ANTIGONE EKELTHEATER ARMIN PETRAS
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THEATERBLUT<br />
Szene aus Jürgen Goschs Düsseldorfer Inszenierung von Shakespeares brutrünstiger Tragödie »Macbeth« aus<br />
dem Jahr 2005. Hierfür wurde der Regiesseur ebenso mit dem Deutschen Theaterpreis ausgezeichnet wie…<br />
Doch Theaterblut ist nicht einfach Theaterblut. Wie in der<br />
Realität, wo zwischen verschiedenen Blutgruppen unterschieden<br />
wird, muss auch die künstlich hergestellte Substanz<br />
bestimmte Eigenschaften erfüllen, um besonders echt zu<br />
wirken. So sollte frisches Blut auch auf der Bühne eine flüssigere<br />
Konsistenz und hellere Farbe haben als solches, das<br />
sich bereits im Gerinnungsprozess befindet oder gar verkrustet<br />
ist. »Natürlich kann man zur Herstellung auch einfach<br />
Rote Beete-Saft benutzen, aber leider verändert sich seine<br />
Farbe, je nachdem, auf welchem Material er angewendet<br />
wird, sehr schnell«, erzählt der Tüftler. In den Chemielabors<br />
von Kryolan, die neben Theatern weltweit auch Hollywood<br />
mit künstlichen Körperflüssigkeiten versorgt, würde man<br />
darüber vermutlich lächeln. Dort tragen die Bestandteile<br />
unheilverkündende Namen wie Carbonol, Glycerin und E422.<br />
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»Erbrochenes lässt sich am besten aus<br />
Joghurt und Apfelsinen herstellen,Urin<br />
besteht aus Apfelsaft und Wasser.«<br />
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Auch wenn Sülzen und seine Kollegen Unterstützung von<br />
außen bekommen, bedeutet das nicht, dass sie weniger zu<br />
tun hätten. Jeden Tag heißt es für sie aufs Neue, erfinderisch<br />
und experimentierfreudig zu sein. »Das ist ja auch das Spannende an<br />
meiner Arbeit, dass man immer kreativ sein muss«, begeistert er sich.<br />
Ständig werden die »Rezepturen« verändert, wird ausprobiert, was<br />
noch besser funktionieren könnte. »Erbrochenes lässt sich am besten<br />
aus Joghurt und Apfelsinen herstellen, Urin besteht aus Apfelsaft und<br />
Wasser«, verdeutlicht Sülzen. »Und je nach Krankheitsbild«, fügt er<br />
lachend hinzu, »aus naturtrübem.« Ganze Vorratskammern sammeln<br />
sich da, zu pappigen Breis verbunden, auf den Böden der Theaterbühnen,<br />
angefangen von Soßenbinder über Schmelzflocken bis hin zu<br />
Kakaopulver. Zutaten, die mit großem Aufwand von Reinigungstrupps<br />
wieder beseitigt werden müssen. Zu klebrig dürfen die Flüssigkeiten<br />
daher nicht sein, denn wer will schon länger putzen, als die<br />
Aufführung gedauert hat.<br />
Wie die Darsteller mit den Ferkeleien umgehen, danach wird<br />
selten gefragt – etwa die hochgelobte, aber blutbesudelte Constanze<br />
Becker in Michael Thalheimers »Orestie«-Inszenierung am Deutschen<br />
Theater in Berlin oder die Sängerin Iris Vermillion, die als »Penthesilea«<br />
dasselbe Schicksal ereilte. »Schauspieler haben in der Regel aufgrund<br />
ihrer Ausbildung eine niedrigere Hemmschwelle, die kommen damit<br />
besser klar als zum Beispiel die Sänger«, meint der Kölner Requisiteur.<br />
Und doch scheint es auch unter den Sängern Ausnahmen zu geben.<br />
Die Mezzosopranistin Leandra Overmann – die in der »Troubadour«-<br />
Inszenierung des berühmt-berüchtigten Opernregisseurs Calixto Bieito<br />
für Aufsehen sorgte, weil sie in ihrer Rolle nicht nur brutal misshandelt<br />
wurde, sondern auch »Kot« fraß – meinte im Interview mit der<br />
Deutschen Bühne: »Viele behaupten, Bieito wolle nur Skandal machen.<br />
Das ist völliger Unsinn. (...) Das haben wir gemeinsam entwickelt, als<br />
wir überlegt haben, wie man eine Frau zeigen kann, die Furchtbares<br />
foto: sonja rothweiler<br />
… die Sängerin Iris Vermillon in<br />
»Penthesilea« 2008 an der Sächsischen<br />
Staatsoper Dresden (unten).<br />
durchmacht, die aber wild entschlossen ist, das alles zu<br />
überleben. (...) Er macht mit meiner Figur nichts, was ich<br />
nicht für richtig halte«, rechtfertigt sie die Bühnensudelei.<br />
»Ich bin total überzeugt von dem, was ich in seinen Inszenie-<br />
rungen tue.«<br />
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Eine Möglichkeit, den Darstellern den Umgang mit unangenehmen<br />
Flüssigkeiten erträglicher zu machen, ist die Beigabe<br />
wohlriechender Duft- und Geschmacksstoffe. Kapselblut wird<br />
entweder mit Erdbeeraroma versetzt oder nach Wunsch auch<br />
mit Tee gewürzt; künstlich Erbrochenes häufig mit Zucker<br />
versüßt, damit dem Darsteller nicht wirklich schlecht wird.<br />
Oder, wie in der aktuellen Kölner »Nibelungen«-Inszenierung,<br />
foto: matthias creuziger<br />
foto: kryolan –<br />
fritz heisterkamp