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Erfinderwerkstatt Halle: Helle Köpfe und ihre Einfälle

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2 2012<br />

<strong>Erfinderwerkstatt</strong> <strong>Halle</strong>:<br />

<strong>Helle</strong> <strong>Köpfe</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Einfälle</strong><br />

„Cicadas“: Evolution als Klangkunstwerk<br />

Neue Serie: Wenn Hochschullehrer musizieren<br />

Religion im Sport: Promovendin stellt die Glaubensfrage<br />

www.magazin.uni-halle.de<br />

D A S M A G A Z I N D E R M A R T I N � L U T H E R � U N I V E R S I T Ä T H A L L E � W I T T E N B E R G


2 forschen<br />

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<strong>und</strong> publizieren scientia halensis 2/2012<br />

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06108 <strong>Halle</strong> (Saale)<br />

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Wir stehen für Sie Kopf !


Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

das hallesche Wissenschaftsjahr nimmt wortwörtlich<br />

Fahrt auf. Seit Anfang April ist die „Techniklinie<br />

5“ ein Teil der Stadt. Die Straßenbahn verbindet<br />

Forschungs-, Lehr- <strong>und</strong> Produktionsstätten, die beweisen:<br />

Die Saalestadt hat viele helle <strong>Köpfe</strong>. Deren<br />

<strong>Einfälle</strong> <strong>und</strong> Entwicklungen strahlen oft weit über<br />

die Region hinaus. Einige davon finden Sie im vorliegenden<br />

Heft. scientia halensis beschäftigt sich<br />

im Schwerpunkt mit dem halleschen Erfindergeist,<br />

einst <strong>und</strong> heute.<br />

Ihm war nicht immer einfach auf die Spur zu kommen.<br />

Ausflüge in das Universitätsarchiv, Recherchen<br />

in Patentdatenbanken <strong>und</strong> Gespräche mit Forschern<br />

haben viel Überraschendes <strong>und</strong> Spannendes zu Tage<br />

gefördert: Die alten Zigarrenschachteln, in denen<br />

Daniel Vorländer, Wegbereiter der Flüssigkristallforschung,<br />

seine kristallinen Verbindungen aufbewahrte<br />

(S. 18). Bilder von der ersten OP mit der<br />

halleschen Herz-Lungen-Maschine, die in diesem<br />

Jahr ihr 50-Jähriges feiert (S. 12). Oder Patente der<br />

früheren Luxuspapierfabrik <strong>Halle</strong>. Deren Besitzer<br />

Heilbrun & Pinner haben sich neben der Papierwabentechnik<br />

(S. 17) auch Pappmachémasken <strong>und</strong><br />

Girlanden patentieren lassen.<br />

Der Erfindergeist zieht auch im Jahr 2012 durch die<br />

Saalestadt. Zum Beispiel am Weinberg Campus, wo<br />

Dr. Jan Heise Farbstoffkits für Protein-Biomarker<br />

IMPRESSUM<br />

scientia halensis<br />

Magazin der Martin-Luther-Universität<br />

<strong>Halle</strong>-Wittenberg (MLU)<br />

Ausgabe 2/12, 20. Jahrgang<br />

Auflage 6.000 Expl.<br />

ISSN 0945-9529<br />

erscheint viermal im Jahr<br />

sowie im Internet:<br />

www.magazin.uni-halle.de<br />

Herausgeber:<br />

Rektor der Martin-Luther-Universität<br />

<strong>Halle</strong>-Wittenberg<br />

Redaktion:<br />

Corinna Bertz (red. Koordinierung),<br />

Carsten Heckmann (V.i.S.d.P.),<br />

Christian Günther, Tom Leonhardt,<br />

Claudia Misch, Ute Olbertz, Maria<br />

Preußmann, Melanie Zimmermann<br />

Kontakt:<br />

Martin-Luther-Universität<br />

<strong>Halle</strong>-Wittenberg<br />

Stabsstelle des Rektors / Pressestelle<br />

Universitätsplatz 9, 06108 <strong>Halle</strong> (S.)<br />

Telefon: 0345 55 21004<br />

Fax: 0345 55 27066<br />

E-Mail: magazin@uni-halle.de<br />

entwickelt, oder am Universitätsklinikum, wo Studierende<br />

das Blutabnehmen an Prothesen üben<br />

können, die Dr. Andreas Fichtner angefertigt hat.<br />

Und manch ältere Erfindung prägt bis heute das<br />

Stadtbild: Die von Herbert Müller entworfene hyperbolische<br />

Paraboloidschale ist auf den Dächern<br />

von Turnhallen <strong>und</strong> Kindergärten in <strong>Halle</strong>-Neustadt<br />

(S. 17) <strong>und</strong> am wohl einzigen Planetarium aus HP-<br />

Schalen wiederzufinden. Zu Beginn dieser Ausgabe<br />

stand die Frage: Was ist eine Erfindung überhaupt?<br />

Die Definition der Ingenieure lautet meist: Erfindungen<br />

sind Dinge, die innovativ <strong>und</strong> wirtschaftlich<br />

nutzbar sind <strong>und</strong> in <strong>ihre</strong>r Bedeutung weit über das<br />

eigene Umfeld hinaus reichen. Dass man über diese<br />

Auslegung trefflich streiten kann, beweist Dr. Usus<br />

Zeitgeist auf Seite 42.<br />

Wofür sich helle <strong>Köpfe</strong> der MLU neben der Wissenschaft<br />

noch begeistern, beleuchtet eine neue Serie<br />

im Unimagazin. Hochschullehrer berichten darin<br />

über <strong>ihre</strong> Leidenschaft zur Musik <strong>und</strong> <strong>und</strong> zu einem<br />

Musikinstrument. Den Auftakt macht Theologieprofessor<br />

<strong>und</strong> Cellist Ernst Waschke (S.26). Viel Spaß<br />

beim Lesen <strong>und</strong> Entdecken wünscht<br />

Corinna Bertz<br />

Redakteurin<br />

Grafik-Design:<br />

Sisters of Design<br />

www.sistersofdesign.de<br />

Designkoordinierung:<br />

Christian Günther<br />

Mediadaten:<br />

www.pr.uni-halle.de/mediadaten<br />

Anzeigen / Satz / Gesamtherstellung:<br />

Digital Druckservice <strong>Halle</strong> GmbH<br />

Telefon: 0345 47 88 601<br />

www.digitaldruck-halle.de<br />

E-Mail: info@digitaldruck-halle.de<br />

scientia halensis 2/2012 editorial<br />

Druck:<br />

IMPRESS Druckerei Halbritter KG<br />

www.impressonline.de<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />

geben die Meinung der Autoren<br />

wieder. Bei unverlangt eingesandten<br />

Texten/Fotos besteht keine Gewähr für<br />

einen Abdruck.<br />

Die Redaktion behält sich Änderungen<br />

eingesandter Texte vor. Der Nachdruck<br />

von Artikeln ist bei Angabe der Quelle<br />

gestattet. Die Redaktion bittet um ein<br />

Belegexemplar.<br />

Corinna Bertz<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

„<strong>Helle</strong> <strong>Köpfe</strong>“, „freche<br />

Forscher“, „echte Genies“<br />

‒ sie alle sind Teil der<br />

diesjährigen städtischen<br />

Kommunikationskampagne<br />

„Wissenschaft in <strong>Halle</strong>“.<br />

scientia halensis erscheint mit fre<strong>und</strong>licher<br />

Unterstützung der Vereinigung<br />

der Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Förderer der Martin-<br />

Luther-Universität <strong>Halle</strong>-Wittenberg<br />

e. V. (VFF)<br />

Titelbild:<br />

Innovationen aus <strong>Halle</strong>: Eine Zigarrenkiste<br />

mit Daniel Vorländers Flüssigkristall-Verbindungen,<br />

Biofolien der poly-<br />

Nature GmbH, das Papierwabenpatent<br />

von Heilbrun & Pinner, Hoffmannstropfen<br />

sowie eine Pipettenspitze mit Fluoreszenz-Farbstoff<br />

der NH DyeAgnostics<br />

GmbH. (Foto: Maike Glöckner)<br />

3


4<br />

inhaltsverzeichnis scientia halensis 2/2012<br />

Ein klingendes<br />

Kunstwerk {6}<br />

Ein einmaliges Projekt: 60 elektromechanische<br />

Zikaden werden ab<br />

21. Juni im künftigen Naturk<strong>und</strong>emuseum<br />

musizieren. Die Schau<br />

verbindet Kunst <strong>und</strong> Naturwissenschaften,<br />

um den Besuchern die<br />

biologischen Evolution näherzubringen.<br />

(Foto: Joachim Händel)<br />

Morgens Bibel, abends Bach<br />

{26}<br />

Musik ist für ihn das Schönste der<br />

Welt – deshalb hat er sie nicht zu<br />

seinem Beruf gemacht: Theologieprofessor<br />

Ernst Waschke spielt<br />

begeistert Cello. Er eröffnet eine<br />

neue Serie über musikbegeisterte<br />

Hochschullehrer im Unimagazin.<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

In <strong>Halle</strong> erf<strong>und</strong>en {12}<br />

Wie sieht Erfindergeist in der Saalestadt aus? Er trägt zum<br />

Beispiel einen weißen Kittel: Karl-Ludwig Schober begründete<br />

mit seiner Herz-Lungen-Maschine vor 50 Jahren die<br />

moderne Herzchirurgie in der DDR (S. 12). Andreas Fichtner<br />

(Foto: Maike Glöckner) fertigt heute detailgetreue Körpermodelle<br />

an, an denen Studierende die Blutabnahme üben<br />

können. Erfinder, die <strong>ihre</strong> Entwicklung patentieren lassen<br />

möchten, brauchen außerdem Geduld: „Sie müssen einen langen<br />

Atem haben, anders geht es nicht“, sagt Patentassessorin<br />

Gisela Wissenbach. Im Interview verrät sie, worauf zu achten<br />

ist (S. 16). Fünf hallesche Entwicklungen vom Strommessgerät<br />

bis zur Papierwabe werden auf Seite 17 vorgestellt.<br />

Ob die Flüssigkeitskristalle tatsächlich an der MLU entdeckt<br />

wurden, ist auf Seite 18 nachzulesen.<br />

Some stories are also available in English:<br />

www.international.uni-halle.de/magazine Please look for the flag!


inhalt<br />

varia<br />

6 „Cicadas“ – eine Liaison<br />

von Kunst <strong>und</strong> Biologie:<br />

Ausstellung im Zentralmagazin<br />

Naturwissenschaftlicher<br />

Sammlungen<br />

8 Sprachsalat / Bilderrätsel<br />

9 Meldungen:<br />

MLU erwartet Wissenschaftsrat /<br />

Internationale Woche im Mai<br />

10 Meldungen:<br />

SFI-Nachwuchspreis / „Scidea 2012“<br />

11 „Wissenschaft in <strong>Halle</strong>“ nimmt<br />

Fahrt auf<br />

titelthema<br />

12 Herz <strong>und</strong> Hartplastik:<br />

Erfindergeist in <strong>Halle</strong>, damals<br />

<strong>und</strong> heute<br />

16 Patentieren vor Publizieren:<br />

Interview mit Patentassessorin<br />

Gisela Wissenbach<br />

17 Erfindungen „Made in <strong>Halle</strong>“:<br />

Fünf bedeutende Entwicklungen<br />

aus der Saalestadt<br />

18 Vordenken mit Flüssigkristallen:<br />

Der Flüssigkristallforschung<br />

an der MLU auf der Spur<br />

studieren,<br />

lehren, leben<br />

20 Zwischen Promotion <strong>und</strong> Professur<br />

23 Endlich die Faust im Sandsack<br />

versenken<br />

QR-Codes <strong>und</strong> Webcodes im Heft<br />

24 „Ein lohnendes Motiv“:<br />

MLU vergibt neue<br />

Deutschlandstipendien<br />

25 Studium multimedial:<br />

Die Lehre lernen <strong>und</strong> erforschen<br />

26 Morgens Bibel, abends Bach:<br />

Ein Theologe <strong>und</strong> sein Cello<br />

Forschen <strong>und</strong><br />

publizieren<br />

28 Kein Platz auf dem Platz<br />

für Religion?<br />

Eine Sportethnologin untersucht,<br />

wie Sport <strong>und</strong> Glauben<br />

zusammenwirken<br />

30 Der grüne Urknall <strong>und</strong><br />

das lebende Fossil:<br />

Dr. Jürgen Steiner entschlüsselt den<br />

Bauplan eines lebenden Fossils<br />

31 Meldungen:<br />

Neue Methode für Organanalyse /<br />

Archetyp für Enzymreaktionen<br />

32 Fachliteraturfabrik<br />

34 Neuer Studiengang fürs<br />

Spitzen-Cluster:<br />

MLU am Leuchtturmprojekt<br />

„BioEconomy“ beteiligt<br />

Personalia<br />

36 „Löw sollte Marius mitnehmen“:<br />

Interview mit zwei Fußball-<br />

Europameistern aus <strong>Halle</strong><br />

39 Neuberufungen<br />

40 20 Fragen an Rüdiger Schultka<br />

42 Dr. Usus Zeitgeist<br />

Unter www.magazin.uni-halle.de ist das Unimagazin im Internet zu finden. Mit Hilfe der QR- <strong>und</strong> Webcodes<br />

neben den Beiträgen gelangen Sie direkt zur entsprechenden Internetseite. QR-Codes funktionieren ähnlich<br />

wie Barcodes. Mit einem Tastendruck bzw. einer Fotoaufnahme des Mobiltelefons können Sie die verlinkte Webseite<br />

aufrufen. Für die Eingabe der Webcodes nutzen Sie einfach die Internetseite www.uni-halle.de/webcode.<br />

scientia halensis 2/2012 inhaltsverzeichnis<br />

Der grüne Urknall <strong>und</strong> das<br />

lebende Fossil {30}<br />

Gleich drei MLU-Publikationen<br />

erschienen im Frühjahr in renommierten<br />

Fachmagazinen. Jürgen<br />

Steiner entschlüsselte ein lebendes<br />

Fossil, Jan Kantelhardt entwickelte<br />

eine Analysemethode für das Netzwerk<br />

der Organe. (Foto: Maike Glöckner)<br />

„Löw sollte Marius<br />

mitnehmen“ {36}<br />

Deutschland will 2012 Fußball-<br />

Europameister werden. Die Fußballer<br />

der MLU haben vorgemacht,<br />

wie es geht. Im Interview geben<br />

„Elfmetertöter“ Marius Kansy <strong>und</strong><br />

Final-Torschütze Michael Schmidt<br />

<strong>ihre</strong>n Erfahrungsschatz preis.<br />

(Foto: Michael Deutsch)<br />

5


6 varia scientia halensis 2/2012<br />

varia<br />

„Cicadas“ – eine Liaison<br />

von Kunst <strong>und</strong> Biologie<br />

Ein klingendes Kunstwerk mit 60 elektromechanischen Zikaden erklärt das Phänomen der biologischen Evolution?<br />

Auf dieses viel versprechende Event dürften nicht nur Naturwissenschaftler <strong>und</strong> Künstler äußerst gespannt<br />

sein. Das einmalige Projekt des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Universität<br />

lässt wahrscheinlich jeden aufhorchen, der dem „Gesang“ der Zikaden lauschen <strong>und</strong> dabei etwas lernen möchte.<br />

Ab 21. Juni öffnet die Schau, eine Liaison von Kunst <strong>und</strong> Biologie, <strong>ihre</strong> Pforten.<br />

„Megapomponia intermedia“<br />

heißt die südostasiatische<br />

Zikadenart, zu der auch das<br />

abgebildete Präparat aus der<br />

Zoologischen Sammlung<br />

gehört. (Foto: Joachim Händel)<br />

Zikaden („Cicadas“) sind ausgesprochen kommunikative<br />

Tiere. Die Insekten verständigen sich mit<br />

rhythmisch zirpenden Gesängen, die sie in vielen<br />

Facetten unermüdlich ertönen lassen. „Daher sind<br />

gerade sie bestens geeignet, biologische Abläufe zu<br />

demonstrieren“, sagt Dr. Frank Steinheimer, Leiter<br />

der Naturwissenschaftlichen Sammlungen der MLU.<br />

Zu erleben ist die ungewöhnliche Ausstellung auf 48<br />

Quadratmetern in einem Eckraum im Erdgeschoss<br />

des künftigen Naturk<strong>und</strong>emuseums am Friede-


mann-Bach-Platz 6. „Cicadas“ wird für drei Monate<br />

zu sehen <strong>und</strong> insbesondere zu hören sein. Die B<strong>und</strong>eskulturstiftung<br />

fördert sie mit 98.000 Euro.<br />

Die Sonderschau soll einen Vorgeschmack auf den<br />

innovativen Charakter zukünftiger Ausstellungskonzepte<br />

unter der wissenschaftlichen Leitung<br />

von Steinheimer vermitteln. Denn ab 2015 will die<br />

Universität zentrale Exponate <strong>ihre</strong>r international<br />

bedeutenden Naturk<strong>und</strong>esammlung dort dauerhaft<br />

multimedial präsentieren. Erstmals erläutern<br />

hier optische <strong>und</strong> haptische, olfaktorische <strong>und</strong><br />

akustische Medien die Evolution. Das ist neu in der<br />

europäischen Museumslandschaft.<br />

Vor allem sollen die Zufälligkeit <strong>und</strong> Unvorhersehbarkeit<br />

von Prozessen der Evolution nachgespielt<br />

<strong>und</strong> damit veranschaulicht werden: Dazu „musiziert“<br />

in „Cicadas“ eine Kolonie von nachgebildeten<br />

Singzikaden in einer Klanginstallation. „Diese<br />

abstrakte Kunstwelt ermöglicht einen leichteren<br />

Zugang als wilde ungezähmte Natur“, weiß Frank<br />

Steinheimer. „Man kann in der Ausstellung nicht<br />

Das hallesche Pferdemodell<br />

wurde im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert von<br />

dem berühmten Modellbauer<br />

Louis Thomas Jérôme Auzoux<br />

angefertigt. (Foto: Museum für<br />

Haustierk<strong>und</strong>e)<br />

„Die abstrakte Kunstwelt<br />

ermöglicht einen leichteren Zugang<br />

als wilde ungezähmte Natur“<br />

dr. frank steinheimer<br />

nur Exponate sehen, sondern sie mit allen Sinnen<br />

begreifen. Das Thema Evolution wird gewissermaßen<br />

inszeniert.“<br />

Die Installation entwickelt der international bekannte<br />

argentinische Klangkünstler <strong>und</strong> Komponist<br />

Edgardo Rudnitzky. Er stattet die Kunstinsekten mit<br />

einem differenzierten Kommunikationssystem aus.<br />

Die jeweils mit einem winzigen Motor <strong>und</strong> Getriebe<br />

versehenen Zikaden zirpen in vier speziell angeordneten<br />

Holzkästen. Selbst auf Besucher reagieren<br />

die Kunstzikaden, indem sie zum Beispiel verstummen,<br />

wenn jemand zu dicht an sie heran tritt, um<br />

„möglichen Fressfeinden“ zu entgehen. Sie ändern<br />

<strong>ihre</strong> Frequenz, wenn sich die Klänge mit dem Gesang<br />

anderer Arten vermischen. Unvorhersagbare<br />

klangliche Interaktionen sind das Ergebnis. Zu einer<br />

Inszenierung gehört aber auch ein Bühnenbild. Dafür<br />

konnte der Berliner Bühnenbildner <strong>und</strong> Designer<br />

Oliver Proske gewonnen werden. Er übernimmt die<br />

künstlerische Gestaltung <strong>und</strong> sorgt für ein sphärisches<br />

Raumerlebnis. Ute Olbertz<br />

scientia halensis 2/2012 varia<br />

Begleitend zur Ausstellung<br />

werden das Konzept<br />

zum Museum <strong>und</strong> einige<br />

wenige Spitzenexponate<br />

aus den wissenschaftlichen<br />

Sammlungen gezeigt.<br />

Pappmaché-Pferd gehört zu national wertvollem<br />

Kulturgut<br />

Herausragende Kulturgüter des Landesmuseums für Vorgeschichte <strong>Halle</strong> <strong>und</strong> des Zentralmagazins<br />

