentenbörse, Praxis-Link) sowie bei <strong>der</strong> Vorbereitung aufden Berufseinstieg. Betriebliche Praktika in einem an<strong>der</strong>en europäischenLand werden innerhalb des LEONARDO DA VINCI Programms finanziellgeför<strong>der</strong>t.3. Durchführung von Seminaren und Übungen zu den Themen Bewerbungstraining,Kommunikationstraining, Assessment Center, Lebenslaufklinik.Die Effekte dieser Initiativen <strong>der</strong> TU Berlin hierbei sind:1. Schneller und umfangreicher Wissenstransfer zwischen Wissenschaft undWirt-schaft, um die Praxisorientierung sowie Innovations-bereitschaft und -fähigkeit <strong>der</strong> Studierenden zu steigern,2. Unternehmen können frühzeitige Kontakte zu qualifizierten Absolventenherstellen sowie durch eine bessere Nutzung von Forschungs-ergebnissendurch intensivere Zusammenarbeit Innovationsprozesse beschleunigen.Für die Orientierung <strong>der</strong> Lehre <strong>der</strong> TU Berlin gelten einige Grundsätze:44


- Die Studiengänge sollen sich an <strong>der</strong> Schwerpunktsetzung in <strong>der</strong> Forschungorientieren. Denn: Aus einer starken Forschung erwächst eine starke Lehre.- Geistes-, sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge sollen eineTechnikorientierung aufweisen, soweit dies dem jeweiligen Fach zumutbarund angemessen ist. Denn: Wir sind eine TU.- Und: Studierenden <strong>der</strong> natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängesollen auch geistes-, sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Grundlageneines verantwortungsvollen Umgangs mit <strong>der</strong> Technik vermittelt werden.Dies gilt selbstverständlich in umgekehrter Richtung für Studierende <strong>der</strong>Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Sie sollen auch Grundlagen<strong>der</strong> Ingenieur- und Naturwissenschaften kennen. Denn: Wir wollen keine"Fachidioten" – um einen Begriff aus vergangenen Zeiten zu benutzen –ausbilden, wir wollen eine möglichst umfassende Ausbildung o<strong>der</strong> sogarBildung vermitteln.Durch stärkere Einbeziehung internationaler Elemente in das Studium sollenTU-Absolventen einen besseren Zugang zum internationalen Arbeitsmarkterhalten. Die von <strong>der</strong> Stabsstelle Wissenstransfer betreuten Mobilitätsprogrammeim Rahmen des europäischen Programms LEONARDO DA VINCIvermitteln Studierende, Absolventen und wissenschaftliche Mitarbeiter inBetriebsaufenthalte im europäischen Ausland für die Dauer von drei biszwölf Monaten. Weiterhin sollen Studienabschlüsse in einer Form ausgewiesenwerden, die die internationale Vergleichbarkeit und Anerkennung sicherstellt.Um den Lehrenden einen Anreiz zu verschaffen, soll bei <strong>der</strong> leistungsbezogenenMittelvergabe an die Fakultäten neben Drittmitteleinwerbung undPublikationen auch berücksichtigt werden, wie hoch <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Promotionenund Habilitationen ist. 25 Prozent des Stellenkontingentes für akademischeMitarbeiter sollen nach Beschluss des akademischen Senates an Leistungskriterienin <strong>der</strong> Forschung geknüpft werden.Was die wirtschaftliche und soziale <strong>Entwicklung</strong> angeht, versteht sich, dasseine TU in beson<strong>der</strong>er Weise <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Innovationen in allen Bereichen<strong>der</strong> Gesellschaft und insbeson<strong>der</strong>e auch <strong>der</strong> Unternehmenskulturverpflichtet ist. "Gründung in <strong>der</strong> Universität", so heißt ein Konzept, das esgegenwärtigen o<strong>der</strong> ehemaligen Mitarbeitern, Absolventen und Studenten<strong>der</strong> TU Berlin ermöglicht, ihre Gründungsidee bereits in <strong>der</strong> Universitätumzusetzen. Dazu wird mit Unternehmensgrün<strong>der</strong>n eine Rahmenvereinbarungabgeschlossen, die diesen über einen Zeitraum von zwei Jahren für ihr45


Gründungsvorhaben in <strong>der</strong> Universität beson<strong>der</strong>e Konditionen hinsichtlich<strong>der</strong> Anmietung von Räumen und <strong>der</strong> Nutzung von Geräten und Anlagen <strong>der</strong>TU Berlin ermöglicht. Voraussetzung für die Vereinbarung ist, dass sich einInstitut o<strong>der</strong> Fachgebiet zur Betreuung des Gründungsvorhabens bereit erklärt,dass die benötigten Räume, Anlagen und Geräte zumindest zeitweisezu einer Nutzung durch Dritte verfügbar sind und die VerfügbarmachungLehre und Forschung nicht behin<strong>der</strong>t.Seit dem Sommersemester 2000 finden bei uns regelmäßige Grün<strong>der</strong>sprechstundenstatt, die mit unseren Kooperationspartnern, <strong>der</strong> Technologie CoachingCenter GmbH (TCC) und <strong>der</strong> studentischen Unternehmensberatungcct Company Consulting Team e.V. durchgeführt werden.In den letzten 15 Jahren sind über hun<strong>der</strong>t Unternehmen von Absolventen<strong>der</strong> TU Berlin gegründet worden. Hierzu zählen so renommierte Firmen wiedie Teles AG, die AVM AG, Analyticon AG, die ActinoDrug AG und injüngster Zeit die NAISS GmbH und die EANTC AG. An <strong>der</strong> EANTC AGbeteiligt sich die TU Berlin <strong>als</strong> Gesellschafterin. Nach unseren Schätzungensind dadurch weit über 2.000 Arbeitsplätze geschaffen worden. Die TUBerlin begreift sich <strong>als</strong>o nicht nur <strong>als</strong> Lieferantin innovativer Arbeitskräfteim Allgemeinen, son<strong>der</strong>n auch <strong>als</strong> Produzentin innovativer Unternehmensgrün<strong>der</strong>.46


<strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> Motor für ExistenzgründungenProf. Dr. rer. nat. habil. Achim MehlhornRektor <strong>der</strong> Technischen Universität DresdenDie Zeit liegt nur kurz zurück, in <strong>der</strong> sich Universitäten und <strong>Hochschulen</strong> in<strong>der</strong> Rolle sahen, akademische Arbeitnehmer auszubilden.Dies galt sowohl für den wissenschaftlichen Nachwuchs, <strong>als</strong> auch für die indie Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen wechselnden Absolventen.Eine Auffor<strong>der</strong>ung zu unternehmerischer Tätigkeit unterblieb weitgehend,obwohl es natürlich immer - beson<strong>der</strong>s in den technischen Disziplinen -Absolventen o<strong>der</strong> Wissenschaftler gab, die den Wunsch verspürten, selbständigund unternehmerisch tätig zu sein.Die Folge davon war, dass sich nur ein verschwindend kleiner Teil <strong>der</strong> Absolventen(weniger <strong>als</strong> fünf Prozent) später in <strong>der</strong> Rolle eines selbständigenEntrepreneurs wie<strong>der</strong>fand.Seit einigen Jahren laufen, inspiriert durch die <strong>Entwicklung</strong>en in den VereinigtenStaaten, auch in Deutschland verstärkte Bemühungen, die Entstehungneuer, technologieorientierter Unternehmen durch Hochschulangehörige undAbsolventen <strong>der</strong> <strong>Hochschulen</strong> beson<strong>der</strong>s zu för<strong>der</strong>n.Motive waren dabei:1. die mit hohem <strong>Entwicklung</strong>sgradienten entstehenden Innovationen, dievon etablierten Großunternehmen nur zögerlich und langsam aufgegriffenwurden und die die Flexibilität des Wirtschaftsstandorts Deutschlandsich ausreichend bedienten und2. die Hoffnung, dass sich durch Gründung neuer Unternehmungen dieArbeitslosenziffern deutlich würden verringern lassen.Bevor ich die Aktivität <strong>der</strong> TU Dresden auf diesem Gebiet schil<strong>der</strong>e, müssteich hervorheben, dass sich zumindest die letzte Hoffnung, mit NeugründungenArbeitslose wie<strong>der</strong> in den Produktionsprozess zurückzuführen, primärnicht erfüllt hat.Die Grün<strong>der</strong> technologieorientierter Unternehmungen kommen in den meistenFällen nicht aus dem Kreis <strong>der</strong> Arbeitslosen. Sie hätten meist auch amArbeitsmarkt <strong>als</strong> Arbeitsnehmer gute Chancen.47


Technologieorientierte Neugründungen sind überdies schlank konzipiert undhochkarätig besetzt und schöpfen in <strong>der</strong> Regel nicht aus dem Reservoir <strong>der</strong>Beschäftigungslosen. Entsprechende Versuche eines An-Instituts für Weiterbildungan <strong>der</strong> TU Dresden, durch Lehrangebote Kompetenzen <strong>als</strong> Unternehmensgrün<strong>der</strong>zu erwerben, stoßen bei stellungslosen Akademikern aufverschwindend geringe Resonanz und weisen sie <strong>als</strong> eine ungeeignete Zielgruppefür diese Aktivitäten aus. Dienstleistungen konventioneller Art sindfür die Jungunternehmen meist nicht bezahlbar und werden eher aus äußerenAngeboten realisiert.Doch nun zu unseren Initiativen - Ich glie<strong>der</strong>e in fünf Fel<strong>der</strong>:1. Eine aktive Unterstützung von Erfin<strong>der</strong>n bei PatentnahmeEine grundlegende Voraussetzung für unternehmerische Aktivitäten ist einebelastbare Geschäftsidee, die in <strong>der</strong> Regel mit einer eigenen Erfindung verbundenist.Deshalb betreiben wir in Dresden eine aktive Politik des Erfindungsschutzes,indem wir die Anmeldungskosten für Patente für die ersten drei Jahre ausden zentralisierten Drittmitteln <strong>der</strong> Universität bezahlen. Die Übernahme <strong>der</strong>nicht unbeträchtlichen Kosten steigert ganz wesentlich die Bereitschaft,wissenschaftliche Ergebnisse <strong>als</strong> Patente anzumelden. Seit Einführung dieserRegelung vor 6 Jahren sind an <strong>der</strong> TU Dresden mehr <strong>als</strong> 300 Patentanmeldungenin Deutschland und mehr <strong>als</strong> 60 im Ausland erfolgt.Für die Abfassungen <strong>der</strong> Patente stellen wir juristischen Sachverstand undein Patentinformationszentrum zur Verfügung. Die Übernahme <strong>der</strong> Anmeldungskostenist mit <strong>der</strong> Bedingung verbunden, dass bei Nutzung 20 Prozent<strong>der</strong> erlösten Nutzungssumme und die Auslagen vom Erfin<strong>der</strong> an die TUDresden zurückgezahlt werden müssen.2. Entrepreneurship innerhalb <strong>der</strong> Universität in universitätseigenenFirmenHäufig möchten die Erfin<strong>der</strong> anwendungsfähiger wissenschaftlicher Ergebnissenicht <strong>als</strong> Unternehmensgrün<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Universität ausscheiden, son<strong>der</strong>nnur eine Möglichkeit finden, im legalen Raum ohne Wettbewerbsverzerrungund im Nebenamt <strong>als</strong> Entrepreneur aufzutreten. Dazu haben wir inDresden die Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer <strong>der</strong> TUDresden mbH (GWT) gegründet. Das Unternehmen ist eine TU-Tochter und48


eschäftigt sich mit <strong>der</strong> Vermarktung von angewandter Forschung und mit<strong>der</strong> Vermittlung von Dienstleistungen <strong>der</strong> Universität nach außen. All diesgeschieht auf kommerzieller Basis.Die Erfahrungen mit diesem Unternehmen sind aufschlussreich und positiv.Nach nur zwei Geschäftsjahren gibt es einen Gesamtumsatz von nahezu 12Millionen DM und mehr <strong>als</strong> 70 Beschäftigte, die auf Projektgrundlage arbeiten.Die zwei Geschäftsführer müssen jedoch eine sehr komplizierte undvielschichtige Arbeit leisten, da sich das breite Problemspektrum <strong>der</strong> Universitätauch im Tätigkeitsspektrum <strong>der</strong> Firma reflektiert. Vom Software-Paket über dreidimensionales Monitoring, vom textilverstärkten Beton biszur klinischen Testung reicht das Spektrum. Die schwierige Profilgewinnungund damit gesplittete Kompetenz ist das Hauptproblem <strong>der</strong> Firma. Gleichwohlbetrachten wir das Unternehmen <strong>als</strong> Erfolg, zumal es seine Umsätzeerkennbar steigert. Wir hoffen, in wenigen Jahren das Umsatzvolumen auf15 - 20 Millionen DM zu erhöhen, ohne dass die Drittmitteleinnahmen <strong>der</strong>Universität sinken. Denn es gibt eine wichtige Grundaufgabe <strong>der</strong> Company:Die private Rechtsform soll uns Drittmittelmärkte erschließen, die die Universität<strong>als</strong> öffentliche Einrichtung mit objektiv schwerfälligen kameralistischenVerwaltungsstrukturen nicht besetzen kann.Es erscheint mir auch notwendig, die an <strong>der</strong> Universität insulär vorhandenetechnische Spitzenausrüstung zu einem angemessenen Teil für bezahlteServiceleistungen außeruniversitärer Kunden zu nutzen. Auch diese Seitewird von <strong>der</strong> GWT akquiriert und an die Professoren <strong>der</strong> Universität herangetragen.3. Ausgründungen unter dem Dach von TechnologiezentrenDie TU Dresden ist Hauptgesellschafter am TechnologieZentrumDresden,einer Inkubatororganisation für Neugründungen. Es bietet Existenzgrün<strong>der</strong>nbedarfsgerechte Flächen für die befristete Ansiedlung an einem erstklassigenStandort mit guter Verkehrsanbindung, die Nähe <strong>der</strong> Hochschule und Erweiterungsmöglichkeitenbis zur Ansiedlung auf Dauer. Für Grün<strong>der</strong> von technologieorientiertenUnternehmen gibt es überdies Kompetenzberatung zumUnternehmens-, Marketing- und Finanzierungskonzept. Von den mehr <strong>als</strong> 80Neugründungen, die unter dem Dach dieses Technologiezentrums arbeiten,sind etwa die Hälfte unmittelbare Ausgründungen aus <strong>der</strong> Universität.49


4. Freie Ausgründungen aus <strong>der</strong> UniversitätNatürlich gibt es auch private Ausgründungen von Professoren aus <strong>der</strong> Universität.Ein prominentes Beispiel ist die Gründung <strong>der</strong> Firma "SystemonicAG", die uns im Anschluss an meine Ausführungen durch Herrn ProfessorFettweis vorgestellt werden soll. Wir bemühen uns <strong>als</strong> Universität bei solchenAusgründungen um zwei Aspektea) zu sichern, dass die kommerziellen Aktivitäten nicht wettbewerbsverzerrendwirken, weil sie unter Nutzung <strong>der</strong> staatlich finanzierten Infrastruktur<strong>der</strong> Universität zustande kommen könnten,b) Die TU Dresden bemüht sich um Beteiligung an solchen Startups, sofernsie Erfindungen umsetzen, an <strong>der</strong>en patentrechtlicher Absicherung die Universitätbeteiligt war.5. Lehrprogramme zum Erwerb unternehmerischer KompetenzNeben <strong>der</strong> Ausschöpfung <strong>der</strong> wirtschaftlich nutzbaren wissenschaftlichenKompetenzen hat die Universität darüber hinaus die Aufgabe, kreative, selbständigdenkende und handelnde Persönlichkeiten heranzubilden. Für sie sollnicht nur qualifizierte Arbeit in einer großen Organisation, son<strong>der</strong>n auchkreative Arbeit im eigenen Unternehmen <strong>als</strong> ein angestrebtes Berufszielformuliert werden. Darauf müssen die <strong>Hochschulen</strong> die jungen Menschenverstärkt vorbereiten.Es gilt dabei, eine Dynamik von Gründungen zu initiieren, aus denen sichacht Handlungsfel<strong>der</strong> ableiten lassen.Über diese Handlungsfel<strong>der</strong> substantiell zu informieren, muss das Bildungszielsolcher Lehraktivitäten sein.Welche Angebote zur Qualifikation von Studenten und Mitarbeitern unterbreitetnun hier die TU Dresden?Bevor ich diese Frage beantworte, lassen Sie mich kurz auf die Träger dieserAngebote eingehen. Zum Einen ist dies das Projekt "Dresden exist's", welches1998 <strong>als</strong> eines von fünf Projekten <strong>als</strong> Sieger aus dem Wettbewerb "Exist's- Existensgrün<strong>der</strong> aus <strong>Hochschulen</strong>" des Bundesministeriums für Bildungund Forschung hervorgegangen ist.50


Dresden Exist's versteht sich im Sinne des Wettbewerbs <strong>als</strong> Initiator einesregionalen Netzwerkes zur Verbesserung des Grün<strong>der</strong>klimas.Zweiter Anbieter ist <strong>der</strong> SAP-Stiftungslehrstuhl für technologieorientierteExistenzgründung und Innovationsmanagement.Dieser Lehrstuhl wurde Anfang 1999 mit Unterstützung <strong>der</strong> SAP AG Waldorf,und hier beson<strong>der</strong>s durch Herrn Hajo Plattner eingerichtet, und ist seitdem 1.5.1999 durch Herrn Prof. Michael Schefczyk besetzt.Die Veranstaltungen, die die beiden Träger anbieten, sehen Sie in <strong>der</strong> nächstenAbbildung dargestellt.Wie Sie erkennen, wird versucht, ein möglichst breites Spektrum anzubieten,abgestimmt auf die Vorqualifikation <strong>der</strong> Teilnehmer und die Zeitdauer bis zueiner möglichen Unternehmensgründung.Kennzeichen für alle Veranstaltungen ist dabei, dass eine möglichst weitgehendeAbkehr von einer passiven Wissensvermittlung, hin zu aktiven Lernformenangestrebt wird.Die damit verbundene Interaktivität und Zielorientierung entspricht am bestendem Unabhängigkeitsstreben von potentiellen Unternehmern <strong>als</strong> Teilnehmerdieser Veranstaltungen.Ganz am Anfang dieser Veranstaltungstreppe finden Sie eine Vorlesungsreihe,die vor allem an Nicht-Wirtschaftswissenschaftler gerichtet ist. Wir nennensie "Gründungsorientierte Einführung in die Betriebswirtschaftslehre".In ihr wird notwendiges kaufmännisches Basiswissen für eine Unternehmungsgründungvermittelt. Angeboten wird die Reihe an verschiedenenFakultäten wie z.B. Medizin, Informatik und Ingenieurwissenschaften.Um die Motivation zur Teilnahme zu erhöhen, finden die Veranstaltungenausschließlich in den Räumen <strong>der</strong> jeweiligen Fakultät statt.Als weiteres Veranstaltungsformat wird ein Fallstudienseminar angeboten.Hier bearbeiten die Teilnehmer in Kleinstgruppen (2 - 3 Personen) selbständigkomplexe Fälle zur Unternehmensgründung. Dabei wird eine Mischungverschiedener Problembereiche angestrebt. Das Fallstudienseminar soll mitden umfangreichen Fallsituationen in erster Linie die Analysefähigkeit <strong>der</strong>51


Teilnehmer verstärken und ihre Problemlösungskompetenz festigen. Weiterhinwollen wir mit dieser Veranstaltungsform die Zielfähigkeit verbessern.Bussinessplan-Seminare bilden das dritte Veranstaltungsformat, das ichansprechen möchte. Diese werden vom SAP-Stiftungslehrstuhl in Zusammenarbeitmit Lehrstühlen an<strong>der</strong>er Fakultäten zu verschiedenen Themen-Gebieten, wie beispielsweise Elektro- und Informationstechnik, Maschinenbauund Telekommunikation, angeboten. Ziel ist die Erstellung von Geschäftsplänenzu den konkreten Gründungsideen <strong>der</strong> Teilnehmer.Teilnehmer sind dabei sowohl Studenten <strong>als</strong> auch Assistenten verschiedenerFakultäten. Die Geschäftsidee ist zumeist Ergebnis <strong>der</strong> Studienarbeit in verschiedenentechnischen Fächern. Begleitet werden die Bussinessplan-Seminare von Praxispartnern, wie z.B. venture capital Gesellschaften, Kreditinstituten,Beratungsfirmen, Wirtschaftsprüfern o<strong>der</strong> ehemaligen Grün<strong>der</strong>n.Ein wesentlicher Meilenstein im Bussinessplan-Seminar ist die Klausurtagung,in <strong>der</strong> die vorab gebildeten Teams ihr jeweiliges Thema strukturierenund erste Schritte <strong>der</strong> Geschäftsplanung, vor allem <strong>der</strong> Produktdefinition,absolvieren.Die Klausurtagung wird über einen Zeitraum von 24 Stunden außerhalb <strong>der</strong>Universität durchgeführt und bietet den Teilnehmern im Rahmen eines KaminabendsKontaktmöglichkeiten mit Unternehmern, Gründungsfinanciersu.a. relevanten Experten.Finale und Höhepunkt des Bussinessplan-Seminars ist die Abschlusspräsentation,in <strong>der</strong> die Teams ihre Planung vor allen Seminarteilnehmern präsentierenund von einer hochkarätig besetzten Jury bewerten lassen müssen.Eine erste Bilanz über die Ergebnisse des Bussinessplan-Seminars ist bereitsheute zu ziehen. Aus dem Seminar im Wintersemester 1999/2000 ist u.a.eine tragfähige und führende Geschäftsidee im Bereich Heizungsbrenner/Diagnosetechnikhervorgegangen.Herr Sören Kahl entwickelte und produziert zusammen mit einem Hardware-Expertenund einem Kaufmann Diagnosegeräte mit Plug'n-Play-Sensoren zur schnellen Fehlerlokalisierung für. Gas- und Ölbrenner. DieGeschäftsidee erweist sich <strong>als</strong> tragfähig und wurde bisher vom Bundesministeriumfür Bildung und Forschung im Rahmen des Exist's-Seed-Programmesmit 70 000 DM geför<strong>der</strong>t.52


