Schembor: Die Bestimmung der altösterreichischen Kalibermaße- 9.078 Sechzehntel der großen Mailänder Elle,- 11.437 Sechzehntel der kleinen Mailänder Elle.In der „Vorlesung der Artillerieschulen“ § 7 hieß es:„Der Nürnberger Schuh wird bloß zur Proportionierungdes Geschützes und der eisernen Munition gebraucht, weiler bei der gleichförmigen Einrichtung des Geschützes imganzen Römischen Reich zum Grund gelegt wurde undnach ihm die Durchmesser aller Kugeln, Granaten undBomben überhaupt bestimmt worden sind. Des Französischenoder Pariser bedient man sich bei der Fortifikation[und beim in der Artillerie vorkommenden Erdbau]. Sonstkann alles nach dem Wiener Schuh erzeugt werden, indemman pflegt alle Kaliberstäbe als von Eisen, Stein, Bleiund die hieraus zu bestimmende Proportionierung desGeschützes, Lafettierung, Raketenstöcke usw. aus demNürnberger in das Wiener Maß zu verwandeln.“Für große Entfernungen bediente man sich der Schritte,wobei 5 „mäßige Mannsschritte“ 2 französischen Klafternoder 12 Pariser Schuh entsprachen. Für die Artillerie wardie Genauigkeit in Linien ausreichend. 6)Zu Beginn der allgemeinen Triangulierung derösterreichischen Monarchie fand man es erforderlich,einen genaueren Prototyp des gesetzlichen WienerKlafters herzustellen. Zu diesem Zweck verfertigte derMechaniker Johann Friedrich Voigtländer (1779-1859)einen Komparator, auf dem am 23. Dezember 1813 beieiner Raumtemperatur von 13 Grad Reaumur die Längedes gesetzlichen Wiener Klafters und der Pariser Toiseaufgetragen wurden. Als Grundmaß diente der 1760der Wiener Sternwarte übersandte eiserne Stab mit derfranzösischen Toise. Der Apparat wurde mit Dekret derniederösterreichischen Landesregierung vom 20. April1816 als Normalmaß des Wiener Klafters zum amtlichenGebrauch erklärt. Simon von Stampfer (1792-1864),Professor für praktische Geometrie am polytechnischenInstitut, der auch an den Längengradmessungen teilgenommenhatte, schrieb, dass damit „mit Leichtigkeit“ eineGenauigkeit von 0,001 Linie (das sind 0,0022 Millimeter)und „bei möglichster Sorgfalt“ sogar eine Genauigkeitvon 0,0002 Linien (das sind 0,00044 Millimeter!) erreichtwerden konnte. Die Temperatur von 13 Grad Reaumurentsprach übrigens der Temperatur, die vorhanden war,als das Meter, das der zehnmillionste Teil des Erdquadrantensein sollte, durch trigonometrische Messungeines Meridianbogens von etwas weniger als 10 Gradbei Dünkirchen ermittelt wurde. Darnach wurde 1 Metermit 443,296 Linien der bei der Bestimmung verwendeteneisernen Toise als gesetzliches Längenmaß in Frankreicheingeführt. 7)In der Praxis waren allerdings die von Stampferangegebenen Genauigkeiten nicht zu erreichen. OberfeuerwerksmeisterMajor Joseph Raab vertrat daher am 26.Februar 1816 gegenüber dem k. k. Artillerie-Oberzeugamtdie Meinung, dass es wünschenswert wäre, bei Erzeugungvon Kugellehren und dergleichen „die so äußerst sublimenAbmessungen in Quinten“ wegzulassen, da die Professionistenmit ihrem gewöhnlichen Handwerkszeug solcheGegenstände unmöglich richtig erzeugen könnten unddadurch nur willkürliche Abweichungen entstünden. Mansollte Angaben von Abmessungen in ihrer Genauigkeit auf32Punkte beschränken und bei Berechnungen, die mehr als6 Quinten ergaben, die Punktezahl um 1 erhöhen. 