Naturwissenschaftlicher Sammlungen der MLU fanden im Januar 2012 Eingang in das „Verzeichnis<br />

national wertvollen Kulturgutes“. Damit wurde erstmals in Sachsen-Anhalt Kulturgut aus öffentlicher<br />

Hand in das Verzeichnis aufgenommen. Unter staatlichem Schutz steht nun das anatomische<br />

Pferdemodell aus Pappmaché, das der französische Anatom <strong>und</strong> Modellbauer Louis Thomas Jérôme<br />

Auzoux im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert anfertigte. Außerdem gehören die Geiseltalsammlung mit <strong>ihre</strong>n Fossilien<br />

aus dem Eozän (vor 55,8 bis 33,9 Millionen Jahren), die über 3.600 Jahre alte Himmelsscheibe<br />

von Nebra <strong>und</strong> die etwa 20.000 Einzelstücke umfassende Vogeleiersammlung des Begründers<br />

der wissenschaftlichen Oologie (K<strong>und</strong>e zu Vogeleierschalen) Max Schönwetter (1874–1961) dazu.<br />

Nicht zuletzt zählen die Fotoglasplatten von Julius Kühn mit Abbildungen von Nutztieren <strong>und</strong> die<br />

Nitzsch-Mallophagensammlung mit Kieferläusen zum wertvollen Kulturgut. uo<br />

7


8 varia scientia halensis 2/2012<br />

bilderrätsel<br />

Was zeigt dieses<br />

Bild?<br />

Des Rätsels Lösung ist<br />

wieder im Unimagazin<br />

versteckt.<br />

Wer der Redaktion als<br />

Erste(r) per Telefon,<br />

E-Mail, Fax oder<br />

(Haus-) Post die richtige<br />

Lösung übermittelt, auf<br />

die oder den wartet ein<br />

Gutschein im Wert von<br />

15 Euro, einzulösen im<br />

Uni-Shop im Marktschlösschen.<br />

Viel Glück!<br />

Das Rätselfoto in der<br />

scientia halensis 1/12,<br />

Seite 16, zeigte die Erde<br />

auf dem Uniplatz<br />

im Bild auf Seite 6.<br />

Die Schnellste, die das<br />

Rätsel löste, war diesmal<br />

Cathérine Pechner.<br />

Die 26-Jährige studiert<br />

an der MLU Musikwissenschaften<br />

im Master.<br />

Den Gutschein für einen<br />

Einkauf im Uni-Shop hat<br />

sie bereits erhalten.<br />

Zeichnung: Oliver Weiss<br />

„Bitte einmal gemischten Sprachsalat …“<br />

Diesmal mit absolut superneuen<br />

Sprach(er)findungen<br />

Ein sehr beliebtes Mittel, um etwas deutlich ins<br />

Blickfeld zu rücken, ist die Komparation: groß –<br />

größer – größt, schwer – schwerer – schwerst, neu<br />

– neuer usw. Aber auch Verben möchten auf ähnliche<br />

Weise an Wichtigkeit gewinnen, zum Beispiel:<br />

finden – erfinden – neu erfinden. So publizierte Zeit<br />

Online im Januar ein Interview mit Andrew Stern,<br />

der fordert, die USA müssten mehr von China lernen,<br />

quasi den „Kapitalismus neu erfinden“. Laut<br />

Titel eines amerikanischen Ratgeberbuchs von 2006<br />

kann man sogar „Sein Leben neu erfinden“! Bescheidener<br />

der Bericht über einen Weißenfelser Lehrer<br />

(MZ, 17.02.12), der „in der Steiermark den Abfahrtslauf<br />

neu erfindet“; Microsoft dagegen kommt groß<br />

raus mit einer „Neuerfindung“ namens Windows 8<br />

(MZ, 01.03.12).<br />

Der Word-Thesaurus gibt als Bedeutung für „erfinden“<br />

nur „schöpfen“ <strong>und</strong> „brüten“ an, als Synonyme<br />

nochmals „schöpfen“ sowie „erzeugen“ <strong>und</strong> „erforschen“.<br />

Das soll alles sein? Und stimmt es überhaupt?<br />

Klar kann jemand über einer Matheaufgabe<br />

„brüten“, die Stirn in Denkerfalten legen <strong>und</strong> am Ende<br />

mit dem Ruf „Heureka!“ die Lösung präsentieren<br />

– aber hat er etwas „erf<strong>und</strong>en“? GE-f<strong>und</strong>en allenfalls,<br />

<strong>und</strong> das ist weniger, denn hier fehlt oftmals das<br />

schöpferische, das kreative Moment. Wirklich neu<br />

wäre, wenn mal jemand was alt erfindet … Und wie-<br />

so eigentlich fehlte bei den Synonymen „kreieren“?<br />

Häufig stößt man auf Wort-Erzeugnisse, die mittels<br />

originell scheinender (seltener seiender) Präfixe<br />

oder einfach durch Adverbien Neuheit suggerieren.<br />

Auch Anglizismen empfehlen sich gern. Einfach nur<br />

neu zu sein, reicht längst nicht mehr aus; selbst „superneu“<br />

<strong>und</strong> „absolut neu“ oder das Attribut „Weltneuheit“<br />

klingen kaum noch verlockend; „Outsider“,<br />

„Newcomer“ <strong>und</strong> „hypermodernes Design“ gibt es<br />

wie Sand am Meer.<br />

Mit dem Material Sprache zu spielen, heißt uralte<br />

(aber haltbare) Lappen unermüdlich so zu drapieren,<br />

als seien sie ein faszinierendes neues Gewand<br />

– das aber ist sau- resp. megaschwer.<br />

Man kann versuchen, es Großen der Schreib-Zunft<br />

gleichzutun <strong>und</strong> sein Heil in Einmal-Bildungen oder<br />

-Bildern suchen, wie es Goethe (sein Divan: „westöstlich“)<br />

<strong>und</strong> Ringelnatz („… du äpfelst nicht“) taten,<br />

wie es Reiner Kunze (da hängt ein „bart [...] auf dem<br />

bügel der lippe“) <strong>und</strong> André Schinkel (der hinter<br />

„fassaden scheinender glücknis“ blickt) tun, wie es<br />

in seltenen Momenten jedem im Alltag gelingt: Zum<br />

Beispiel ist ja gar nicht einzusehen, dass man seine<br />

Liebsten vor Freude immer nur „umarmen“ soll – sie<br />

zu „umbeinen“ kann doch bestimmt genauso reizvoll<br />

sein. Margarete Wein


Universität erwartet Wissenschaftsrat<br />

Fast täglich werden an der MLU Gäste begrüßt. Aber<br />

selten ging einem Besuch eine ähnlich intensive<br />

Debatte voraus, wie die anlässlich der Begehung<br />

des Wissenschaftsrates. 17 Gutachter erwartet die<br />

Universität am 2. <strong>und</strong> 3. Mai. Die Vorbereitungen für<br />

diese beiden Tage laufen auf Hochtouren.<br />

Bereits zu Jahresbeginn hatte der Wissenschaftsrat<br />

eine lange Wunschliste mit Gesprächspartnern<br />

<strong>und</strong> Themen nach <strong>Halle</strong> geschickt, die beim Besuch<br />

der „Unterarbeitsgruppe Martin-Luther-Universität<br />

<strong>Halle</strong>-Wittenberg“ eine Rolle spielen sollten. Mit<br />

allen Statusgruppen wollen die Gäste sprechen –<br />

darunter Studierende <strong>und</strong> Studienbotschafter, die<br />

internationale Graduiertenakademie, Dekanate,<br />

Fakultäten <strong>und</strong> der Studierendenrat. Damit war<br />

bereits ein enger Zeitplan vorgegeben. „In diesem<br />

Rahmen können wir für die Gestaltung der<br />

Internationale Woche im Mai<br />

Anfang Mai wird an der MLU weit über die Ländergrenzen<br />

hinaus geblickt: Vom 8. bis zum 10.<br />

Mai veranstaltet das neue Internationale Büro der<br />

Universität eine Internationale Woche. Erstmals<br />

wird der 9. Mai zudem als lehrfreier "Dies Internationalis"<br />

begangen. Eine globale Themenpalette<br />

steht auf dem Programm: Sie reicht vom "Markt der<br />

Möglichkeiten" über Workshops für internationale<br />

Studierende, Sprachschnupperkurse, Diskussionen<br />

zur EU-Forschung <strong>und</strong> der Einrichtung internationaler<br />

Studiengänge bis zum "World Café". Informiert<br />

wird über Studium <strong>und</strong> Praktika im Ausland ebenso<br />

einzelnen R<strong>und</strong>gänge jeweils Vorschläge liefern“,<br />

erläutert Katrin Rehschuh, die als Leiterin der<br />

Stabsstelle des Rektors die Begehung vorbereitet.<br />

Im Tagesprogramm der Besucher sollen sich die<br />

zentralen Schwerpunkte der MLU widerspiegeln.<br />

„Wir möchten natürlich die Besonderheiten unserer<br />

Universität hervorheben.“<br />

Eine 18–köpfige Arbeitsgruppe hat der Wissenschaftsrat<br />

benannt, die im Auftrag von Wissenschafts-<br />

<strong>und</strong> Wirtschaftsministerin Wolff die Hochschullandschaft<br />

Sachsen-Anhalts begutachtet. Jeder<br />

der acht Hochschulen im Land ist eine weitere<br />

Unterarbeitsgruppe zugeordnet. Aus Forschungseinrichtungen<br />

in ganz Deutschland – aber auch aus<br />

Frankreich – kommen die Gutachter nach <strong>Halle</strong>. Unabhängig<br />

davon soll auch die Profildiskussion auch<br />

innerhalb der MLU fortgesetzt werden. cb<br />

wie über Fördermöglichkeiten für junge Nachwuchswissenschaftler<br />

mit internationalen Ambitionen. Career<br />

Center, Unikino, das Studentenwerk <strong>Halle</strong> sowie<br />

zahlreiche externe Gäste wirken an der Veranstaltung<br />

mit. Auch die Gewinner des Erasmuswettbewerbs<br />

2012 werden zum Abschluss der Woche ausgezeichnet.<br />

Noch bis zum 15. April können sich Studierende<br />

mit Fotos von <strong>ihre</strong>m Erasmus-Aufenthalt<br />

am Wettbewerb beteiligen. Weitere Informationen<br />

gibt es auf den neu gestalteten Internetseiten des<br />

Internationalen Büros unter: www.international.<br />

uni-halle.de. cb<br />

scientia halensis 2/2012 varia<br />

Das Onlinemagazin<br />

begleitet die Profildebatte<br />

<strong>und</strong> die Begehung unter:<br />

www.magazin.uni-halle.<br />

de/hochschulpolitik<br />

9


10 varia scientia halensis 2/2012<br />

Mehr Infos zum Nachwuchspreis<br />

unter:<br />

ww.sfi-halle.de<br />

Burgstraße 6 | 06114 <strong>Halle</strong> (Saale)<br />

Tel 0345 68454394<br />

Montag — Freitag 10.00 — 18.30 Uhr<br />

Samstag 10.00 — 13.00 Uhr<br />

Alter Markt 1 —2 | 06108 <strong>Halle</strong> (Saale)<br />

Telefon 0345 1212491<br />

Montag — Freitag 10.00 — 19.00 Uhr<br />

Samstag 10.00 — 13.00 Uhr<br />

info@surfi n-bikeout.de<br />

www.surfi n-bikeout.de<br />

Nachwuchspreis für Studierende<br />

Zum zweiten Mal wird 2012 der Nachwuchspreis<br />

der Studentischen Förderinitiative der Naturwissenschaften<br />

an der MLU e. V. (SFi) für ein überzeugendes<br />

wissenschaftliches Konzept vergeben. „Mit<br />

der Förderung möchten wir Studierende der Naturwissenschaften<br />

würdigen, die sich durch ein hohes<br />

Maß an Eigeninitiative bei der Entwicklung <strong>und</strong><br />

Umsetzung <strong>ihre</strong>r Abschlussarbeiten auszeichnen“,<br />

erklärt MLU-Student <strong>und</strong> SFi-Mitglied Tobias Jost.<br />

Mit 1000 Euro soll eine Master- oder Diplomarbeit<br />

unterstützt werden, die etwa interdisziplinär angelegt<br />

ist oder neue Lösungsansätze bietet. Damit<br />

sollen gezielt kreatives Denken gefördert <strong>und</strong> neue,<br />

unkonventionelle Ansätze ermöglicht werden. Als<br />

Kandidat kommt deshalb nur infrage, wer seine<br />

Abschlussarbeit noch nicht beendet hat. Anträge<br />

können bis zum 20. Mai 2012 online eingereicht<br />

werden. Die Finanzierung des SFi-Nachwuchspreises<br />

wird durch Einnahmen der Karrieremesse der SFi<br />

„science meets companies“ ermöglicht, die dieses<br />

Jahr am 10. Mai im Biozentrum stattfindet.<br />

Die SFI setzt sich seit 2006 verstärkt für die Kontaktvermittlung<br />

zwischen Industrie, Studierenden<br />

<strong>und</strong> <strong>ihre</strong>r Hochschule ein. Der Verein initiierte unter<br />

anderem ein betriebswirtschaftliches Modul für<br />

Studierende der Naturwissenschaften. Zudem organisiert<br />

die studentische Initiative Studienfahrten,<br />

Spendenaktionen, Tutorien sowie die Firmenkontaktmesse<br />

„science meets companies“. mz<br />

„Scidea 2012“: Ideen gesucht!<br />

Studierende, Wissenschaftler <strong>und</strong> Doktoranden<br />

mit zündenden Ideen können sich bis zum 21. Mai<br />

am Ideenwettbewerb „scidea 2012“ beteiligen. Gesucht<br />

werden Ideenpapiere für innovative Produkte,<br />

Dienstleistungen oder Konzepte zur kommerziellen<br />

Verwertung der eigenen Forschungen <strong>und</strong> Erfindungen.<br />

Akademiker aus Hochschulen <strong>und</strong> Forschungseinrichtungen<br />

im südlichen Sachsen-Anhalt<br />

können Ideenskizzen einreichen – gemeinsam mit<br />

einem Anmeldebogen für „scidea“.<br />

Für das Anfertigen der dreiseitigen Skizze steht ein<br />

Leitfaden zur Verfügung. Leitfaden zur Verfügung.<br />

Auf einer öffentlichen Preisverleihung werden am<br />

21. Juni 2012 die besten vier Ideenpapiere in den<br />

Kategorien "Innovative Dienstleistung" <strong>und</strong> "Innovatives<br />

Produkt" gekürt. Eine Idee wird zudem<br />

mit dem "Sonderpreis Forscher" ausgezeichnet,<br />

weiterhin wird ein Publikumspreis verliehen. Die<br />

Gäste der Veranstaltung im Planetarium in <strong>Halle</strong><br />

können sich dazu in einer kleinen Ausstellung über<br />

alle eingereichten Ideenpapiere informieren <strong>und</strong><br />

<strong>ihre</strong>n Favoriten wählen. Die besten Ideenpapiere<br />

werden am 21. Juni in <strong>Halle</strong> mit vier verschiedenen<br />

Geldpreisen prämiert.<br />

Informationen <strong>und</strong> Anmeldung unter: www.scidea.<br />

de. Fragen zum Wettbewerb beantwortet Moritz<br />

Bradler von Univations telefonisch unter 0345<br />

552978 oder per E-Mail an: bradler@univations.<br />

de. cb<br />

Wir reparieren (fast) alles!


scientia halensis 2/2012 varia<br />

„Wissenschaft in <strong>Halle</strong>“ nimmt Fahrt auf<br />

Offiziell begann das Jahr der Wissenschaft in <strong>Halle</strong><br />

auf Schienen: Am 30. März präsentierte sich die<br />

„Techniklinie 5“ erstmals in <strong>ihre</strong>m neuen Gewand.<br />

Von Bad Dürrenberg bis Kröllwitz verbindet die<br />

Straßenbahnlinie 5 seit jeher Standorte von Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Technik. Vom Gradierwerk in Bad<br />

Dürrenberg, der Merseburger Fachhochschule, über<br />

die Buna-Werke Schkopau oder die Saline bis hin<br />

zum halleschen Weinberg Campus. Entlang dieser<br />

Strecke können Forschungseinrichtungen <strong>und</strong><br />

Technologieunternehmen jetzt „Haltestellenpatenschaften“<br />

übernehmen <strong>und</strong> mit Informationstafeln<br />

<strong>und</strong> Kurzfilmen im Internet über <strong>ihre</strong> Forschung <strong>und</strong><br />

Produktion informieren. Auch die Martin-Luther-<br />

Universität wird Einblick in aktuelle Forschungsprojekte<br />

<strong>und</strong> Entwicklungen geben. Initiator des<br />

Projekts war Professor Wolfgang Lukas vom „weinberg<br />

campus e.V.“.<br />

Die Techniklinie 5 ist nur der Anfang. „Wir haben<br />

unsere Bewerbung um den Titel Stadt der Wissenschaft<br />

zum Anlass genommen, 2012 als ein Jahr der<br />

Wissenschaft mit Leben zu erfüllen“, erläutert Oberbürgermeisterin<br />

Dagmar Szabados. Denn auch wenn<br />

Lübeck zur „Stadt der Wissenschaft 2012“ gekürt<br />

wurde: Mit dem Veranstaltungsreigen im Wissenschaftsjahr<br />

zeigen Stadt, Universität, Forschungs-<br />

<strong>und</strong> Kultureinrichtungen, dass <strong>Halle</strong> auch ohne Titel<br />

eine zweifellos lebendige <strong>und</strong> traditionsreiche Wissenschaftsstadt<br />

ist. „Die Wissenschaft als größter<br />

Arbeitgeber ist <strong>Halle</strong>s Salz der Zukunft“, bringt es<br />

<strong>Halle</strong>s Wirtschaftsdezernent Wolfram Neumann auf<br />

den Punkt. Das Jahr wird vom Stifterverband für die<br />

Deutsche Wissenschaft mit 50.000 Euro gefördert.<br />

Zum Auftakt des ersten halleschen „Wissenschaftssommers“<br />

wird am 25. Mai das neue Hauptgebäude<br />

der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina<br />

eingeweiht.<br />

Bis zur „Langen Nacht der Wissenschaften“ am 6.<br />

Juli reihen sich die Veranstaltungen dann dicht an<br />

dicht. Die Sommerakademie im Technischen Halloren-<br />

<strong>und</strong> Salinemuseum Ende Juni, die Cicadas-Ausstellung<br />

an der MLU (siehe Seite 6), die Kinderstadt<br />

<strong>Halle</strong> sowie das erste nano-Kurzfilmfestival gehören<br />

zu den Angeboten, mit denen <strong>Halle</strong>nser aller<br />

Generationen für Wissenschaftsthemen begeistert<br />

werden sollen.<br />

Im Herbst wird das Programm ähnlich breitgefächert<br />

fortgesetzt – unter anderem im Stadtarchiv, in<br />

den Franckeschen Stiftungen, der Leopoldina <strong>und</strong><br />

der MLU. Eine besondere Rolle werden auch die Forschungseinrichtungen<br />

spielen, die wie das Leibniz-<br />

Institut für Pflanzenbiochemie oder das Fraunhofer-<br />

Institut für Werkstoffmechanik in diesem Jahr ihr<br />

zwanzigjähriges Bestehen feiern. Corinna Bertz<br />

Bild: Seit 30. März fährt die<br />

Straßenbahnlinie 5 als Techniklinie<br />

im neuen Gewand<br />

von Bad Dürrenberg bis<br />

Kröllwitz. Mehr zur<br />

Techniklinie unter<br />

www.techniklinie-5.de.<br />

(Foto: Lutz Winkler)<br />

wissenschaftinhalle.de<br />

Veranstaltungsübersicht:<br />

http://wissenschaft-in-halle.de<br />

QR� CODE<br />

11


12 titelthema scientia halensis 2/2012<br />

titelthema<br />

Herz <strong>und</strong> Hartplastik:<br />

Erfindergeist in <strong>Halle</strong><br />

Fünf Jahrzehnte liegen zwischen dem Wirken des wohl berühmtesten Herzchirurgen der DDR, Karl-Ludwig<br />