Im darauffolgenden Bussinessplan-Seminar des zu Ende gegangenen Sommersemesters2000 wurden gleich acht aussichtsreiche Geschäftsideen verfolgt,wovon mindestens vier das Potential zum dynamisch wachsenden,eventuell sogar börsennotierten Unternehmen besitzen.Zu den aussichtsreichsten Unternehmen gehört die voiceRanInterconnect.Beate Hirschfeld und Oliver Jockisch, beides Experten auf dem Gebiet <strong>der</strong>Sprachsignalverarbeitung und <strong>der</strong> Sprachsynthese, entwickeln Minispracherkennerzur Steuerung von Geräten auf Basis ihrer patentierten ASD-Technologie. Das Gründungsteam wird verstärkt durch die betriebs<strong>wirtschaftlichen</strong>Erfahrungen von Herrn Martin Wenzel, Student des Wirtschaftsingenieurwesens.Lassen Sie mich für diese originellste Möglichkeit <strong>der</strong> Unternehmensgründungaus den Reihen <strong>der</strong> jungen Hochschulabsolventen folgende Schlüsseziehen:1. Die Einrichtung einer Professur zur Gründung von technologieorientiertenUnternehmen hat sich bewährt. Die Anbindung an einer FakultätWirtschaftswissenschaften ist dagegen nicht zwingend.2. Die Teilnahme an Veranstaltungen zur Unternehmensgründung solltenfakultativer Studienbestandteil o<strong>der</strong> Option im Studium generale werden.3. Die Lehrkomponenten zur Unternehmensgründung müssen sich vomdidaktischen Ansatz her von tradierten Curricula unterscheiden. AktiveLehrformen, Teamwork, Art <strong>der</strong> Bewertung von Studienleistungen, Rollenspieleund Fallstudien, bis hin zur selbständigen Projektarbeit entsprechendem Unternehmerprofil eher und sollten verstärkt genutztwerden.4. Zu empfehlen ist schließlich die möglichst frühzeitige Etablierung einesNetzwerkes von Partnern aus dem Bereich Entrepreneurship.Solche Partner können Financiers, Technologiezentren, Steuerberater, Forschungseinrichtungenund Rechtsanwälte sein. Mit Hilfe eines solchenNetzwerkes kann externes Wissen in die Veranstaltung einfließen, was nichtzuletzt auch die Motivation <strong>der</strong> Studierenden erhöht.53


Gleichzeitig kann mit einem solchen Netzwerk sichergestellt werden, dassGründungsideen und Grün<strong>der</strong>persönlichkeiten treffsicher identifiziert werdenkönnen, z.B. in Forschungsinstituten.Darüber hinaus können Gründungsziele für Studierende o<strong>der</strong> Mitarbeiter ineinem solchen Netzwerk erste Kontakte knüpfen, die eine Begleitung beieiner späteren Gründung sicherstellen.Meine Damen und Herren, ich hoffe, Ihnen gezeigt zu haben, dass <strong>Hochschulen</strong>einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer Kultur <strong>der</strong> Selbständigkeitleisten können.Die Gründung eines Unternehmens ist für einen jungen Menschen eine außergewöhnlicheHerausfor<strong>der</strong>ung, die ihm weit mehr Belastbarkeit, Verantwortungsgefühlund Dynamik abverlangt, <strong>als</strong> das von ihm <strong>als</strong> Arbeitnehmererwartet wird.Insofern ist dieses Bildungsziel höchst anspruchsvoll und einer Universität<strong>der</strong> Zukunft angemessen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.54


<strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> Motor für ExistenzgründungenProf. Gerhard Fettweis, Vorstand/CTO, Systemonic AGIch möchte Ihnen ein Unternehmen vorstellen und ein Beispiel davon geben,was wir in Zukunft häufiger machen können o<strong>der</strong> müssen. Ich selber habeden Mannesmann-Stiftungslehrstuhl an <strong>der</strong> TU Dresden inne und bin seit 15Monaten CTO, <strong>als</strong>o in <strong>der</strong>selben Funktion wie Herr Mehrgardt, allerdings ineiner etwas kleineren Firma, <strong>der</strong> Firma Systemonic.Was ist die Aufgabe eines Hochschullehrers? Die Aufgabe eines Hochschullehrersin <strong>der</strong> Ingenieurwissenschaft besteht darin, eine Prognose zu erstellenund genau diese Prognose wi<strong>der</strong>legen. Hochschullehrer sind beruflich,hauptamtlich, dafür da, Prognosen zu wi<strong>der</strong>legen, indem sie Innovationenkreieren und damit neue Techniken, neue Technologien einführen, die bisheute nicht absehbar sind.Wir haben heute ein klassisches Verhältnis zwischen Universität und Industrie.Die Industrie gibt Geld an die Hochschule, gibt Auftragsforschungsmittelan die Hochschule und die Hochschule gibt Ideen zurück. Das ist <strong>der</strong>Wirtschaftskreislauf, <strong>der</strong> die <strong>Hochschulen</strong> bisher in <strong>der</strong> Form vorantreibt undvorantreiben soll. In <strong>der</strong> heutigen Welt haben wir es mit drei Faktoren zutun. Das ist die gelebte Welt, wie wir sie an <strong>der</strong> Ostküste und an <strong>der</strong> Westküstein den USA standardmäßig finden: wir haben zum einen die Hochschule,zum an<strong>der</strong>n haben wir die Ausgründungen, die Startups und zumdritten haben wir die Kapitalgeber. Das können klassische Industrieunternehmensein, das kann aber auch genauso gut Venture Capital von reinenFondsgesellschaften sein. Und nun schließt sich <strong>der</strong> Kreislauf in einer an<strong>der</strong>enForm, das heißt Ideen und Personal wan<strong>der</strong>n gemeinsam in das neueUnternehmen. Dieses neue Unternehmen gibt dafür einen Anteil an demUnternehmen an die Hochschule ab und dafür erhält es zusätzliches Kapitalvom Venture-Capital-Geber. Dies führt mittlerweile dazu, dass Startupsgegründet werden, in denen faktisch angewandte Forschung gemacht wird.Es werden Patente und intellectual property generiert, die zum Schluss nurnoch verkauft werden müssen. Klassisch wird ein Unternehmen gegründet,das großes Marktkapital hat, um an die Börse zu gelangen. Das Ziel desGanzen, wir hatten es schon gehört, ist eine gesunde Geldgier, das heißt, Zielist es nicht, Verluste zu machen, son<strong>der</strong>n zum Schluss mit hohen Gewinnenauf allen Seiten <strong>der</strong> Beteiligten davonzugehen. Das heißt, Ziel muss es sein,dass die Universität auch stark profitiert, die Grün<strong>der</strong> profitieren und <strong>der</strong>Kapitalgeber natürlich auch glücklich ist. Dieses gemeinsame Ziel wird55


gelebt. Klassisch kennen wir das von Stanford, Burkley, vom MIT, wir kennendas genauso von Technion in Israel und wir kennen das von Cambrigdein England. Wenn wir uns diese Beispiel anschauen, dann müssen wir unsdarüber im Klaren sein, dass so etwas nur durch Konzentration entstehenkann.Das Gieskannenprinzip funktioniert nicht. Konzentration ist notwendig.Warum gibt es zum Beispiel in Dresden einen Personalmangel in <strong>der</strong> Mikroelektronik?Weil die Mikroelektronik dort konzentriert vorhanden ist undsich gegenseitig vorantreibt. Durch die Konzentration entstehen neue Ansiedlungen,durch die neuen Ansiedlungen entsteht neues Potenzial. DasGanze kann nur so funktionieren. Eine Gründung hier, eine Gründung dafunktioniert nicht.Was haben wir uns <strong>als</strong> Beispiel genommen für die Firma Systemonic? Wirhaben uns das Gebiet <strong>der</strong> Kommunikationstechnik vorgenommen. Der Namesteht für System auf Chips, auf integrierten Schaltungen, system on IC. Und<strong>als</strong> erste Anwendung haben wir die Breitbandanwendung im drahtlosenBereich gewählt. Wir wissen alle, dass für UMTS viel Geld ausgegebenwurde. Wir wissen auch, dass im unteren Giga-Hertz-Bereich noch vieleFrequenzen vergeben werden und genau diese Frequenzen müssen auch fürden Mobilfunk frei gemacht werden. Das heißt, wir brauchen morgen, wollenwir Videoströme breitbandig im Haus, in Konferenzen und sonstwoverteilen, eine neue Technik. Sie kommt nächstes Jahr im Fünf-Giga-Hertz-Bereich und nennt sich Hyperline II. Wenn wir so etwas umsetzen wollen,weil es eine Sache ist, an die wir glauben, dann braucht es dafür Ideen. DieIdeen kennen wir. Als nächstes braucht es dafür Hilfe auf <strong>der</strong> legalen Seite,das heißt juristischen Beistand, um Gründungsverträge zu machen. Alsnächstes braucht es die Engineering-Mannschaft. Wie bekomme ich dieMannschaft zusammen? Die bekomme ich nicht zusammen, indem ich aus<strong>der</strong> Hochschule Leute herausnehme und sie isoliert arbeiten lasse, son<strong>der</strong>nsie müssen von Erfahrungsträgern aus <strong>der</strong> Industrie begleitet werden. AlsDrittes brauche ich Marketing, ich muss den Vertrieb aufbauen, die Finanzenregeln und schließlich zum Markt gehen, zum Aktienmarkt. Wenn ich mirdas anschaue, gibt es in Deutschland allerdings ein Problem. Das Problemheißt Marketing. Und zwar Produktmarketing, wie es klassisch von Ingenieurengemacht wird und nicht von Volkswirten. Ich muss strategisch wissen,wo geht es hin, wo passiert was, wie muss das Produkt aussehen. Ich mussdie technischen Features kennen. Und dieses Ingenieurmarketing, das nichtnach dem Motto: "Hergehen und das tollste Produkt bauen" funktioniert,son<strong>der</strong>n bei dem man genau wissen muss, was marktgerecht mit den Ingenieurfeaturesgemacht werden muss – das ist ein Defizit. Da haben wir uns56


Marketingkompetenz von <strong>der</strong> Westküste eingekauft und an <strong>der</strong> Firma beteiligt.Man muss wissen, wo es Defizite gibt und wo man sich die Kompetenzherholen kann. Das Zweite, was man braucht, ist ein Netzwerk. Denn dasNetzwerk ist das lebende Geschäft im Business. Wir haben uns ein Netzwerkaufgebaut, indem wir am Lehrstuhl in <strong>der</strong> Universität mit verschiedenstenFirmen zusammen gearbeitet haben und zusammen arbeiten. Da sind Projektpartnerund Sponsoren, zusätzlich zum Mannesmann Mobilfunk <strong>als</strong>Stifter. Die Anzahl <strong>der</strong> Firmen, die sich mittlerweile beteiligt haben, beläuftsich auf 18. Damit ist ein relativ globales Netzwerk entstanden. Einmal imJahr kommen die Firmen zusammen, besuchen den Lehrstuhl und schauen,was los ist. Wenn sie am 14. November kommen, werden sie sehen, dassschon wie<strong>der</strong> die nächste Firma in <strong>der</strong> Ausgründungsvorbereitung ist.Ich will zum Schluss kommen. Ich wollte Ihnen ein Beispiel eines gelebtenProzesses, einer Beteiligung <strong>der</strong> Universität an einer Firmenausgründung,und nebenher einen Markt, <strong>der</strong> von vielen übersehen wurde: die Breitbandanbindungins Internet durch Mobilfunk, zeigen. Vielen Dank.57


DiskussionMo<strong>der</strong>ation: Professor Dr. Klaus LandfriedKlaus LandfriedDie Frage, die mich am meisten bewegt hat, möchte ich Ihnen mit auf denWeg geben, nämlich die von Herrn Mehrgardt. Sie lautet: Brauchen wirnicht kreativere, näher am Leben befindliche Lehr- und Lernformen <strong>als</strong> das –ein bisschen polemisch apostrophierte – Vokabellernen, das Herr Ewers fürdas Grundstudium erwähnt hat?Das ist eine Frage, die natürlich auch das Unternehmen Hochschule betrifft.Müssen wir nicht auch im Bereich Hochschule, auch wenn sie Motor ist,auch wenn sie Arbeitsplätze schafft, möglicherweise neue Formen schaffen,um diesen Prozess, Innovationspotentiale in <strong>der</strong> Gesellschaft zu beschleunigenund zu erweitern, voranzubringen.Georg ObiegloJa, ich möchte gleich an Ihre Fragen mit <strong>der</strong> Schule anknüpfen. Ich denke, essind zwei Aussagen heute Vormittag gemacht worden. Herr Mehrgardt sagte,die Schule macht ihm Sorge, weil sie antikreativ ist. Und die Frau Ministerinsagte, wir haben eine Lücke in <strong>der</strong> Informatik, weil die Schüler nichtInformatik studieren wollten. Da erhebt sich schon die Frage: Hat es nichtauch etwas mit unserer Gesellschaft zu tun, mit unserer Einstellung in <strong>der</strong>Gesellschaft zu all dem, wie eine Gesellschaft vorangetrieben wird. Innovationen,wie wir heute gehört haben, so außerordentlich wichtig sie sind,müssen auch im gesellschaftlichen Umfeld <strong>als</strong> notwendig erachtet werden.Wir sprechen heute viel von <strong>der</strong> Spaß- und Spielgesellschaft. Das verträgtsich nach meinem Dafürhalten nicht unbedingt mit dem, was wir eigentlichin Schule und Hochschule auch haben müssen, nämlich auch ein gewissesMaß an Arbeit. Ich kann mich natürlich zurücklehnen und sagen, die Schulemöge doch ein bisschen kreativer sein und nicht bloß Vokabellernen for<strong>der</strong>n.Aber ich wage die Behauptung: Wenn ich nicht ordentlich Vokabeln gelernthabe, kann ich mich mit niemandem in Englisch unterhalten. Zu allem Lernengehört Arbeit. Auf <strong>der</strong> Basis von Können kann man sehr wohl mit Kreativitätanfangen. Aber wenn ich ohne entsprechendes Wissen in die Kreativitäthineingehe, dann wird es wirklich nur Spaß.Hans-Jürgen EwersHerr Landfried, ich zögere nicht, Ihre Frage nach neuen Lehr- und Lernformennatürlich mit "Ja" zu beantworten. Und dann stockt mir schon <strong>der</strong> A-tem, weil es das Generalrezept nicht gibt. Ich zitiere dann gerne einen Ausspruchmeiner Großmutter, die immer sagte: "Man kann vom Ochsen kein59


Kalbfleisch verlangen." Was können wir von einem staatlich reguliertenSchulwesen mit dem Monopolisten Staat eigentlich an Neuerungen erwarten?Sie müssen sich die normale Anreizstruktur von Professoren in einerFakultät mit NC-Studiengängen anschauen und sich fragen, ob es nicht ganznormal ist, wie sie sich verhalten. Denn die Anreize sind so organisiert, dassselbst die dümmste Fakultät ihr Geld erhält. Sie bekommt nämlich die Studentenzugeteilt. Und da die Finanzminister die Universitäten nach den Studierendenzahlenvermessen, haben sie auch ihr Budget. Warum sollen Hochschullehrerin einen Verteilungskampf einsteigen? Die Erarbeitung einerStudien- und Prüfungsordnung ist für Professoren Verteilungskampf, auchimmer gewesen. Diejenigen, die mit vielen Veranstaltungen in <strong>der</strong> StudienundPrüfungsordnung stehen, möglichst mit nachweispflichtigen Veranstaltungen,haben auch entsprechende Ausstattungen. Und diejenigen, die ambesten wissen, dass ihre eigene Lehrveranstaltung obsolet ist, werden diesesWissen natürlich nicht äußern, weil sie sich damit selbst entleiben, ihrereigenen Ausstattung berauben. Solange Anreizstrukturen so sind, denke ich,brauchen wir nicht über Innovation zur reden. Deswegen sinniere ich übereinen Mechanismus nach, <strong>der</strong> jeden Hochschullehrer, jede Hochschullehrerininteressiert sein lässt, etwas zu Tun. Und solange, wie <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> sichrührt, <strong>der</strong> viel Zeit in die Lehre, in neue Methoden investiert, überhauptnichts davon hat, weil sich seine Lage nicht verbessert, dann wird nichtsstattfinden. Und deswegen müssen wir endlich das Hochschulsystem aus <strong>der</strong>staatlichen Fürsorge entlassen. Und wenn <strong>der</strong> Wissenschaftsrat nach wie vordie Vorstellung hat, <strong>der</strong> Staat sei Mo<strong>der</strong>ator des Wissenschaftssystems, dannist das eine <strong>der</strong> antiquiertesten Äußerungen, die ich mir vorstellen kann.Wenn <strong>der</strong> Wissenschaftsrat am 7. Juli Thesen verabschiedet, Thesen zur<strong>Entwicklung</strong> des Wissenschaftssystems, in denen auf 70 Seiten das WortStudiengebühren nicht einmal auftaucht, nicht mal in <strong>der</strong> Fußnote, dannweiß ich nicht mehr. Glücklicherweise hat die Monopolkommission EndeJuni ein Gutachten veröffentlicht, in dem Wettbewerb <strong>als</strong> Prinzip für dieHochschulpolitik hochgehalten hat. Das ist richtig. Wer über Mangel anInnovation bei <strong>der</strong> Lehre nachdenkt, <strong>der</strong> muss sich die Anreizstrukturenvornehmen. Das können wir nicht den Fakultätentagen überlassen. Sie sinddie größte Innovationsbremse im System.Hans-Jürgen BrackmannHerr Ewers, eine Bemerkung zu Ihnen. Sie haben eine eindeutige Schuldzuweisungan die Adresse <strong>der</strong> Wirtschaft, <strong>der</strong> Unternehmen gerichtet, warumwir heute so wenig Absolventen in den technischen Disziplinen und insbeson<strong>der</strong>ein Informatik haben. Ich gebe zu, dass da ein bisschen etwas dranist, ein bisschen. Es sind aber sehr viel mehr Faktoren, die hier für dieseSituation verantwortlich sind. Wenn Sie sich einmal vornehmen, was das60


