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ANTIGONE EKELTHEATER ARMIN PETRAS

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64<br />

THEATERBLUT<br />

Szene aus Jürgen Goschs Düsseldorfer Inszenierung von Shakespeares brutrünstiger Tragödie »Macbeth« aus<br />

dem Jahr 2005. Hierfür wurde der Regiesseur ebenso mit dem Deutschen Theaterpreis ausgezeichnet wie…<br />

Doch Theaterblut ist nicht einfach Theaterblut. Wie in der<br />

Realität, wo zwischen verschiedenen Blutgruppen unterschieden<br />

wird, muss auch die künstlich hergestellte Substanz<br />

bestimmte Eigenschaften erfüllen, um besonders echt zu<br />

wirken. So sollte frisches Blut auch auf der Bühne eine flüssigere<br />

Konsistenz und hellere Farbe haben als solches, das<br />

sich bereits im Gerinnungsprozess befindet oder gar verkrustet<br />

ist. »Natürlich kann man zur Herstellung auch einfach<br />

Rote Beete-Saft benutzen, aber leider verändert sich seine<br />

Farbe, je nachdem, auf welchem Material er angewendet<br />

wird, sehr schnell«, erzählt der Tüftler. In den Chemielabors<br />

von Kryolan, die neben Theatern weltweit auch Hollywood<br />

mit künstlichen Körperflüssigkeiten versorgt, würde man<br />

darüber vermutlich lächeln. Dort tragen die Bestandteile<br />

unheilverkündende Namen wie Carbonol, Glycerin und E422.<br />

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»Erbrochenes lässt sich am besten aus<br />

Joghurt und Apfelsinen herstellen,Urin<br />

besteht aus Apfelsaft und Wasser.«<br />

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Auch wenn Sülzen und seine Kollegen Unterstützung von<br />

außen bekommen, bedeutet das nicht, dass sie weniger zu<br />

tun hätten. Jeden Tag heißt es für sie aufs Neue, erfinderisch<br />

und experimentierfreudig zu sein. »Das ist ja auch das Spannende an<br />

meiner Arbeit, dass man immer kreativ sein muss«, begeistert er sich.<br />

Ständig werden die »Rezepturen« verändert, wird ausprobiert, was<br />

noch besser funktionieren könnte. »Erbrochenes lässt sich am besten<br />

aus Joghurt und Apfelsinen herstellen, Urin besteht aus Apfelsaft und<br />

Wasser«, verdeutlicht Sülzen. »Und je nach Krankheitsbild«, fügt er<br />

lachend hinzu, »aus naturtrübem.« Ganze Vorratskammern sammeln<br />

sich da, zu pappigen Breis verbunden, auf den Böden der Theaterbühnen,<br />

angefangen von Soßenbinder über Schmelzflocken bis hin zu<br />

Kakaopulver. Zutaten, die mit großem Aufwand von Reinigungstrupps<br />

wieder beseitigt werden müssen. Zu klebrig dürfen die Flüssigkeiten<br />

daher nicht sein, denn wer will schon länger putzen, als die<br />

Aufführung gedauert hat.<br />

Wie die Darsteller mit den Ferkeleien umgehen, danach wird<br />

selten gefragt – etwa die hochgelobte, aber blutbesudelte Constanze<br />

Becker in Michael Thalheimers »Orestie«-Inszenierung am Deutschen<br />

Theater in Berlin oder die Sängerin Iris Vermillion, die als »Penthesilea«<br />

dasselbe Schicksal ereilte. »Schauspieler haben in der Regel aufgrund<br />

ihrer Ausbildung eine niedrigere Hemmschwelle, die kommen damit<br />

besser klar als zum Beispiel die Sänger«, meint der Kölner Requisiteur.<br />

Und doch scheint es auch unter den Sängern Ausnahmen zu geben.<br />

Die Mezzosopranistin Leandra Overmann – die in der »Troubadour«-<br />

Inszenierung des berühmt-berüchtigten Opernregisseurs Calixto Bieito<br />

für Aufsehen sorgte, weil sie in ihrer Rolle nicht nur brutal misshandelt<br />

wurde, sondern auch »Kot« fraß – meinte im Interview mit der<br />

Deutschen Bühne: »Viele behaupten, Bieito wolle nur Skandal machen.<br />

Das ist völliger Unsinn. (...) Das haben wir gemeinsam entwickelt, als<br />

wir überlegt haben, wie man eine Frau zeigen kann, die Furchtbares<br />

foto: sonja rothweiler<br />

… die Sängerin Iris Vermillon in<br />

»Penthesilea« 2008 an der Sächsischen<br />

Staatsoper Dresden (unten).<br />

durchmacht, die aber wild entschlossen ist, das alles zu<br />

überleben. (...) Er macht mit meiner Figur nichts, was ich<br />

nicht für richtig halte«, rechtfertigt sie die Bühnensudelei.<br />

»Ich bin total überzeugt von dem, was ich in seinen Inszenie-<br />

rungen tue.«<br />

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Eine Möglichkeit, den Darstellern den Umgang mit unangenehmen<br />

Flüssigkeiten erträglicher zu machen, ist die Beigabe<br />

wohlriechender Duft- und Geschmacksstoffe. Kapselblut wird<br />

entweder mit Erdbeeraroma versetzt oder nach Wunsch auch<br />

mit Tee gewürzt; künstlich Erbrochenes häufig mit Zucker<br />

versüßt, damit dem Darsteller nicht wirklich schlecht wird.<br />

Oder, wie in der aktuellen Kölner »Nibelungen«-Inszenierung,<br />

foto: matthias creuziger<br />

foto: kryolan –<br />

fritz heisterkamp

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