Schober, <strong>und</strong> dem jetzigen Leiter des Skillslab an der Medizinischen Fakultät, Andreas Fichtner. Beide verbindet<br />

etwas Gr<strong>und</strong>legendes: Sie waren unzufrieden mit einer Situation <strong>und</strong> nutzten dies als Schlüssel für eine<br />

Veränderung mit Tragweite. Ihrem Erfindergeist verdankt die Welt wichtige Neuerungen: Schober entwickelte<br />

die Herz-Lungen-Maschine, Andreas Fichtner fertigt detailgetreue Körpermodelle für die Ausbildung an.<br />

Bild: Mit der Herz-Lungen-<br />

Maschine begann die moderne<br />

Herzchirurgie der DDR. Das<br />

Bild entstand während einer<br />

der ersten Operationen mit<br />

der neuen Maschine in <strong>Halle</strong>.<br />

(Foto: Universitätsarchiv)<br />

Elf Jahre war der Junge alt, der am 3. April 1962 auf<br />

dem Operationstisch der Chirurgischen Universitätsklinik<br />

lag. Ärzte hatten bei ihm einen Vorhofscheidewanddefekt<br />

am Herzen diagnostiziert, was<br />

nichts Geringeres als ein Loch in diesem lebenswichtigen<br />

Organ bedeutete. Um es zu schließen,<br />

war ein Eingriff am offenen Herzen nötig. Doch in<br />

der DDR galten damals viele solcher angeborenen<br />

Herzfehler quasi als inoperabel. Denn es war nicht<br />

möglich, Herz <strong>und</strong> Lunge während eines Eingriffs für<br />

einen längeren Zeitraum stillzulegen. Dafür hätte es<br />

einer Herz-Lungen-Maschine bedurft. Die war zwar


schon erf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> wurde seit 1953 in den USA<br />

eingesetzt – aber für die halleschen Mediziner war<br />

sie unerreichbar.<br />

Die Unzufriedenheit darüber war es schließlich, die<br />

eine gewaltige Entwicklungsleistung zur Folge hatte:<br />

Der Herzchirurg Karl-Ludwig Schober <strong>und</strong> sein Team<br />

entschieden sich, die dringend benötigte Maschine<br />

selbst zu bauen. Mit Erfolg, denn besagter Elfjähriger<br />

war der erste Patient, der in der DDR mit der<br />

eigens entwickelten Herz-Lungen-Maschine operiert<br />

wurde. Noch im selben Monat folgten acht<br />

weitere Kinder. Und alle überlebten.<br />

„Das war eine herausragende wissenschaftliche<br />

<strong>und</strong> auch praktische Leistung“, sagt Prof. Rolf-Edgar<br />

Silber, Chefarzt der Klinik für Herz- <strong>und</strong> Thoraxchirurgie.<br />

In seinem Dienstzimmer steht das Gerät von<br />

damals zu Anschauungszwecken. Man ahnt, wie<br />

schwer es für die Entwickler gewesen sein muss,<br />

allein die vielen mechanischen Bauteile zu beschaffen.<br />

Hochwertiger Stahl, hitzebeständiges Glas <strong>und</strong><br />

flexible Silikonschläuche waren in der DDR Mangelware.<br />

Unter zum Teil abenteuerlichen Umständen<br />

gelang es, all diese Materialien zu ordern oder selbst<br />

anzufertigen. So kam Schober nur über Kontakte zu<br />

Berufskollegen in München in den Besitz der dringend<br />

benötigten Silikonschläuche.<br />

Die technischen Belange waren das Eine. Schwierig<br />

war das Ganze auch, weil Schober nicht auf staatliche<br />

Unterstützung hoffen durfte. Die DDR-Führung<br />

hatte seinerzeit beschlossen, in Leipzig ein Herzzentrum<br />

zu etablieren. Damit war klar: Die <strong>Halle</strong>nser<br />

würden keine Chance auf eine importierte Herz-<br />

Lungen-Maschine haben. Stattdessen wurden zwei<br />

West-Geräte für die Leipziger Klinik angeschafft.<br />

Blieb nur die Eigeninitiative. Bestärkt wurde Schober<br />

in seinem Entschluss durch Besuche bei Be-<br />

„Dass Schober seine Entwicklung<br />

gegen alle Widerstände durchgesetzt hat,<br />

ist ein großer Verdienst, der vielen<br />

Menschen das Leben gerettet hat“<br />

rufskollegen in Ungarn, die zuvor erfolgreich eine<br />

Herz-Lungen-Maschine gebaut <strong>und</strong> eingesetzt<br />

hatten. Seit 1961 arbeitete er zusammen mit dem<br />

Biophysiker Fritz Struss <strong>und</strong> weiteren Mitarbeitern<br />

unermüdlich an der Neuentwicklung. Dabei gab<br />

es immer wieder Schwierigkeiten. Dazu gehörten<br />

auch die Unregelmäßigkeiten im DDR-Stromnetz:<br />

Sie gefährdeten die kontinuierliche Funktion des<br />

Geräts. Zwei Gleitwiderstände glichen die Netzschwankungen<br />

schließlich aus. Zur Vorbereitung der<br />

ersten Operation reiste das Team auch zweimal illegal<br />

ins damals noch nicht ummauerte West-Berlin,<br />

um sich im Klinikum der Freien Universität – wo<br />

man ebenfalls über eine Herz-Lungen-Maschine<br />

verfügte – mit Einzelheiten des Operationsablaufs<br />

vertraut zu machen.<br />

In <strong>Halle</strong> erwartete man den Tag des Ersteinsatzes<br />

der neuen Technik mit Spannung. Der Eingriff verlief<br />

völlig komplikationslos. Schober <strong>und</strong> sein Team<br />

hatten es geschafft – nur vier Wochen nachdem im<br />

Leipziger Herzzentrum eine ähnliche Operation mit<br />

einer importierten Herz-Lunge-Maschine geglückt<br />

war.<br />

Der Tag der ersten OP markierte nicht weniger als<br />

den Beginn der modernen Herzchirurgie in der DDR.<br />

R<strong>und</strong> 300 Eingriffe mit Schobers Maschine sollten<br />

folgen – pro Jahr. Und die Eingriffe wurden komplexer:<br />

Bald war es möglich, Herzklappen zu ersetzen<br />

<strong>und</strong> Bypässe zu legen.<br />

Hartnäckigkeit, Ideenreichtum, die Fähigkeit, in unkonventionellen<br />

Bahnen zu denken <strong>und</strong> auch über<br />

den Tellerrand des eigenen Fachgebiets zu schauen<br />

– auch Mut: Dies sind einige der Zutaten, die zu<br />

Neuem führen. Chefarzt Silber blickt voller Respekt<br />

auf die gewaltige Leistung von damals: „Allein der<br />

Wissenstransfer war für Schober immens schwierig.<br />

scientia halensis 2/2012 titelthema<br />

prof. dr. rolf-edgar silber<br />

Die Original-Maschine<br />

befindet sich heute in der<br />

Klinik für Herz- <strong>und</strong><br />

Thoraxchirurgie.<br />

(Foto: Universitätsarchiv)<br />

13


14 titelthema scientia halensis 2/2012<br />

Dass er seine Entwicklung gegen alle Widerstände<br />

durchgesetzt hat, ist ein großer Verdienst, der vielen<br />

Menschen das Leben gerettet hat.“<br />

Mit der Spritze in den Übungsarm<br />

So dramatisch wie im Fall von Karl-Ludwig Schober<br />

müssen die Umstände freilich nicht zwangsläufig<br />

sein. Die Unzufriedenheit mit den bestehenden<br />

Zuständen war es indes auch, die Dr. Andreas Fichtner<br />

anspornte. Am Anfang seiner Arbeit stand die<br />

Frage: Wie können alle Medizinstudenten unter<br />

gleichen Bedingungen das Blutabnehmen lernen?<br />

Man schrieb das Jahr 2008 <strong>und</strong> der Anästhesist<br />

baute an der Uni Dresden gerade das Skillslab auf,<br />

eine Einrichtung zur Ausbildung von Medizinstudenten.<br />

Bis dato zapften sich die künftigen Ärzte zu<br />

Übungszwecken gegenseitig Blut aus <strong>ihre</strong>n Venen<br />

oder sie übten an wenigen, teuren Modellen. Beides<br />

überzeugte den heute 34-jährigen Fichtner nicht.<br />

Denn jeder Arm hat andere physiologische Merkmale.<br />

Außerdem sollte der Ablauf gr<strong>und</strong>legender<br />

invasiver Routinetätigkeiten beim ersten Mal nicht<br />

am Patienten erlernt werden.<br />

„Jeder Student fand andere Ausbildungsbedingungen<br />

vor“, sagt Fichtner. Und die kommerziell<br />

verfügbaren Modelle boten zwar die gewünschte<br />

immer gleiche Gr<strong>und</strong>situation, waren aber aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>ihre</strong>s Materials weit davon entfernt, realistische<br />

Verhältnisse zu simulieren. Zudem waren sie teuer<br />

<strong>und</strong> standen daher nicht in ausreichender Zahl zur<br />

Verfügung. Fichtners Interesse war geweckt.<br />

Und wie so oft, wenn es um Erfindungen geht, kam<br />

dem kreativen Mediziner der Zufall zu Hilfe. In einer<br />

Orthopädiewerkstatt entdeckte er einen speziellen<br />

Schaumstoff zur Anfertigung von Orthesen. Fichtner<br />

begann zu experimentieren: Einen Arm, ein Bein<br />

<strong>und</strong> einen Thorax wollte er bauen. Zunächst aber<br />

musste er geeignete menschliche Vorbilder finden.<br />

„Zwei Jahre habe ich unter meinen Studenten<br />

denjenigen mit dem idealen Verlauf der Armvenen<br />

gesucht“, sagt Fichtner. Den „schönsten“ Arm hatte<br />

schließlich ein befre<strong>und</strong>eter Ingenieur.<br />

Diese optimalen Körperteile wurden nacheinander<br />

in Gips, Gummi <strong>und</strong> Hartplastik abgeformt. So<br />

entstanden Negative <strong>und</strong> schließlich wieder Positive<br />

aus den Abdrücken. Parallel dazu verbesserte<br />

Fichtner das verwendete Material. Er ließ verschiedene<br />

Varianten vom Krankenhauspersonal testen:<br />

Anästhesie-Schwestern schätzten das Stechverhalten<br />

von Kanülen ein <strong>und</strong> bewerteten die gefühlte<br />

Echtheit. Im Ergebnis entstand ein Gemisch aus fünf<br />

Materialschichten, das jeweils lebensecht Knochen,<br />

Muskulatur, Fettgewebe <strong>und</strong> Unterhaut sowie Hautoberfläche<br />

imitierte.<br />

In den ersten beiden Jahren stellten Fichtner <strong>und</strong><br />

sein Team die Modelle selbst her. Das senkte die<br />

Kosten. R<strong>und</strong> 2000 Studenten trainierten pro Jahr<br />

an den Modellen. Als die zunehmend wachsende<br />

Kleinproduktion zu zeitintensiv wurde, ließ Fichtner<br />

sich 2009 seine Arbeit an der Uni Dresden pa-


tentieren. Doch zufrieden war er noch lange nicht.<br />

„Die handgefertigten Modelle waren zwar besser<br />

<strong>und</strong> preiswerter als die bisherigen, aber die Prozessqualität<br />

war in der Eigenproduktion noch nicht<br />

ausreichend“, erklärt der Mediziner. „Wir kamen<br />

mit dem Bauen kaum hinterher“, so Fichtner, der<br />

sich daraufhin entschloss, seine Erfindung in die<br />

Serienproduktion zu überführen.<br />

Inzwischen war er an die Uni <strong>Halle</strong> gewechselt um<br />

auch hier ein Skillslab aufzubauen. Damals ahnte er<br />

allerdings nicht, was für ein Arbeitsaufwand noch<br />

vor ihm lag. „Doch wenn man einmal angefangen<br />

hat, kann man die Entwicklung nicht mehr einfach<br />

stoppen“, sagt er. Es galt, einen Investor zu finden.<br />

Und Firmen, die die komplizierten Modelle unter<br />

seiner Anleitung in einen standardisierten Produktionsablauf<br />

überführen konnten. „Alles musste<br />

vorher genau justiert werden, denn im Produktionsprozess<br />

ließ sich nichts mehr ändern“, erläutert<br />

der Mediziner.<br />

Die nun serienmäßig hergestellten Modelle enthalten<br />

übrigens eine Innen- <strong>und</strong> eine Außenform. Der<br />

Detailreichtum ist so groß, dass eine computergesteuerte<br />

Fräse r<strong>und</strong> drei Wochen an einer Form zu<br />

tun hat. Inzwischen gibt es drei verschiedene Modelle:<br />

ein Injektionsarm, ein Nahtbein zum Üben<br />

der W<strong>und</strong>versorgung sowie ein Injektionsbein für<br />

das Spritzen. Unter www.fleximodel.de können<br />

sie bestellt werden. Am Serienstart steht derzeit<br />

außerdem ein Thorax-Modell zur Anlage von zentralen<br />

Venenkathetern mit eingebauter Puls- <strong>und</strong><br />

Atembewegung.<br />

Die Studenten in <strong>Halle</strong> üben seit anderthalb Jahren<br />

mit den innovativen Körpermodellen, die permanent<br />

weiterentwickelt werden. Und auch an anderen<br />

deutschen Universitäten werden sie inzwischen<br />

genutzt. Andreas Fichtner, der Erfinder mit dem<br />

Sinn fürs Praktische <strong>und</strong> dem Willen zur Detailtreue,<br />

ist endlich zufrieden: „Seit wir die Modelle einsetzen,<br />

können wir allen Teilnehmern gleich gute Trainingsbedingungen<br />

gewährleisten <strong>und</strong> sparen gleichzeitig<br />

Geld.“ Finanziell lohnt sich das Projekt für ihn<br />

allerdings nicht – im Gegenteil: „Der Aufwand war<br />

riesig – nicht von der Idee zum Patent, aber vom<br />

Patent in die Serie. Die Erfahrung <strong>und</strong> das Ergebnis<br />

sind es mir jedoch wert.“ Ines Godazgar<br />

Kontakt: Dr. Andreas Fichtner<br />

Dorothea Erxleben Lernzentrum <strong>Halle</strong><br />

Telefon: 0345 557 4098<br />

E-Mail: andreas.fichtner@medizin.uni-halle.de<br />

scientia halensis 2/2012 titelthema<br />

„Zwei Jahre habe ich unter<br />

meinen Studenten nach dem<br />

idealen Verlauf der Armvenen<br />

gesucht“, sagt der Anästhesist<br />

<strong>und</strong> Erfinder Dr. Andreas<br />

Fichtner. Zuvor zapften<br />

sich Medizinstudenten zu<br />

Übungszwecken oft gegenseitig<br />

Blut aus <strong>ihre</strong>n Venen.<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

15


16 titelthema scientia halensis 2/2012<br />

Patentieren vor Publizieren<br />

Am Anfang steht die Idee, es folgt eine Erfindung – <strong>und</strong> im Idealfall ein Patent, um mögliche Nachahmer in<br />

die Schranken zu weisen. R<strong>und</strong> 60.000 Erfindungen werden in Deutschland jährlich zum Patent angemeldet<br />

– weniger als ein Zehntel davon stammen aus den Hochschulen. Was die forschenden Erfinder mitunter<br />

abschreckt, erläutert MLU-Patentassessorin Gisela Wissenbach im Interview.<br />

Jede Erfindung, die an der<br />

MLU patentiert werden soll,<br />

landet zuerst bei ihr: Patentassessorin<br />

Gisela Wissenbach.<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Um den Service für die<br />

Wissenschaftler zur Ideensicherung<br />

<strong>und</strong> -verwertung<br />

auszubauen, bildet<br />

die MLU in der Forschungsabteilung<br />

in Kürze<br />

ein eigenständiges Referat<br />

„Technologietransfer,<br />

Erfinderservice“ (Arbeitstitel).<br />

Hintergr<strong>und</strong> ist der<br />

Erfolg der MLU im Förderwettbewerb<br />

„EXIST-<br />

Gründungskultur – Die<br />

Gründerhochschule“.<br />

Mehr: http://forschung.<br />

verwaltung.uni-halle.de<br />

Zur Langfassung des Interviews<br />

im Onlinemagazin:<br />

WEBCODE MAG� 14074<br />

Frau Wissenbach, wann sollte ich zu Ihnen kommen?<br />

Immer dann, wenn Sie der Meinung sind, dass Sie<br />

etwas Neues erf<strong>und</strong>en haben.<br />

Fertige Lösungen müssen es sein, <strong>und</strong> zwar im<br />

technischen Bereich. Da sind also eindeutig die<br />

Naturwissenschaften gefragt. Im geisteswissenschaftlichen<br />

Bereich gilt nicht das Patent-, sondern<br />

das Urheberrecht.<br />

Nun wollen Naturwissenschaftler in renommierten<br />

Magazinen publizieren. Wenn sie das bereits gemacht<br />

haben…<br />

… war es das. Die absolute Neuheit ist ein K.O.-<br />

Kriterium. Dass Sie etwas angemeldet haben, wird<br />

zudem erst nach 18 Monaten bekannt gemacht.<br />

Innerhalb dieser Frist kann jemand das Gleiche<br />

erfinden <strong>und</strong> anmelden.<br />

Dann greift ein kostenloses Mitbenutzungsrecht.<br />

Also ist es besser, mit der Veröffentlichung zu<br />

warten.<br />

Wie oft kommt ein Wissenschaftler mit einer Erfindung<br />

auf Sie zu?<br />

Im vergangenen Jahr hatten wir zwölf Patentanmeldungen.<br />

In dieser Größenordnung spielt sich das<br />

meistens ab. Es sind zudem bestimmte Bereiche,<br />

aus denen die Forscher vorrangig kommen: Medizin,<br />

Physik, Biochemie, Biotechnologie <strong>und</strong> Pharmazie.<br />

Was muss man im Vorfeld wissen?<br />

Ein Wissenschaftler sollte darauf achten, dass er das<br />

Rad nicht neu erfindet. Man muss dazu wissen, dass<br />

r<strong>und</strong> 80 Prozent der wissenschaftlich-technischen<br />

Erkenntnisse nur in Patentliteratur <strong>und</strong> -datenbanken<br />

zu finden sind.<br />

Wir haben Fachinformatoren an der Universitäts-<br />

<strong>und</strong> Landesbibliothek, die für die nötige Recherche<br />

ausgebildet sind.<br />

Fünf Jahre dauert es im Schnitt von der Anmeldung<br />

bis zur Erteilung eines Patents. Geld kostet das<br />

Ganze auch. Schreckt das nicht ab?<br />

Sie müssen einen langen Atem haben, anders geht<br />

es nicht. Die Kosten übernimmt die Universität.<br />

Der am Ende auch das Patent gehört?<br />

Ja, eindeutig. Kommt es dann zu einer wirtschaftlichen<br />

Verwertung, einer Lizenzierung oder einem<br />

Verkauf, werden die Erfinder beteiligt. Sie haben<br />

Anspruch auf 30 Prozent der Einnahmen.<br />

Interview: Carsten Heckmann<br />

Kontakt: Gisela Wissenbach<br />

Abteilung 6 – Forschung<br />

Telefon: 0345 55 21384<br />

E-Mail: gisela.wissenbach@verwaltung.uni-halle.de


Erfindungen „made in <strong>Halle</strong>“<br />

Nicht nur die Halloren wurden in <strong>Halle</strong> erf<strong>und</strong>en…<br />