Institut für Technikfolgenabschätzung in Stuttgart untersucht hat bei einerBefragung junger Abiturienten und Schüler in den letzten Klassen <strong>der</strong> Oberstufe,dann werden Sie feststellen, dass die an den Fächern Mathematik,Informatik, technische Disziplinen und Naturwissenschaften nicht deshalbnicht interessiert sind, weil die Arbeitsmarktlage möglicherweise ihnenschlechte Chancen verspricht, son<strong>der</strong>n sie sind daran nicht interessiert, weil<strong>der</strong> Unterricht in diesen Fächern – unabhängig davon, dass er vielleicht auchnoch <strong>als</strong> schwer gilt – öde und langweilig zu sein scheint. Und das ist dieMisere, mit <strong>der</strong> wir es zu tun haben. Und ein zweiter Aspekt. Seit zwei Tagengibt es eine Initiative des Bundeskanzlers, die sich insbeson<strong>der</strong>e auf dasAusland richtet, nämlich eine Marketingoffensive für den WissenschaftsundForschungsstandort Deutschland. Ich glaube, dass wir im eigenen Landeine Marketingoffensive starten könnten und auch müssen. Und ich for<strong>der</strong>edie Hochschulrektorenkonferenz auf, einmal selbst für eine Landkarte <strong>der</strong>Innovationen und <strong>der</strong> Kreativität in diesem Bereich, nämlich des Transfersund <strong>der</strong> Kooperation von Hochschule und Wirtschaft, zu sorgen und dabeiauch festzustellen, wo es hapert in den einzelnen Län<strong>der</strong>n.Dagmar SchipanskiHerr Ewers, ich bin nicht <strong>der</strong> Meinung, dass nur fehlende Anreizstrukturendie Professoren daran hin<strong>der</strong>n darüber nachzudenken, wie sie eine bessereLehre organisieren sollten. Ich muss einfach daran erinnern, wann Professorenund wozu Professoren berufen werden. Sie werden nämlich an die Universitätenberufen, weil sie für einen bestimmten Lehrstuhl in Lehre undForschung verantwortlich sind. Und damit hat für mich die Lehre genausoeinen Stellenwert wie die Forschung an den <strong>Hochschulen</strong>. Und wenn sie ihreAufgabe <strong>als</strong> Professor für ihren Lehrstuhl ernst nehmen und das Zusammenwirkenin <strong>der</strong> Fakultät, dann müssen sie sich auch dafür einsetzen, dassdie Lehre ordentlich durchgeführt wird. Anreizstrukturen mögen den Vorgangbeschleunigen. Aber ich gehe davon aus, dass sie nicht Voraussetzungsind, damit Professoren, die berufen werden, ihre ursprüngliche, ihre ureigensteAufgabe ordentlich durchzuführen. Da habe ich eine an<strong>der</strong>e Auffassungvon einer Berufung. Wir haben 90 unserer Universitäten umstrukturiert,haben neue Studiengänge konzipiert. Es mussten alle Studienordnungenneu geschrieben werden. Es mussten alle Prüfungsordnungen neu geschriebenwerden. Und das Schwierigste dabei ist, da gebe ich Ihnen recht,festzustellen, was ist denn eigentlich <strong>der</strong> notwendige zu vermittelnde Lehrinhaltfür bestimmte Studiengänge. Da kommt es dann zu diesen Verteilungskämpfen.Aber das sollte man nicht überbewerten. Tatsache ist, dassdas Wissen so enorm zunimmt. Das heißt, wir müssen in <strong>der</strong> Vermittlungdes Lehrstoffes überhaupt neue Wege gehen. Das wesentliche wird sein,dass wir Methodik, dass wir Logik, und dass wir bestimmte Denkstrukturen61


in den einzelnen Wissenschaften vermitteln. Das Detailwissen, das jetztnoch den wesentlichen Schwerpunkt bildet, sowohl in <strong>der</strong> Schule <strong>als</strong> auchteilweise an den Universitäten, wird eben einen ganz an<strong>der</strong>en Stellenwerteinnehmen, weil wir auf Detailwissen in <strong>der</strong> Zukunft über Datenbankenzurückgreifen können. Aber damit ich mit den Informationen, die ich ausden Datenbanken abrufe, das eigene Wissen mache, damit auch wie<strong>der</strong> neuesWissen kreieren kann, brauche ich eine bestimmte Methodik. Und deshalbgehe ich davon aus, dass sich das in <strong>der</strong> Zukunft sowohl in <strong>der</strong> Schule <strong>als</strong>auch an den Universitäten grundlegend verän<strong>der</strong>n wird. Und wenn esstimmt, dass die Einheit von Forschung und Lehre das Grundprinzip unsererdeutschen Universitäten ist, dann wird sich die Forschung auch auf die Lehreauswirken und umgekehrt. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass das <strong>der</strong>Vorteil und das Grundprinzip an unseren Universitäten ist. Ich habe selbstein Fach, die Mikroelektronik über 30 Jahre verfolgt, ich war in <strong>der</strong> Forschungund in <strong>der</strong> Lehre. Jedes neue Forschungsergebnis zwingt Sie darübernachzudenken, wie Sie die Lehre gestalten wollen. Ist das wichtig, in dieLehre aufgenommen zu werden? O<strong>der</strong> ist das nur ein Detail, was sich verflüchtigtim Laufe <strong>der</strong> Zeit? Das ist eine Fragestellung, die nach meinerMeinung vor jedem Professor einer Universität und einer Fachhochschulesein Leben lang steht, unabhängig, ob er Anreizstrukturen hat o<strong>der</strong> nicht. DieAnreizstrukturen, darüber kann man sich unterhalten, kann man auf alleFälle verbessern. Aber dass jetzt nur ein Entlassen in das Privatrecht das vonvornherein beför<strong>der</strong>n würde, das ist meiner Meinung nach so ein Trugschlusswie beim Einigungs-Prozess. Als wir 1990 in die freie Marktwirtschaftgegangen sind, haben wir zunächst gedacht, jetzt regelt sich alles vonselbst. Das hat sich aber nicht alles von selbst zu dem geregelt, was wir unsvorgestellt haben.Jürgen KunzeIch bin Rektor <strong>der</strong> Fachhochschule für Wirtschaft hier in Berlin und finde esverblüffend, wie zielgerichtet die Diskussionsbeiträge auf unterschiedlicheWeise, aber ein Stück Distanz zu den praktischen Beispielen gewinnen undauf Grundsätzliches kommen. Das finde ich aber richtig so. Ich bin <strong>als</strong> Ökonomvon Haus aus dem Denken von Herrn Ewers sehr viel näher <strong>als</strong> FrauSchipanski. Auf <strong>der</strong> praktischen Ebene finde ich zunächst einmal schon,dazu muss man sich bekennen, dass die Vermittlungsformen, das Studieren,das Lernen in deutschen <strong>Hochschulen</strong> nur ausnahmsweise so ist, wie sieFrau Ministerin aus ihrer Hochschulerfahrung in Erinnerung hat. Ganz ü-berwiegend ist es schlechter. Das wird man fairer weise wohl sich selbstsagen müssen. Und es wird sich radikal än<strong>der</strong>n müssen. Kreativität ist nurein Stichwort dafür. Unsere verzweifelten Politikbemühungen auf allenEbenen, Multimedia-, Internetnutzungen nicht zum Ersatz von guter Lehre62


zu machen, son<strong>der</strong>n es zum notwendigen Instrument davon, sind uns ja allenvertraut. Das ist alles nicht sehr leichtgängig in den <strong>Hochschulen</strong>. Die Zuspitzungvon Herrn Ewers interessiert mich mit dem Verweis auf die Anreizstrukturenund <strong>der</strong> Protest <strong>der</strong> Frau Ministerin. Also, da stehe ich in <strong>der</strong>Analyse <strong>der</strong> Wirklichkeit Herrn Ewers deutlich näher. Ich glaube, HerrEwers meint auch nicht zusätzliche Subventionen für einen Professor, damiter endlich das tut, wozu er eigentlich berufen ist. So ist das, soweit ich dasverstehe, nicht im geringsten gemeint, son<strong>der</strong>n die Verkehrsregeln zwischenProfessoren in <strong>der</strong> Hochschule und über die Hochschule hinaus und in dieWirtschaft hinein sind so gestaltet, dass es – und das muss ich unterstreichen,Herr Ewers hat das hervorgehoben – sich für einen deutschen Professorin NC-Fächern unter keinem außer einem sehr hochwertigen, ethischsehr hochwertigem intrinsischen Gesichtspunkt lohnt, sich in seine Lehraufgabehineinzuhängen. Er muss schon sehr intrinsisch motiviert sein. Das isteine ziemlich kleine Min<strong>der</strong>heit in je<strong>der</strong> Bevölkerung, auch bei den Professoren.Und deswegen brauchen sie Anreizstrukturen, die die Umstände sosetzen, dass es vernünftig ist, Energie in <strong>Entwicklung</strong>, Mo<strong>der</strong>nisierung,Innovation in Lehre und Forschung, aber mit hohem Gewicht auch für dieLehre zu setzen. Da fehlt es. Die Zuspitzung, das ginge nur über Studiengebühren,teile ich nicht, Herr Ewers. Also, das Bild, <strong>der</strong> Monopolkommissiondie Wissenschaftspolitik eher anzuvertrauen <strong>als</strong> dem Wissenschaftsrat, teileich auch nicht. Ganz im Gegenteil. In einer Langzeitbetrachtung bin ichverblüfft, dass Hochschulreformen in <strong>der</strong> gegenwärtigen Phase sehr ernsthaftund mit hoher Energie vorangetrieben werden von Einrichtungen, die – über20, 30 Jahre betrachtet – nicht unter Verdacht standen, innovativ zu sein.Der Wissenschaftsrat ist hochinnovativ. Ich finde, er verdient volle Komplimente.Und das gilt ja sogar für die KMK, für die HRK sowieso, HerrLandfried. Der Übergang zu neuen Abschlüssen, zum Bachelor- und Mastersystem,die neuen Regeln dafür, das sind Sprünge, die wir uns vor zehnJahren in <strong>der</strong> deutschen Hochschullandschaft nicht hätten vorstellen können.Das Tempo muss aber beibehalten werden.Klaus BorchardMir hat das sehr gut gefallen, Herr Ewers, was Sie gesagt haben, vor allemauch <strong>der</strong> Hinweis, dass <strong>der</strong> Staat nicht <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator des Wissenschaftssystemsist. Und dafür gibt es ja nun wirklich eine Reihe von Beispielen, dieman heranziehen kann. Ich möchte das noch mal einmal aufgreifen am Beispiel<strong>der</strong> Informatikausbildung. Wir erleben gegenwärtig allenthalben einenwahren Begeisterungssturm, was die Informatikausbildung betrifft, die Informatikausbildungzu stärken und die Rahmenbedingungen dafür zuverbessern. Und wir erinnern uns daran, dass beispielsweise <strong>der</strong> Herr Bundeskanzlerauf <strong>der</strong> Jahrestagung <strong>der</strong> Hochschulrektorenkonferenz in Wies-63


aden dieses berühmte 100-Millionenprogramm für die Informatikausbildungangekündigt hat, 50 Millionen vom Bund, 50 Millionen von den Län<strong>der</strong>n.Sie können sich gar nicht vorstellen, was dem Staat <strong>als</strong> "Mo<strong>der</strong>ator <strong>der</strong>Wissenschaft", einfällt, daraus zu machen. In diesen Tagen bekommen dienordrhein-westfälischen Hochschulrektoren Erlasse aus dem Wissenschaftsministerium.Wir werden gebeten, entsprechende Projekte zu benennenfür die Informatikausbildung. Das Land Nordrhein-Westfalen mit seinemgroßen Reichtum ist in <strong>der</strong> Lage, 25 Prozent dieser Kosten zu übernehmenund die an<strong>der</strong>en 25 Prozent sollen von den Universitäten selbst kommen.Was ist das für eine Politik in <strong>der</strong> Informatikausbildung, wenn dieUniversitäten 25 Prozent <strong>der</strong> Finanzmittel für diese Projekte selbst mit einbringenmüssen, wenn <strong>der</strong> Bundeskanzler verspricht, es kommt jeweils dieHälfte vom Bund und die Hälfte vom Land. Der Ministerpräsident vonNordrhein-Westfalen hat in seine Regierungserklärung beispielsweise geschrieben,dass eine Informatikakademie, eine Eliteakademie für Informatikausbildung,in Bonn eingerichtet wird. Wir sind ganz glücklich darüber.Aber wir fragen uns natürlich, ob wir nicht bereits Eliteausbildung machen.Warum brauchen wir eigentlich neben <strong>der</strong> Universität und neben <strong>der</strong> Fachhochschuleeine Eliteakademie zur Informatikausbildung? Warum machtman das nicht an den Universitäten? Unsere Wirtschaftspartner sagen, wirwollen diese grundständige Informatikausbildung gar nicht haben. Wir wollennicht in sechs Jahren die Leute haben, son<strong>der</strong>n wir wollen sie heute haben.Eine Art <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen <strong>Hochschulen</strong> und Wirtschaft,nämlich die im Rahmen <strong>der</strong> Weiterbildung, die hier heute noch nicht thematisiertworden ist, wird in Zukunft sehr wichtig sein. Das gibt uns im übrigenauch die Möglichkeit, gemeinsam mit den Industriepartnern die Ausbildungsinhalteentsprechend anzupassen. Und das geht genau in die Richtungvon dem, was Herr Ewers gesagt hat. Es gibt uns im übrigen auch die Gelegenheit,Geld für diese Weiterbildung einzunehmen. Denn wenn wir schonkeine Studiengebühren bekommen, dann haben wir wenigstens im Bereich<strong>der</strong> Weiterbildung diese Möglichkeit und können damit etwas Gescheitesmachen.Klaus LandfriedVielen Dank, Herr Borchard. Das Thema <strong>der</strong> heutigen Veranstaltung lautet:<strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> <strong>Motoren</strong> <strong>der</strong> <strong>wirtschaftlichen</strong> <strong>Entwicklung</strong>. Und wenn ichmir sozusagen bildlich die beiden Begriffspaare Erlass und Innovation gegenüberstelle,habe ich ein kabarettistisches Erlebnis.Martin MolzahnFrage an Herrn Ewers: Sie hatten am Anfang skizziert, dass Sie sich einean<strong>der</strong>e Hochschullandschaft vorstellen können, eine Verschiebung zwischen64


Universitäten und Fachhochschulen, weil Sie an verschiedenen Universitätendie Einheit von Forschung und Lehre nicht mehr richtig gewährleistet sehen.Können Sie das mal noch einmal skizzieren, wie das in Zukunft aussehenkönnte?Bernhard ArnoldsIch möchte etwas weg von <strong>der</strong> hochschulpolitischen Diskussion und fragen,was hat die Universität davon? Der Endzustand universitären Technologietransferskönnte sein, dass die Geschäftstüchtigen eine Firma haben, dieweniger Geschäftstüchtigen gehen zu einer geeigneten Einrichtung, die an<strong>der</strong>enmachen vielleicht die Lehre, die Ministerien zahlen nichts mehr an dieHochschule, weil die sich selber finanzieren soll usw. Insofern finde ich dasDresdener Beispiel beson<strong>der</strong>s herausragend, da es bis auf Nuancen dementspricht, was wir uns in Freiburg auch überlegt haben. Und meine Frage istletztendlich auch an Infineon gerichtet: Welche Werkzeuge gibt es? O<strong>der</strong>:könnte dieser Kreis eine Empfehlung dahingehend geben, dass man nichtnur ausgründet und Ausgründungen för<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n dass die Universitätsich an diesen Ausgründungen direkt o<strong>der</strong> indirekt beteiligt? Wir haben jetzt86 Unternehmen gegründet o<strong>der</strong> sind dabei, diese zu gründen. Der Hauptgewinn,<strong>der</strong> gemacht wird, kommt aus <strong>der</strong> Zunahme des Unternehmenswertes.Und wenn da noch ein Börsengang nach vielleicht fünf Jahren kommt,dann reden wir über hun<strong>der</strong>te von Millionen Mark bei einer einzigen Firma.Und wenn die Universität zehn Prozent Anteil daran hätte, z.B. dadurch,dass sie in <strong>der</strong> Startphase mit Geräten etc. Unterstützung geleistet hätte, dannwäre das sehr, sehr viel Geld, das den Universitäten zufließt und vielleichtauch Studiengebühren überflüssig machte. Also: Die Universität <strong>der</strong> Zukunft<strong>als</strong> Unternehmen.Noch etwas, denke ich, ist ganz wichtig. Wir haben ein Netzwerk, wie esvon Herrn Mehlhorn vorgestellt worden ist. Das nennt sich Campus TechnologyOberrhein. Das umfasst 30 Partner, Steuerberater, Banken, Finanzierungsgesellschaften,Unternehmensberater, Sponsoren und, und, und. Wirhaben ein zweites Netzwerk zur För<strong>der</strong>ung von Existenzgründungen aus den<strong>Hochschulen</strong> heraus. Auch dieses Netzwerk läuft ganz ordentlich, hat dieselbenAnsätze, aber es harzt ein bisschen. Warum harzt es ein bisschen? Ichglaube ganz einfach, weil die direkte Beteiligung in keinem dieser Dingevorhanden ist. Wenn man einen Beitrag zur Motivation liefern will, dass esschneller geht, dass mehr passiert, dann muss man einfach – und ich findedas gut, dass das hier heute Morgen so deutlich gesagt wurde – dem Eigennutzetwas zuarbeiten, nämlich durch Beteiligung.65


Klaus LandfriedNur ein Tipp nach Freiburg. Das Gesetz erlaubt den <strong>Hochschulen</strong> die Beteiligungan den Firmen. Und ob die Professoren es dürfen, hängt dann vomDienstgeber ab.Bernhard ArnoldsDas ist uns bekannt. Es bedarf aber bei je<strong>der</strong> einzelnen Firma jeweils <strong>der</strong>Genehmigung durch den Finanzminister. Das ist in Baden-Württemberg so.Und ich habe in unserem Ministerium erfahren, dass das doch etwas schwierigist. Und da wäre ja vielleicht auch noch etwas Handlungsspielraum.Hans-Jürgen EwersUm mit dem letzten Problem anzufangen: Das einzige, was man braucht, isteine Klausel im jeweiligen Landeshochschulgesetz, dass die <strong>Hochschulen</strong>sich an GmbH’s beteiligen dürfen. Wir haben eine solche Klausel seit letztemSeptember, haben schon zwei GmbH’s gegründet und sind gerade dabei,uns bei zwei Aktiengesellschaften, die auf unserem Campus gegründet werden,eine davon mit immerhin 250 Millionen Startkapital, zu beteiligen. Dasheißt <strong>als</strong>o, wir erheben quasi Wegezoll. Was weg muss, ist das Hochschullehrerprivileg.Da sind wir uns einig, denke ich. Es kann nicht sein, dass dieHochschullehrer ihre Patente mit den von den Universitäten bezahltenTeams, auf einer von <strong>der</strong> Universität bezahlten Stelle, mit den von <strong>der</strong> Universitätbezahlten Sachmitteln machen und anschließend diese Patente privatvermarkten. Ich denke, dass das, was Herr Mehlhorn und Herr Fettweißvorgetragen haben, ein best-practice-Standard ist, den jede Uni heute machenkann. Und insofern war es wichtig, dass das hier präsentiert wurde.Aber es ist typisch, dass es in dem Bereich ist, wo die Marktprämie auchwinkt. Das ist für mich natürlich Wasser auf meine Mühle. Das findet nichtin <strong>der</strong> Lehre statt. Und damit wende ich mich an Frau Schipanski. Ich möchtemit Ihnen nicht ernsthaft darüber streiten, ob unter den Hochschullehrern<strong>der</strong> Anteil an intrinsisch motivierten Personen höher ist <strong>als</strong> im Durchschnitt<strong>der</strong> Bevölkerung. Ich habe nie in meinem Leben Grund zu <strong>der</strong> Annahmegefunden, dass er höher sein müsse. Aber Sie mögen an<strong>der</strong>e Erfahrungenhaben. Ich nenne einmal einen ehernen Organisationsgrundsatz Liberaler.Der heißt: Organisiere eine Angelegenheit nicht so, dass sie nur funktioniert,wenn die Leute intelligent, altruistisch und fleißig sind, son<strong>der</strong>n organisieresie so, dass sie auch funktioniert, wenn alle Akteure dumm, faul und eigensüchtigsind. Das ist die Bewährungsprobe <strong>der</strong> Organisation. Und auch Eheverträgewerden bekanntlich nicht auf den Liebesfall, son<strong>der</strong>n auf denKriegsfall hin konstruiert.66


Da war die Frage, wie die Arbeitsteilung zwischen Unis und Fachhochschulensein sollte. Ich möchte am liebsten die Trennlinie weg haben, um das malganz deutlich zu sagen, weil ich sie <strong>als</strong> überflüssig finde. Wir müssen Vielfaltdazwischen entwickeln. Es wird Universitäten geben, die nicht in <strong>der</strong>Lage sein werden, jedes ihrer Studienprogramme in <strong>der</strong> Einheit von Forschungund Lehre zu machen. Das heißt, sie werden einen Akkreditierungsstandardhaben, <strong>der</strong> in den Technikwissenschaften eben nicht Master ofScience, son<strong>der</strong>n Bachelor und Master of Engineering ist. Und wir kämpfenim Moment im Rahmen <strong>der</strong> Akkreditierung darum, dass wir wirklich einedifferenzierte Akkreditierung auf mehreren Ebenen bekommen, um dieseUnterscheidung herbeizuführen. Wenn das einmal läuft und wir die Abstimmungmit den Füßen haben, dann wird es sehr schnell Kooperationengeben. Gute Fachhochschulen werden sagen, wenn wir die Science Levelerreichen wollen, dann müssen wir eine Kooperation mit <strong>der</strong> naheliegendenUniversität machen, um das Akkreditierungsniveau zu erreichen. Und dieUniversitäten werden, um die Kosten ihrer Studiengänge zu senken, diejenigenDinge, die durchaus auf dem Stand des vorhandenen Wissens ohne dendirekten Kontakt zur Forschung gemacht werden können, mit Fachhochschulenkontrahieren. Das ist das Norm<strong>als</strong>te von <strong>der</strong> Welt. Nur ich werdeheute in Berlin unter <strong>der</strong> Anreizstruktur, die ich habe, nicht mit FachhochschulenVerträge machen, weil die sofort darauf hinauslaufen, dass das Abgeordnetenhausmir das Budget wegnimmt und den Fachhochschulen gibt.Die Anreizstruktur stimmt nicht. Und deswegen ist meine These: Wir müssendie Relation von 30 zu 70, die wir im Moment haben – 30 Prozent Studienplätzean Fachhochschulen und 70 Prozent Studienplätze an Universitäten,in <strong>der</strong> Tendenz umkehren. Der Normalfall des Studiums wird nicht dieScienceklasse sein, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Normalfall des Studiums wird die Engineeringklassesein, das heißt, das, was heute im Prinzip von den Fachhochschulenangeboten wird. Wir haben gar nicht genügend Professorenpotential, umes einmal deutlich zu sagen, und nicht genügend Studierendenpotential, umin <strong>der</strong> Einheit von Forschung und Lehre auszubilden. Das Hochschrauben<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Professoren Anfang <strong>der</strong> 70er Jahre von etwa 5.000 Ende <strong>der</strong>60er auf 40.000, die wir heute haben, ist doch nicht ohne Qualitätsverdünnungvor sich gegangen. Darüber muss man sich doch vollständig im Klarensein. Und jetzt ist die Frage: Wie können wir das zurückdrehen? Wie schaffenwir es, dass Universitäten, die besseren Fachhochschulen o<strong>der</strong> guteFachhochschulen werden, jedenfalls mit einem Teil ihrer Studiengänge? Dasgelingt nur durch Wettbewerb, weil keine Landesregierung politisch starkgenug ist, um ihrer vorhanden Universitäten "abzuwerfen". Das würde einselbstmör<strong>der</strong>ischer Akt für jede Landesregierung werden. Das gelingt nur imWettbewerb, <strong>der</strong> finanzwerte Konsequenzen hat. Denn wenn eine Universitätirgendwann einmal pleite o<strong>der</strong> kurz vor <strong>der</strong> Pleite ist, dann wird Reform67


