ANTIGONE EKELTHEATER ARMIN PETRAS
ANTIGONE EKELTHEATER ARMIN PETRAS
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THEATERBLUT<br />
Einmal<br />
naturtrüb,<br />
bitte!<br />
fotos (3): iko freese/drama<br />
Fotos: Constanze Becker als<br />
blutbesudelte Klytaimestra<br />
in Michael Thalheimers Inszenierung<br />
der »Orestie« am<br />
Deutschen Theater in Berlin.<br />
EIN BLICK HINTER DIE KULISSEN DES »<strong>EKELTHEATER</strong>S«:<br />
WIE FUNKTIONIERT EIGENTLICH DIE HERSTELLUNG<br />
VON THEATERBLUT? WIE WIRD ES EINGESETZT?<br />
UND WAS WIRD AUF DER BÜHNE SO GETRUNKEN?<br />
VON ELISA GIESECKE<br />
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Eigentlich verwunderlich, dass es in den Requisitenabteilungen der<br />
deutschen Theater nicht zugeht wie in einer Hexenküche – mit brodelnden<br />
Kesseln, denen übel riechenden Dampfschwaden entsteigen, und<br />
schwarzbemantelten Menschen, die in verstaubten Büchern nach geheimen<br />
Rezepturen suchen. Zu erwarten wäre es, bedenkt man, wie viele<br />
Liter Theatergebräu respektive Blut, Erbrochenes, Kot und andere<br />
Körperflüssigkeiten sich jährlich über Deutschlands Bühnen ergießen.<br />
In keinem anderen Land dürfte so viel Theaterblut fließen wie in<br />
Deutschland. Was in den 1970er Jahren unter Peter Steins »Antikenpro-<br />
jekt« an der Berliner Schaubühne noch mit harmlosen sechs Litern pro<br />
Aufführung begann, wird heute mit bis zu 20 Litern fortgesetzt. Blut,<br />
das natürlich erst einmal hergestellt werden muss. Dafür zuständig<br />
sind große Firmen wie etwa Kryolan, wo die Flüssigkeit gleich fässerweise<br />
produziert wird. Horst Sülzen, Chefrequisiteur an den<br />
Städtischen Bühnen Köln, kann froh sein, dass diese Aufgabe<br />
andere erledigen. Man merkt ihm an, dass es nicht sein Lieblingsthema<br />
ist, das so genannte Ekeltheater. »Mit Körpersäften beschäftige<br />
ich mich ja am liebsten«, spöttelt er und hält mir zur Begrüßung<br />
grinsend ein Messer an die Kehle. Selbstverständlich<br />
und zu meiner Beruhigung nur eine Attrappe, dennoch eine<br />
besondere, wie er erklärt. Über einen im Messergriff integrierten<br />
Schlauch kann künstliches Blut eingesaugt werden,<br />
das nach Betätigung eines Schalters an der Griffseite über ein<br />
winziges Loch auf der Schnittfläche entweicht. Zieht der<br />
Darsteller das Messer über die Haut und drückt gleichzeitig<br />
den Knopf, fließt das Blut in Strömen. »Früher haben wir den<br />
roten Saft auch selbst hergestellt, aber das ist bei den Mengen,<br />
die heute gebraucht werden, fast nicht mehr möglich«, bemerkt<br />
Sülzen, der seit über zwei Jahrzehnten in Köln tätig ist<br />
und schon so manchen Blutbeutel zum Platzen gebracht hat.<br />
So tun als ob, lautet die Devise, und dafür wird an den<br />
Theatern tief in die Trickkiste gegriffen. Die Requisiteure und<br />
Maskenbildner verfügen über ein ganzes Arsenal an Kniffen.<br />
Soll eine Figur aus dem Mund bluten, bedient sich der<br />
Darsteller mit Kunstblut gefüllter Plastikkapseln, die er zerbeißt.<br />
Für Schusswunden werden Blutbeutel oder auch so<br />
genannte Squibs verwendet, die über eine Fernzündung zur<br />
»Explosion« gebracht werden, um die Darstellung noch<br />
wirksamer zu gestalten.<br />
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