Das erste Papiernetz in Wabenform: Hans Heilbrun<br />

erfindet 1901 die Struktur <strong>und</strong> Produktion der expandierten<br />

Papierwabe <strong>und</strong> nutzt sie für dekorative<br />

Zwecke in der Luxuspapierfabrik Heilbrun & Pinner,<br />

<strong>Halle</strong>. Die Wabenkerne sind ein wichtiges Element<br />

für folgende Entwicklungen, wie Wabenplatten in<br />

Sandwichbauweise, die in der Luft- <strong>und</strong> Raumfahrtindustrie<br />

eingesetzt werden. (Foto: Sarah Huke)<br />

Den „Sieg der Mathematik am Bau“ hat in den<br />

1950er Jahren der Architekt Herbert Müller mit seiner<br />

Erfindung der Hyperbolischen Paraboloidschale<br />

errungen. Die meist wellenförmigen Dächer wurden<br />

erstmals für Turnhallen in <strong>Halle</strong>-Neustadt verwendet.<br />

Dank der sattelförmigen Verb<strong>und</strong>betonplatten<br />

konnten große Spannweiten ohne zusätzliche Träger<br />

überbrückt werden. (Foto: Corinna Bertz)<br />

Johann Christoph Schweigger wurde 1819 an die<br />

Universität <strong>Halle</strong> berufen. 1821 erfand er das Galvanometer<br />

(„Multiplikator“), mit dem erstmals elektrischer<br />

Strom gemessen werden konnte. Dieser besaß<br />

eine Magnetnadel, die mehrmals mit einem Draht<br />

umwickelt war. Sie wurde durch die Magnetwirkung<br />

des elektrischen Stromes abgelenkt <strong>und</strong> zeigte so<br />

seine Stärke an. (Foto: Museo Galileo)<br />

Sarah Huke<br />

Die Hoffmannstropfen: Ein Arzneimittel gegen<br />

Übelkeit, Ohnmacht <strong>und</strong> Schwächeanfälle. Ihr Erfinder<br />

Friedrich Hoffmann (1660 – 1742), einer der<br />

bekanntesten europäischen Mediziner, machte die<br />

Medizinische Fakultät der halleschen Universität zur<br />

führenden deutschen Ausbildungsstätte für akademische<br />

Ärzte. (Foto: Maike Glöckner)<br />

Krankheiten aufspüren <strong>und</strong> Therapien richtig einsetzen:<br />

Auf der Suche nach den dazu nötigen Protein-<br />

Biomarkern helfen die Fluoreszenz-Farbstoff-Kits,<br />

welche die NH DyeAGNOSTICS GmbH aus <strong>Halle</strong> entwickelte.<br />

Das Biotechnologie-Unternehmen wurde<br />

2007 vom MLU-Absolventen Jan Heise gegründet.<br />

(Foto: NH DyeAGNOSTICS)<br />

scientia halensis 2/2012 titelthema<br />

Welche wegweisende<br />

Erfindung hat die<br />

Redaktion in <strong>ihre</strong>r kleinen<br />

Auswahl vergessen?<br />

Schreiben Sie uns <strong>und</strong><br />

wir ergänzen unsere Liste<br />

hallescher Erfinder online:<br />

magazin@uni-halle.de<br />

oder www.facebook.com/<br />

scientiahalensis.<br />

Unter allen Einsendungen,<br />

die uns bis 31.<br />

Mai 2012 erreichen, verlosen<br />

wir die LED-Figur,<br />

die auf dem Titelbild zu<br />

sehen ist.<br />

17


18 titelthema scientia halensis 2/2012<br />

Vordenken mit Flüssigkristallen<br />

Nein, die Flüssigkristalle wurden nicht von einem <strong>Halle</strong>nser erf<strong>und</strong>en. Sie wurden von einem Österreicher<br />

entdeckt. Doch ohne einige hallesche Pioniere würden wir heute vielleicht nicht mit dem Finger auf unseren<br />

Smartphones herumwischen <strong>und</strong> uns über die Bildqualität des neuen LCD-Fernsehers freuen. Forschung zu<br />

Flüssigkristallen war eine Spezialität der MLU – <strong>und</strong> ist es noch immer.<br />

Sorgfältig beschriftet <strong>und</strong><br />

verpackt: In H<strong>und</strong>erten von<br />

Zigarrenkisten bewahrte<br />

Daniel Vorländer seine Flüssigkristallverbindungen<br />

auf.<br />

Einige davon befinden sich<br />

heute im Besitz des Instituts<br />

für Chemie am Weinberg<br />

Campus. (Foto: Maike<br />

Glöckner)<br />

Daniel Vorländer erforschte „eine Merkwürdigkeit,<br />

von der man in Lehrbüchern entweder gar nicht<br />

sprach oder die man als irrig darstellte“. Doch dass<br />

die kristallinen Flüssigkeiten „eine Zukunft haben<br />

würden, hat er gewusst“. Nachzulesen ist dies in<br />

einem Nachruf auf den bedeutenden halleschen<br />

Chemiker. Der erschien 1943, zwei Jahre nach seinem<br />

Tod. Autor war der Leipziger Professor Conrad<br />

Weygand. Er bewies damit prophetische Fähigkeiten.<br />

Denn es sollte noch r<strong>und</strong> 20 Jahre dauern, bis<br />

die ersten Vorläufer dessen entwickelt wurden,<br />

was heute Millionen Menschen nicht mehr missen<br />

möchten: Flüssigkristall-Displays.<br />

„Eine Erfindung aus <strong>Halle</strong>“, heißt es oft, wenn die<br />

Sprache darauf kommt in der Saalestadt. Stimmt<br />

nicht. Aber ohne <strong>Halle</strong>s Forscher wäre es nicht dazu<br />

gekommen. „Wenn man sich anschaut, was in den<br />

letzten Jahrzehnten konzipiert <strong>und</strong> realisiert wurde,<br />

muss man sagen: Irgendwie hatte Vorländer immer<br />

seinen Anteil“, sagt Carsten Tschierske. Der Chemie-<br />

Professor ist der aktuelle Vertreter einer ganzen<br />

Reihe von renommierten Flüssigkristallforschern,<br />

die die Martin-Luther-Universität hervorgebracht<br />

hat. Sein Doktorvater Horst Zaschke ist ebenso zu<br />

nennen wie Horst Sackmann <strong>und</strong> Dietrich Demus,<br />

der wohl den Patent-Rekord an der MLU für sich beanspruchen<br />

kann. „Keine Frage, unsere Universität<br />

war lange Jahre führend auf diesem Gebiet“, sagt<br />

Patentassessorin Gisela Wissenbach. „Wir haben<br />

für viele Erfindungen Lizenzen vergeben, unter anderem<br />

nach Japan.“<br />

Aber Vorländer? Ein Erfinder? „Wer, wenn nicht<br />

er?“, fragt Carsten Tschierske rhetorisch. Entdeckt<br />

haben die Flüssigkristalle andere. Friedrich Reinitzer<br />

<strong>und</strong> Otto Lehmann waren die Ersten, die Substanzen<br />

beschrieben, die in einem Zustand zwischen<br />

kris-tallinem Feststoff <strong>und</strong> Flüssigkeit vorlagen.<br />

Keine <strong>Halle</strong>nser. „Vorländer hat dann systematisch


Flüssigkristalle synthetisiert. Ungefähr 2000 flüssigkristalline<br />

Verbindungen stammen von ihm – vorher<br />

gab es 20 oder 30“, berichtet Tschierske. „Die ersten<br />

Uhren-Displays wurden dann mit Substanzen produziert,<br />

die aus Vorländers Arbeit stammten. Und auch<br />

heute sind in einigen Displays Substanzen dabei,<br />

die irgendwann einmal von halleschen Forschern<br />

entwickelt wurden.“<br />

Die Erkenntnisse über die gr<strong>und</strong>legenden Zusammenhänge<br />

zwischen der molekularen Struktur <strong>und</strong><br />

den flüssigkristallinen Eigenschaften haben wir<br />

demnach Daniel Vorländer zu verdanken. Nur waren<br />

seine Resultate zu seiner Zeit wissenschaftliche<br />

Kuriositäten. „Keiner hat gewusst, was er damit<br />

anfangen soll. Das war Gr<strong>und</strong>lagenforschung“, sagt<br />

Tschierske, selbst ein Gr<strong>und</strong>lagenforscher. Auch<br />

wenn er im Rahmen seiner Doktorarbeit in den<br />

1980er Jahren r<strong>und</strong> 20 Patente angemeldet hat.<br />

Die Materialentwicklung für Displays finde heute<br />

in der Industrie statt. „Das sind feine Variationen,<br />

Optimierungen. Das ist nicht Aufgabe einer Universität“,<br />

meint der 59-Jährige. „Uns geht es um neue<br />

Anwendungsmöglichkeiten. Der flüssigkristalline Zustand<br />

ist ja nicht nur für Displays relevant. Optische<br />

Modulatoren oder die organische Photovoltaik sind<br />

<strong>und</strong>enkbar ohne Flüssigkristalle. Es handelt sich<br />

ohnehin um ein ganz allgemeines Organisationskonzept<br />

der Natur.“ Ein gutes Beispiel sei die DNA<br />

im Zellkern. „Die würde da gar nicht reinpassen,<br />

wenn sie sich nicht im flüssigkristallinen Zustand<br />

befände.“ Auch jede Zellmembran bestehe praktisch<br />

aus einer dünnen Schicht, die flüssigkristalline<br />

Eigenschaften hat.<br />

Die Kombination von Ordnung <strong>und</strong> Beweglichkeit<br />

ist eben eine unabdingbare Voraussetzung für die<br />

Entstehung des Lebens. Wie sich Moleküle zu hochkomplexen<br />

flüssigkristallinen Strukturen spontan<br />

selbstorganisieren können, haben Carsten Tschierske<br />

<strong>und</strong> sein Team in internationaler Kooperation mit<br />

anderen Forschergruppen 2011 im renommierten<br />

Wissenschaftsmagazins „Science“ beschrieben.<br />

Zwei Jahre zuvor hatten sie sich an gleicher Stelle<br />

bananenförmigen Flüssigkristallen <strong>und</strong> deren überraschenden<br />

Eigenschaften gewidmet. Gedanken<br />

über mögliche Anwendungen hält Tschierske für<br />

spekulativ. „Wir betreiben Gr<strong>und</strong>lagenforschung,<br />

bauen neue Moleküle, um zu sehen: Wie organisieren<br />

sie sich?“ Manche mögen das merkwürdig<br />

finden. Vielleicht kennen sie das Vorbild Vorländer<br />

nicht. Carsten Heckmann<br />

Kontakt: Prof. Dr. Carsten Tschierske<br />

Organische Chemie<br />

Telefon: 0345 5525664<br />

E-Mail: carsten.tschierske@chemie.uni-halle.de<br />

scientia halensis 2/2012 titelthema<br />

Daniel Vorländer war der<br />

erste Chemiker, der Flüssigkristalle<br />

systematisch synthetisierte.<br />

(Bild: Universitätsarchiv)<br />

Texturen von Flüssigkristallen,<br />

durch das Polarisationsmikroskop<br />

betrachtet. (Abbildung:<br />

Institut für Chemie)<br />

Fotogalerie mit Vorländers<br />

Zigarrenkisten im Onlinemagazin:<br />

WEBCODE MAG� 14070<br />

QR� CODE<br />

19


20 studieren, lehren, leben scientia halensis 2/2012<br />

studieren, lehren, leben<br />

Zwischen Promotion<br />

<strong>und</strong> Professur<br />

Studieren, Promovieren, Habilitieren? Der klassische Karriereweg bis zum eigenen Lehrstuhl bleibt an deutschen<br />

Hochschulen einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlern vorbehalten. Ein großer Teil der wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter hangelt sich mit befristeten Verträgen von Projekt zu Projekt. International sind die „Postdoktoranden“,<br />

die in befristeter Warteposition eine zweite akademische Hürde bewältigen müssen, ein Unikat. Ihre<br />

Situation untersucht Anke Burkhardt am Wittenberger Institut für Hochschulforschung.<br />

(Grafik: Oliver Weiss)<br />

Ohne sie wäre Lehre <strong>und</strong> Forschung heute kaum<br />

denkbar: Die wissenschaftlichen Mitarbeiter sind<br />

die größte an den Universitäten beschäftigte Akademikergruppe,<br />

r<strong>und</strong> 1200 Hochschulangehörige an<br />

der MLU zählen dazu. Sie werden gern unter dem<br />

Begriff „wissenschaftlicher Nachwuchs“ zusam-<br />

mengefasst, eine klare Definition aber fehlt. „Der<br />

Wissenschaftsrat unterscheidet zwischen denen,<br />

die nach der Promotion in der Forschung bleiben<br />

<strong>und</strong> denen, die eine Karriere als Hochschullehrer anstreben“,<br />

erläutert Anke Burkhardt vom Institut für<br />

Hochschulforschung (HoF). In mehreren Projekten


untersucht sie speziell die Situation der Beschäftigten<br />

zwischen Promotion <strong>und</strong> Professur.<br />

Im Jahr 2006 hatte der B<strong>und</strong> das HoF, ein An-Institut<br />

der MLU, mit dem „Bericht zur Förderung des<br />

wissenschaftlichen Nachwuchses“ beauftragt. Bis<br />

dahin waren die Karrierewege an Hochschulen ein<br />

weitgehend unerforschtes Feld. Das Team um Anke<br />

Burkhardt legte 2007 einen ersten Bericht vor <strong>und</strong><br />

schreibt bereits an einer zweiten, detaillierten Analyse.<br />

„Wir forschen dazu nicht selbst, sondern arbeiten<br />

alle Veröffentlichungen zum Thema auf“, erläutert<br />

Burkhardt. Die Wissenschaftler konzentrieren<br />

sich dabei auf die Postdoktoranden. Diese haben<br />

nach der Promotion eine zweite Qualifikationsphase<br />

zu durchlaufen, bevor sie sich – durch Juniorprofessur,<br />

Habilitation oder Nachwuchsgruppenleitung<br />

– für eine Professur qualifizieren. International ist<br />

diese Struktur ein Unikat. „Im Ausland herrscht eine<br />

andere Personalstruktur für junge Forscher. Dort<br />

gibt es keine Post-Doc-Phase.“ Der entscheidende<br />

Unterschied für die Nachwuchswissenschaftler:<br />

Wirklich selbstständig lehrt <strong>und</strong> forscht allein der<br />

Lehrstuhlinhaber. Stellen unterhalb der Professur<br />

sind in Deutschland weisungsgeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> im Regelfall<br />

befristet.<br />

Lehren, forschen, publizieren, Klausuren <strong>und</strong> Hausarbeiten<br />

korrigieren, Exkursionen <strong>und</strong> Räume organisieren,<br />

Studieninhalte multimedial vor- <strong>und</strong><br />

nachbereiten – all das sind tägliche Aufgaben von<br />

Postdoktoranden wie Claudia Beetz. Die promovierte<br />

Juristin arbeitet bei Professor Wolfhard<br />

Kohte, <strong>ihre</strong> halbe Stelle läuft im nächsten Jahr aus.<br />

„Ich würde gern das weitermachen, was ich zurzeit<br />

mache – lehren <strong>und</strong> forschen, ohne zu habilitieren.<br />

Es ist schade, dass die bestehenden Strukturen an<br />

Hochschulen das langfristig viel zu schwer machen.<br />

Mir macht die Lehre Spaß, aber ich möchte nicht<br />

noch einmal über einen längeren Zeitraum in einem<br />

befristeten Arbeitsverhältnis ohne konkrete Planungsperspektive<br />

arbeiten“, sagt die Expertin für<br />

Zivil- <strong>und</strong> Sozialrecht. Zu einem möglichen Karriereweg<br />

hat ihr Doktorvater sie beraten. „Eine Alternative<br />

bietet die Professur an der Fachhochschule. Dort<br />

steht die Lehre noch stärker im Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

ich kann weiterhin wissenschaftlich arbeiten.“ Fachhochschulen<br />

setzen jedoch Berufserfahrung voraus.<br />

Claudia Beetz will deshalb zunächst in die Praxis.<br />

Neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeitern<br />

im Angestelltenverhältnis sind einer Studie von<br />

Anke Burkhardt zufolge befristet an Universitäten<br />

scientia halensis 2/2012 studieren, lehren, leben<br />

beschäftigt, meist in einer halben bis dreiviertel<br />

Stelle. „Sie alle bemängeln eine fehlende Planungssicherheit,<br />

fehlende berufliche Perspektiven <strong>und</strong><br />

dass das Einkommen nicht <strong>ihre</strong>r Arbeitsleistung<br />

entspricht“, fasst Anke Burkhardt die Lage zusammen.<br />

Eine Umfrage der Gewerkschaft Verdi an acht<br />

Universitäten, darunter auch die MLU, ergab 2011<br />

ein ähnliches Bild. Und dennoch: „Alle schätzen das<br />

Arbeitsklima <strong>und</strong> die -inhalte als sehr positiv ein.“<br />

Die hoch motivierte Mehrheit würde sich wieder<br />

für den akademischen Weg entscheiden, obwohl<br />

dieser meist befristet ist. Für all jene Promovierten,<br />

die nicht nach dem Professorentitel streben, war<br />

bis 2007 nach „6 plus 6“ Schluss: Sechs Jahre vor<br />

<strong>und</strong> sechs Jahre nach der Doktorarbeit durften sie<br />

an einer Hochschule befristet beschäftigt werden.<br />

„Das Ziel dieser Regelung war eigentlich, dass die<br />

Beschäftigten nach zwölf Jahren unbefristet eingestellt<br />

werden. Das war allerdings ein Trugschluss“,<br />

bedauert Burkhardt. „Ihnen drohte vielmehr, dass<br />

sie nach zwölf Jahren die Hochschule verlassen<br />

mussten.“<br />

Um dem entgegenzuwirken wurde 2007 das Wissenschaftszeitvertragsgesetz<br />

(WissZeitVG) verabschiedet.<br />

„Wer überwiegend aus Drittmitteln finanziert<br />

wird, kann jetzt immer wieder Verträge abschließen.<br />

Man kann sich also von Projekt zu Projekt hangeln.“<br />

Was das im Einzelfall bedeutet, hat Claudia Beetz<br />

als Gleichstellungsbeauftragte der Juristischen <strong>und</strong><br />

Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät bis 2009 oft<br />

erlebt: „Manche haben eine halbe Stelle aus Haushaltsmitteln<br />

<strong>und</strong> eine halbe aus Drittmitteln mit<br />

unterschiedlichen Laufzeiten. Wenn sie dann noch<br />

Elternzeit oder Mutterschutz in Anspruch nehmen,<br />

gestaltet sich die Vertragsstruktur sehr kompliziert.<br />

Da hilft nur ein Zeitstrahl, um nachzuverfolgen, wie<br />

lange welcher Vertrag läuft.“ Die zweifache Mutter<br />

beschäftigt sich auch aus juristischer Perspektive<br />

mit dem WissZeitVG. „Eine solche Regelung ist zur<br />

Ermöglichung der Qualifikation nicht unsinnig“,<br />

findet sie. „Aber deshalb sollten Hochschulen nicht<br />

davon abrücken, auch unbefristet einzustellen. Das<br />

eine schließt das andere ja nicht aus.“<br />

Die Entscheidung über Be- <strong>und</strong> Entfristung liegt bei<br />

den Hochschulen <strong>und</strong> beim Land, das ihnen den<br />

finanziellen Rahmen vorgibt. „Universitäten wollen<br />

sich ungern dauerhaft an Personal binden, da sie<br />

selbst keine finanzielle Sicherheit besitzen. Das Land<br />

weist ihnen jeweils den Haushalt für höchstens zwei<br />

Jahre zu“, erläutert Anke Burkhardt. Als Geschäfts-<br />

Hochschulforscherin<br />

Dr. Anke Burkhardt<br />

(Foto: privat)<br />

Der „B<strong>und</strong>esbericht zur<br />

Förderung des Wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses“<br />

steht online unter:<br />

www.buwin.de<br />

21


22 studieren, lehren, leben scientia halensis 2/2012<br />

Das Institut für Hochschulforschung<br />

im Internet:<br />

www.hof.uni-halle.de<br />

führerin des HoF kennt sie die Überlegungen der<br />

Personalplaner aus eigener Erfahrung. Aus Sicht<br />

der Hochschulforscherin gibt es dennoch eine Fülle<br />

von Möglichkeiten, die Berufsperspektiven wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter zu verbessern: „Dürften<br />

die Hochschulen unternehmerischer zu handeln,<br />

könnten sie aus Drittmitteln Rücklagen bilden, aus<br />

denen auch Mitarbeiter unbefristet angestellt werden<br />

können. Unterhalb der Professur sollten zudem<br />

neue Personalkategorien geschaffen werden, die<br />

selbstständig lehren <strong>und</strong> forschen dürfen. Befristete<br />

Beschäftigte müssten auch besser bezahlt werden<br />

als unbefristete, damit sie sich für Übergangszeiten<br />

ein Polster ansparen können“, fordert sie. Auch<br />

der B<strong>und</strong> könne Veränderungen bewirken: „Er<br />

kann mehr Förderprogramme für Juniorprofessuren<br />

schaffen <strong>und</strong> die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />

kann <strong>ihre</strong> Mittelvergabe an die Bedingung knüpfen,<br />

dass ein Teil der Projektmitarbeiter unbefristet<br />

beschäftigt wird. Ähnliche Ansätze gibt es in der<br />

Gleichstellungspolitik.“<br />

Handlungsbedarf sieht auch Prof. Dr. Gesine Foljanty-Jost,<br />

Prorektorin für Forschung <strong>und</strong> wissenschaftlichen<br />

Nachwuchs an der MLU: „Die Zahl der<br />

unbefristet beschäftigten Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong><br />