leichter fallen. Ich sehe das da sehr pragmatisch. Wegen dieser wettbewerblichenWirkung müssen wir über das Thema Studiengebühren nachdenken.Wir benötigen schlicht mehr Finanzmasse im System. Wir verweigernim Moment einem Teil <strong>der</strong> starken Geburtenjahrgänge die Studienmöglichkeit.Und wir Tun das gegenüber einer Generation, die viel gnadenloserbelastet sein wird <strong>als</strong> unsere Generation. Ich bin davon überzeugt, dass dieGeneration <strong>der</strong> heute 50- bis 60-Jährigen für die nächsten zwei Generationendie reichste gewesen sein wird, die sich den höchsten Anteil an privatemKonsum leisten konnte. Wenn Sie sich die Rentenreform jetzt anschauen,sehen Sie dies bestätigt. Ich habe gesagt, 10.000 Mark im Jahr für einenInformatikstudierenden und wir öffnen den Studiengang sofort wie<strong>der</strong>.Ein letztes Wort: Ich habe natürlich nicht gesagt, dass die Industrie an demInformatikproblem alleine schuld ist. Aber, verstehen Sie mich recht. Ich bin<strong>als</strong> Universitätspräsident selten so verprügelt worden wie in dieser Diskussion.Das heißt, ich rede vor dem Hintergrund eines schmerzverzerrten Rückens.Das hätte ich Ihnen vielleicht sagen müssen. Aber das ist nicht diealleinige Schuldzuweisung an die Industrie. Natürlich können wir flexiblersein. Wir sind im Hinblick auf unsere Ausgaben schon viel flexibler geworden,aber wir haben keine Einnahmenflexibilität. Das ist das Problem. Wirsind nicht davor sicher, dass uns die Parlamente von heute auf morgen enteignen,weil sie im Moment unsere einzigen Sponsoren sind. Meine Universitäthat innerhalb von sieben Jahren 35 Prozent ihres Budgets verloren. Undwir haben 78 Prozent unseres Budgets in Personaldauerverträgen gebunden.Das bringt Sie um, weil Sie gar nicht mehr reagieren können. Sie haben eineso hohe Kostenremanenz, um das technisch zu sagen, dass wir keine Flexibilitätauf <strong>der</strong> Seite mehr haben. Natürlich müssen sich unsere Professorenschneller bewegen, wenn es heißt, geht mal ein bisschen von eurer Theorieferneweg ihn eurer Informatikausbildung, da wird unter Umständen tatsächlichfür einen Großteil <strong>der</strong> Studierenden theoretischer Ballast unterrichtet.Denn wir bilden ja an den Universitäten noch die meisten Informatiker aus.Da muss eine Spaltung erfolgen, das ist völlig klar. Aber solange die Professorenkeine Anreize gesetzt bekommen, solange werden sie doch nichtden Tort auf sich nehmen, alles neu zu machen. Das ist doch menschlich.Klaus LandfriedHerr Kollege Ewers, die Zielrichtung, die Sie angegeben haben hinsichtlich<strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Lasten zwischen den Hochschularten, <strong>als</strong>o die Ausdifferenzierungohne Formaltypus, ist Kernpunkt <strong>der</strong> Empfehlung des Wissenschaftsratsvom Juli 2000. Und insoweit, finde ich, liegen wir ja doch alleziemlich nah beieinan<strong>der</strong>. Bei <strong>der</strong> Frage, wie man das hinkriegt, unterscheidenwir uns. Der Wissenschaftsrat hat vornehm nicht wie<strong>der</strong>holt, was er vor68


einigen Jahren gesagt hat, dass Studiengebühren nicht opportun sind. Ichkommentiere das auch nicht. Und er hat auch bei <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Umsetzungnoch gezögert. Das Feld können wir jetzt füllen durch eine öffentliche Diskussion.Und Sie dürfen sicher sein, die Hochschulrektorenkonferenz istdabei. Ob uns alle Mitglie<strong>der</strong> folgen, wird sich herausstellen. Wir werdenjedenfalls den Versuch machen.69


Technologiezentren <strong>als</strong> Infrastruktur für InnovationenProfessor. Dr. Jürgen Timm, Rektor, Universität BremenDr.-Ing. Günther W. Diekhöner, geschäftsführen<strong>der</strong> Gesellschafter,Die Denkfabrik Forschungs- und <strong>Entwicklung</strong>s GmbH, BremenI. Der Technologiepark <strong>als</strong> beson<strong>der</strong>es Merkmal <strong>der</strong>Universität BremenAllgemeine BemerkungenDer Technologiepark Universität Bremen ist eine ganz ungewöhnlicheslokales Netzwerk einer Universität mit ihren Forschungs- und Lehreinheiten(ca. 18000 Studierende, ca. 3000 Beschäftigte), einer großen Zahl mit ihreng kooperieren<strong>der</strong> Forschungsinstitute (ca. 600 Beschäftigte), die von Professoren<strong>der</strong> Universität geleitet werden und ca. 250 wissenschaftsnahenBetrieben (ca. 3000 Beschäftigte). Die enge räumliche Durchdringung vonUniversität, Instituten und Betrieben ist das beson<strong>der</strong>e Kennzeichen diesesTechnologieparks. Sie ist ein Resultat langfristiger strategischer Planung, diewesentlich von <strong>der</strong> Universität ausgegangen ist. Die Universität nutzt zurZeit etwa 40 eigene Gebäude bzw. Gebäudeteile mit zirka 135.000 QuadratmeterHauptnutzfläche und ca. 12.000 Quadratmetern in Anmietungen.Rund die Hälfte aller im Technologiepark Beschäftigten kann eine wissenschaftlicheQualifikation vorweisen (in <strong>der</strong> Region sind es ansonsten nurzirka 10 Prozent). Ein großer Teil <strong>der</strong> Betriebe ist direkt aus <strong>der</strong> Universitäthervorgegangen (spin offs). Gemeinsame Projekte werden in unterschiedlichenAllianzen von Mitglie<strong>der</strong>n des Technologieparks eingeworben undabgewickelt. Es bestehen regelmäßige Kontakte (z.B. das sogenannte Cheffrühstück)zwischen Universität, Instituten und Betrieben.Erste ErfolgeDer Technologiepark ist nach einer Untersuchung des BAW (Institut fürWirtschaftsforschung, Bremen) die bedeutendste Konzentration innovativenPotenti<strong>als</strong> in <strong>der</strong> Region, insbeson<strong>der</strong>e ist fast das gesamte regionale F&E-Personal im Dienstleistungsbereich hier angesiedelt. Rund ein Drittel <strong>der</strong>Patente im Lande Bremen geht vom Technologiepark aus. Das integrierteGrün<strong>der</strong>zentrum (BITZ – Bremer Innovations- und Technologie-Zentrum)ist im überregionalen Vergleich beson<strong>der</strong>s erfolgreich.71


Alle politischen Parteien, die wesentlichen gesellschaftlichen Kräfte und dieMedien in Bremen sehen den Technologiepark inzwischen <strong>als</strong> eine Erfolgsstoryund ein Hoffnungssignal für die Bewältigung des Strukturwandels <strong>der</strong>Region.Gemeinsame Interventionen <strong>der</strong> Universität und Betriebe hat dazu geführt,dass <strong>der</strong> Campus mit einem Straßenbahnanschluss (direkte Verbindung zurInnenstadt und zum Flughafen) versehen wurde.Bedeutung für Forschung und WissenschaftstransferDie kurzen Wege und <strong>der</strong> unmittelbare Kontakt zwischen Universität, Institutenund Betrieben im Technologiepark erleichtern die kooperative Forschungund den Wissenschaftstransfer erheblich. Kooperationen bestehenzwischen Universität und Forschungsinstituten, zwischen Firmen und denwissenschaftlichen Einrichtungen sowie zwischen den Firmen ohne direkteBeteiligung wissenschaftlicher Partner.Die Universität erhält zahlreiche Anregungen für wissenschaftliche Untersuchungenund Fragestellungen aus den anwendungsorientierten Forschungsinstitutenund Betrieben. Sie stellt umgekehrt ein wesentliches Reservoir fürdie Betriebe und Institute dar, wenn es um innovative Lösungen durch neuewissenschaftliche <strong>Entwicklung</strong>en, insbeson<strong>der</strong>e durch interdisziplinäre Kooperationgeht. Der Wissenschaftstransfer ist dabei keine Einbahnstraße. DieInstitute und auch die Betriebe mit ihrem hoch spezialisiertem F&E-Personalbringen auch wissenschaftliche Kompetenzen in die Kooperationen ein, dieso in <strong>der</strong> Universität nicht vorhanden sind.Auf diversen Messen und Präsentationen treten Partner aus dem Technologieparkmit den Ergebnissen kooperativer Arbeit gemeinsam auf. GegenseitigeNutzung von Infrastrukturen erleichtern die Arbeit.Die Universität hat den Technologiepark gemessen an den inhärenten Chancenin ihrem Forschungsmarketing und auch in <strong>der</strong> strategischen Forschungs-und <strong>Entwicklung</strong>splanung noch zu wenig in den Vor<strong>der</strong>grund gestellt.Ein strategisches Zentrum für die Weiterentwicklung des Technologieparksist aus ihm selbst heraus noch nicht entwickelt worden. Wird dieseAufgabe <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung allein überlassen, so blieben die beson<strong>der</strong>enChancen eines integrativen Konzepts mit einem Ausgleich unterschiedlicherAnsprüche und gegenseitiger Verstärkung zwischen Wissenschaft undWirtschaft ungenutzt.72


Bedeutung für Lehre und StudiumDie kurzen Wege und <strong>der</strong> unmittelbare Kontakt zwischen Universität, Institutenund Betrieben im Technologiepark bedeuten auch für die Studierendeneine ganz außerordentliche Chance für eine frühzeitige Heranführung anForschung und <strong>Entwicklung</strong>, relevante Fragestellungen, Zugang zur betrieblichenPraxis bis zur graduellen Integration in Betriebe, in denen sie spätereinen hoch qualifizierten Arbeitsplatz finden können. In vielen Fällen nutzenStudierende die beson<strong>der</strong>en Möglichkeiten wissenschaftsnaher Verdienstmöglichkeitenin den Betrieben des Technologieparks. Viele legen hier Praktikaab o<strong>der</strong> schreiben ihre Studien- o<strong>der</strong> Examensarbeiten über Themen, dieaus Kooperationen im Technologiepark hervorgehen. Umgekehrt könneninsbeson<strong>der</strong>e die kleinen Betriebe auf dem Campus so innovative jungeMenschen suchen, in kleinem Umfang beschäftigen, testen und in fortschreiten<strong>der</strong>Verfestigung des Verhältnisses an sich binden.Bedeutung für die Infrastruktur <strong>der</strong> UniversitätDie Bündelung <strong>der</strong> gemeinsamen Interessen <strong>der</strong> "Einwohner" des Technologieparksbirgt die Chance viele Infrastrukturmaßnahmen durchzusetzen, diefür die Universität allein nicht finanzierbar o<strong>der</strong> politisch durchsetzbar wären(Beispiel Straßenbahn, Service-Einrichtungen etc.).Die Bildung von Konsortien zur gemeinschaftlichen Nutzung weitere Infrastrukturen(Breitbandnetz, Bewachungsdienste, Veranstaltungsräume, Parkhaus,Kin<strong>der</strong>hort, Sportstätten, Callcenter, Betriebstechnik etc.) könnte sehrhilfreich sein, ist aber noch nicht effektiv entwickelt.Die Universität hat diese Chancen bisher we<strong>der</strong> systematisch geför<strong>der</strong>t o<strong>der</strong>bewusst in ihre Lehrorganisation eingebracht noch damit um Studierendegeworben.II. Der Technologiepark <strong>der</strong> Universität Bremen aus Sicht eines dortansässigen UnternehmersDie gegenwärtige wirtschaftliche <strong>Entwicklung</strong> ist zunehmend von Konzentrations-und Globalisierungstendenzen geprägt. Auch die Fortentwicklungdes europäischen Binnenmarktes bedeutet neue Chancen und Herausfor<strong>der</strong>ungenfür Unternehmen. Im Zuge dieser <strong>Entwicklung</strong> nimmt dieStandortbindung insbeson<strong>der</strong>e größerer Unternehmen ab. Unternehmen, dieproaktiv die <strong>Entwicklung</strong> und Durchsetzung innovativer Produkte- undDienstleistungen betreiben, treffen zunehmend kompetenzorientierte Standortentscheidungen.73


Hohe F & E - Kompetenz, sei es in <strong>der</strong> Wirtschaft, sei es in <strong>der</strong> Wissenschaft,setzt die Konzentration <strong>der</strong> Wissensträger an einem beson<strong>der</strong>s hochentwickeltenStandort voraus. Denn auch in Zeiten des Internet kommt <strong>der</strong>räumlichen Dimension von Innovation und Wissenschaftstransfer neben <strong>der</strong>zeitlichen, organisatorischen und personellen Dimension beson<strong>der</strong>e Bedeutungzu. Räumliche Nähe <strong>der</strong> Innovationsakteure, neudeutsch "proximity",lässt sich <strong>als</strong> wichtige Voraussetzung für Wissenstransfer, insbeson<strong>der</strong>e inBezug auf implizites Wissen sowie die Reduzierung von Transaktionskosten,identifizieren.Technologiezentren können unter geeigneten Voraussetzungen die für erfolgreicheInnovation erfor<strong>der</strong>liche Infrastruktur bereitstellen. Um festzustellen,unter welchen konkreten Bedingungen Technologiezentren diese Aufgabeerfüllen können, ist auf die eingangs genannten Standortentscheidungenvon Unternehmen zurückzukommen. Aus Sicht <strong>der</strong> Unternehmen stehen,nicht zuletzt vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Fortentwicklung des europäischenBinnenmarktes, <strong>als</strong> mögliche Standorte weniger bestimmte Län<strong>der</strong>o<strong>der</strong> Gemeinden, son<strong>der</strong>n vielmehr Regionen zur Auswahl.Auch wenn keine allgemeinverbindliche Definition von regionaler Innovationsinfrastrukturexistiert, besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischenregionaler Infrastruktur und Strategien für Technologietransfer. Angesichts<strong>der</strong> Vielzahl vorhandener, transferorientierter Einrichtungen inDeutschland kommt es dabei weniger auf die Schaffung neuer Stellen an.Gefor<strong>der</strong>t ist vielmehr eine bessere Koordination und Integration aller amTransfer- und Innovationsprozess Beteiligten.Daher kann das Anfor<strong>der</strong>ungs- und Funktionsprofil für Technologiezentrenzusammenfassend anhand folgen<strong>der</strong> Merkmale beschrieben werden:- Integration <strong>der</strong> regionalen Wirtschafts- und Technologieakteure in regionaleInnovations- und Transfernetzwerke- Gezielte wirtschaftliche Erschließung <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Region vorhandenenKreativitätspotentiale durch die Optimierung von Transferstrukturenund die Schaffung von Anreizen für Unternehmensgründungen- Identifikation und Durchlässigkeit von Wissensschnittstellen mit demZiel einer im weitesten Sinne nachfrageorientierten TechnikentwicklungDer Technologiepark Bremen erfüllt diese Voraussetzungen für eine funktionierendeInnovationsinfrastruktur nicht zuletzt auf Grund <strong>der</strong> Einbeziehungaller wesentlichen Innovationsakteure wie <strong>der</strong> Universität Bremen und ihrenForschungsinstituten, Bremer Technologiedienstleistern, Unternehmen ver-74


schiedenster Branchen, Transferstellen sowie Einrichtungen <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung.Diese Akteure sind nicht nur sämtlich vor Ort vertreten, son<strong>der</strong>nbringen, was entscheidend ist, ihr spezifisches Know-how in zahlreichengemeinsamen Projekten ein. Zum Abschluss seien beispielhaft folgendeProjekte und Initiativen genannt:- Vermarktung von wissenschaftlichem Know-how- (Universität Bremen in Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Bremer- Innovations-Agentur GmbH und dem Bremer Technolo- giedienstleister DD Die Denkfabrik Forschungs und Ent- wicklungs GmbH)- Kennzahlen für Wissenschaftstransfer- (DD Die Denkfabrik Forschungs und <strong>Entwicklung</strong>s GmbH- in Zusammenarbeit mit dem Institut für Mikrosensoren, -- aktuatoren und -systeme <strong>der</strong> Universität Bremen)- B.E.G.I.N. - Die Bremer Existenzgründungsinititive(Bremer Innovationsagentur in Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Universität Bremenund zahlreichen im Technologiepark ansässigen Unternehmen)Mit diesen und weiteren Projekten übernehmen die im TechnologieparkBremen gebündelten Einrichtungen die Treiberrolle für eine mo<strong>der</strong>ne undbedarfsgerechte Innovations- und Transferinfrastruktur, die Innovation nicht<strong>als</strong> Selbstzweck, son<strong>der</strong>n gerade auch in ihrer wesentlichen Funktion begreift,Menschen zu qualifizieren, wertschöpfende Prozesse voranzutreibenund Arbeitsplätze zu schaffen.75


Forschungskooperationen von Wirtschaft undWissenschaftProfessor Dr. Georg Obieglo, Rektor <strong>der</strong> Fachhochschule ReutlingenZunächst möchte ich Ihnen eine kurze Vorstellung <strong>der</strong> Hochschule geben.Die Reutlinger Fachhochschule führt ihren Beginn ins letzte Jahrhun<strong>der</strong>tzurück <strong>als</strong> 1855, <strong>als</strong>o vor 145 Jahren, weitsichtige Unternehmer mit Hilfedes damaligen Wirtschaftsministers Ferdinand von Steinbeis die WebschuleReutlingen aus <strong>der</strong> Taufe hoben. Die Wirtschaft stellte das Equipment, <strong>der</strong>Staat das Lehrpersonal, die Stadt Reutlingen die Lehrräume. Diese gelebteZusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft und <strong>der</strong> Stadt setzte sich soerfolgreich fort, dass innerhalb kürzester Zeit an<strong>der</strong>e Bereiche <strong>der</strong> textilenTechnologien angeglie<strong>der</strong>t wurden und das ganze nun <strong>als</strong> Königlich WürttembergischesTechnikum firmierte. Nach dem ersten Weltkrieg wurde darausdas Staatliche Technikum und in den 70er Jahren wurde aus <strong>der</strong> inzwischeneingerichteten Staatliche Ingenieurschule die Fachhochschule Reutlingen- Hochschule für Technik und Wirtschaft. Aufbauend auf dieser solidenBasis hat die Hochschule bis heute sehr intensive Beziehungen zur Wirtschaftzu bei<strong>der</strong>seitigem Nutzen. Dies zeigt sich in folgenden Fel<strong>der</strong>n:- praktische Studiensemester.Im Diplomstudiengang sind zwei praktische Studiensemester obligatorisch.Im Bachelorstudiengang ein praktisches Studiensemester. Wir hatten vonAnfang an keine Probleme mit <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> praktischen Studiensemesternmit <strong>der</strong> freien Wirtschaft. Im Gegenteil, es war häufig so, dass dieHochschule weniger Studierende für die praktischen Studiensemester zurVerfügung hatte, <strong>als</strong> es die regionale und überregionale Wirtschaft wünschte.- Lehrbeauftragte.Rund 15 Prozent <strong>der</strong> Vorlesungen im Curriculum werden von Lehrbeauftragtenwahr genommen. Die Hochschule hat rund 400 Lehrbeauftragte, diemehrheitlich aus <strong>der</strong> freien Wirtschaft kommen und somit nicht nur einesinnvolle und praxisnahe Ergänzung des Vorlesungsgeschehens bieten, son<strong>der</strong>nauch den intensiven, persönlichen Kontakt zwischen <strong>der</strong> Wirtschaft undden Studierenden gewährleisten.77


- Diplomarbeiten.Fast 100% unserer Studierenden absolvieren ihre Diplomarbeiten in Unternehmen,was ebenfalls für beide Seiten von unschätzbarem Vorteil ist. Zumeinen ist <strong>der</strong> Übergang des Studierenden in den Beruf problemloser, zuman<strong>der</strong>en werden viele Probleme, die im hektischen Alltagsgeschäft durchhauptberuflich angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht erledigtwerden können, umfassend und mit entsprechen<strong>der</strong> wissenschaftlicher Tiefevon Studierenden angegangen.Dies gehört zum normalen gelebten Alltag einer praxisorientierten Hochschule,wie <strong>der</strong> in Reutlingen.Daneben gibt es aber noch weitere Aspekte enger Zusammenarbeit zwischenWirtschaft und Hochschule. Da ist zum einen die seit vielen Jahren bestehendeSteinbeis-Stiftung für Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung des Technologiebeauftragtendes Landes, Professor Dr. Johann Löhn. Sie hat in Reutlingen eineallgemeine Beratungsstelle, sie arbeitet <strong>als</strong> Clearing- und Anlaufstelle fürBeratungswünsche und -hilfen, wobei die Erstkontakte für das Unternehmenkostenlos sind. Des weiteren gibt es neun Transferzentren, die längerfristigeAufgaben für Industrieunternehmen gegen entsprechende Abrechnungendurchführen. In diesen Transferzentren mit zum Teil mehreren hauptamtlichangestellten Mitarbeitern ist es den Professoren möglich, in genehmigterNebentätigkeit anstehende Fragen des Technologietransfers anzugehen undzu lösen.Schließlich gibt es in Reutlingen zwei Forschungsinstitutionen. Es sind diesdas Institut für Automatisierung und das Institut für Angewandte Forschung.Gerade beim letzteren möchte ich ihnen anhand von einigen Beispielen aufzeigen,wie die Zusammenarbeit zwischen diesem Institut und <strong>der</strong> FirmaDaimlerChrysler in <strong>der</strong> Vergangenheit im Technologiefeld NachwachsendeRohstoffe funktioniert hat und zu welchen Ergebnissen man im Einzelnengekommen ist.1. Ein vom Landwirtschaftsministerium bzw. genauer vom Institut fürumweltgerechte Landbewirtung Müllheim öffentlich geför<strong>der</strong>tes Forschungsprojekt:"Flachsanbau und <strong>Entwicklung</strong> von Werkstoffen ausFlachs zur Verwendung in Kraftfahrzeugen".Laufzeit: 01.11.1994 - 31.12.1995Teilnehmer neben dem IAF:Mercedes-Benz AG, ZWT/KE H 120, Stuttgart-UntertürkheimLandwirte: Maurer, Fritsch <strong>als</strong> Flachsstroh-Lieferanten78