8)Trotzdem war es sinnvoll und sogar notwendig, dieMaße mit einer mathematischen, nach dem damaligenStand der Technik nicht messbaren und produzierbarenGenauigkeit anzugeben, weil es sonst bei Vervielfachungenzu allzu großen Diskrepanzen gekommenwäre. Hätte man etwa eine Länge von 3.200 Fuß (ca.1 Kilometer) unter Zugrundelegung der Umrechnung von1 Fuß = 316 Millimeter statt 1 Fuß = 316,081 Millimeterberechnet, hätte man eine um einen Viertel Meter kürzereStrecke erhalten.Der Physiker und Mathematiker Andreas Freiherr vonBaumgartner (1793-1865) gab in seiner 1824 erschienenen„Naturlehre nach ihrem gegenwärtigen Zustande“folgende Umrechnungen 9) an:1 Wiener Fuß 316,1023 Millimeter1 Prager Fuß 296,4160 Millimeter1 Berliner Fuß 309,7254 Millimeter1 Französischer Fuß 324,8394 Millimeter1 Nürnberger Fuß 303,8604 Millimeter1 Wiener Elle 779,1922 Millimeter1 Nürnberger Elle 659,6048 MillimeterStampfer beschäftigte sich anlässlich der Bestimmungder physikalischen Werte von Wasser im Jahr 1830 mit dergenauen Bestimmung der damals üblichen Längenmaßeund kam 1839 in einem Aufsatz „Ueber das Verhältnisder Wiener Klafter zum Meter“ abermals darauf zurück.Ein neuerlicher Vergleich des Wiener Klafters mit demMeter, der auf Bitte der österreichischen Regierung imJahr 1830 in Paris durchgeführt worden war, hatte nichtden gewünschten Erfolg gebracht. Stampfer erörterte imoben angeführten Aufsatz ausführlich das Problem undkam nach vielen Vergleichen zur Feststellung, dass derrichtige Wert 0,0517 Millimeter größer als der von Vegaangegebene war, sodass1 Klafter 1.896,6657 Millimeter1 Fuß 316,11095 Millimeterentsprach. 10)Diesen Wert übernahm der Chemiker und MineralogeAnton Schrötter, Ritter von Kristelli (1802-1875) unterausdrücklichem Verweis auf obige Arbeit von Stampferin seinen ersten Band der „Chemie nach ihrem gegenwärtigenZustande“, der 1847 erschien. Er fügte die folgendenUmrechnungen hinzu: 11)1 Pariser Fuß 324,83943 Millimeter 1,027612 Wiener Fuß1 Preußischer Fuß 313,8535 Millimeter 0,992858 Wiener Fuß1 Bayerischer Fuß 291,8592 Millimeter 0,923281 Wiener FußÖMZ-Online 2/2012
In den 1870er-Jahren wurde auch in Österreich das metrischeMaß- und Gewichtssystem eingeführt. Im bereitserwähnten „Gesetz vom 23. Juli 1871, womit eine neueMaß- und Gewichtsordnung festgestellt wird“, erfolgtenin Artikel IV folgende Gleichsetzungen:1 Meter1 Meter1 Meter1 Wiener Klafter1 Wiener Fuß1 Wiener ElleIn Artikel II hieß es dazu: „Als Urmaß gilt derjenigeGlasstab, welcher sich im Besitze der k. k. Regierungbefindet, und in der Achse seiner sphärischen Endengemessen, bei der Temperatur des schmelzenden Eisesgleich 999,99764 Millimeter des in dem französischenStaatsarchive zu Paris deponirten Meter prototype befundenworden ist.