Wissenschaftler ist im internationalen Vergleich<br />

sehr niedrig. Ich halte das für ein großes Problem<br />

im deutschen Hochschulsystem. Hier gibt es aus<br />

meiner Sicht Veränderungsbedarf, um mehr jungen<br />

Akademikern eine berufliche Perspektive jenseits<br />

der Professur zu bieten.“ An der MLU werde<br />

diese Gruppe in der „heißen“ Karrierephase bereits<br />

mit verschiedenen Angeboten unterstützt:<br />

„Nachwuchswissenschaftlerinnen können in Zukunft<br />

wieder ein spezielles Mentoring-Programm<br />

nutzen, in dem sie individuell auf den Berufseinstieg<br />

vorbereitet werden. Wir unterstützen sie auch bei<br />

Tagungen <strong>und</strong> Publikationen, um <strong>ihre</strong> akademische<br />

Arbeit stärker sichtbar zu machen <strong>und</strong> natürlich<br />

durch das Familienbüro.“ Wie stark die Gestaltung<br />

universitärer Stellen auch vom Angebot <strong>und</strong> von der<br />

Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften abhängt,<br />

zeigt sich zurzeit in den Ingenieurwissenschaften.<br />

Hier ist die Konkurrenz zwischen Universitäten <strong>und</strong><br />

Unternehmen mittlerweile so groß, dass kaum ein<br />

promovierter Ingenieur eine ausgeschriebene halbe<br />

Stelle antreten würde <strong>und</strong> auch die Deutsche<br />

Forschungsgemeinschaft die Nachwuchsgewinnung<br />

bei den Ingenieuren mit überdurchschnittlich hohen<br />

Summen fördert. Corinna Bertz


scientia halensis 2/2012 studieren, lehren, leben<br />

Endlich die Faust im Sandsack versenken<br />

Manchmal weiß ich nicht wohin mit meiner Energie.<br />

Normalerweise gehe ich dann laufen. Doch für<br />

scientia halensis habe ich meine Laufschuhe gegen<br />

Boxhandschuhe getauscht. Ich wollte es wissen:<br />

Fühlt es sich wirklich so gut an, seine Fäuste mit aller<br />

Kraft in einem Sandsack zu versenken?<br />

In der Boxhalle am Gimritzer Damm erwartet mich<br />

Christian Henze. Der Sportstudent boxt seit zwölf<br />

Jahren. Seine Erfahrungen gibt er nun beim Uni-Boxen<br />

als Trainer weiter. Weil ich den Sport bisher nur<br />

aus dem Fernsehen kenne, komme ich zum Anfängertraining.<br />

Ich bin heiß auf die Boxhandschuhe. Nur<br />

sind die für das heutige Programm gar nicht vorgesehen.<br />

Weil es den anderen Teilnehmern genau wie<br />

mir geht, kündigt Henze kurz entschlossen an: „Wir<br />

machen heute das Fortgeschrittenen-Programm.“<br />

Na gut, denke ich. Hauptsache Handschuhe.<br />

Los geht´s mit einer klassischen Box-Erwärmung.<br />

Wir imitieren Schläge <strong>und</strong> durchlaufen drei Mal<br />

einen Parcours. Seilspringen, Hantelscheiben stemmen<br />

<strong>und</strong> Schlusssprünge über die Bank. Nach der<br />

ersten R<strong>und</strong>e laufen mir die Schweißperlen nicht<br />

nur über die Stirn, sondern auch über Nacken, Arme<br />

<strong>und</strong> Beine. Warum habe ich nur eine lange Sporthose<br />

angezogen?<br />

Während des Trainings fällt mir auf, dass fast so<br />

viele Frauen wie Männer am Kurs teilnehmen. „Mit<br />

Regina Halmich wurde der Sport auch für Frauen<br />

attraktiv“, erklärt Henze. Das Uni-Boxen nutzen<br />

aber die wenigsten, um an Kämpfen teilzunehmen.<br />

Es ist vielmehr ein Fitnessprogramm. „Trotzdem<br />

will ich einige motivieren, auch bei Boxkämpfen<br />

mitzumachen.“ Potentielle Kandidatin ist meine<br />

heutige Boxpartnerin Melanie Krüger. Als wir endlich<br />

auf den Sandsack hauen, zeigt sie mir, wie ich<br />

die Schläge am besten verteile. Seitwärtshaken,<br />

Aufwärtshaken. Hauptsache die Deckung halten.<br />

Ich gebe noch mal alles.<br />

Der Verein „Boxring Eintracht <strong>Halle</strong> e.V.“ gibt Henze<br />

die Möglichkeit Box-<strong>Halle</strong>, Trainingsgeräte <strong>und</strong><br />

Handschuhe kostenlos zu nutzen. Im September<br />

2009 hat der Verein außerdem das Sozial- <strong>und</strong> Integrationsprojekt<br />

„Boxen statt Gewalt“ ins Leben<br />

gerufen, finanziert vom B<strong>und</strong>esministerium des Innern.<br />

Neben Trainingsangeboten findet täglich eine<br />

Hausaufgabenbetreuung statt.<br />

Nach dem Training bin ich erschöpft. Ich habe<br />

noch Tage später Muskelkater <strong>und</strong> fühle mich ausgepowert.<br />

Jegliches Gewaltpotential habe ich im<br />

Sandsack verstaut. Demnächst, nehme ich mir vor,<br />

tausche ich Waldwege einmal pro Woche gegen die<br />

Boxhalle. Maria Preußmann<br />

Kontakt: Christian Henze<br />

Boxring Eintracht <strong>Halle</strong> e.V.<br />

Telefon: 0345 2056132<br />

Internet: www.boxring-eintracht-halle.de<br />

Nach <strong>ihre</strong>m ersten Boxtraining<br />

will Autorin Maria<br />

Preußmann die Laufschuhe<br />

jetzt regelmäßig gegen Boxhandschuhe<br />

tauschen. (Foto:<br />

Michael Deutsch)<br />

Das Boxtraining findet<br />

jeweils um 20 Uhr in<br />

der <strong>Halle</strong> am Gimritzer<br />

Damm statt – montags für<br />

Anfänger, mittwochs für<br />

Fortgeschrittene.<br />

Mehr über die Sportangebote<br />

des USZ:<br />

www.magazin.uni-halle.de/<br />

category/ges<strong>und</strong>heit<br />

QR� CODE<br />

23


24 studieren, lehren, leben scientia halensis 2/2012<br />

„Ein lohnendes Motiv“<br />

Vereinigung der Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Förderer finanziert fünf Deutschlandstipendien<br />

Stipendien sind für ihn ein<br />

Ausdruck von Chancengleichheit:<br />

Förderer <strong>und</strong> VFF-<br />

Ehrenpräsident<br />

Dr. Wolfgang Röller<br />

Mehr über Stipendien <strong>und</strong><br />

Förderer: www.uni-halle.de/<br />

deutschland-stipendium<br />

Vereinigung der Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

Förderer im Internet:<br />

www.vff.uni-halle.de<br />

Drei Stipendiaten im Porträt:<br />

www.magazin.uni-halle.de/<br />

stipendiaten<br />

QR� CODE<br />

Die Zahl der Deutschlandstipendiaten an der Martin-Luther-Universität<br />

wächst. 19 weitere Studierende<br />

werden zum Sommersemester 2012 erstmals<br />

ein Deutschlandstipendium erhalten. Für mindestens<br />

zwei Semester <strong>und</strong> bis maximal zum Ende<br />

<strong>ihre</strong>r Regelstudienzeit werden sie mit 300 Euro<br />

monatlich unterstützt. Mit je fünf Stipendien sind<br />

die Bayer-Stiftung <strong>und</strong> die Vereinigung der Fre<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> Förderer der Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-<br />

Wittenberg e.V. (VFF) die beiden größten neuen<br />

Förderer.<br />

Hinter den fünf Stipendien der VFF steht eine ganze<br />

Reihe von Unterstützern: „Zwei der Stipendien kamen<br />

durch unsere beiden Großspender <strong>und</strong> durch<br />

Mittel der VFF zustande“, erläutert VFF-Geschäftsführerin<br />

Ramona Mitsching. Auf <strong>ihre</strong>r letzten Mitgliederversammlung<br />

hatte die Vereinigung zudem<br />

beschlossen, zum Sommersemester zwei Deutschlandstipendien<br />

aus <strong>ihre</strong>n Haushaltsmitteln für ein<br />

Jahr mit der Option auf Verlängerung um ein weiteres<br />

Jahr <strong>und</strong> ein zusätzliches aus dem VFF-eigenen<br />

„Martin-Luther-Stipendienfonds“ für ein Jahr zur<br />

Verfügung zu stellen.<br />

Einer der privaten VFF-Großspender ist Dr. Wolfgang<br />

Röller, Ehrenpräsident der VFF. Er hat der<br />

Vereinigung 16 Jahre lang vorgestanden. „Mit der<br />

Unterstützung eines Stipendiaten investiert man<br />

direkt in die Zukunft unseres Landes – ein lohnendes<br />

Motiv für einen älteren Menschen“, findet der ehemalige<br />

Vorstandschef der Dresdner Bank. Mit seiner<br />

Förderung möchte er auch Nachahmer motivieren.<br />

„Stipendien sind ein Ausdruck der notwendigen<br />

Chancengleichheit für den Nachwuchs“, betont der<br />

82-jährige Ehrensenator der MLU.<br />

Die zweite Großspende aus den Reihen der VFF-<br />

Mitglieder kam vom Universitätsverlag <strong>Halle</strong>-Wittenberg.<br />

Im Januar hatte sich der wissenschaftliche<br />

Beirat des Verlags dazu entschlossen, 1300 Euro für<br />

ein Deutschlandstipendium zu spenden. „Wir möchten<br />

damit zur Entwicklung einer stabilen Spendenkultur<br />

an der Martin-Luther-Universität beitragen“,<br />

sagt Stefan Schwendtner, Geschäftsführer des Verlags.<br />

Den Restbetrag von 500 Euro für das einjährige<br />

Stipendium steuert die VFF bei.<br />

Indem sie auch kleine Beiträge für das Stipendienprogramm<br />

sammelt, ermöglicht die Vereinigung<br />

privaten Spendern, Studierende mit selbstgewählten<br />

Beiträgen zu fördern. Dabei spielt es keine Rolle,<br />

ob der Spender der VFF angehört. Jede Spende kann<br />

einen Baustein im Gesamtbetrag für ein Deutschlandstipendium<br />

darstellen. Entsprechende Spendenquittungen<br />

vergibt die Geschäftsstelle der VFF.<br />

Mit den neu vergebenen Stipendien zum Sommersemester<br />

werden jetzt an der MLU insgesamt 54<br />

Studierende unterstützt. Für das Wintersemester<br />

2012/2013 hat die Universität bereits weitere Zusagen<br />

von neuen Förderern erhalten. Corinna Bertz<br />

Kontakt: Katrin Eckebrecht<br />

Abt. 1 – Studium <strong>und</strong> Lehre, intern. Angelegenheiten<br />

Telefon: 0345 21300<br />

E-Mail: katrin.eckebrecht@verwaltung.uni-halle.de<br />

Kontakt: Ramona Mitsching<br />

Vereinigung der Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Förderer e.V.<br />

Telefon: 0345 55 22912<br />

E-Mail: ramona.mitsching@vff.uni-halle.de


scientia halensis 2/2012 studieren, lehren, leben<br />

Die Lehre lernen <strong>und</strong> erforschen<br />

Neues Projekt der MLU: „Studium multimedial“ startet im April<br />

Wie man mit modernen Mitteln noch besser lehrt,<br />

will die MLU ab April in dem Projekt „studium multimedial“<br />

erforschen – <strong>und</strong> zugleich umsetzen. Für<br />

<strong>ihre</strong>n Projekt-Antrag hat die Hochschule vom B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung über<br />

sechs Millionen Euro erhalten. Es ist nun geplant,<br />

ein „Zentrum für multimediales Lehren <strong>und</strong> Lernen“<br />

(LLZ) einzurichten. Die Mitarbeiter des Zentrums<br />

werden die Dozenten aller Fakultäten bei der Entwicklung<br />

von neuen, multimedialen Vermittlungsformen<br />

für Studieninhalte unterstützen. Das können<br />

zum Beispiel Aufzeichnungen von Vorlesungen, die<br />

Bereitstellung von multimedial aufbereiteten Skripten<br />

oder auch die Anfertigung kleiner Videoclips<br />

sein. „Unser Ziel ist es, den gewachsenen Anforderungen<br />

der Studierenden an eine anspruchsvolle<br />

Lehre gerecht zu werden“, sagt Professor Josef Lukas.<br />

Der Psychologe hat den Antrag für das Projekt<br />

von Anfang an mitbetreut. Im Sommersemester<br />

will man jetzt versuchen, alle Stellen zu besetzen.<br />

„Der Sommer ist also unsere Aufbauphase.“ Danach<br />

soll das LLZ seine reguläre Arbeit aufnehmen<br />

<strong>und</strong> erste Projekte entwickeln. Von einem Studium,<br />

das durch multimediale Inhalte ergänzt wird, haben<br />

Lukas zufolge Studierende als auch Dozenten<br />

Vorteile: Erstere können die Inhalte „zeitsouverän“<br />

<strong>und</strong> ansprechend aufbereitet durcharbeiten. Das<br />

komme auch der Internationalisierung des Studiums<br />

zu Gute, weil es das Verstehen von Vorlesungen in<br />

einer Fremdsprache erleichtert. Dozenten könnten<br />

sich dadurch mehr auf ihr eigentliches Kerngeschäft<br />

konzentrieren: Den Dialog <strong>und</strong> das Erklären in Seminaren.<br />

Ziel des LLZ ist es dabei nicht, klassische Lehre<br />

zu ersetzen, sondern sie an bestimmten Stellen zu<br />

erweitern. „Gute Lehre bedeutet, alle vorhandenen<br />

Möglichkeiten sinnvoll einzusetzen“, ist sich Lukas<br />

sicher. Neben dem LLZ besteht das Projekt „studium<br />

multimedial“ noch aus zwei weiteren Bereichen:<br />

Zum einen will die MLU eine Professur im Bereich der<br />

pädagogischen Psychologie einrichten. Dort sollen<br />

durch gezielte Forschung neue Erkenntnisse über E-<br />

Learning <strong>und</strong> multimediale Lehre gewonnen werden.<br />

Zum anderen wird es eine weitere Stelle im Bereich<br />

Evaluation/Qualitätsmanagement geben, damit die<br />

Arbeit des neuen Zentrums kontinuierlich überprüft<br />

<strong>und</strong> reflektiert werden kann. Tom Leonhardt<br />

Kontakt: Prof. Dr. Josef Lukas<br />

Allgemeine Psychologie<br />

Telefon: 0345 55 24350<br />

E-Mail: katrin.eckebrecht@verwaltung.uni-halle.de<br />

Vorlesungen hören, wo <strong>und</strong><br />

wann man will: Zukünftig<br />

sollen mehr Lehrinhalte an<br />

der MLU online multimedial<br />

aufbereitet werden. Vorlesungsvideos<br />

sind u.a. schon<br />

auf der Webseite des Juristischen<br />

Bereichs zu finden.<br />

(Foto: Maria Preußmann)<br />

25


26 studieren, lehren, leben scientia halensis 2/2012<br />

Morgens Bibel, abends Bach:<br />

Ein Theologe <strong>und</strong> sein Cello<br />

Selbst gestandene Hochschullehrer werden hier zu fleißigen Schülern: In einer neuen Serie stellt scientia halensis<br />

künftig regelmäßig musikbegeisterte Professorinnen <strong>und</strong> Professoren vor, die einen Teil <strong>ihre</strong>r Freizeit einem<br />

Instrument widmen. Professor Ernst-Joachim Waschke macht den Auftakt. Die Liebe zum Cello wurde dem<br />

Theologen nicht in die Wiege gelegt, doch heute sind ihm die Montagabende im Akademischen Orchester heilig.<br />