Gebr. Bahmer Maschinenbau GmbH <strong>als</strong> FaseraufbereiterRex Industrie-Produkte <strong>als</strong> Vliesstoff-HerstellerMapotex GmbH <strong>als</strong> Formteil-Hersteller.Bei diesem Projekt wurde in einem Großversuch die komplette Verarbeitungsschiene,von <strong>der</strong> land<strong>wirtschaftlichen</strong> Erzeugung bis zum Einbau einesfertigen Teils (Türinnenverkleidung) ins Fahrzeug, im industriellen Maßstabdemonstriert. Der von den Landwirten gelieferte Flachs (zirka 5 Tonnen)wurde zu verarbeitbaren Fasern aufbereitet. Die Fasern wurden zusammenmit Phenolharz (dam<strong>als</strong> noch Standard) zu einem bindemittelhaltigen Vliesstoffverarbeitet. Dieses Halbfabrikat wurde von einem Zulieferer zu Formteilenverpresst. Die endgültige Kaschierung und Montage erfolgte durchMercedes-Benz. Das IAF übernahm die Projektkoordination und die wissenschaftlicheBegleitung mit entsprechenden Untersuchungen und Vorschlägen:Beurteilung <strong>der</strong> Faserqualität und Vliesstoffeigenschaften sowie dieumfassende Charakterisierung und Prüfung des Trägermateri<strong>als</strong>. Hinzu kamenVoruntersuchungen zur Substitution von Phenolharz durch umweltfreundlichereBindemittel.Die erzeugten Teile wurden von Mercedes-Benz nach DBL-Norm geprüft.Das Produkt war dem dam<strong>als</strong> gängigen Material Lignotock in den mechanischenEigenschaften, insbeson<strong>der</strong>e aber hinsichtlich des Bruch- und Splitterverhaltensklar überlegen.Schwierigkeiten bereiteten vor allem noch die oft inhomogene Harzverteilungim Vliesstoff sowie Oberflächenrauhigkeiten an stärker verformtenStellen. Beide Probleme konnten befriedigend gelöst werden und <strong>der</strong> Werkstoffwurde von Mercedes-Benz akzeptiert und erhielt die Materialfreigabe.Der Einbau ins Fahrzeug erfolgte letztlich nicht, da das ausgewählte Teil"aus Sicherheitsgründen" für eine auslaufende Sportwagenserie vorgesehenwar und diese Serie zum Projektende tatsächlich gerade ausgelaufen war,bevor die Teilefreigabe erfolgte.Die Vorversuche mit alternativen Bindemitteln zeigten Wege zur weiterenVerbesserung: Vereinfachung <strong>der</strong> Verarbeitung durch Einsatz thermoplastischerBin<strong>der</strong> bei trotzdem hoher Wärmeformbeständigkeit sowie die Möglichkeitzur drastischen Reduktion des Bin<strong>der</strong>anteils.Mit diesem Projekt wurde erstm<strong>als</strong> gezeigt, dass eine industrielle Fertigungim Produktionsmaßstab möglich ist und zu Teilen führt, die alle Ansprüchean hochwertige Kfz-Innenteile erfüllen.79


Ansprechpartner bei Mercedes-Benz, ZWT: Dr. Wittig, Dr. Schuh, HerrGayer2. Ein Projekt für das Forschungszentrum <strong>der</strong> Daimler-Benz AG in Ulm,im direkten Industrieauftrag an das Steinbeis-Transferzentrum Bioanalytikund Produktentwicklung (1996) "Einfluss <strong>der</strong> Faserqualität auf dasEigenschaftsprofil von Flachs/Epoxid-Pressplatten".In diesem Projekt wurde die grundsätzliche Eignung von Flachsfasern <strong>als</strong>Verstärkungsfasern für Kunststoffe untersucht. Dabei sollten die ParameterRöste (grün und geröstet), Faseraufschluss (mechanisch o<strong>der</strong> Dampfaufschluss),unterschiedliche Aufschlussfaktoren und schließlich <strong>der</strong> Einfluss<strong>der</strong> Faserorientierung im Verbundwerkstoff untersucht werden. Dazuwurden Versuche, mit Hilfe <strong>der</strong> statistischen Versuchsplanung durchgeführt:- Herstellung und Untersuchung <strong>der</strong> verschiedenen Faservarianten- Erzeugung von Vliesen mit definierter Faser-Orientierung- Einbettung <strong>der</strong> Vliese in Epoxidharz und Verpressung zu Verbundwerkstoffen- Prüfung <strong>der</strong> mechanischen Eigenschaften <strong>der</strong> Werkstoffe undHerstellung <strong>der</strong> Korrelationen zu den Faser- und Vlieseigenschaften.Im Rahmen dieses Projektes wurde klar gezeigt, dass mit zunehmen<strong>der</strong> Faserfeinheit,trotz scheinbar abnehmen<strong>der</strong> Faserfestigkeit, die Festigkeit desVerbundwerkstoffs erheblich zunimmt. Damit wurde die These, dass Grünflachsdas am besten geeignete Fasermaterial sei, wi<strong>der</strong>legt.Ansprechpartner bei Daimler-Benz, Forschungszentrum Ulm: Dr. Kübler,Dr. Greiner, Herr Dieter, Dr. Knothe, Dr. Schlößer3. Ein Projekt für Mercedes-Benz AG, Abt. ZWT/KE in Untertürkheim(1996), im direkten Industrieauftrag an das Steinbeis-TZ Bioanalytikund Produktentwick-lung "Herstellung und Analyse von Prüfplatten".In diesem Projekt wurden naturfaserverstärkte Polypropylenplatten mittelsverschiedener Methoden hergestellt und <strong>der</strong>en mechanischen Eigenschaftennach Standardverfahren (Zugprüfung, Biegeprüfung) ermittelt. Die Plattengingen dann zu Mercedes-Benz zur Durchführung von Hochgeschwindigkeits-Prüfungen(Instrumentierter Schlag- und Durchstoßversuch). Zumgleichen Thema lief auch eine Diplomarbeit in <strong>der</strong> ZWT.80


Zusätzlich zu den genannten Projekten gab es bis 1999 eine ganze Reihe vonkleineren Industrieaufträgen an das TZ, meist vom Forschungszentrum Ulm,betreffend Durchführung von Faserprüfungen, Aufbereitung bzw. Schneidenverschiedener Faservarianten etc.Auch zu DaimlerChrysler, Werk Sindelfingen, bestehen Kontakte. In Sindelfingenhaben mehrere Absolventen ihre Diplomarbeit geschrieben. Einer vonihnen hat sich intensiv mit Problemen <strong>der</strong> Verklebung von Teilen befasst.Nachdem er dort seine Diplomarbeit abgeschlossen hat, wird er <strong>als</strong> Doktorandweiterbeschäftigt. Auch in seiner Doktorarbeit geht es um das Verkleben,insbeson<strong>der</strong>e von PP mit unterschiedlichen Partnern, und die dazu notwendigeVorbehandlung. Im Rahmen dieses Projektes gibt es einen interessantenUntersuchungsauftrag an die Hochschule: Charakterisierung <strong>der</strong>Grenzflächen von unterschiedlich behandeltem Material durch Tensiometrie(Benetzungsmessungen und Randwinkelbestimmung). Dabei konnte dieaußerordentliche Empfindlichkeit und Praxisrelevanz dieser Methode imVergleich zu verschiedenen spektroskopischen Methoden und <strong>als</strong> <strong>der</strong>enwichtige Ergänzung demonstriert werden.Ansprechpartner in Sindelfingen: Dr. Kranz, Herr HirlingerAbschließend ist zu unterstreichen, dass gerade die Zusammenarbeit mit <strong>der</strong>Industrie sowohl im Bereich von Diplomarbeiten <strong>als</strong> auch in Forschungsprojektenin <strong>der</strong> Vergangenheit für beide Seiten von großem Nutzen war. Fürdie Zukunft richtet sich die Hoffnung auf weitere positive Kooperationsprojekte.81


Forschungskooperationen von Wirtschaft und WissenschaftDr. Horst Soboll, DaimlerChrysler AG, StuttgartDeutschland kann stolz sein auf sein differenziertes Hochschulsystem vonden Fachhochschulen bis hin zu den Universitäten. "Forschung und<strong>Entwicklung</strong> sind die Quellen für Wachstum, Beschäftigung undWohlstand." Keiner wird dem wi<strong>der</strong>sprechen, auch nicht <strong>der</strong> Aussage"Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines Unternehmens." Wenn das soist, dann folgt daraus, dass zwischen Hochschule und Wirtschaft eine ganzbeson<strong>der</strong>e Beziehung besteht. Insbeson<strong>der</strong>e für das größteIndustrieunternehmen Deutschlands - die DaimlerChrysler AG - sind die<strong>Hochschulen</strong> sowohl bezüglich <strong>der</strong> thematischen und methodischen Breitedes Forschungsvorlaufs <strong>als</strong> auch hinsichtlich <strong>der</strong> Nachwuchsbildungbedeutende Voraussetzung - dies gilt sowohl für die Fachhochschule sowieauch für Universitäten.Die institutionelle Verbindung von Forschung, forschungsorientierter undberufsorientierter Nachwuchsausbildung ist ein wichtiges Element für dieLeistungsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Hochschulen</strong> und das gesamte deutsche Forschungssystem.Die <strong>Hochschulen</strong> sind innerhalb dieses großen und leistungsfähigen,aber auch sehr fragmentierten und unübersichtlichen Systems in Deutschlandeine zuverlässige Größe.Das Spektrum <strong>der</strong> Forschung an Universitäten reicht von Grundlagenforschungüber anwendungsorientierte Forschung bis hin zu<strong>Entwicklung</strong>sarbeiten - obwohl die klassische Abgrenzung auf Grund <strong>der</strong>zunehmenden Vernetzung und Rückkopplung heute immer weniger gültigist. In den Universitäten haben sich Forschungskooperationen mit <strong>der</strong>Industrie entwickelt sowie auch mit den Forschungs- und<strong>Entwicklung</strong>seinheiten <strong>der</strong> DaimlerChrysler AG. Dies reicht von einmaligenAufträgen wie Studien und Technologiemonitoring-Projekten bis hin zurlangfristigen Zusammenarbeit in interdisziplinären Verbundprojekten.An<strong>der</strong>erseits bietet das Unternehmen Plätze für Praktikanten, Diplomanden,Doktoranden sowie Aufgabenstellungen für Son<strong>der</strong>forschungs- undTransferbereiche, die An-Institute sowie - last but not least - dieStiftungslehrstühle und gemeinsam genutzte Technik-Infrastruktur.Traditionell hat <strong>der</strong> schwäbisch-badische Automobilbauer bereits sehr engeVerbindungen zu den Universitäten des Landes z.B. Stuttgart, Karlsruhe,Tübingen, auch Aachen o<strong>der</strong> Berlin und München. Durch Akquisitionen undWachstum erweiterten sich auch Zahl und Qualität <strong>der</strong> wissenschaftlichen83


Verbindungen zu den führenden Universitäten in Europa und <strong>der</strong> Welt. Undspätestens seit dem Zusammenschluss mit Chrysler gehören auch die amerikanischenSpitzenuniversitäten – z.B. Harvard, MIT o<strong>der</strong> Stanford - zu denKooperationspartnern des Unternehmens.Zielorientierte Forschung wird jedoch außer an den Universitäten auch anFachhochschulen gepflegt, die ursprünglich eigens für die praxisorientierteLehre gegründet wurden. Aufträge und Verflechtungen sowie eingeworbeneDrittmittel belegen, dass zunehmend auch die Fachhochschulen von <strong>der</strong>Industrie insbeson<strong>der</strong>e aber von kleineren und mittleren Unternehmen <strong>als</strong>Partner in Forschung und <strong>Entwicklung</strong> akzeptiert werden. Als Beispiele vonDaimlerChrysler seien genannt: die Fachhochschulen Aalen, Berlin, Esslingen,Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Nürtingen o<strong>der</strong> Reutlingen, Stuttgartund Ulm genannt.Und schließlich erfüllen <strong>als</strong> Bindeglied zwischen Hochschule und Wirtschaftdie An-Institute wichtige Aufgaben bei <strong>der</strong> Erforschung wirtschaftsnaherBereiche im Spannungsfeld zwischen ange-wandter Forschung und marktrelevanterProduktentwicklung.Über die letzten Jahre hat DaimlerChrysler jährlich rund 80 Millionen DM(etwa zehn Prozent seines zentralen Forschungsbudgets) nach außen gegeben.Dies zeigt den allgemeinen Trend <strong>der</strong> Industrie, mehr und mehr Forschungund <strong>Entwicklung</strong> mit Kooperationspartnern durchzuführen bzw.sogar ganz extern zu vergeben. Ein steigen<strong>der</strong> Anteil entfällt dabei auf ausländischePartner. Dagegen konnten die deutschen Universitäten in den letztenJahren kaum von diesem Trend profitieren - ihre Industrieaufträge sindin etwa konstant geblieben.Deutliche Vorteile ergeben sich in <strong>der</strong> arbeitsteiligen, komplementären Zusammenarbeit,in die die <strong>Hochschulen</strong> ihre Interdisziplinarität und Verflechtungmit <strong>der</strong> internationalen Scientific Community einbringen. Wissens- undTechnologietransfer kann am besten durch einen anschließenden Personaltransfervon Absolventen o<strong>der</strong> Post-Docs in die Wirtschaft gesichert werden.Allerdings ist die Zusammenarbeit mit den <strong>Hochschulen</strong> – und darüber hinausmit an<strong>der</strong>en Forschungs-Einrichtungen - nicht immer ohne Probleme.Der Abfluss von Know-how kann zur Einbuße von Exklusivität führen.Langwierige Diskussionen über die Nutzung von Patenten können dieschnelle Umsetzung von Forschungsergebnissen und damit den Markterfolgvon Innovationen gefährden. Schnelligkeit scheint keine Tugend <strong>der</strong> akademischenForschung - die Industrie lebt vom "Time-to-Market" und kann eine84


schnelle 80-Prozent-Lösung viel besser erfolgreich in den Markt einbringen,<strong>als</strong> beispielsweise die von einer Hochschule zu spät beigebrachte 100-Prozent-Lösung.Welche Potentiale stecken noch in <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen Industrieund Hochschule?Da ist zunächst und am allerwichtigsten <strong>der</strong> strategische Dialog. Es gilt aufbeiden Seiten, sich früh und rechtzeitig auf gemeinsame strategische Orientierungenzu verständigen.Ein nachträglicher Transfer von im akademischen Elfenbeinturm erarbeitetenForschungsergebnissen führt unweigerlich zu den stereotypen gegenseitigenVorwürfen: "Die Industrie holt nicht ab bzw. die Hochschule machtdas F<strong>als</strong>che". Das komplizierte deutsche Forschungssystem zeigt, dass esnoch nicht im erwünschten Maße zu einer Zusammenarbeit zwischen <strong>der</strong>öffentlich finanzierten Forschung und <strong>der</strong> privat<strong>wirtschaftlichen</strong> Forschungund <strong>Entwicklung</strong> kommt. Zur Überbrückung benötigen beide Seiten denDialog. Zum Beispiel beteiligt sich DaimlerChrysler auf Vorstandsebene andem Strategischen Dialog mit dem Präsidenten <strong>der</strong> Forschungsorganisationenund lädt auch zunehmend Wissenschaftler und Hochschullehrer ein <strong>als</strong>Experten zu seinen internen Technologiekolloquia und Forschungsseminarenein. Dem Staat kommt bei diesem Prozess eine Mo<strong>der</strong>atorenrolle zu und ichbin sicher, dass die Industrie hierzu demnächst konkrete Vorschläge präsentierenwird.Die engere Verzahnung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kommt durchverschiedene Integrationsmechanismen zustande, etwa durch den Transfervon Personen und von - gemeinsam erarbeiteten - Projektergebnissen. BeiDaimlerChrysler för<strong>der</strong>n wir den Austausch von Fachleuten in beiden Richtungenund bieten darüber hinaus solche Instrumente, wie die FT-Austauschgruppe o<strong>der</strong> die Nachwuchsgruppen, Werkstudentenverträge,Arbeits- und Ausbildungsplätze für Graduierende, Austauschprogramme undStipendien. Eine weitere Verbesserung <strong>der</strong> Beziehung zu den <strong>Hochschulen</strong>wird sichtbar in zahlreichen Aktivitäten. Zum Beispiel: Zusammenarbeit inöffentlich geför<strong>der</strong>ten Forschungsprojekten, Hilfestellung für Hochschulangehörigebei Unternehmensgründung durch den DaimlerChrysler Venture -Capital-Fonds o<strong>der</strong> auch die Mitwirkung von Spitzenforschern aus <strong>Hochschulen</strong>für DaimlerChrysler, interne Audits. Praxisorientierte Lehre undFor-schung durch Einbeziehung von Fachleuten aus <strong>der</strong> Industrie in denHochschulbetrieb ist ebenfalls ein noch zu verstärkendes Element.85


Bei allem gibt es noch ein gesamtgesellschaftliches Problem, für das wirgemeinsam in <strong>der</strong> Zukunft eine Lösung finden müssen: Es ist erschreckend,wie die junge Generation - oft auch "Spaßgeneration" genannt - sich ihrArbeitsleben vorstellt. Technik – insbeson<strong>der</strong>e mo<strong>der</strong>ne Kommunikationstechnik- wird zwar <strong>als</strong> schick und cool empfunden, aber nach den technischenHintergründen wird nicht gefragt. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wird oftTechnik <strong>als</strong> Bedrohung empfunden. Hinzu kommt, dass Mathematik, NaturundTechnikwissenschaften <strong>als</strong> schwere Studienfächer gelten, <strong>als</strong>o vonvornherein bei <strong>der</strong> Studienwahl geringere Aussichten haben und auch vorhandeneBegabung verloren geht. "Reich wird man neuerdings durch Erbeno<strong>der</strong> Börsengewinne – <strong>als</strong>o durch Nichtstun". Das muss uns nachdenklichstimmen. Wir brauchen Aufgeschlossenheit gegenüber Wissenschaft undTechnik, Begeisterung und Akzeptierbarkeit von neuen Technologien nebendem Willen bei <strong>der</strong> Jungen Generation, sich in die Gesellschaft durch Leistungeinzubringen.Langfristig werden wir <strong>als</strong> hochentwickeltes Hochlohnland nur bestehen,wenn weiterhin Wettbewerb, Effektivität, Effizienz und Qualität Vorranggenießen. Das betrifft ganz beson<strong>der</strong>s das Verhältnis <strong>der</strong> Wirtschaft zu den<strong>Hochschulen</strong> – den Zentren <strong>der</strong> Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses<strong>der</strong> Unternehmen und <strong>der</strong> wissenschaftlichen Vorausfor-schung.Zunehmend wird nur dort kooperiert werden können, wo internationalenQualitätsmaßstäben genügt wird. LeisTungsfähigkeit wird das ausschlaggebendeKriterium im Wettbewerb, in <strong>der</strong> Kooperation und konsequenterweiseauch für die öffentliche Forschungsför<strong>der</strong>ung sein.86