“ 12) Es ergaben sich damit für das bisherigeWiener Maß folgende Umrechnungen:1 Klafter1 Fuß1 Zoll1 Linie1 Punkt1 Quint0,5272916 Wiener Klafter3 Fuß 1 Zoll 11.580 Linien1,286077 Ellen1,896484 Meter0,316081 Meter0,777558 MeterAlte GewichtsmaßeWie bei den Längenmaßen gab es auch bei den Gewichtsmaßeneine Unzahl verschiedener Einheiten, diezwar oft die gleichen Namen trugen, jedoch durchausunterschiedliche Werte repräsentierten.In Österreich war als Gewichtsmaß das Wiener Pfundeingeführt, das es mit unterschiedlichem Gewicht als sogenanntes Handelsgewicht und als Apothekerpfund gab.In der vorliegenden Arbeit wird das Wiener Pfund ohneweiteren Hinweis immer als Handelsgewicht betrachtet.Es galt1 Zentner1 Pfund1 Lot1 Quintchen1 Viertel1 Pfund1 Mark1 Unze1 Lot1 Quentchen1.896,484 Millimeter316,081 Millimeter26,340 Millimeter2,195 Millimeter0,183 Millimeter0,015 Millimeter100 Pfund32 Lot4 Quintchen (Quintel, Quentchen)Nürnberger Handelsgewicht4 Viertel4 Sechzehntel2 Mark8 Unzen2 Lot4 Quentchen4 PfennigePreußisches Gewicht1 Pfund 2 Mark = 32 Lot = 128 Quentchen = 576 GränIn Preußen teilte man 1 Pfund in 2 Mark, 1 Mark in16 Lot, 1 Lot in 4 Quentchen und 1 Quentchen in 4,5 Grän,in Frankreich und den italienischen Ländern teilte man1 Pfund in 12 Unzen, 1 Unze in 2 Lot, 1 Lot aber in ebensoviele Teile wie in Österreich. 13)Vega wies in seinen „Vorlesungen über die Mathematik“darauf hin, dass das Gewicht bei der Artillerie nochimmer nach dem früher üblichen Nürnberger Gewichtangegeben wurde, das sich zum Wiener Gewicht beinahewie 5:6 verhielt. 14)In der „Vorlesung der Artillerieschulen“ hieß es dazu:„Die Schwere eines Körpers wird in der Artillerie nurnach dem Wiener und Nürnberger Gewicht bestimmt. DasNürnberger gebraucht man eigentlich gar nicht, sondernaus den § 7 gegebenen Ursachen werden die von Eisenund Blei gegossenen Kugeln nach ihrer Schwere benennet,welche nach diesem Gewicht bestimmt worden. Die Granatenund Bomben werden zwar auch aus Eisen gegossen,sie erhalten aber ihre Benennung nicht nach ihrer eigentlichen,sondern nach der Schwere einer gleich großenKugel von Stein, welche ebenfalls nach dem NürnbergerGewicht gewogen worden und nach deren Durchmessersie proportioniert sind, sonst aber wird alles nach demWiener Gewicht abgewogen.“ 15) und weiter: 16)„Wird ein Wiener Pfund in 11.672 gleiche Teile gedacht,so hat- das Pariser Handelsgewicht 10.202,- das Bayerische 11.671,- das Berliner 9.748,- das Nürnberger 10.610.“Demnach entsprachen 12 Pariser Pfund nach demNürnberger Maß 11 Pfund 17 Lot. 17)Baumgartner gab 1824 folgende Verhältniszahlenan:1 Wiener Pfund1 Nürnberger Pfund1 Französisches Pfund560,0120 Gramm509,7818 Gramm489,5062 Grammsodass 1 Nürnberger Pfund = 0,9103 Wiener Pfundgalt.Vega hatte jedoch, wie Stampfer schrieb, das obigeauch von Baumgartner übernommene Verhältnis desfranzösischen Gewichtes in Gramm zum Wiener Gewichtin Pfund nicht durch unmittelbaren Vergleich erhalten,sondern ein Amsterdamer Gewicht mit dem Wiener Gewichtverglichen und dann auf das französische Gewichtumgerechnet.Schrötter setzte unter Verweis auf Stampfer- 1 Wiener Pfund = 560,016 Gramm.Stampfer selbst hatte dort den aus mehreren Versuchenerrechneten Mittelwert mit- 1 Wiener Pfund = 560,0164 Gramm- 1 Kilogramm = 1,785662 Wiener Pfundangegeben.ÖMZ-Online 2/2012 33