Bild rechts:<br />

"Die Liebe zum Cello<br />

ist bei mir erst im Alter<br />

gekommen.": Cellist <strong>und</strong><br />

Theologe Ernst-Joachim<br />

Waschke<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Zur Langfassung des Beitrags<br />

im Onlinemagazin:<br />

WEBCODE MAG� 14073<br />

„Das Violoncello ist ein bew<strong>und</strong>ernswertes Instrument,<br />

ob man die Süße des Tones, die Vielfalt<br />

des Ausdrucks oder den erstaunlichen Umfang<br />

bedenkt…“ (aus „New Instructions for the Violoncello“<br />

von 1765). Ohne die charakteristisch warme<br />

Klangfarbe eines Cellos ist ein klassisches Streich-<br />

quartett kaum denkbar. Für den Alttestamentler<br />

Professor Ernst-Joachim Waschke ist dieses Instrument<br />

wie eine zweite Stimme, mit der er musizierend<br />

den Ausgleich zum Arbeitsalltag schafft <strong>und</strong><br />

entspannen kann. So spielt er das Cello seit 1999<br />

im Akademischen Orchester der Martin-Luther-Universität,<br />

bei dessen zahlreichen Auftritten ihn musikbegeisterte<br />

Uni Angehörige regelmäßig erleben<br />

können. Darüber hinaus wirkt er in zwei privaten<br />

Quartetten mit. „Zwei sind in jedem Fall besser als<br />

eins, weil aus Mangel an Zeit gemeinsame Termine<br />

schwer zu finden sind <strong>und</strong> ich mich so wenigstens<br />

einmal im Monat mit anderen zum gemeinsamen<br />

Musizieren treffen kann“, sagt er augenzwinkernd.<br />

„Seit dem fünften Lebensjahr hatte ich Klavierunterricht.<br />

Als ich mit zehn Jahren Flausen im Kopf hatte,<br />

die meiner Mutter missfielen, kaufte sie mir ein Violoncello,<br />

das ich nun neben dem Klavier auch noch<br />

üben musste. Damit waren für sie zwei Probleme<br />

gelöst. Ich hatte weniger Zeit für die Straße <strong>und</strong> für<br />

die Hausmusik konnte das bis dahin fehlende Bassinstrument<br />

besetzt werden“, erinnert sich Waschke.<br />

„Musik zu studieren, war unter uns vier Geschwistern<br />

sicher irgendwann einmal eine Idee. Aber am<br />

Ende galt der Gr<strong>und</strong>satz, dass man Musik – als das<br />

Schönste der Welt – nicht zum Beruf machen sollte“.<br />

Die große Liebe des Theologen gehörte von Anfang<br />

an der klassischen Musik. So ist es kaum ein Zufall,<br />

dass seine Lieblingskomponisten zumeist mit B anfangen<br />

– Bach, Beethoven, Brahms, Bruckner, aber<br />

auch Mozart <strong>und</strong> Mendelssohn gehören dazu. Für<br />

sich allein spielt er am liebsten aus Bachs Cello-<br />

Suiten, vor allem die Suite Nr. 2 d Moll, BWV 1008.<br />

Die Solo-Suiten des Altmeisters gelten als „oberster<br />

Prüfstein für jeden Cellisten“, einigen haftete einst<br />

sogar der Ruf an, aufgr<strong>und</strong> <strong>ihre</strong>s Schweregrades<br />

unspielbar zu sein. Sie stellen die „Quintessenz von<br />

Bachs Werk“ dar, davon sind berühmte Cellisten<br />

überzeugt. Wer sie spielen kann, der verfügt über<br />

hohe Musikalität sowie entsprechende Fertigkeiten<br />

<strong>und</strong> hat nicht zuletzt viele Jahre Fleiß beim Üben<br />

investiert. „Dies habe ich in meiner Jugend leider<br />

nicht getan“, bemerkt Ernst Waschke ein wenig<br />

wehmütig.<br />

Am meisten begeistert ihn das gemeinsame Spiel<br />

mit anderen. Deshalb trat das Klavier im Laufe der<br />

Jahre immer mehr in den Hintergr<strong>und</strong>. Das Cello ist<br />

sowohl für einen dahin schmelzenden Solopart geeignet,<br />

als auch für die begleitende Bass-Stimme im<br />

Hintergr<strong>und</strong> eines Orchesters. Mit unbändiger Freude<br />

am Musizieren jedenfalls nimmt er an seinem<br />

„heiligen“ Montagabend seit seiner Prorektorenzeit<br />

an den Proben des Akademischen Orchesters teil.<br />

Besonders gern erinnert er sich an die Konzerte mit<br />

Beethovens 7. <strong>und</strong> Felix Mendelssohn Bartholdys 2.<br />

Sinfonie. Ute Olbertz<br />

Kontakt: Prof. Dr. Ernst-Joachim Waschke<br />

Exegese <strong>und</strong> Theologie des Alten Testaments<br />

Telefon: 0345 55 23060<br />

E-Mail: ernst-joachim.waschke@theologie.uni-halle.de


scientia halensis 2/2012 studieren, lehren, leben<br />

27


28 forschen <strong>und</strong> publizieren scientia halensis 2/2012<br />

forschen <strong>und</strong> publizieren<br />

Für Religion<br />

kein Platz auf dem Platz?<br />

Sprinter, die sich nach einer neuen Bestzeit bekreuzigen. Fußballer, die nach dem ersehnten Siegtreffer im Torjubel<br />

die Hände zum Gebet falten. Athletinnen, die nur mit Kopftuch auftreten. Alltägliche Bilder, die zeigen,<br />

dass sich Sport <strong>und</strong> Religion offenbar gar nicht so fern sind. Und doch spielt auf offizieller Seite im Sport der<br />

Glauben keine Rolle. Verw<strong>und</strong>erlich fand das die Sportethnologin Jana Conrad. Sie ging in <strong>ihre</strong>r Promotion der<br />

Bedeutung des christlichen Glaubens für Leistungssportler nach.<br />

Dass der Glauben für manche<br />

Sportler eine entscheidende<br />

Rolle spielt, lassen sie immer<br />

wieder in <strong>ihre</strong>n Gesten auf<br />

dem Platz oder auf der Zielgeraden<br />

erkennen.<br />

(Foto: picture alliance)<br />

„Religion <strong>und</strong> Sport, das sind zwei Gr<strong>und</strong>pfeiler unserer<br />

Gesellschaft, die einiges gemein haben“, meint<br />

Jana Conrad. „Man denke nur an die Olympischen<br />

Spiele, einst ein religiöses Fest, oder die modernen<br />

Fußballgötter. Doch wie sich das eine auf das andere<br />

auswirkt <strong>und</strong> wie Sportler <strong>ihre</strong>n Glauben zur Bewäl-<br />

tigung <strong>ihre</strong>r leistungssportlichen Aufgaben nutzen,<br />

ist bisher kaum untersucht worden.“ Als Sport-<br />

<strong>und</strong> Ethnologiestudentin interessierte sich Conrad<br />

besonders für die gesellschaftskritischen Themen<br />

unserer Zeit. Die in den vergangenen Jahren hörbar<br />

lauter gewordene Diskussion um Religionen <strong>und</strong>


<strong>ihre</strong>n Einfluss auf Menschen <strong>und</strong> deren Handlungen<br />

war 2009 der Anstoß für <strong>ihre</strong> Auseinandersetzung<br />

mit dem Thema, das in der wissenschaftlichen Betrachtung<br />

noch am Anfang steht.<br />

„Um ein möglichst umfassendes Bild zeichnen zu<br />

können, habe ich mich der Thematik von zwei Seiten<br />

genähert“, führt Conrad aus. „Auf Basis der Bibel,<br />

darauf aufbauender Literatur <strong>und</strong> Gesprächen<br />

mit Sportpfarrern habe ich die Gr<strong>und</strong>haltung des<br />

Christentums zum Sport aufgearbeitet.“ Zentrale<br />

Frage dabei: Unterstützt der christliche Glauben das<br />

Sporttreiben oder wird im „Heiligen Buch“ gar davon<br />

Abstand genommen? „Im nächsten Schritt habe<br />

ich Kontakt zu Leistungssportlern gesucht <strong>und</strong> unter<br />

anderem deren Religiosität, Motive, Leistungsorientierung<br />

<strong>und</strong> Kompetenzüberzeugungen untersucht“,<br />

erläutert die 35-Jährige, die insgesamt 98 Leistungssportler<br />

– von (Rollstuhl-)Basketballern bis hin zu<br />

Leichtathleten – für die Studie befragt hat. „Zuletzt<br />

stand dann die Zusammenführung der Ergebnisse,<br />

um Übereinstimmungen oder Widersprüche zwischen<br />

Theorie <strong>und</strong> Sportpraxis sowie zwischen nicht<br />

religiösen, religiösen <strong>und</strong> hoch religiösen Sportlern<br />

aufzudecken.“<br />

Sport als „Huldigung für Gott“?<br />

So konnte sie einige überraschende Erkenntnisse zu<br />

Tage fördern. „Generell lässt sich sagen, dass sich<br />

Christentum <strong>und</strong> Leistungssport nicht widersprechen,<br />

sofern der Leistungssport unter bestimmten<br />

Aspekten <strong>und</strong> Reglementierungen durchgeführt<br />

wird“, erklärt die Sportethnologin. „So soll der Sport<br />

im Einklang mit den christlichen Gr<strong>und</strong>lehren <strong>und</strong><br />

stets als Huldigung für Gott betrieben werden. Der<br />

Sport sollte auch nicht Hauptaspekt im Leben sein,<br />

sodass beispielsweise die Familie vernachlässigt<br />

wird.“ Das sehe in der Sportpraxis aber schon ganz<br />

anders aus: „Vor allem bei Sportlern, die als hoch<br />

religiös zu bezeichnen sind, nimmt der Sport eine<br />

zentrale Rolle ein, während die Gruppe der Religiösen<br />

<strong>und</strong> Nichtreligiösen das Verhältnis zwischen<br />

Sport <strong>und</strong> Privatleben als ausgewogen betrachtet“,<br />

führt Conrad aus. Gerade die Gläubigsten entsprechen<br />

damit nicht den religiösen Vorgaben.<br />

„Gleichzeitig zeigte sich die Gruppe der Hochreligiösen<br />

in der quantitativen Erhebung weniger wettkampf-<br />

<strong>und</strong> gewinnorientiert als die Religiösen <strong>und</strong><br />

Nichtreligiösen“, erklärt Conrad. „Sie sehen viel-<br />

scientia halensis 2/2012 forschen <strong>und</strong> publizieren<br />

mehr Aufrichtigkeit, Fairness <strong>und</strong> die Erbringung der<br />

bestmöglichen Leistung als Maximen.“ Die Teilnahme<br />

an Wettkämpfen sei zwar auch für Hochreligiöse<br />

wichtig, der Vergleich mit anderen oder der eigenen<br />

Leistung jedoch weit weniger. Zudem seien die hoch<br />

religiösen Leistungssportler deutlich weniger schicksalsgläubig,<br />

lehnten Glücksbringer <strong>und</strong> Aberglauben<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>ihre</strong>s Vertrauens in Gott <strong>und</strong> der Akzeptanz<br />

seines Willens ab. „Viel überraschender war,<br />

dass die Gruppe der Religiösen den Aberglauben<br />

nicht ablehnt“, fügt die Sportwissenschaftlerin an.<br />

Zwischen den drei Sportlergruppen hätten sich aber<br />

auch unerwartete Gemeinsamkeiten gezeigt – in der<br />

Abweichung von den religiösen Normen: „So war<br />

bei den Hochreligiösen nicht etwa die Ehrung Gottes<br />

der Gr<strong>und</strong> für die Aufnahme <strong>und</strong> Fortführung des<br />

Sports, sondern wie bei den übrigen Befragten auch<br />

die Heranführung durch Fre<strong>und</strong>e oder Familie <strong>und</strong><br />

der erlebte Spaß am Sport“, erklärt Conrad. „Beide<br />

Gruppen messen zudem <strong>ihre</strong>n Erfolg an der eigenen<br />

bestmöglichen Leistung.“<br />

Aus <strong>ihre</strong>n Erkenntnissen sieht Conrad die Forderung<br />

untermauert, in der Sportlerbetreuung <strong>und</strong> -beratung<br />

künftig Unterschiede zwischen Nichtreligiösen,<br />

Religiösen <strong>und</strong> Hochreligiösen zu machen: „Die hoch<br />

religiösen Sportler haben aufgr<strong>und</strong> <strong>ihre</strong>s Glaubens<br />

ganz offenbar einen anderen Hintergr<strong>und</strong>, andere<br />

psychologische Konstrukte. Das sollte in der Sportpsychologie<br />

unbedingt Berücksichtigung finden.“<br />

Bei hoch religiösen Sportlern solle beispielsweise<br />

die Wettbewerbsorientierung in den Vordergr<strong>und</strong><br />

gerückt werden. Außerdem könne versucht werden,<br />

den religiösen Glauben gezielt zum Zwecke<br />

der Motivation oder zur Bewältigung schwieriger<br />

Situationen zu unterstützen.<br />

„Spannend wäre auch, zu untersuchen, wie es mit<br />

dem Verhältnis von Sport <strong>und</strong> Glauben in anderen<br />

Religionen aussieht“, ergänzt die Sportwissenschaftlerin,<br />

die derzeit als Lehrerin <strong>und</strong> Ausbilderin<br />

für die Hilfsorganisation „Relief Fo<strong>und</strong>ation“ im indischen<br />

Chennai selbst den Herausforderungen des<br />

Lebens in einer fremden Kultur <strong>und</strong> Religion gegenübersteht.<br />

Im Diskurs mit religiösen Einrichtungen<br />

<strong>und</strong> den offiziellen Seiten im Sport über die Trennung<br />

von Religion <strong>und</strong> Sport – so hat die FIFA etwa<br />

religiöse Trikotbotschaften untersagt – sieht Conrad<br />

ein weiteres interessantes Feld: „Zum Beispiel die<br />

Frage, warum eine solche Trennung vollzogen wird,<br />

wie sich dies auswirkt <strong>und</strong> wo die Grenze der Glaubensdarstellung<br />

liegt.“ Claudia Misch<br />

Sportethnologin Dr. Jana<br />

Conrad. (Foto: privat)<br />

Die Publikation „Die<br />

Bedeutung des christlichen<br />

Glaubens für Leistungssportlerinnen<br />

<strong>und</strong><br />

Leistungssportler“ von Dr.<br />

Jana Conrad ist im Verlag<br />

Dr. Kovac in den „Schriften<br />

zur Sportpsychologie,<br />

Band 4“ erschienen <strong>und</strong><br />

kostet 85 Euro.<br />

Seit fast drei Jahren bildet<br />

Jana Conrad in Indien<br />

Sportlehrer aus. Mehr über<br />

<strong>ihre</strong> Arbeit in Chennai im<br />

Onlinemagazin:<br />

WEBCODE MAG� 14047<br />

QR� CODE<br />

29


30 forschen <strong>und</strong> publizieren scientia halensis 2/2012<br />

Grüner Urknall, lebendes Fossil<br />

Vor 1,2 Milliarden Jahren fraß ein tierischer Einzeller ein Cyanobakterium. Nur verdaut hat er es nicht. Was<br />

folgte, war die Initialzündung für die Entstehung aller Pflanzen – <strong>und</strong> eines lebenden Fossils. Sein Bauplan<br />

enthält Informationen, die uns wahrscheinlich besser verstehen lassen, wie Pflanzen Licht sammeln <strong>und</strong> Proteine<br />

transportieren. Entschlüsselt hat ihn ein internationales Forscherteam. Mit dabei: MLU-Molekularbiologe<br />

Dr. Jürgen Steiner.<br />

Dr. Jürgen Steiner mit dem<br />

lebenden Fossil namens<br />

„Cyanophora paradoxa“.<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Der „Science“-Artikel von Dr.<br />

Jürgen Steiner <strong>und</strong> seinen<br />

Forscherkollegen steht online<br />

unter:<br />

http://www.sciencemag.org/<br />

lookup/doi/10.1126/<br />

science.1213561<br />

Die Faszination ist dem Forscher ins Gesicht geschrieben,<br />

wenn er in seinem Büro im Biologicum<br />

über das spricht, was zu einem viel beachteten<br />

„Science“-Artikel geführt hat. Kein W<strong>und</strong>er, beschreibt<br />

er doch etwas, „was man den Urknall<br />

der Pflanzenentstehung nennen könnte“. Erstaunlicherweise,<br />

so Steiner, sei es „in der Erdgeschichte<br />

wirklich nur einmal passiert, dass ein tierischer<br />

Einzeller ein Cyanobakterium aufgenommen <strong>und</strong><br />

als Plastiden, also als photosynthetische Zellorganelle,<br />

etabliert hat.“ Anders gesagt: Zum ersten<br />

<strong>und</strong> bisher einzigen Mal entstand ein Einzeller, der<br />

Photosynthese betreiben konnte. Die Gr<strong>und</strong>lage<br />

für die Entwicklung aller Pflanzen war gelegt – <strong>und</strong><br />

ein Wesen geboren, das heute für Botaniker ein<br />

lebendes Fossil darstellt. Es trägt den Namen „Cyanophora<br />

paradoxa“.<br />

Der entstandene Organismus ist für Jürgen Steiner<br />

<strong>und</strong> seine Mitstreiter ein wahrer Schatz. Seine<br />

Plastiden verfügen über eine rudimentäre bakterielle<br />

Zellwand – ein klares Relikt des damals aufgenommenen<br />

Cyanobakteriums. Im Kerngenom<br />

des lebenden Fossils fanden die Wissenschaftler<br />

28.000 Proteingene. „Darauf aufbauend konnten<br />

wir dann Proteinstammbäume darstellen“, berichtet<br />

der 45-jährige Österreicher.<br />

Wichtig sei dies vor allem für das Verständnis des<br />

Transports von Proteinen, deren Gensequenzen im<br />

Laufe der Evolution in den Zellkern verlagert wurden<br />

<strong>und</strong> nun nach <strong>ihre</strong>r Synthese im Cytosol zurück in<br />

den Plastiden gelangen müssen. „Das klingt simpel,<br />

ist aber ein hochkomplexer Prozess. In unserem<br />

Fossil können wir ihn in seiner ursprünglichen Form<br />

betrachten. Wir haben sozusagen den ersten Otto-<br />

Motor vor uns."<br />

Der Einblick in die frühe Entwicklungsgeschichte<br />

kann laut Steiner zum Verständnis aller möglichen<br />

Pflanzenmechanismen beitragen. „Gerade in Bezug<br />

auf die Lichtsammelkomplexe der Pflanzen erhoffen<br />

wir uns neue Erkenntnisse." Dabei handelt es sich<br />

um eine Ansammlung von Proteinkomplexen, welche<br />

die Energie für die Photosynthese bündeln – für<br />

den Molekularbiologen ein besonders spannendes<br />

Forschungsfeld. Im Biologicum auf dem Weinberg<br />

Campus laufen dazu Laboruntersuchungen.<br />

Für das aktuelle „Science“-Paper, das im Februar<br />

erschienen ist, hat sich Steiner auf die bioinformatische<br />

Auswertung von Daten konzentriert, die seine<br />

Forscherkollegen in den USA gesammelt haben.<br />

Projektleiter war Debashish Bhattacharya von der<br />

Rutgers University in New Brunswick (New Jersey).<br />

Beteiligt waren auch Wissenschaftler in Kanada,<br />

Frankreich, Südkorea <strong>und</strong> Österreich. Einer von<br />

ihnen: Wolfgang Löffelhardt, 2009 Kurt-Mothes-<br />

Gastprofessor an der MLU <strong>und</strong> Jürgen Steiners Doktorvater.<br />

Carsten Heckmann<br />

Kontakt: Dr. Jürgen Steiner<br />

Pflanzenphysiologie / Allgemeine Botanik<br />

Telefon: 0345 55 26203<br />

E-Mail: juergen.steiner@pflanzenphys.uni-halle.de


Neue Methode für Organanalyse<br />

TV-Arzt Dr. Gregory House wartet oft mit unorthodoxen<br />

diagnostischen Ansätzen auf. Nach Art eines<br />

Detektivs betrachtet er eine Vielzahl von Wechselwirkungen<br />

zwischen mehreren physiologischen<br />

Variablen, um die Ursache der Symptome zu verstehen<br />

<strong>und</strong> die richtige Diagnose zu finden. In der<br />

Realität konzentrieren sich Spezialisten hingegen<br />

üblicherweise auf ein Organ: Kardiologen prüfen vor<br />

allem EKG-Signale, Pneumologen Atemmuster <strong>und</strong><br />

Lungenfunktion, Neurologen das EEG des Gehirns.<br />

„Der menschliche Organismus ist allerdings ein integriertes<br />

Netzwerk von miteinander verb<strong>und</strong>enen<br />

<strong>und</strong> wechselwirkenden physiologischen Organ-Systemen,<br />

bei dem das Verhalten eines Systems durch<br />

Veränderungen in der Dynamik anderer Systeme<br />

betroffen sein kann", erläutert der statistische Physiker<br />

Dr. Jan Kantelhardt. Aufgr<strong>und</strong> dieser Wechselwirkungen<br />

könne der Ausfall eines Systems den<br />

Zusammenbruch des gesamten Netzwerks auslösen.<br />

„Um die physiologische Funktion zu verstehen, ist<br />

es daher entscheidend, das Netzwerk der Wechselwirkungen<br />

zu identifizieren <strong>und</strong> seine Entwicklung<br />

unter verschiedenen physiologischen Zuständen<br />

<strong>und</strong> pathologischen Bedingungen zu verfolgen.“<br />

Das ist nun machbar mit einer neuen Analysemethode,<br />

an deren Entwicklung Kantelhardt maßgeblich<br />

beteiligt war. Zusammen mit Forschern aus den<br />

USA, Israel <strong>und</strong> Bulgarien hat er sie im Fachmagazin<br />

„Nature Communications“ beschrieben. „Der in unserer<br />

Publikation entwickelte organübergreifende,<br />

integrative Ansatz könnte die Entwicklung eines<br />

neuen Fachgebietes, der Netzwerkphysiologie, auslösen“,<br />

sagt Kantelhardt. ch<br />

Ausschnitt: Nell, Hendel: Atlas<br />

der fiktiven Orte<br />

Korrektur<br />

scientia halensis 2/2012 forschen <strong>und</strong> publizieren<br />

Archetyp für Enzymreaktionen<br />

Der Biochemiker Professor Milton T. Stubbs <strong>und</strong><br />

sein Team „reisten“ für <strong>ihre</strong> Erkenntnisse noch<br />

weiter zurück als Molekularbiologe Jürgen Steiner:<br />

mehr als drei Milliarden Jahre. Die Wissenschaftler<br />

beobachteten innerhalb eines Enzyms (Tobramycin<br />

6''-O-Carbamoyltransferase, kurz TobZ) eine Reaktion,<br />

die in ähnlicher Form in allen Organismen<br />

anzutreffen ist. Ihre Schlussfolgerung: TobZ ist ein<br />

Archetyp, TobZ-ähnliche Enzyme müssen bereits<br />

sehr früh in der Evolution entstanden sein. „Diese<br />

Enzyme sind f<strong>und</strong>amental für die Protein-Herstellungs-Maschinerie<br />