Innovationen durch QuerdenkerDr. Raimund Wegener, Abteilungsleiter Fraunhofer-Institut fürTechno- und Wirtschaftsmathematik, KaiserslauternSofern die <strong>Hochschulen</strong> tatsächlich Motor <strong>der</strong> <strong>wirtschaftlichen</strong> <strong>Entwicklung</strong>sind o<strong>der</strong> es zumindest werden können, ist - um im Bild zu bleiben - eineffizient und flexibel arbeitendes Getriebe, mit dem die Motorleistung aufdie Straße gebracht werden kann, unabdingbar. Diese Rolle fällt in unsererForschungslandschaft zu einem guten Teil den Forschungseinrichtungen,insbeson<strong>der</strong>e den Einrichtungen <strong>der</strong> angewandten Forschung zu. In Deutschlandist hier an erster Stelle die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihren zirka 50Instituten zu nennen. Ich selbst komme aus einem solchen Institut, das nachfünfjähriger Aufbauphase zum 1.1.2001 in die Fraunhofer-Gesellschaft aufgenommenwird. Dieses Institut, das Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematikin Kaiserslautern, wird das erste Institut für Mathematik in <strong>der</strong>Fraunhofer-Gesellschaft sein. Ich leite an diesem Institut eine Abteilung,<strong>der</strong>en 10 Mitarbeiter genau das tun, worüber wir in dieser Sektion diskutieren,nämlich Forschungskooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft inkonkreten Projekten zu realisieren. Dabei wird unser Institut zu fast 50 Prozentdurch Industrieprojekte finanziert, <strong>der</strong> Rest ist Grundfinanzierung undForschungsför<strong>der</strong>ung - <strong>als</strong>o öffentliche Mittel verschiedener Herkunft.In dieser Skizzierung meines Tätigkeitsbereiches habe ich nun zwei Stichwortegenannt, die Sie in dieser Kombination hoffentlich verblüffen o<strong>der</strong> dieSie vielleicht gar für unvereinbar halten, nämlich angewandte Industrieforschungund Mathematik. In meinem Vortrag möchte ich Sie aus <strong>der</strong> Praxismeiner Arbeit heraus überzeugen, dass hier kein Gegensatzpaar besteht,son<strong>der</strong>n dass im Zusammenführen ganz unterschiedlicher Denk- und Arbeitsweisengroße Chancen liegen. Ansprechen möchte ich aber auch dieSchwierigkeiten von Forschungskooperationen.Worum geht es bei Forschungskooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft?Letztlich immer um Innovationen, die den Firmen Wertschöpfungermöglichen. Echte Innovationen - beispielsweise im Sinne <strong>der</strong> Neuartigkeiteiner Lösung für ein technisches Problem - sind dabei durchaus mehr <strong>als</strong> diekontinuierliche Fortschreibung einer <strong>Entwicklung</strong>. Letzteres findet typischerweisein einer streng abgegrenzten Fachrichtung o<strong>der</strong> einer internen<strong>Entwicklung</strong>sabteilung statt. Innovationen benötigen dagegen das Überschreitenvon organisatorischen und fachlichen Grenzen.87


These l: Innovationen beruhen überwiegend auf dem Zusammenbringenverschiedener Denkweisen und Kompetenzen.Um diese These zu belegen, möchte ich Ihnen zwei Projektbeispiele meinesArbeitsbereichs präsentieren.Projektbeispiel I: Die Firma MVT ist ein kleiner Anlagenbauer im Saarland,<strong>der</strong> Mischhalden für die Zementindustrie konzipiert. In einer solchen Anlagewerden die aus Steinbrüchen angelieferten verschiedenartigen Materialien inBunkern zwischengelagert und über För<strong>der</strong>bän<strong>der</strong> zusammengeführt. DiesenProzess bezeichnet man <strong>als</strong> Vormischung. Da die chemische Zusammensetzungauf diese Weise noch nicht hinreichend konstant gehalten werden kann,erfolgt die weitere Durchmischung über ein sogenanntes Mischbett. Übereinen sich hin- und herbewegenden Ausleger wird das Material aufgehaldet,mit einem sogenannten Kratzer und dann - besser durchmischt - wie<strong>der</strong>abgehaldet und <strong>der</strong> weiteren Verarbeitung zugeführt. Bislang wurde über einMessgerät die chemische Zusammensetzung <strong>der</strong> Materialien nach dem Vormischenkontrolliert und die Zuführung entsprechend <strong>der</strong> gewünschten Zusammensetzunggeregelt. Die Mischhalde diente nur noch <strong>der</strong> weiteren,besseren aber nicht kontrollierten Durchmischung. Wir haben nun mit <strong>der</strong>Firma ein Konzept entwickelt, in dem die Aufhaldung in Echtzeit simuliertwird. Erst mit einer solchen Simulation kann in die Regelung die tatsächlicheMaterialzusammensetzung nach dem gesamten Mischvorgang einbezogenwerden. Dies führt zur Einsparung eines ganzen Arbeitsschritts, bei demteure sehr reine Materialien zugesetzt werden, um eine korrekte Zusammensetzungzu erhalten. Momentan ist das Konzept entwickelt, am Rechnerdurchgespielt und wird nun in einem weiteren Projektschritt in Hardwarerealisiert. Wo steckt die Mathematik in einem solchen Projekt? Sie steckt in<strong>der</strong> mathematischen Modellierung und Simulation des Aufhaldevorgangs -hier sind schnelle Algorithmen zur Lösung <strong>der</strong> zugrundeliegenden nichtlinearenDiffusionsgleichung entwickelt worden. In <strong>der</strong> Regelung des Gesamtsystemsauf <strong>der</strong> Basis eines einzigen Messsign<strong>als</strong> nach <strong>der</strong> Vormischungkommt hier im wesentlichen ein Kalman-Filter <strong>als</strong> Zustandsschätzer zumEinsatz. Diese mathematischen Methoden müssen mit ingenieur- und verfahrenstechnischemKnow-how zusammengebracht werden, um das Konzept andie spezifischen Interessen <strong>der</strong> Zementindustrie anzupassen und schlussendlichumzusetzen.Projektbeispiel 2: Die Firma Schott Glas Mainz simuliert das Abkühlverhaltenvon Glas bei <strong>der</strong> Produktion verschiedenartigster Spezialgläser. DieSimulationen zielen im wesentlichen auf die Berechnung <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Abkühlungim Glas verbleibenden, eingefrorenen Verspannungen, da diese ent-88


scheidend für die Glasqualität sind. Auf Basis <strong>der</strong> Simulationsergebnissewird <strong>der</strong> Abkühlvorgang im Produktionsverfahren optimiert. Entscheidendfür die Genauigkeit <strong>der</strong> Simulationen ist eine präzise Berechnung <strong>der</strong> Temperaturverteilungim Glas. Diese wird wie in allen Materialien durch Wärmeleitungbestimmt, was keine beson<strong>der</strong>e mathematische Herausfor<strong>der</strong>ungdarstellt und mit Standardsoftware simuliert werden kann. Für Glas ergibtsich aber eine zusätzliche Schwierigkeit. Glas ist durchsichtig, und dies giltzumindest teilweise auch hinsichtlich <strong>der</strong> Wärmestrahlung. Daher wird insbeson<strong>der</strong>eim produktionstechnisch relevanten Hochtemperaturbereich <strong>der</strong>Temperaturverlauf sowohl durch Wärmeleitung <strong>als</strong> auch durch Wärmestrahlungbestimmt. Die Modellgleichungen, die dies korrekt beschreiben sindhochdimensionale partielle Integrodifferentialgleichungen, die nur unterInkaufnahme enormer Rechenzeiten mit Standardsoftware zu simulierensind (Größenordnung: ein Tag für ein typisches Werkstück). Solche langeRechenzeiten sind aber unbrauchbar für Optimierungszwecke, bei denenman die verschiedenen Prozessparameter variiert und immer neue Rechnungendurchführt. An unserem Institut, dem ITWM, wurde nun basierendauf aktuellen Forschungsergebnissen zur mathematischen Methode <strong>der</strong> sogenanntenMehrskalenasymptotik ein spezieller Lösungsalgorithmus entwickelt,<strong>der</strong> Simulationen mit Rechenzeiten gestattet, wie man sie von reinenWärmeleitungsproblemen her kennt (Größenordnung: im Minutenbereich fürdas oben erwähnte Werkstück). Die auf dem neuen Algorithmus basierendeSoftware wurde darüber hinaus so in die Softwareumgebung des Industriekundeneingefügt, dass dieser weitestgehend seine bisherigen Berechnungsverfahren- jetzt aber mit sehr viel genaueren Ergebnissen - beibehaltenkann. Auch in diesem Projekt kommen wie<strong>der</strong> ganz verschiedene Kompetenzenzusammen - neben Mathematik auch Messtechnik, Materialwissenschaftenund Informatik, die teilweise durch die Universität, teilweise durchdas Forschungsinstitut und teilweise durch den industriellen Partner eingebrachtwerden.Ich hoffe, diese beiden Beispiele, mit denen ich Ihnen auch unser Institutetwas näher gebracht habe, belegen meine erste These, über die Notwendigkeit,verschiedene Denkweisen und Kompetenzen zusammenzubringen.Mathematik spielt in den Beispielen eine wichtige Rolle. Vor<strong>der</strong>gründigselbstverständlich deshalb, weil die Beispiele aus <strong>der</strong> Praxis eines mathematischenInstituts gewählt sind. Wenn Sie aber meiner ersten These folgen, sosind Wissenschaften wie die Mathematik, die Querdenker ausbilden undhervorbringen, beson<strong>der</strong>s geeignet an innovativen Projekten zentral mitzuwirken.89


These 2: Querschnittswissenschaften bilden den Schlüssel für Innovationen.Dies gilt in beson<strong>der</strong>em Maße für die Mathematik.Warum insbeson<strong>der</strong>e Mathematik? Hier werden unterschiedlichste Modelleund insbeson<strong>der</strong>e Methoden zur Beschreibung, Modellierung und Optimierungtechnischer und organisatorischer Abläufe zur Verfügung gestellt. DieModelle können in mathematische Algorithmen umgesetzt werden, die denKern je<strong>der</strong> Simulationen bilden - ich darf nochm<strong>als</strong> an die genannten Beispieleerinnern. Mit dem Stichwort Simulation ist aber sicherlich eine zukünftigeSchlüsseltechnologie genannt.Wo liegen nun die hauptsächlichen Hin<strong>der</strong>nisse für Innovationen?These 3: Hin<strong>der</strong>nisse für Innovationen sind Mangel an Bereitschaft undMangel an Möglichkeit zur Kooperation.Dies bedeutet, sie liegen im psychologischen und finanziellen Bereich undzwar bei allen Beteiligten. Im einzelnen möchte ich aus <strong>der</strong> Sicht eines Forschungsinstitutsdie folgenden Probleme benennen: Im Hochschul- und Forschungsbereichsind häufig ausgerechnet die - sofern Sie meiner zweitenThese folgen - beson<strong>der</strong>s prädestinierten Querschnittswissenschaften nichtbereit, sich den Anwendungen hinreichend zu öffnen. In Konsequenz betreibenbeispielsweise Ingenieure ihre eigene Mathematik, ihre eigene Physikund ihre eigene Informatik. Das kann, wenn man mo<strong>der</strong>nste Forschungsresultateaus diesen Querschnittswissenschaften einbringen will, letztlich nichtfunktionieren. Im Bereich <strong>der</strong> großen Firmen existieren häufig eigene Forschungsabteilungen,die nur geringen Input von außen zulassen. Kosten fürinterne und externe Forschung werden dabei nicht immer fair verglichen.Das "Schmoren im eigenen Saft" ist zudem, wie<strong>der</strong>um meiner ersten Thesefolgend, innovationshemmend. Kleine Firmen können an<strong>der</strong>erseits die nötigenForschungsvorhaben kaum finanzieren. Hier soll die Forschungsför<strong>der</strong>unghelfen. Viele För<strong>der</strong>programme zielen aber aus meiner Sicht an denwirklichen Bedürfnissen vorbei: Sie sind häufig sehr fachorientiert und gebendaher dem Querdenker keine Chance. Darüber hinaus sind die bürokratischenHürden und die Zeiträume zwischen Antragstellung und Projektstartteilweise überlang.Abschließend lassen Sie mich daher sagen, dass es sicher hervorragendeBeispiele für Forschungskooperationen von Wirtschaft und Wissenschaftgibt. Querschnittswissenschaften wie die Mathematik gewinnen dabei mitihren Möglichkeiten, in geeignete Kooperationen ganz neue Lösungsansätze90


einzubringen, zunehmend an Bedeutung. Wir müssen uns aber auf allenSeiten bemühen, die genannten Hemmnisse abzubauen.91


DiskussionMo<strong>der</strong>ation: Dr. Werner A. BorrmannWerner A. BorrmannDie Diskussion und auch die verschiedenen Beiträge heute haben gezeigt,dass es eine Menge guter Ideen und viele positive Erfahrungen gibt. Dialogedieser Art haben natürlich den Nachteil, dass diejenigen zusammenkommen,die schon überzeugt sind. Und deshalb ist auch die Diskussion nicht sehrkontrovers, was vorteilhaft wäre, um den nächsten neuen Gedanken herauszuarbeiten.Ich möchte daher vorschlagen, dass wir die abschließende Diskussiondazu nutzen, <strong>der</strong> HRK ein paar weitere gute Ideen mit auf den Wegzu geben. Das Thema des heutigen Tages heißt: "<strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> <strong>Motoren</strong><strong>der</strong> <strong>wirtschaftlichen</strong> <strong>Entwicklung</strong>". Eine Frage, die wir uns stellen können,ist zum Beispiel: Ist dieser Motor anfor<strong>der</strong>ungsgerecht konstruiert o<strong>der</strong> mussnoch daran herumgewerkelt werden? Kann man die Zylin<strong>der</strong> aufbohren,damit noch mehr Leistung, mehr Geschwindigkeit heraus gekitzelt werdenkann? Hier spreche ich von <strong>der</strong> Infrastruktur <strong>der</strong> <strong>Hochschulen</strong>, den Rahmenbedingungen,aber auch von den Köpfen, die sich darin mit <strong>der</strong> jeweiligenEinstellung bewegen.Die an<strong>der</strong>e Frage ist: Hat dieser Motor ausreichend Benzin mit entsprechen<strong>der</strong>Oktanzahl, damit die Leistung erzeugt werden kann? Das sind die Ideen,die intern erzeugt werden, aber auch von draußen, die von <strong>der</strong> Wirtschaftherein gebracht werden. Wir, die Vertreter <strong>der</strong> Wirtschaft, müssen uns immerwie<strong>der</strong> fragen lassen: Tun wir auch genug, um das herauszuholen, waswir wollen, o<strong>der</strong> beschweren wir uns nur, dass das alles nicht so richtigfunktioniert?Es bietet sich auch die Frage an, ob die Universitäten genügend Unternehmerhervorbringen, denn wirtschaftliche <strong>Entwicklung</strong> wird durch Unternehmererzeugt, o<strong>der</strong> ob noch zu viele Unterlasser die Pforten <strong>der</strong> Universitätverlassen.Jürgen TimmIch bin jetzt herausgefor<strong>der</strong>t, zu dem Letzten etwas zu sagen. Man nimmt esvon außen vielleicht nicht wahr, aber es ist eine Tatsache, dass die Studentengeneration,die wir zur Zeit haben, eine ganz an<strong>der</strong>e ist <strong>als</strong> vor zehn Jahren.Die Studenten brennen darauf, selbst Unternehmer zu werden, Geld zuverdienen, nicht im Sinne von Geldgier son<strong>der</strong>n sie wollen wirklich etwasgestalten und unternehmen. Das hat es früher in diesem Maße nicht gegeben.An unserer Universität finden Kurse für Existenzgründungen statt, die gegenGeld von <strong>der</strong> Universität veranstaltet werden. Je<strong>der</strong> Student muss <strong>als</strong>o be-93


zahlen. Und wir können gar nicht so viele Kurse anbieten, wie wir füllenkönnten. Ich bin mir ganz sicher, dass die nächste Generation auf dem richtigenWeg ist. Wenn Sie den Vergleich mit dem Motor und den Zylin<strong>der</strong>köpfenanstellen, so glaube ich, dass es am ehesten bei den Professoren nochein wenig rumpelt. Sie sind im allgemeinen noch sehr stark in ihrer Fachwissenschaftund in den Traditionen <strong>der</strong> alten deutschen Universität verhaftet.Da müssen wir einerseits sehr viel Überzeugungsarbeit leisten und zuman<strong>der</strong>en auch auf den Generationenwechsel setzen, <strong>der</strong> ja zur Zeit geradeansteht. Ich bin da optimistisch. Das dritte Problem unseres Motors sind dieStrukturen. Wir müssen den Politikern weiterhin ins Stammbuch schreiben,dass die Strukturen <strong>der</strong> deutschen Universität – bei allem Fortschritt in denGesetzen – in den einzelnen Län<strong>der</strong>n immer noch nicht so sind, dass wirarbeiten könnten, wie wir sollten und wollten.Und mein letzter Punkt: das Benzin. Es hapert auch an <strong>der</strong> Finanzierungdieses Systems, sei es von staatlicher Seite o<strong>der</strong> von Privaten, z.B. durchStudiengebühren, das ist gar keine Frage.Gerd ZimmermannIch möchte gerne das, was Herr Timm eben gesagt hat, auch aus meinerSicht zu illustrieren versuchen. Ich bin Rektor <strong>der</strong> Bauhaus Universität inWeimar. Wir machen den Versuch, technische Disziplinen und künstlerischeunter dem Modell Bauhaus zu vereinen, <strong>als</strong>o eine tradierte Idee heute mitneuen Konzepten ins Leben zu bringen.Die Studierenden sind heute ausgesprochen selbständig. Wir pflegen aucheine Kultur <strong>der</strong> Selbständigkeit im Studium mit kreativen Szenarien, die dieStudierenden zwingt, ihren Weg selber zu suchen.So haben wir 1996 in Weimar eine neue Fakultät, die Fakultät Medien, gegründet.Dies geschah aus <strong>der</strong> Einsicht, dass die neuen Medien die Verschränkungvon Technik und Kunst in beson<strong>der</strong>er Weise herausfor<strong>der</strong>n. Wirbieten in dieser Medienfakultät Studiengänge wie MedienKultur, Mediengestaltung,Mediensysteme an. Es handelt sich um einen ganzheitlichenAnsatz. Die Studierenden dort sind unglaublich motiviert, das gilt auch fürdie Professoren. Der Teamgeist in <strong>der</strong> Fakultät spielt eine entscheidendeRolle. Die jungen Leute werden uns förmlich aus <strong>der</strong> Hand gerissen. Dieeinschlägigen Firmen holen sie ab, bevor sie ihr Diplom gemacht haben. DieSzene ist so lebendig, dass die Leute zwischenzeitlich arbeiten, und dannwie<strong>der</strong>kommen. Das Studium verlängert sich ein wenig. Das ist aber keinNachteil, weil eine Verschränkung zwischen universitärem Weg und Praxiserfolgt.94


Klaus LandfriedIch habe aus <strong>der</strong> Diskussion gelernt, dass wir uns konsequenter noch <strong>als</strong>bisher - auch öffentlich - zu einem geregelten transparenten Wettbewerbbekennen und die Anreizsysteme, die Herr Ewers angesprochen hat, auch imHochschulbereich etablieren müssen. Das heißt, wir benötigen ein wirklichwettbewerbs- und leistungsorientiertes Dienst- und Tarifrecht für alle Leute,die im Wissenschaftsbereich arbeiten - und nicht nur für die Professoren -und wir brauchen eine weitere Flexibilisierung im Haushaltsbereich. Ichhabe kürzlich in Estland ein wirklich autonomes Hochschulsystem kennengelernt, das allerdings unter schlechten materiellen Bedingungen leidet. Daist die Verantwortung wirklich auf die <strong>Hochschulen</strong> delegiert. Das wünscheich mir auch in den deutschen Län<strong>der</strong>n.Mein zweiter Punkt: Die Möglichkeit, die wirtschaftliche <strong>Entwicklung</strong> voranzubringen,hängt im Unternehmen wie in <strong>der</strong> Volkswirtschaft von Psychologieab. Deshalb müssen wir, mehr <strong>als</strong> bisher, die Kulturellen Potentialein den <strong>Hochschulen</strong> aus Fächern wie Geschichte, Philosophie, Psychologie,Germanistik, Romanistik, mit <strong>der</strong> Ökonomie, mit den Ingenieurwissenschaftenzusammenbringen und die Frage diskutieren lassen, wie man bestimmteDinge neu organisiert. Je<strong>der</strong>mann weiß ja, dass MitarbeiterKultur nicht nurein Kosten-, son<strong>der</strong>n ein Erfolgsfaktor im Unternehmen ist. Ich glaube, dasswir hier Potentiale in den <strong>Hochschulen</strong> wecken können, so dass auch diejenigenFächer, die bisher meinen, sie würden durch die "Ökonomisierung"<strong>der</strong> Universitäten an den Rand gedrängt, sich gerade dadurch wie<strong>der</strong> in denMittelpunkt stellen können. Aber sie müssen es auch wollen.Bernhard ArnoldsGut ein Drittel <strong>der</strong> Gründungen kommt aus den Geisteswissenschaften. Daraufsind wir stolz. Sie kommen von den Juristen, den Anglisten und denGermanisten. Wo soll Unternehmensethik auch herkommen, wenn nicht ausden Geisteswissenschaften? Ich sehe da noch ein großes Potential. Wir habenes zum Teil schon angebohrt.Wir veranstalten immer Runden mit unseren Unternehmensgrün<strong>der</strong>n. Ich binerstaunt, wie unternehmerisch da gedacht wird, ganz frisch nach dem Diplom.Wenn wir beim Bild des Motors bleiben, so ist ein an<strong>der</strong>es Problem zunennen, das unsere Grün<strong>der</strong> haben. Ihnen fehlen oft qualifizierte Fachkräfteunterhalb <strong>der</strong> Hochschulebene. Daran hapert es. Man braucht nicht nur einGetriebe und eine Kupplung, nein, auch Achsen und so etwas Simples wieReifen.95


Warum breiten sich die guten Beispiele nicht aus? Wir sind in diesem Feldseit über einem Jahrzehnt tätig. Wir machen Firmengründungen seit 1994.Das ist dann so dahin geplätschert. Wir haben seit dem letztem Jahr, seit Juli1999, 54 neue Unternehmen mit gegründet. Da ist <strong>als</strong>o eine enorme Dynamikdrin. Das sollten wir nicht unterschätzen.Peter FrankenbergHerr Soboll, zu <strong>der</strong> Frage, warum sich gute Beispiele nur so langsam durchsetzen?Ich kann aus eigener Erfahrung berichten. Wir haben jetzt beispielsweiseeinen rein externen Hochschulrat. Das Gesetz des Landes, das abJanuar 2000 gültig ist, sieht dieses nur <strong>als</strong> Experimentier- o<strong>der</strong> Optionsklauselvor. Und es bedurfte von meiner Seite viel Redens im eigenen Haus wieauch natürlich gegenüber den Ministerien, um das letztendlich durchzusetzen.Denn man muss ja immer sehen: Es ist eine Abgabe von Macht undEinfluss. Und, Hand auf's Herz, wer trennt sich gern von Macht und Einfluss?Zum an<strong>der</strong>en gibt es das Problem, dass wir Deutschen im Innersten immergern alles geregelt haben wollen. Wenn es nicht geregelt ist, bitten wir denStaat, eine Regelung finden. Das ist ein Teil unserer eigenen Mentalität.Und es gibt trotzdem immer wie<strong>der</strong> erfolgreiche Beispiele. Sie basierenhäufig auf <strong>der</strong> Initiative eines Einzelnen, <strong>der</strong> sich nicht entmutigen lässt und<strong>der</strong> auch Nackenschläge einsteckt. Er findet ein paar begeisterte Kombattantenund dann läuft es, so wie in Bremen, in Weimar o<strong>der</strong> in Freiburg.Werner BorrmannHier wurde die Initiative des Einzelnen angesprochen. Das ist Unternehmertum.Unternehmer kann man natürlich auch <strong>als</strong> angestellter o<strong>der</strong> verbeamteterProfessor sein. Was können wir <strong>als</strong>o trotz all dieser Regulierungen machen?Denn dass es geht, das haben wir heute schon mehrfach gehört.Klaus LandfriedFür die <strong>Hochschulen</strong> eines sehr kleinen deutschen Landes, des Saarlandes,sind 34 Beamte zuständig. Im Preußen <strong>der</strong> 20er Jahre waren es unter Beckeracht. Preußen war etwas größer, schon dam<strong>als</strong>, auch was die <strong>Hochschulen</strong>angeht, <strong>als</strong> das Saarland. In Estland sind es jetzt fünf Beamte. Im KantonBasel und Kanton Basel-Land ist es eine Person. Wenn wir das auch so machen,gibt es eine win-win-Situation. Wenn wir den Gewinn für alle Seitenwollen, für den Staat, für die Öffentlichkeit, für die Studenten vor allem,aber auch für die weitere <strong>Entwicklung</strong> <strong>der</strong> Wissenschaft, dann müssen wirmit den Parlamenten reden. Parlamentarier fragen oft, ob durch Leistungs-96


vereinbarungen und mehrjährige Budgets nicht die vielgeliebte Parlamentssouveränitätüber das Budget verloren ginge. Man muss ihnen erklären, dassSie jetzt über die Mitverhandlung von Leistungsvereinbarungen mehr Einflussmöglichkeitenhaben <strong>als</strong> wenn sie <strong>als</strong> Trophäe einen Lehrstuhl, den siemöglicherweise gefunden haben, irgendwo hintragen können. Wenn Sie dasüberzeugend darlegen können, dann sind sie vielleicht auch für diese ganzenNeuerungen aufgeschlossen. Gegenwärtig läuft bei <strong>der</strong> Max-Planck-Gesellschaft ein Modellprojekt mit einem flexibilisierten Haushalt. Es istvom Globalhaushalt noch weit entfernt. Dieses Modell wird aber in <strong>der</strong>staatlichen Finanzverwaltung sehr kritisch gesehen und man hat auch schonden Bundesrechnungshof bemüht, um festzustellen, dass das eigentlich garnicht sein darf. Und deswegen hat die Deutsche Forschungsgemeinschaftnicht etwa einen flexibilisierten Haushalt, wie er schon vor zwei Jahrenversprochen war, son<strong>der</strong>n sie fährt ihr gesamtes Forschungsför<strong>der</strong>ungsprogrammmit dieser ganzen unendlichen Titelwirtschaft. O<strong>der</strong> nehmen sie <strong>als</strong>Beispiel die HRK. Ihr Haushalt wird unglückseligerweise nicht nur vonBund und Län<strong>der</strong>n finanziert, son<strong>der</strong>n auch noch über Drittmittel, und zwarzu etwa 40 Prozent. Und da kommen jetzt spitzfindige Personen und sagen,das sei satzungswidrig. Das müsste uns verboten werden. Ich kann nur sagen:Diese Dinge an die Parlamente zu bringen, die die Gesetze machen, dasist ein Auftrag, den ich Ihnen allen mitgeben möchte.Hans-Jürgen EwersWas uns hin<strong>der</strong>t, ist eine lange Geschichte. Es gibt deutsche Traditionen,spezifisch deutsche Traditionen, die dem Wettbewerb abhold sind. Das fängtschon an mit <strong>der</strong> KMK, die etwa eine freie Besoldung von Professoren, freiausgehandelt zwischen Präsident und Professor, deshalb nicht zu lässt, weilsie Angst hat, dass die reichen Län<strong>der</strong> sich die guten Professoren unter denNagel reißen und die armen Län<strong>der</strong> nichts mehr abbekommen. Das ist einewettbewerbsfeindliche Philosophie. Eigentlich ist <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alismus ja einewun<strong>der</strong>volle Form, um Experimente zu machen, weil man die Experimenteimmer nur mit einem kleinen Teil macht und, wenn Experimente scheitern,<strong>der</strong> Schaden gering ist. Der Fö<strong>der</strong>alismus wird aber geradezu umgekehrt. Erwird zum Kartell gemacht. Dies ist eine deutsche Tradition, die man brechenmuss. Man muss auch die Län<strong>der</strong>kompetenz in <strong>der</strong> Forschungsför<strong>der</strong>ung inFrage stellen. Die Grundlagenforschung ist eine Aufgabe, die auf das höchstestaatliche Niveau, <strong>als</strong>o auf Bundesebene, wenn nicht auf EU-Ebene, gehört.Das hat damit zu Tun, dass an den Grundlagenforschungsergebnissenalle teilhaben. Sie werden veröffentlicht und je<strong>der</strong> kann sie benutzen. Wirmachen sie bewusst nicht, weil das bedeuten würde, dass wir unter Umständenganze Technologiefamilien monopolisieren würden. Und das wollen wir97


nicht. Wir wollen, dass veröffentlicht wird und je<strong>der</strong> frei nutzen kann, damit<strong>der</strong> technische Fortschritt breit diffundiert.Das Argument, dass die Abgeordneten sich daran gewöhnt haben, bestimmteDinge Tun zu können und Macht zu haben, ist auch eine typisch deutscheTradition. Das ist die Tradition gemeinwirtschaftlicher Unternehmen. Siesind zwar überall gescheitert, und trotzdem nehmen die Parlamente nichtdavon Abstand. Abgeordnete wollen in den Aufsichtsräten von Nahverkehrsunternehmen,von abfall<strong>wirtschaftlichen</strong> Unternehmen, von Abwasserunternehmensitzen, um damit Einfluss ausüben zu können, und zwar ganzdirekten. Das ist <strong>der</strong> Versuch, Wahlgeschenke zu machen, <strong>der</strong>en Kosten inden Defiziten o<strong>der</strong> in den Zuweisungen an solche Unternehmen untergehen.Das heißt, wir müssen daran denken, auf Dauer eine ganze politische Kulturzu än<strong>der</strong>n. Dies geht mit mehr o<strong>der</strong> weniger großen Schritten. Das ist einganz dickes Brett, das gebohrt werden muss. Aber klar ist, dass wir immerwie<strong>der</strong> an dieser Barriere rütteln müssen, damit wir zumindest schrittweisedahin kommen. Einen an<strong>der</strong>en Weg kenne ich auch nicht. Und in <strong>der</strong> Zwischenzeitmuss man sich einfach fragen, wo man mit kleinen Schritten ansetzenkann. Der Weg, den ich vorschlagen würde, ist, Anreizstrukturen zuschaffen. Wir haben zwar in Berlin seit 20 Jahren ein Globalbudget für alle<strong>Hochschulen</strong>, aber wir sind vor den Überfällen von Abgeordneten überhauptnicht sicher. Im Prinzip könnten wir alles gegen alles tauschen, werden abervon den Hauptausschüssen, das sind die Finanzausschüsse, darauf verpflichtet,einen Stellenplan zu führen, was natürlich grotesker Unsinn ist. Wennich Personalausgaben gegen Sachausgaben substituieren kann und umgekehrt,darf es eigentlich keinen Stellenrahmen mehr geben. In unserem Kuratoriumwurde unser Haushalt diskutiert, 500 Millionen bekommen wir vomLand, dazu kommen 150 Millionen Drittmittel. Nach drei Stunden Diskussionhatten wir Themen abgehandelt wie die Frage, warum wir nicht mehrgrünen Strom konsumieren, o<strong>der</strong> warum wir unsere Auszubildenden nachdem Abschluss nicht alle beschäftigen. In <strong>der</strong> Zeit haben wir nicht ein einzigesWort über Forschung, Lehre und Weiterbildung des wissenschaftlichenNachwuchses verloren. Das sind Traditionen, über die man reden muss.Hans-Jürgen BrackmannWir haben heute eine Menge von sehr positiven Beispielen vorgeführt bekommen,wo sich <strong>Hochschulen</strong> in Partien <strong>als</strong> Unternehmen gerieren. DasHochschulrahmengesetz hat in seiner letzten Novelle Möglichkeiten geschaffen,durch an<strong>der</strong>e Rechtsgrundlagen denn die <strong>als</strong> Körperschaft desÖffentlichen Rechts agieren zu können. Und wenn dieses Instrument, dasman ja auch in Partien umsetzen kann, nutzt, schafft man etwas von dem,was Sie meines Erachtens zu recht gesagt haben, Herr Ewers, eine neue98


Kultur. Wir brauchen für die <strong>Hochschulen</strong> ein neues Verständnis und damiteine neue Kultur von Unabhängigkeit. Die muss man sich auch finanziellschaffen können. Und dazu zählen, wie ich finde, auch die Elemente, die Siebeschrieben haben o<strong>der</strong> die hier mehrere heute schon beschrieben. Manmuss selbstverständlich auch die Weiterbildung, wenn man sie auf denMarkt bringt, zu marktgerechten Preisen anbieten können. Ich bin <strong>der</strong> Meinung,hierzu zählen auch Studiengebühren. Und sicherlich darf sich <strong>der</strong> Staatnicht aus seiner Verantwortung für die Grundlagenforschung herausziehen.Wir brauchen aus meiner Sicht ein neues Verhältnis von Staat und Hochschule.Man kann es an zwei Punkten noch einmal am Unternehmen Hochschulefestmachen. Man kann beim HRG ansetzen und eine Novelle erarbeiten,die eine neue Chance bietet im Zulassungsbereich. Alle Profilierungsaspektesind für die Katz, wenn die <strong>Hochschulen</strong> nicht in die Lage versetztwerden, selbst und eigenständig über die Zulassung <strong>der</strong> Studierenden zuentscheiden. Und <strong>der</strong> zweite Bereich: Eine Besoldungsreform, die unter demAspekt Unternehmen Hochschule ansetzt und sagt, wir wollen in Zukunftauch Leistungsindikatoren berücksichtigen und an verschiedenen Stellenüber einen Sockel hinaus den einzelnen etwas zugute kommen lassen,gleichzeitig aber einen Deckel für das gesamte Budget verfügt, ist meinesErachtens absolut kontraproduktiv.Gerd ZimmermannDen letzten Satz möchte ich dick unterstreichen. Man braucht im Grundegenommen eine Allianz <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungskräfte, um diese Beharrungstendenzen<strong>der</strong> staatlichen Überregulierung abzubauen. Das ist eine Erfahrung,die wir auch in den neuen Län<strong>der</strong>n, in Thüringen etwa, gemacht haben.Ich nenne Ihnen zwei Beispiele: Stichwort Staatsbauamt: Das ist eine Reliquie,die gehütet wird. Wenn wir mit dem Staatsbauamt bauen, bedeutet das,dass wir unwirtschaftlich bauen, dass wir lange bauen, dass es teuer wird.Ein zweites Beispiel: Wir beteiligen uns an einen Modellversuch für dieBudgetierung <strong>der</strong> Haushalte in Thüringen. Wir waren die ersten, die dasgemacht haben. Wir wollten das, weil wir glaubten, dass eine Hochschuleunternehmerisch geführt werden muss. Wir haben dieses Modell dem FinanzministeriumSchritt für Schritt abgerungen, erleben aber jetzt, dass eszurückgedreht bzw. <strong>der</strong> nächste nötige Schritt nicht gegangen wird, Stichwort:Übertragung <strong>der</strong> Mittel am Jahresende, was eigentlich eine Selbstverständlichkeitist, denn das ist die Voraussetzung, um Mittel für größere Zweckezu akkumulieren. Was passiert jetzt? Wir geben bis zum Dezember unserGeld genauso aus wie bisher, weil wir das dem Finanzminister natürlichnicht schenken wollen.99


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SchlusswortProfessor Dr. Peter Frankenberg, Vizepräsident <strong>der</strong>Hochschulrektorenkonferenz, Rektor <strong>der</strong> Universität MannheimIch habe meine Zusammenfassung zum Teil geschrieben, bevor ich die Vorträgehörte und <strong>der</strong> Diskussion folgte. Erstaunlicherweise komme ich allerdingszu einem sehr ähnlichen Fazit, wie viele von uns gekommen sind o<strong>der</strong>wie sich das Kernfazit hier ergibt.<strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> <strong>Motoren</strong> <strong>der</strong> <strong>wirtschaftlichen</strong> <strong>Entwicklung</strong>! Nur ein kleinerHinweis: <strong>Motoren</strong> können auch ausfallen, wie <strong>der</strong> von Mika Häkkinen inIndianapolis, ohne jetzt das Unternehmen zu nennen. Allerdings möchte ichbetonen, dieser Motor wurde nicht in Baden-Württemberg hergestellt.Ein paar Binsenweisheiten vorweg. Die Zukunft <strong>der</strong> Wirtschaft basiert primärauf Wissen. Es wurde von <strong>der</strong> Wissensgesellschaft gesprochen, allerdingsauch von einem Gegensatz zwischen Wissensgesellschaft und Industriegesellschaft.Dieser Gegensatz besteht sicherlich nicht, son<strong>der</strong>n die Tendenzist, dass auch die heutige Industrie immer mehr wissensbasierte Industrieist. Und wir sollten nicht die deutsche Kategorisierung nehmen und wie<strong>der</strong>neue Elemente einführen. Wir sind aber auch eine Hochlohnwirtschaft.Das heißt, in diesem Land o<strong>der</strong> in Europa wächst die Zahl <strong>der</strong> hochqualifiziertenArbeitsplätze ständig. Die Zahl <strong>der</strong> Arbeitsplätze mit geringerenAnfor<strong>der</strong>ungen gehen zurück, ein an<strong>der</strong>es Problem. Das heißt aber, <strong>der</strong> Bedarfan Hochschulqualifikation wächst ebenfalls. Dem muss ein hochdifferenziertesSystem gerecht werden. Und hier ist sicherlich die Verteilungzwischen denjenigen, die an Fachhochschulen, Berufsakademien studieren,und denen, die an Universitäten studieren, umgekehrt proportional zu dem,was eigentlich sein sollte. Ich habe früher mal gesagt, man müsste die Pyramide<strong>der</strong> Studierenden wie<strong>der</strong> auf die Basis stellen. Sie steht jetzt eigentlichgenau f<strong>als</strong>ch herum. Die neuen konsekutiven Studiengänge – Bachelor undMaster – werden diesen Anfor<strong>der</strong>ungen allerdings ebenfalls gerecht. Dennwir brauchen für viele ein kürzeres Studium und müssen nur für eine geringereZahl etwa in den Universitäten ein kombiniertes Studium, in das Forschungund Lehre wirklich eingehen, vorhalten und durchführen.Hochschulforschung und <strong>Entwicklung</strong> ist eigentlich, und das ist ganz klarbei vielen Beiträgen herausgekommen, ein ganz wesentlicher Standortfaktornicht nur in <strong>der</strong> Region, son<strong>der</strong>n in Europa. Dabei spielt auch die Grundlagenforschungeine wesentliche Rolle. Forschung und <strong>Entwicklung</strong> lassen101


sich nicht vorher planen. Das Unerwartete muss auch bei Forschung und<strong>Entwicklung</strong> und bei Produkten möglich sein. Und das beste ist ja, dass diePrognosen über Produktentwicklungen meistens f<strong>als</strong>ch waren, das heißt,dass die Entwickler innovativer waren <strong>als</strong> die Sozialwissenschaftler mitihren Vorhersagen.Die <strong>Hochschulen</strong> sind für die Gesellschaft – ich komme jetzt zum erstenThemenkomplex von Frau Ministerin Schipanski – um so leistungsfähiger,je besser ihre Strukturen und ihre Mitglie<strong>der</strong> sind. Und ihre Qualität mussletztlich und kann nur auf Wettbewerb beruhen. Denn Wettbewerb ist <strong>der</strong>Hauptstimulator für Leistung. Auch <strong>Motoren</strong> haben ja unterschiedliche PS-Zahlen. Und es gibt sogar Turbola<strong>der</strong>. Man könnte sich vorstellen, wie <strong>der</strong>Straßenverkehr aussieht, wenn die PS-Leistungen standardisiert wären. Wirhätten noch mehr Staus auf unseren Straßen. Das Beispiel Thüringen war einBeispiel, dass ein Land sozusagen aus einer deindustrialisierten Gesellschaftin diese Wissensgesellschaft springt. Und ich glaube, dass das Land versucht,Stärken zu stärken, <strong>als</strong>o Profilbildung an den <strong>Hochschulen</strong> zu erreichen.Es kann für die <strong>Hochschulen</strong> nicht mehr gelten, alles anzubieten, unabhängigvon <strong>der</strong> Qualität, son<strong>der</strong>n man muss sich auf bestimmte Kernkompetenzenin bestimmten <strong>Hochschulen</strong> konzentrieren. An<strong>der</strong>e können Vollangebotehaben und weitgehend das noch darstellen, was Universitas ist. Dasheißt allerdings auch, dass man wegen <strong>der</strong> notwendigen Interdisziplinarität –und an den Grenzen zwischen den Fächern finden ja oft Fortschritte statt –diese Profilbildung mit einer genügenden Breite in den <strong>Hochschulen</strong> nochverbinden muss. Kompetenzzentren sind allerdings eben auch Zentren zwischen<strong>Hochschulen</strong> und Wirtschaft. Und Bioregio war eines <strong>der</strong> Beispieleeiner Initiative, mit <strong>der</strong> solche Zentren beispielhaft geschaffen worden sind.Aber gestatten Sie mir, dass ich darauf hinweise, dass es die nicht nur inMünchen gibt, son<strong>der</strong>n dass es eine vorbildlich funktionierende Bioregioauch im Rhein-Neckar-Dreieck zwischen Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafengibt, über drei Län<strong>der</strong> hinweg eine Kooperation stattgefunden hat,trotz des fö<strong>der</strong>alen Systems in Deutschland.Nun zu meinem nächsten Punkt: <strong>Hochschulen</strong> sind in <strong>der</strong> Realität eigentlichweitgehend keine ivory towers mehr. Der Begriff ivory tower existiert ebenauch im Englischen. Offenbar gab es im angelsächsischen Hochschulsystemeben auch Elfenbeintürme. Wie findet <strong>der</strong> Transfer statt aus den <strong>Hochschulen</strong>?Für mich am wesentlichsten durch die Köpfe, <strong>als</strong>o durch die Absolventen,durch Unternehmensgründungen in, mit o<strong>der</strong> aus <strong>Hochschulen</strong>. Es könntemehr Transfer durch Jobrotation geben, <strong>als</strong>o <strong>der</strong> Wechsel von <strong>Hochschulen</strong>in die Wirtschaft und umgekehrt, nicht nur in Sabbatic<strong>als</strong>. Ein Transferdurch gemeinsame Unternehmen ist angesprochen worden. Und es gibt den102


traditionellen Transfer über Verträge, Diplomarbeiten, Dissertationen undüber ähnliches. Was wir uns wünschen <strong>als</strong> <strong>Hochschulen</strong>, ist allerdings, andiesem Transfer noch teilzunehmen z.B. über Overheads. Denn wir müssenuns fragen, wie können wir unsere Einnahmen steigern. Wir sind nicht geldgierig,das wurde ja heute schon mal angesprochen, aber wir sind durchausin je<strong>der</strong> Hinsicht profitorientiert. Also, wir wollen von verstärktem Wissenprofitieren, aber wir wollen auch materiell profitieren, denn wir haben Aufgaben,die sehr viel Geld kosten. Und wir können dieses nicht alles demStaat auferlegen, weil wir auch von ihm unabhängiger sein wollen.Damit komme ich zu dem Vortrag von Herrn Mehrgardt aus dem UnternehmenInfineon heraus, <strong>der</strong> ja skizziert hat, welche Absolventen erwartet er. Ererwartet eigentlich das, was wir <strong>als</strong> Selbstverständliches an den <strong>Hochschulen</strong>leisten sollten, <strong>als</strong> Wissenschaftler, die eben Wissen schaffen. Und Wissenschaffen kann man eigentlich nur mit Kreativität. Aber es ist durchaus nichtanrüchig, wenn diese Kreativität – wie eben für die Institution geschil<strong>der</strong>t,auch für das Individuum geschil<strong>der</strong>t – mit einer gewissen Profitorientierungeinhergeht. Das ist auch einer <strong>der</strong> Punkte, an den wir uns im deutschen Bildungssystemnoch gewöhnen müssen bei allem Idealismus, dass Wissenschaffen durchaus profitabel nicht nur sein kann, son<strong>der</strong>n dass diese Profitabilitätsogar anerkannt und akzeptiert wird.In einem weiteren Punkt ist sicherlich klar, dass Wissenschaft global ist undWissenschaftler miteinan<strong>der</strong> in einem globalen Wettbewerb stehen. Dennochhatten wir das Thema <strong>Hochschulen</strong> und regionale <strong>Entwicklung</strong>. Dieses kannnicht heißen, Provinzialität <strong>der</strong> Wissenschaft, son<strong>der</strong>n muss heißen, dass die<strong>Hochschulen</strong> ihre Rolle auch in <strong>der</strong> Region bei einer globalen Orientierungund bei einem globalen Wettbewerb suchen. Das Beispiel Kaiserslautern vonHerrn Flieger kenne ich selbst ganz gut, weil ich gerade an <strong>der</strong> Nahtstellezwischen <strong>der</strong> Wachstumsregion Vor<strong>der</strong>pfalz und jener etwas benachteiligtenRegion um Kaiserslautern wohne und weiß, wie solche <strong>Hochschulen</strong> in ihrenRegionen wirken und deshalb ja auch gerade gegründet worden sind. Allerdingsmüssen diese <strong>Hochschulen</strong> meines Erachtens dann auch zu einemselbsttragenden Wachstum führen und dürfen nicht nur unter dem Gesichtspunkt<strong>als</strong> Arbeitgeber und Kaufkraftkreator in <strong>der</strong> Region betrachtet werden.Aber dort, wie bei vielen Unternehmensgründungen, gilt, <strong>der</strong> Erwartung vonPolitikern entgegenzutreten, man könne die vorhandene Arbeitslosigkeit mitHochschulgründungen o<strong>der</strong> Unternehmensgründungen in und um diese<strong>Hochschulen</strong> bekämpfen. Die Arbeitslosen und diejenigen, die man in diesenInstitutionen sucht, sind zwei meistens völlig unterschiedliche Populationen.Man kann höchstens indirekt die Arbeitslosigkeit dadurch reduzieren, weildurch die verstärke Kaufkraft an<strong>der</strong>e Effekte eintreten.103