<strong>und</strong> erlauben uns einen Blick zurück<br />

zur Entstehung des Lebens", ist Milton Stubbs<br />

überzeugt. Die neuen Erkenntnisse, veröffentlicht<br />

in der internationalen Ausgabe von „Angewandte<br />

Chemie“, könnten bei der Weiterentwicklung von<br />

Antibiotika helfen. ch<br />

In dem Text „Von Erfindungsgabe <strong>und</strong> poetischem Wahnsinn“<br />

(scientia halensis 1/2012) sind der Redaktion zwei bedauerliche<br />

Fehler unterlaufen. Richtig ist: Professor Dr. Werner Nell ist nicht<br />

Germanist, sondern Komparatist. Steffen Hendel, Illustrator des<br />

„Atlas der fiktiven Orte“, ist zudem kein Doktorand bei Professor<br />

Nell. Er promoviert in der Germanistik. cb<br />

Das Enzym, das Milton T.<br />

Stubbs erforschte, in kristallisierter<br />

Form.<br />

(Bild: AG Physikalische<br />

Biotechnologie)<br />

31


32 forschen <strong>und</strong> publizieren scientia halensis 2/2012<br />

Lese-Empfehlungen querbeet<br />

Zur ausführlichen Rezension:<br />

WEBCODE MAG� 14066<br />

Zur ausführlichen Rezension:<br />

WEBCODE MAG� 14067<br />

(fach-)literaturfabrik universität<br />

Und vor dem Garten Eden – die Cherubim mit dem Schwert<br />

Lyrik lesen, wer macht das schon? Aber es lohnt sich!<br />

Zum Beispiel, wenn es um Gedichte von Mile Stojić<br />

geht – von Kennern „Dichter der metaphysischen<br />

Nostalgie“, „Dichter der großen jugoslawischen Tragödie“<br />

<strong>und</strong> „Dichter der Liebe“ genannt.<br />

In der Reihe „neue lyrik“ des Leipziger Literaturverlags<br />

ist jetzt ein Auswahlband erschienen, mit 60<br />

Gedichten <strong>und</strong> acht Essays (eines davon in Versen)<br />

des kroatischen Literaten sowie einem aufschlussreichen<br />

Nachwort der Übersetzerin <strong>und</strong> Nachdichterin<br />

Cornelia Marks, Absolventin der halleschen<br />

Universität.<br />

Das biblische Schwert der Cherubim symbolisiert die<br />

Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, den<br />

in Stojić’ bosnisch-herzegowinischem Herkunftsland<br />

von Tausenden tausendfach erlittenen Heimatver-<br />

Die einstmals feste Burg als Universität?<br />

Die einst prächtige Moritzburg war nach dem Dreißigjährigen<br />

Krieg vielfältig missbraucht <strong>und</strong> schließlich<br />

ganz dem Verfall preisgegeben worden. Reale<br />

Chancen, diesen Zustand gr<strong>und</strong>legend zu ändern,<br />

ergaben sich zu Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts. Im<br />

Zusammenhang mit dem wachsenden Interesse an<br />

baulichen Zeugnissen der deutschen Geschichte wäre<br />

es eine nahezu ideale Option gewesen, der 1817<br />

gegründeten Vereinten Friedrichs-Universität hier<br />

ein neues Domizil zu geben.<br />

Der preußische Oberbaudirektor Karl Friedrich<br />

Schinkel war ein Fürsprecher dieses Plans. 1829<br />

legte er einen detaillierten Entwurf zur Nutzung<br />

des alten Burgkomplexes für die Universität <strong>Halle</strong>-<br />

Wittenberg vor.<br />

Die mögliche Mutation der Moritzburg zur Alma<br />

Mater war zwar nur eine von vielen Ideen zu Umbau<br />

<strong>und</strong> Neunutzung der alten Gemäuer, aber oh-<br />

lust. Und dennoch! „Der Leib ist müde, doch die<br />

Seele nicht, sie träumt noch leise …“, heißt es am<br />

Ende des Gedichts von „Cherubs Schwert“ – die<br />

Hoffnung stirbt, man weiß es, zuletzt.<br />

Mile Stojić ist in der deutschsprachigen Literatur<br />

fast so gut zu Hause wie in der eigenen; er hat lange<br />

Zeit im österreichischen Exil verbracht. In seinen<br />

Gedichten finden sich Motive <strong>und</strong> Zitate von Ingeborg<br />

Bachmann, Rainer-Maria Rilke, Alfred Polgar,<br />

Paul Celan ... Margarete Wein<br />

Mile Stojić: Cherubs Schwert. Gedichte <strong>und</strong> Essays.<br />

Aus dem Kroatischen von Cornelia Marks, in:<br />

Bibliothek Südost, Edition neue Lyrik, Band ��,<br />

Leipzig ����, ��� Seiten. ��,�� Euro<br />

ne Zweifel die attraktivste – man mag es bis heute<br />

bedauern, doch daraus wurde nichts. Der Autor<br />

analysiert die unterschiedlichsten Aspekte, die der<br />

damaligen Entscheidung über die Zukunft der Moritzburg<br />

zugr<strong>und</strong>e lagen.<br />

Die Vielzahl der Beteiligten führte am Ende zum<br />

Scheitern des Projekts. An die Stelle des Umbaus<br />

trat ein Neubau: In den Jahren 1832 bis 1834 wurde,<br />

die Universität bis heute prägend, das Löwengebäude<br />

gebaut. Margarete Wein<br />

Dieter Dolgner: Die Moritzburg in <strong>Halle</strong>. Karl<br />

Friedrich Schinkels Projekt zum Auf- <strong>und</strong> Ausbau<br />

für Universitätszwecke, ��� Seiten, zahlreiche<br />

Abbildungen, <strong>Halle</strong> ����, �� Euro


scientia halensis 2/2012 forschen <strong>und</strong> publizieren<br />

(fach-)literaturfabrik universität<br />

Mit vielen der Großen bekannt – doch selbst fast vergessen<br />

Die Wolfensteinstraße in <strong>Halle</strong>? Ja, die gibt es, ein<br />

Stück hinter dem Reileck rechts rein. Und wer war<br />

Wolfenstein? Da muss der hilfsbereite <strong>Halle</strong>nser<br />

meist passen – der fragende Fremde bleibt ohne<br />

Auskunft über diesen wahren Schatz der deutschen<br />

expressionistischen Literatur. Doch seit neuestem<br />

kann er sich selber helfen. Ende 2011 erschien ein<br />

Alfred-Wolfenstein-Lesebuch, herausgegeben <strong>und</strong><br />

mit einer Einführung zu Leben <strong>und</strong> Werk des bedeutenden<br />

Unbekannten versehen von dem jungen<br />

halleschen Germanisten Bernhard Spring – Insidern<br />

durch seine originellen Eichendorff-Krimis bekannt.<br />

Vier Kapitel Wolfenstein, mit frühen Gedichten,<br />

späten Gedichten, Erzählungen, Aufsätzen <strong>und</strong><br />

Essays, dazu ein Text des Herausgebers über „eine<br />

der seltsamsten <strong>und</strong> problematischsten Nebenfi-<br />

Kunst kommt von Können, Religion hat etwas mit<br />

Bindungen zu tun. Was können? Was (ver-)binden?<br />

Ist von Emil Nolde die Rede, geht es ums Malenkönnen;<br />

Religion meint hier das Miteinander von<br />

menschlichem Streben <strong>und</strong> göttlichem Willen – allen<br />

weltlichen Widrigkeiten zum Trotz.<br />

Am Anfang war ein Bild: „Simeon begegnet Maria<br />

im Tempel“, 1915 gemalt. Da war der Maler schon<br />

fast 50 Jahre alt, die Welt wurde wieder einmal erschüttert<br />

von einem Krieg. Jahrzehnte später erst<br />

hefteten Historiker ihm (wegen der Chronologie)<br />

das Etikett „erster Weltkrieg“ an.<br />

Dieses Werk <strong>und</strong> drei weitere Bilder von Emil Nolde<br />

– „Abendfriede“ (1930), „Lichte See“ (1915) <strong>und</strong><br />

„Boot im Schilf“ (1909) – standen an den Adventssonntagen<br />

2010 zusammen mit Kompositionen von<br />

Axel Gebhardt <strong>und</strong> autobiografischen Notizen des<br />

Meisters im Zentrum einer singulären Veranstal-<br />

guren des Expressionismus“. Die ehrgeizige Mutter<br />

drängt Alfred zum Jurastudium, doch er will Dichter<br />

werden <strong>und</strong> setzt sich durch. Sein erster Erfolg: Der<br />

Gedichtband „Die gottlosen Jahre“, der 1914 im<br />

renommierten S. Fischer-Verlag erscheint. Er kennt<br />

Rudolf Kayser, Rilke, Kafka, Hesse, Döblin, Werfel,<br />

Ernst Bloch, Thomas Mann, Gottfried Benn <strong>und</strong><br />

viele andere <strong>und</strong> wird doch – zu unrecht – stets in<br />

<strong>ihre</strong>m Schatten bleiben. Die Barbarei der Nazi-Zeit<br />

überlebt Wolfenstein nicht. Margarete Wein<br />

Bernhard Spring (Hg.): Alfred Wolfenstein.<br />

Lesebuch, Mitteldeutscher Verlag <strong>Halle</strong> ����, ���<br />

Seiten, mit Fotos aus dem Alfred-Wolfenstein-<br />

Archiv der Akademie der Künste Berlin, �� Euro<br />

Begegnungen – mit dem Abend, auf See, im Tempel, im Boot …<br />

tungsreihe, die viele <strong>Halle</strong>nser in die Moritzkirche<br />

lockte. Die Resonanz war so groß, dass die Initiatoren<br />

– Theologieprofessorin Regina Radlbeck-Ossmann<br />

<strong>und</strong> Alt-Rektor Wulf Diepenbrock – beschlossen,<br />

das Ereignis auch allen, die nicht dabei waren,<br />

zugänglich zu machen. Und so sind jetzt Bilder <strong>und</strong><br />

Texte sowie ein Interview mit der Wissenschaftlerin<br />

<strong>und</strong> Malerin Sylvia Vandermeer in einem Buch<br />

vereint, dazu die Audio-Aufzeichnungen der vier<br />

Abende – ein „must have“ für die nächste Vorweihnachtszeit.<br />

Margarete Wein<br />

Regina Radlbeck-Ossmann / Wulf Diepenbrock:<br />

Meisterwerk, Lebenskunst, Spiritualität. Vier<br />

Werke Emil Noldes in der Begegnung von Kunst<br />

<strong>und</strong> Religion, Universitätsverlag <strong>Halle</strong>-Wittenberg<br />

����, ��� Seiten, vier Farbtafeln, eine CD, ��,��<br />

Euro<br />

Lese-Empfehlungen querbeet<br />

Zur ausführlichen Rezension:<br />

WEBCODE MAG� 14068<br />

Zur ausführlichen Rezension:<br />

WEBCODE MAG� 14069<br />

33


34 forschen <strong>und</strong> publizieren scientia halensis 2/2012<br />

Sie sind die Fachkräfte fürs<br />

Spitzencluster: Prof. Markus<br />

Pietzsch überreicht den beiden<br />

aktuellen Absolventen des<br />

Masterstudiengangs „Pharmaceutical<br />

Biotechnology“<br />

Remon Soliman (rechts) aus<br />

Ägypten <strong>und</strong> Doris Tengu<br />

Njoh aus Kamerun <strong>ihre</strong><br />

Abschlusszeugnisse.<br />

(Foto: Michael Deutsch)<br />

Neuer Studiengang fürs Spitzen-Cluster<br />

Die Ampeln für grüne Technologien stehen auf grün.<br />

Das hiesige Leuchtturmprojekt „BioEconomy“ aus<br />

Mitteldeutschland gehört zu den fünf Gewinnern<br />

des Spitzencluster-Wettbewerbs des B<strong>und</strong>esministeriums<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung (BMBF). Die<br />

Bewerbungs-, Warte- <strong>und</strong> Bange-Phase hat ein Ende<br />

<strong>und</strong> wurde Mitte Januar von der Hurra-Phase abgelöst.<br />

Denn die beteiligten Forschungs- <strong>und</strong> Industriepartner<br />

– mittlerweile haben 80 den „Letter of<br />

intent“ unterzeichnet – werden in den kommenden<br />

fünf Jahren mit 40 Millionen Euro vom B<strong>und</strong> gefördert.<br />

Und das Beste: Auch das Institut für Pharmazie<br />

der Martin-Luther-Universität ist beteiligt – dank<br />

Professor Markus Pietzsch. Der 47-Jährige konnte<br />

seine langjährigen, guten Kontakte zu Thomas Hirth,<br />

Leiter des Fraunhofer-Zentrums für Chemisch-Biotechnologische<br />

Prozesse, nutzen <strong>und</strong> hat die Universität<br />

mit ins Boot geholt. Und Pietzsch spricht von<br />

einer Sensation. Denn das Spitzencluster verbinde,<br />

ja verzahne erstmals alle relevanten Forschungs-<br />

<strong>und</strong> Industriebereiche in Mitteldeutschland, die<br />

sich mit der Bioökonomie beschäftigten – angefangen<br />

von der Holzwirtschaft, dem Maschinen- <strong>und</strong><br />

Anlagenbau, der Chemie- <strong>und</strong> Kunststoffindustrie,<br />

der Bioenergiewirtschaft <strong>und</strong> nicht zu vergessen<br />

der Wissenschaft.<br />

Doch was ist Bioökonomie? Unter dem Begriff<br />

lassen sich alle industriellen Sektoren zusammenfassen,<br />

die nachwachsende Rohstoffe verarbeiten<br />

oder in irgendeiner Form nutzen, sagt Pietzsch.<br />

Der Anspruch des Spitzen-Clusters wiegt weitaus<br />

höher. „In der Bioökonomie geht es auch darum,<br />

nachwachsende Rohstoffe maximal auszunutzen“,<br />

so der Biotechnologe, der das an einem Beispiel<br />

verdeutlicht. „So kann man aus Holz zunächst<br />

einmal Möbel bauen.“ Doch Fakt ist: Wo gehobelt<br />

wird, fallen auch Späne. „Spätestens jetzt sollte<br />

man darüber nachdenken, ob man die Holzreste<br />

stofflich für die chemische Gr<strong>und</strong>industrie nutzen<br />

könne, bevor sie in der Verwertungskette nur noch<br />

energetisch von Interesse sind“, sagt Pietzsch.<br />

Ökonomisch wirtschaften hieße, dass man Materialien<br />

nicht immer gleich wegwirft oder verbrennt,<br />

sondern versucht, sie in andere Produkte zu überführen.<br />

Es gilt also Verfahren zu entwickeln, mit<br />

denen nachwachsende Rohstoffe, etwa Holz, in<br />

Raffinerien zu Gr<strong>und</strong>stoffen umgewandelt werden,<br />

die Ausgangspunkt für neue Kunststoffe sind. Erdöl


als Lebenselixier der verarbeitenden Industrie werde<br />

schließlich knapper <strong>und</strong> teurer. Das sei eine der<br />

vielen Herausforderungen der Bioökonomie, die in<br />

Deutschland enorme Wachstumschancen besitze,<br />

sagt Markus Pietzsch.<br />

Zurück zur Universität. Die wird im Cluster den<br />

Ton bei der Ausbildung angeben, speziell bei den<br />

Masterstudiengängen. „Bedingt durch die Investitionen<br />

werden sich bald Firmen- <strong>und</strong> Forschungseinrichtungen<br />

ansiedeln, die Fachkräfte benötigen.<br />

Sowohl auf dem Facharbeiterniveau als auch auf der<br />

Fachhochschul- <strong>und</strong> Universitätsebene“, prognostiziert<br />

Pietzsch. Aufbauend auf den 2008 ins Leben<br />

gerufenen Masterstudiengang „Pharmaceutical Biotechnology“,<br />

der sich vor allem mit therapeutischen<br />

Proteinen <strong>und</strong> Arzneiwirkstoffen beschäftigt, die<br />

sich biotechnologisch herstellen lassen, hat Pietzsch<br />

ein Ass im Ärmel. „Für das Spitzencluster brauchen<br />

wir eine weitere Fachrichtung, nämlich die der industriellen<br />

Biotechnologie. Genau so wird ein neuer<br />

englischsprachiger Masterstudiengang titeln, der in<br />

den nächsten zwei Jahren aufgebaut wird“, kündigt<br />

der Professor an, der im Spitzencluster die Funktion<br />

scientia halensis 2/2012 forschen <strong>und</strong> publizieren<br />

des Teilgebietsleiters für Ausbildung innehat. Etwa<br />

25 Studienplätze - identisch zum Pendant „Pharmaceutical<br />

Biotechnology“ - sind bereits geplant.<br />

Außerdem soll zusätzlich ein Masterstudiengang<br />

„Bioökonomie“ ins Leben gerufen werden, in dem<br />

sich neben den Natur- auch die Wirtschaftswissenschaften<br />

wiederfinden sollen.<br />

Doch wie begünstigt ist die MLU, wenn das BMBF 40<br />

Millionen Euro locker macht? „Ich hätte jetzt gern<br />

gesagt, dass ich drei Millionen Euro abbekomme“,<br />

sagt Pietzsch lachend. „Nein, wir werden aber Stiftungsprofessuren<br />

einwerben. Die Industriepartner<br />

stellen dafür Stiftungsmittel zur Verfügung, damit<br />

wir die neuen Studiengänge aufbauen <strong>und</strong> finanzieren<br />

können.“ Michael Deutsch<br />

Kontakt: Prof. Dr. Markus Pietzsch<br />

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35


36 personalia scientia halensis 2/2012<br />

personalia<br />

„Löw sollte<br />

Marius mitnehmen“<br />

Deutschland will Fußball-Europameister werden. Nichts leichter als das: Die Fußballer der MLU haben 2011<br />

vorgemacht, wie es geht. Im Interview mit scientia halensis geben „Elfmetertöter“ Marius Kansy <strong>und</strong> Final-<br />

Torschütze Michael Schmidt <strong>ihre</strong>n Erfahrungsschatz Preis. Sie sprechen über entscheidende Stärken, riskante<br />

Aktionen <strong>und</strong> die wichtigste Trainer-Entscheidung.<br />

Der Torschütze <strong>und</strong> der<br />

„Elfmetertöter“: Die beiden<br />

Europameister Marius Kansy<br />

(links) <strong>und</strong> Michael Schmidt<br />

werden die UEFA-EM 2012<br />

mit Spannung verfolgen.<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Wie fühlt man sich als Fußball-Europameister?<br />

Michael Schmidt: Den Titel zu holen, ist der absolute<br />

Wahnsinn. Ein unbeschreibliches Gefühl, weil<br />

wir als Underdog in das Turnier gestartet sind <strong>und</strong><br />

uns unglaublich gesteigert haben.<br />

Wenn ich jetzt daran zurück denke, hab ich sofort<br />

wieder ein Lächeln auf den Lippen. Es war einfach<br />

eine traumhafte Woche.<br />

Marius Kansy: Ein tolles Gefühl, wenn man sich<br />

überlegt, dass das noch keine deutsche Uni-Mannschaft<br />

vorher geschafft hat. Ich kann jetzt erzählen:<br />

Ich bin Europameister. Das soll erst mal einer<br />

nachmachen.<br />

Im Juni steht die UEFA-Europameisterschaft an.<br />

Gibt es aus <strong>ihre</strong>r Sicht Parallelen?