Wie einleitend bemerkt, ist Wissen in diesem Land ein Hauptproduktionsfaktorund er hängt von <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Hochschulabsolventen ab. Aber dieInnovation ist in erster Linie eine Innovation in und durch Köpfe, nichtdurch Pläne, Veranlassungen o<strong>der</strong> Verordnungen. Aber Qualität kann heuteeben nicht nur bedeuten, dass wir eine kleine Spitze kreieren müssen. Diemüssen wir auch kreieren, eine Elite. Die Wirtschaft und Gesellschaftbraucht allerdings auch eine ausreichende Anzahl hochqualifizierter Köpfe.Im Mittelpunkt unseres Agierens, damit komme ich zum Vortrag von HerrnEwers, muss die Qualität stehen. Aber Qualität verträgt sich eigentlich nichtmit Standardisierung und Einheitlichkeit, weil Qualität Wettbewerb voraussetzt.Nur intrinsische Motivation schafft sicherlich keine Qualität auf breiterBasis. Negativbeispiele sind <strong>der</strong> umgekehrte Numerus clausus bei manchenStudiengängen. Negativbeispiele sind auch die Standardisierung von Studiengängen,die jeden Wettbewerb ausschließen, nämlich etwa die Standardisierungüber Rahmenprüfungsordnungen. Negativbeispiele sind auch in<strong>der</strong> Kapazitätsverordnung und in den Urteilen unserer höchsten Gerichte zufinden, etwa jene Sätze über die unzulässige Niveaupflege, die zwar niemandmehr ausgesprochen haben will, aber die vielleicht charakteristischdafür sind, dass wir uns geradezu in unserem Hochschulsystem scheuen,jedenfalls im fö<strong>der</strong>alen System scheuen o<strong>der</strong> gescheut haben, von staatlicherSeite her gescheut haben, Wettbewerb zuzulassen. Wir haben immer Angst,dass an einer Hochschule A jemand an<strong>der</strong>s ausgebildet worden sein könnte<strong>als</strong> an <strong>der</strong> Hochschule B und verwechseln Mobilität mit den Notwendigkeitenzur Standardisierung. Die jungen Leute sind intelligent genug, von einerHochschule in die an<strong>der</strong>e zu wechseln und auch mal etwas nachzuholen o<strong>der</strong>etwas an<strong>der</strong>es zu lernen <strong>als</strong> sie vorher hätten lernen müssen.Wie wirken nun die <strong>Hochschulen</strong> <strong>als</strong> <strong>Motoren</strong> für die Wirtschaft und Gesellschaft?Das heißt, wie funktionieren die Transmissionsriemen? O<strong>der</strong> wiefunktionieren die Getriebe?Gerade im Osten Deutschlands, haben wir gehört, besteht eine große <strong>Entwicklung</strong>schanceüber die Existenzgründungen, weil die vorher vorhandeneIndustrie kaum noch vorhanden ist. Und damit ist eine solche <strong>Entwicklung</strong>eng an <strong>Hochschulen</strong> gebunden. Wir wissen aus Studien, dass die Zahl <strong>der</strong>Existenzgründungen sehr eng mit <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> technischen und ähnlicherFächer an Universitäten verbunden ist. Deshalb ist es kein Wun<strong>der</strong>, dassgerade Dresden ein Mittelpunkt von Existenzgründungen in Sachsen ist, wieaus dem Vortrag von Herrn Kollegen Mehlhorn und Herrn Fettweis hervorging.Aber es genügt ja nicht nur das Vorhandensein von Technischen <strong>Hochschulen</strong>,son<strong>der</strong>n es muss <strong>der</strong> entsprechende Unternehmergeist herrschen.104


Und dieser Unternehmergeist kann auch nicht unbedingt nur gelehrt werden.Wir haben, so hörten wir, eine Generation von Studierenden, die dem vieloffener gegenüberstehen, <strong>als</strong> dieses früher <strong>der</strong> Fall war. Aber ich glaube, jeunternehmerischer <strong>Hochschulen</strong> in sich handeln und je unternehmerischerProfessorinnen und Professoren agieren, je mehr <strong>als</strong>o ein Unternehmergeisto<strong>der</strong> Unternehmensgeist auch in den <strong>Hochschulen</strong> für Studierende spürbarwird, um so mehr werden sie sich dem Unternehmergeist öffnen. Und es warwichtig, wie auf einem möglicherweise in <strong>der</strong> Art existierenden Geist sozusageneine ganze Kette im Sinne <strong>der</strong> Wertschöpfung an <strong>der</strong> Universität, an<strong>der</strong> Technischen Universität Dresden errichtet worden ist, um von <strong>der</strong> Patentierungbis zur Produktvermarktung junge potentielle Unternehmer o<strong>der</strong>Erfin<strong>der</strong> zu begleiten.Die Frage ist, und das ist zunächst ja eine deutsche Frage: Braucht man fürdiese Transmission, für den Transfer von Wissen aus <strong>Hochschulen</strong> an Unternehmenund umgekehrt unbedingt Organisationen? Wir hatten einmaleine Tagung <strong>der</strong> Humboldt-Gesellschaft, bei <strong>der</strong> ein amerikanischer Kollegegesagt hat: Nirgendwo sonst in <strong>der</strong> Welt ist <strong>der</strong> Technologietransfer so gutorganisiert wie in Deutschland. In Amerika haben wir ihn meistens gar nichtorganisiert. Allerdings gibt es einen großen Unterschied. Wir gründen wesentlichmehr Unternehmen in vergleichbarer Zeit und bei vergleichbaren<strong>Hochschulen</strong>.Das heißt, Technologiezentren, Transferzentren und ähnliches sind wichtig,sind wichtige Transmissionsriemen des Motors zu den Unternehmen. Aberman sollte sich darauf nicht verlassen, trotz des guten Beispiels aus Bremenvon Herrn Timm und Herrn Diekhöner. Denn sich darauf verlassen, hießesozusagen, nicht im Unternehmergeist zu handeln. Nun ist in Bremen eineArt Technologiepark entstanden, wie wir ihn aus Amerika, etwa aus demTriangel Park kennen. Das heißt, eigentlich nicht mit so klaren Organisationsstrukturen,wie ihn Deutsche vielleicht erwarten, son<strong>der</strong>n mit einemgroßen Vorteil, den manche unterschätzen, <strong>der</strong> aber in vielen volks<strong>wirtschaftlichen</strong>und auch sozialwissenschaftlichen Untersuchungen zutagekommt, nämlich die räumliche Nähe för<strong>der</strong>t die Kooperation. Und die räumlicheEntfernung behin<strong>der</strong>t sie. Damit ist die räumliche Verzahnung vonHochschuleinrichtungen und Unternehmenseinrichtungen – seien es Ausgründungeno<strong>der</strong> seien es an<strong>der</strong>e Unternehmen – sehr wichtig für das Funktionieren<strong>der</strong> Kooperation und <strong>der</strong> Transmissionsriemen, etwas, was – glaubeich – von vielen wirklich unterschätzt worden ist. Die Kooperation beruhtletztlich auf <strong>der</strong> Kommunikation von Köpfen, letztlich auch auf individuellerKommunikation, die zwischen <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Unternehmen und den Hoch-105


schulen zustande kommen muss, aber auch zwischen <strong>Hochschulen</strong> und Forschungsinstitutionenwie <strong>der</strong> Fraunhofer-Gesellschaft.Dieses zeigten die Vorträge von Herrn Obieglo, Soboll und Wegener. Dabeisind manche <strong>Hochschulen</strong> dafür offener. Das liegt zum Teil auch an <strong>der</strong>Geschichte <strong>der</strong> <strong>Hochschulen</strong>, wie wir aus Reutlingen erfahren haben. Siesind auf Grund ihrer Strukturen und ihrer Fächer offener <strong>als</strong> an<strong>der</strong>e. Aber esist gut, dass wir auch in dieser Hinsicht nicht einfach standardisieren. Dasdeutsche Hochschulsystem hat in dieser Hinsicht sicherlich noch ein Innovationspotentialfür die Kooperation mit Unternehmen, in dem sich auch Gebieteund Fächer öffnen, denen dieses bislang fremd war und an die manweniger denkt, wie etwa aus dem Bereich <strong>der</strong> Kulturwissenschaften, ausdenen es auch gute Beispiele in diesem Zusammenhang gibt.Nun, wenn ich ein Gesamtfazit ziehen will, so sind wir natürlich so etwaswie die Prediger in einer doch inzwischen relativ leeren Kirche, die zu denGetreuen eigentlich das ausdrücken, was die hören sollten, die gar nicht dasind. Und die Frage ist, wie bringt man diese Botschaft an diejenigen, diedas Problem vielleicht gar nicht sehen, nicht sehen wollen o<strong>der</strong> die sogarfroh sind, dass dieses Problem existiert, weil sie es auf <strong>der</strong> einen Seite fürsich <strong>als</strong> Hochschullehrer für nicht beson<strong>der</strong>s schicklich erachten, mit <strong>der</strong>Realität zusammenzuarbeiten, o<strong>der</strong> weil es auch so ist, wie bei manchenUnternehmen, dass sie sich von <strong>Hochschulen</strong>, aus welchen Gründen auchimmer, fernhalten.Manche <strong>Hochschulen</strong> werden wie Behörden behandelt. Ich möchte jetztnicht unbedingt ausdrücken von wem, aber sicherlich auch von <strong>der</strong> staatlichenSeite. Aber manche Unternehmen sind dem nicht unbedingt unähnlich.Es ist ja nicht so, dass auch in jedem Großunternehmen auf allen Ebenen undbei jedem ein Unternehmergeist herrscht. Wenn man sich beim Essen mitUnternehmern, Vorständen von Großunternehmen unterhält, findet mandurchaus zwischen manchen Behörden und manchen Teilen von Großunternehmengewisse Verwandtschaftsbeziehungen. Also, die Frage von Freiheitund Unternehmergeist ist nicht nur eine Frage, die man an die <strong>Hochschulen</strong>richten muss. Ich glaube auch, dass die Frage des Unternehmergeistes, unddas unterscheidet uns etwas von Amerika, nicht nur eine Frage <strong>der</strong> Institutionenist, gar nicht primär von <strong>Hochschulen</strong> o<strong>der</strong> Unternehmen, son<strong>der</strong>n esist eine Frage <strong>der</strong> Gesellschaft. Wir leben in einer Art Rückversicherungsgesellschaft,jedenfalls in einer Gesellschaft mit Rückversicherungsmentalität,und zwar auf einem hohen Wohlstandsniveau. Und diese Rückversicherungsmentalitätführt gleichzeitig dazu, dass wir im Grunde genommenWettbewerb lange Zeit <strong>als</strong> ein nicht wünschenswertes Element betrachtethaben. Wettbewerb zwischen Individuen o<strong>der</strong> Wettbewerb zwischen Institu-106


tionen. Und diese Mentalität, die wir über 40 o<strong>der</strong> 50 Jahre entwickelt haben,ist eine Art Tranquilizer unserer <strong>Entwicklung</strong> geworden. Und deshalbsollten <strong>Hochschulen</strong> wie Wirtschaft eigentlich zum Aufbruch blasen. Dasheißt, sie sollten das erlaubte und erwünschte Dopingmittel für Wettbewerbin <strong>der</strong> Gesellschaft sein, <strong>als</strong>o, für ein Dopingmittel, welches in Sydney negativbetrachtet wird, weil es wettbewerbsverzerrend ist. Aber wir sind hiernicht bei Olympia, son<strong>der</strong>n wir wollen einen Wettbewerb, <strong>der</strong> leistungssteigerndist mit allen erlaubten Mitteln. Denn alleine <strong>der</strong> Wettbewerb ist <strong>der</strong>Hauptmotor <strong>der</strong> Leistung von Forschung, <strong>Entwicklung</strong> in Unternehmen wiein <strong>Hochschulen</strong>.Und es ist in erster Linie, damit komme ich zum Eingang zurück, ja einWettbewerb um Wissen. Es ist ein Wettbewerb um Köpfe, um die bestenProfessorinnen, Professoren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch umdie besten Studierenden. Und man möge einmal erklären, wie dieses möglichsein soll unter dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> zentralen Verteilung von Studienplätzen.Wie kann zudem ein Wettbewerb um gute Studierende sich positiv auf<strong>Hochschulen</strong> auswirken, wenn die Frage von Studiengebühren völlig ausgeklammertwird aus <strong>der</strong> Diskussion. Insofern muss man Herrn Ewers rechtgeben. Wenn man nichts davon hat, dass man gut ist, son<strong>der</strong>n gleich behandeltwird mit denen, die schlecht sind, dann wird je<strong>der</strong> Intelligente sich nacheiniger Zeit überlegen, ob es sich denn lohnt, gut zu sein in <strong>der</strong> Lehre. In <strong>der</strong>Forschung besteht ein Wettbewerb an den <strong>Hochschulen</strong> um Drittmittel ausdem staatlichen System und aus dem System <strong>der</strong> Wirtschaft. Und die Grundfrageist, wie können wir in Deutschland Wettbewerb akzeptieren lernen?Denn Wettbewerb heißt, dass er auf Unterschiedlichkeit basiert. Und wirmüssen die Unterschiedlichkeit, wir müssen auch unterschiedliche Finanzstärkenvon Län<strong>der</strong>n akzeptieren können, auch in einem Wettbewerb zwischenden Hochschulsystemen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>. Wenn wir allerdings jeglicheUnterschiedlichkeit ausgleichen, werden wir keinen Wettbewerb haben. Aneinem Fluss ohne Gefälle wird man keine Kraftwerke bauen können. Undnur wenn wir in Deutschland lernen, Unterschiedlichkeit zu akzeptieren,wobei wir diese Unterschiedlichkeit durchaus auf irgendeinem Niveau nachunten absichern können, erst dann werden wir den notwendigen Wettbewerbhaben, <strong>der</strong> Leistung stimuliert. Und dann werden wir ein Klima des Unternehmertumshaben, was verstärkt auf beiden Seiten, nämlich auf den Seiten<strong>der</strong> Wirtschaft und <strong>der</strong> <strong>Hochschulen</strong>, sich fortentwickelt. Und damit werdensich viele Probleme, die wir heute haben, nicht durch Institutionen lösen,son<strong>der</strong>n dadurch, dass ein an<strong>der</strong>er Geist in dieser Republik weht. Wir brauchenkeine Berliner Republik. Wir brauchen eine Republik mit Unternehmergeist.Danke.107


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TeilnehmerverzeichnisProf. Dr. Wolfgang Bauhofer VizepräsidentTechnische UniversitätHamburg-HarburgKlaus Beltz Rolls-RoyceDeutschland GmbH,DahlewitzProf. Dr. Klaus Borchard Rektor Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, BonnDr. Werner Borrmann Vice President EuropeA.T. Kearney, DüsseldorfBirgit Burgänger Senat <strong>der</strong> Freien undHansestadt HamburgBehörde für Wissenschaft undForschung HamburgDr. Günther W. Diekhöner GeschäftsführerDie Denkfabrik, BremenProf. Dr. Hans-Jürgen Ewers PräsidentTechnische Universität BerlinProf. Dr. Gerhard Fettweis VorstandSystemonic AG, DresdenDr. Wolfgang FliegerFachbereich für Sozial- undWirtschaftswissenschaften,Universität KaiserslauternProf. Dr. Peter Frankenberg VizepräsidentHochschulrektorenkonferenz,Bonn,Rektor UniversitätMannheim110


Stephan Friese Direktor Büro Berlin3i Deutschland Gesellschaft fürIndustriebeteiligungen mbH,BerlinKonstanze Gerling Ministerium für Wissenschaft,Forschung und Kunst desLandes ThüringenKarsten Gerlof Persönlicher Referent<strong>der</strong> SenatorinSenat <strong>der</strong> Freien undHansestadt HamburgBehörde für Wissenschaft undForschung, HamburgBrigitte Göbbels-Dreyling Hochschulrektorenkonferenz,Büro BerlinPeter Gruhl Leiter PersonalentwicklungHella KG Hueck & Co.,LippstadtDieter Jahn AbteilungsdirektorForschungsplanungBASF Aktiengesellschaft,LudwigshafenFranz-Josef von KempisBundesverband <strong>der</strong> DeutschenIndustrie e.V.Sabine Knapp-Lohmann Leiterin HochschulkontakteSiemens AGBBLHochschulkontakte,BerlinJesco Krieft Bundesverband <strong>der</strong>Deutschen Industrie e.V.Prof. Dr. Jürgen Kunze Rektor Fachhochschule fürWirtschaft, Berlin (FHW)111


Prof. Dr. Klaus LandfriedChristoph LiedtkePräsident <strong>der</strong> Hochschulrektorenkonferenz,BonnKommunikation, Infineon TechnologiesAG, MünchenProf. Dr. Achim Mehlhorn RektorTechnische Universität DresdenDr. Soenke MehrgardtExecutive Vice PresidentInfineon Technologies AG,MünchenHong Meng Technische Universität BerlinProf. Dr. Erhard Mielenhausen PräsidentFachhochschule OsnabrückProf. Dr. Eckard Minx Abteilungsleiter FP4/GDaimlerChrysler AGForschung Gesellschaft undTechnik, BerlinDr. Martin Molzahn ProkuristBASF Aktiengesellschaft,LudwigshafenProf. Dr.–Ing. Heribert Münch ProrektorFachhochschule MagdeburgChristian Müller Dozent für HolzbauLeipzigUlf Neupert Modalis ResearchTechnologiesProf. Dr. Georg Obieglo RektorFachhochschule Reutlingen112


Alexan<strong>der</strong> Peter Personalreferent RecruitingArthur An<strong>der</strong>sen Wirtschaftsprüfungsgesellschaftund Steuerberatungsges.mbH,KölnProf. Dr. Sylvia Rohr Leiterin TansfernetzwerkSteinbeis-Stiftung für Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung,StuttgartSybille Rosendahl Infineon TechnologiesVerbindungsbüro BerlinSusanne Schilden PressereferentinHochschulrektorenkonferenz,BonnProf. Dr. Dagmar Schipanski MinisterinThüringer Ministerium für Wissenschaft,Forschung und KunstDr. Horst Soboll Leiter ForschungspolitikDaimlerChrysler AG,StuttgartHeiner Stöcker ForschungsreferentTechnische UniversitätDarmstadtThoralf Thämelt MitarbeiterDeutscher BundestagBüro Cornelia Pieper (FDP),BerlinProf. Dr. Jürgen Timm RektorUniversität BremenProf. Dr. George Turner Wissenschaftsenator a.D., BerlinProf. Dr. László Ungvári PräsidentTechnische FachhochschuleWildau113


Dr. Raimund Wegener AbteilungsleiterFraunhofer-Institut für TechnoundWirtschaftsmathematik,KaiserslauternDr. Ania Wil<strong>der</strong>-Mintzer GeschäftsführerinTönissteiner KreisAndreas F. Wilkes GeschäftsführerVeranstaltungsforum <strong>der</strong> VerlagsgruppeGeorg vonHoltzbrinck GmbH, BerlinRolf ZeppenfeldProf. Dr. Gerd ZimmermannGeschäftsführen<strong>der</strong>GesellschafterArthur An<strong>der</strong>sen Wirtschaftsprüfungsgesellschaftund Steuerberatungsges.mbH,KölnVizepräsident <strong>der</strong>Hochschulrektorenkonferenz,Rektor <strong>der</strong> Bauhaus-UniversitätWeimar114


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