Schmidt: Absolut. Der Turnier-Charakter ist der gleiche.<br />

Wir haben das Lager gemeinsam bezogen <strong>und</strong><br />

konnten mit den anderen Mannschaften in Kontakt<br />

treten, sind als Team mit dem Bus zum Training gefahren.<br />

Das war alles neu für uns. Sehr professionell<br />

organisiert.<br />

Was trauen sie der Fußballnationalmannschaft in<br />

diesem Jahr in Polen zu?<br />

Schmidt: Alles <strong>und</strong> Nichts. So wie sich die Nationalmannschaft<br />

in der Qualifikation präsentiert hat, ist<br />

sie der absolute Favorit. Aber in den letzten Spielen<br />

hat man gesehen: Wenn es in der Mannschaft aus<br />

irgendwelchen Gründen nicht stimmt, dann können<br />

auch Spiele verloren gehen, von denen man das<br />

nicht gedacht hätte. Wenn sich Deutschland jedoch<br />

wieder als die Turniermannschaft präsentiert, die<br />

sie stets war, dann gewinnen die Jungs das Ding.<br />

Wer könnte für Deutschland der Matchwinner<br />

werden?<br />

Schmidt: Da müsste ich lange überlegen, aber genau<br />

das ist unsere große Stärke. Alle sind in der Lage das<br />

entscheidende Tor zu machen. Die Unberechenbarkeit<br />

ist unsere Stärke.<br />

Für die Unimannschaft haben Sie, Herr Schmidt, im<br />

Finale gegen Frankreich beide Tore erzielt. Eines<br />

davon war ein spektakulärer Fernschuss.<br />

Kansy: Ein typischer Schmidter. Danach hat er sagt:<br />

Den hab ich gesehen, den wollte ich machen.<br />

Schmidt: Klar, in diesem Moment geht man volles<br />

Risiko. Schickt noch alles Gute hinterher <strong>und</strong> hofft.<br />

Solch eine Situation bietet sich nicht so oft.<br />

Bis zum Finale mussten Sie stets ins Elfmeterschießen.<br />

Dabei waren meist Sie der Garant für den<br />

EU-Hochschulmeister im Fussball<br />

Sieg, Herr Kansy. Sie haben sich einen Namen als<br />

Elfmetertöter gemacht, im Viertelfinale gegen die<br />

Türkei zum Beispiel vier von sechs Bällen gehalten.<br />

Kann man das vorher trainieren?<br />

Kansy: Den Elfmeterschuss auf jeden Fall, die Situation<br />

als Torwart nicht. Im Training hat man nicht das<br />

Ausscheiden der Mannschaft im Hinterkopf. Es sind<br />

keine Zuschauer da. Der Druck ist nicht gegeben. Im<br />

Spiel selbst ist dann auch immer ein bisschen Glück<br />

mit dabei. Wenn man einen guten Stand hat, dann<br />

hat man auch in der Situation des Elfmeterschießens<br />

ein gutes Gefühl <strong>und</strong> das Quäntchen Glück, was man<br />

sich vorher erarbeitet hat.<br />

Haben Sie ein Vorbild?<br />

Kansy: Wie man gerne spielen würde, ist glaube<br />

ich klar: Manuel Neuer ist die beste Torwartadresse,<br />

die man in Deutschland hat. Alleine von der<br />

Schnelligkeit <strong>und</strong> der Strafraumbeherrschung her<br />

ist es einfach nur der Wahnsinn. Auch wenn er in<br />

den letzten Partien nicht so überzeugend war: Die<br />

Abgeklärtheit bei hohen Bällen <strong>und</strong> die schnelle<br />

Spielfortsetzungen ist erstrebenswert.<br />

Schmidt: Momentan haben wir die beste Offensivabteilung<br />

in Europa. Gerade das, was Mesut Özil im<br />

Moment macht, ist Wahnsinn. Und Bastian Schweinsteiger<br />

schaltet grandios von Defensive auf Offensive<br />

um. Da kann sich jeder Fußballer was abschauen.<br />

Haben sie noch einen Europameistertipp für<br />

Joachim Löw?<br />

Schmidt: Ich würde ihm raten, Marius mitzunehmen<br />

als dritten Torhüter. Falls ein Elfmeterschießen ansteht,<br />

gewinnt man das mit ihm garantiert. Das ist<br />

eine sichere Sache. Das ist mein goldener Tipp.<br />

Interview: Sarah Huke <strong>und</strong> Carsten Heckmann<br />

Die MLU ist Europameister: 2011 fanden in Istanbul die 9. EU-Hochschulmeisterschaften im Fußball<br />

statt. Für Deutschland trat jedoch keine Nationalmannschaft an, sondern das Kicker-Team<br />

der Uni <strong>Halle</strong>. Zunächst mussten die Jungs für die Qualifikation jedoch „Deutscher Meister“ werden.<br />

Das Finalspiel der EM gegen das französische Uni-Team aus Lille gewannen sie mit 2:1 <strong>und</strong><br />

holten so erstmals den Titel „Europäischer Hochschulmeister im Fußball“ nach Deutschland. sh<br />

scientia halensis 2/2012 personalia<br />

Michael Schmidt bei einem<br />

Übungsspiel in <strong>Halle</strong>.<br />

(Foto: Michael Deutsch)<br />

Michael Schmidts Siegtor auf<br />

Youtube:<br />

WEBCODE MAG� 2208<br />

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37


38 anzeigen scientia halensis 2/2012<br />

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Stefan Plontke will für den Arztberuf begeistern<br />

Im Juli 2010 übernahm Professor Stefan Plontke<br />

die Leitung der Universitätsklinik für Hals-Nasen-<br />

Ohren-Heilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Kopf- <strong>und</strong> Hals-Chirurgie an<br />

der MLU. Die Ernennung zum Universitätsprofessor<br />

an der MLU erfolgte im Februar 2011.<br />

Der gebürtige Dresdner studierte von 1990 bis<br />

1997 Humanmedizin an der Berliner Charité <strong>und</strong> im<br />

Ausland, unter anderem an der Harvard University<br />

in Boston. 1998 promovierte er an der Otto-von-<br />

Guericke-Universität Magdeburg mit „summa cum<br />

laude“. Für seine Arbeit wurde er zudem mit dem<br />

Dissertationspreis der Deutschen Gesellschaft für<br />

Hals-Nasen-Ohren-Heilk<strong>und</strong>e e. V. ausgezeichnet.<br />

Bis 2003 war der verheiratete Familienvater Assistenzarzt<br />

an der Universitäts-HNO-Klinik Tübingen.<br />

Von 2001 bis 2010 leitete er die Arbeitsgruppen<br />

„Innenohrpharmakologie“ <strong>und</strong> „Klinische Studien“<br />

am Hörforschungszentrum Tübingen (THRC).<br />

Plontke machte 2003 seinen Facharzt für Hals-<br />

Nasen-Ohren-Heilk<strong>und</strong>e, wurde zwei Jahre später<br />

Oberarzt der Klinik <strong>und</strong> habilitierte sich 2006 mit<br />

„Untersuchungen zur lokalen Medikamentenapplikation<br />

an das Innenohr“. 2009 wurde er zum außerplanmäßigen<br />

Professor an der Eberhard-Karls-Universität<br />

Tübingen ernannt.<br />

Die Medizinische Fakultät der Universität Tübingen<br />

zeichnete ihn für sein hervorragendes Lehrkonzept<br />

aus. Für seine „herausragende Leistungen auf dem<br />

Gebiet der Erforschung von Erkrankungen des Hör-<br />

<strong>und</strong> Gleichgewichtsorganes“ wurde er mit dem<br />

Hennig-Vertigo-Preis geehrt.<br />

Den begeisterten Fagott- <strong>und</strong> Saxophon-Spieler<br />

reizen an seinem Fachgebiet die Vielseitigkeit seiner<br />

Arbeit sowie die „Gestaltungsmöglichkeiten in<br />

Klinik, Lehre <strong>und</strong> Forschung“.<br />

Plontke möchte Studierende für den Arztberuf <strong>und</strong><br />

sein Fachgebiet begeistern, wissenschaftliche Neugier<br />

wecken <strong>und</strong> die Forschung seines Fachgebietes<br />

mit interdisziplinärer Ausrichtung stärken.<br />

Melanie Zimmermann<br />

Guido Posern erforscht Mechanismen von Zellfunktionen<br />

Wie das Leben auf zellulärer <strong>und</strong> molekularer Ebene<br />

funktioniert, erforscht Guido Posern, der seit<br />

dem 1. März 2012 an der Martin-Luther-Universität<br />

die Professur für Biochemie inne hat. Gleichzeitig<br />

ist er Direktor des Instituts für Physiologische<br />

Chemie. Wie schafft es die Natur, die komplexen<br />

Lebensprozesse zu integrieren? Was läuft falsch<br />

bei Krankheiten wie Krebs? Kann man bei fehlgeleiteten<br />

Prozessen intervenieren? Diesen Fragen<br />

geht der Zellbiologe mit seiner Arbeitsgruppe nach.<br />

1968 in Hamburg geboren, studierte Guido Posern<br />

Biologie an der Technischen Universität Braunschweig<br />

bis 1996 <strong>und</strong> arbeitete seitdem an verschiedenen<br />

Forschungseinrichtungen. An der Universität<br />

Würzburg wurde er 1999 promoviert <strong>und</strong><br />

schloss einen vierjährigen Forschungsaufenthalt<br />

am Cancer Research UK Institute in London an. Seit<br />

2004 leitete Posern eine Nachwuchsforschungsgruppe<br />

am Max-Planck-Institut für Biochemie<br />

München <strong>und</strong> lehrte an der Ludwig-Maximilians-<br />

Universität.<br />

„Mich reizt in <strong>Halle</strong> die Möglichkeit, die am MPI begonnenen<br />

Forschungsvorhaben mit einer längeren<br />

Perspektive fortsetzen <strong>und</strong> vertiefen zu können“,<br />

sagt Posern. „Ich möchte die Forschungslandschaft<br />

in der vorklinischen Medizin stärken <strong>und</strong> die verschiedenen<br />

Arbeitsgruppen in den Lebenswissenschaften<br />

noch besser verzahnen.“ Eine Herausforderung<br />

sieht er in der ihm übertragenen Leitung<br />

<strong>und</strong> Neuorientierung des Instituts. In der Lehre<br />

geht es ihm darum, Studierende für die zellulärmolekularen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen des Lebens <strong>und</strong> der Medizin<br />

zu begeistern.<br />

Der Vater zweier Söhne (ein <strong>und</strong> vier Jahre alt)<br />

geht auch gern Bergwandern, Skilaufen, Joggen<br />

<strong>und</strong> Radfahren, wenn die Zeit es zulässt. Weitere<br />

Interessen gelten der Fotografie <strong>und</strong> Architektur.<br />

„In <strong>Halle</strong> gibt es traumhaft schöne Gegenden am<br />

Saaleufer, herrliche Gründerzeit- <strong>und</strong> Jugendstilbauten“,<br />

schwärmt Posern. Allerdings gebe es noch<br />

Nachholbedarf bei der Stadtverkehrsplanung für<br />

Fahrradfahrer. Ute Olbertz<br />

scientia halensis 2/2012 personalia<br />

Prof. Dr. Stefan Plontke<br />

Universitätsklinik <strong>und</strong><br />

Poliklinik für Hals-Nasen-<br />

Ohrenheilk<strong>und</strong>e, Kopf- <strong>und</strong><br />

Hals-Chirurgie<br />

Tel: 0345 55 71784<br />

E-Mail: Stefan.plontke@<br />

uk-halle.de<br />

Prof. Dr. Guido Posern<br />

Institut für Physiologische<br />

Chemie<br />

Telefon: 0345 557 3812<br />

E-Mail: biochemie@medizin.<br />

uni-halle.de<br />

39


40 personalia scientia halensis 2/2012<br />

Unzählige Varianten des Fragebogens, der durch die Antworten von Marcel Proust so berühmt geworden ist,<br />

sind in den Medien zu finden. scientia halensis spielt ebenfalls mit. Diesmal ist unser Match-Partner der emeritierte<br />

Anatomieprofessor Rüdiger Schultka, Leiter der Meckelschen Sammlungen der MLU.<br />

Bild: Rüdiger Schultka mit<br />

den siamesischen Zwillingen<br />

aus den Meckelschen Sammlungen.<br />

Das Präparat befindet<br />

sich heute im Institut für<br />

Anatomie <strong>und</strong> Zellbiologie.<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Rüdiger Schultka<br />

1 | Warum leben Sie in <strong>Halle</strong> <strong>und</strong> nicht anderswo?<br />

Ich wohne seit 1999 nicht mehr in <strong>Halle</strong>,<br />

sondern in Naumburg. Ich habe aber mit meiner<br />

Familie 25 Jahre in <strong>Halle</strong> gelebt <strong>und</strong> fühle mich<br />

der Stadt seit mehr als 50 Jahren verb<strong>und</strong>en.<br />

2 | Wenn Sie nicht Mediziner wären, was wären<br />

Sie dann geworden? In der Kindheit hat man<br />

Träume. Mein Traum war es, Arzt zu werden. Ich<br />

studierte Medizin <strong>und</strong> wollte in die praktische<br />

Medizin. Ich wurde Anatom, weil Anatomie ein<br />

faszinierendes Fachgebiet ist. Wenn es nicht so<br />

gelaufen wäre, wäre ich jetzt traurig.<br />

3 | Was war an Ihrer Studienzeit am besten?<br />

In unserem Studium hatten wir hervorragende<br />

Hochschullehrer. Sie haben uns geformt, gefordert<br />

<strong>und</strong> gefördert. Für mich war die Studienzeit<br />

eine anstrengende, aber schöne Zeit.<br />

4 | Welchen Rat fürs Überleben würden Sie<br />

Studenten geben? Fleißig <strong>und</strong> intensiv zu lernen,<br />

rational zu arbeiten. Die Zeitplanung spielt im<br />

Studium eine ganz große Rolle. Viele Studierende<br />

beherrschen dieses Gr<strong>und</strong>prinzip. Sie benötigen<br />

aber auch Freiräume, um <strong>ihre</strong>r eigenen Persönlichkeitsentwicklung<br />

gerecht zu werden.<br />

5 | Wenn Sie Rektor einer Universität wären,<br />

was würden Sie als erstes tun?<br />

Ich würde mich dafür einsetzen, mehr Geld für<br />

die Universität zur Verfügung zu haben, um Stellen<br />

zu sichern, um mehr tun zu können für Lehre<br />

<strong>und</strong> Forschung. Sparen ist richtig, aber an der<br />

richtigen Stelle, bitte nicht an der Wissenschaft.<br />

Ich würde die junge Generation fördern, wo es<br />

nur geht; auch unter Berücksichtigung von Sesshaftigkeit<br />

<strong>und</strong> Familienplanung.<br />

6 | Was ist für Sie die erste Aufgabe der Wissenschaft?<br />

Ich sehe die erste Aufgabe der Wissenschaft<br />

darin, Gesetzmäßigkeiten in Natur <strong>und</strong><br />

Gesellschaft aufzudecken, die Wahrheit zu finden,<br />

<strong>und</strong> das bedarf einer ausgeprägten Leidenschaft,<br />

in das Unbekannte einzudringen.<br />

7 | Was haben Intelligenz <strong>und</strong> Menschlichkeit<br />

miteinander zu tun? Sie gehören eigentlich<br />

zusammen <strong>und</strong> sollten eine Einheit bilden. Die Realität<br />

sieht leider oft anders aus. In der Menschheitsgeschichte<br />

gibt es genügend Beispiele, die<br />

bestätigen, dass Intelligenz <strong>und</strong> Menschlichkeit<br />

auseinanderdriften. Warum müssen unschuldige-<br />

Menschen tagtäglich durch irrationale Handlungen<br />

ihr Leben lassen?<br />

8 | Worüber ärgern Sie sich am meisten? Über<br />

meine eigenen Fehler, die ich mache, gemacht<br />

habe. Im Alter denkt man über viele Dinge nach.<br />

9 | Was bringt Sie zum Lachen? Die Hahnemann,<br />

Herricht <strong>und</strong> Preil, Charlie Chaplin, Dick <strong>und</strong>


Doof, Dinner For One, <strong>und</strong> Entscheidungen, die<br />

von einigen Zeitgenossen „so selbstverständlich“<br />

getroffen werden.<br />

10 | Was schätzen Sie an Ihren Fre<strong>und</strong>en? Ehrlichkeit,<br />

Vertrauen, Zuverlässigkeit, gegenseitige<br />

Achtung, Anerkennung <strong>und</strong> Hilfe, kein überzogenes<br />

Konkurrenzdenken – das sind die Gr<strong>und</strong>festen<br />

einer Fre<strong>und</strong>schaft. Wie oft sind „große“<br />

Fre<strong>und</strong>schaften an Kleinigkeiten <strong>und</strong> Egozentrik<br />

gescheitert.<br />

11 | Wo sehen Sie Ihre Stärken? Ich bin ein<br />

„ostpreußischer Ackergaul“; ich ziehe meinen<br />

Lebenswagen mit Kraft, Ausdauer <strong>und</strong> Einsatzfreude;<br />

<strong>und</strong> ich liebe meinen Beruf als Lehrer <strong>und</strong><br />

Anatom.<br />

12 | Was erwarten Sie von der Zukunft?<br />

Ganz einfach: Frieden, Humanität, ökonomische<br />

Stabilität, soziale Sicherheit, Arbeit für alle, Schutz<br />

der Natur, Völkerverständigung, ein einheitliches<br />

Europa, eine einheitliche Welt, <strong>und</strong> weitere Fortschritte<br />

in der wissenschaftlichen Entwicklung<br />

zum Wohle der Menschheit.<br />

13 | Woran glauben Sie? An die menschliche<br />

Vernunft, an das Gute im Menschen.<br />

14 | Welchen bedeutenden Menschen unserer<br />

Zeit hätten Sie gern als Gesprächspartner?<br />

Die Ministerpräsidentin Thüringens Christine<br />

Lieberknecht, Friedrich Schorlemmer <strong>und</strong> Gregor<br />

Gysi. Sie sind mir sehr sympathisch, sind klug,<br />

kritisch, sehr konstruktiv in <strong>ihre</strong>n Auffassungen<br />

<strong>und</strong> achten <strong>ihre</strong> Gesprächspartner.<br />

15 | Wer war oder ist für Sie der wichtigste<br />

Mensch in Ihrem Leben? Zuallererst meine Frau.<br />

Sie ist mit mir sehr tolerant <strong>und</strong> hat mir in schwierigen<br />

Zeiten viel, viel Kraft gegeben.<br />

16 | Welchen Ort der Welt möchten Sie unbedingt<br />

kennen lernen? Die Orte, wo berühmte<br />

anatomische Sammlungen stehen, z. B. London,<br />

wo sich das Huntersche Museum befindet.<br />

17 | Womit verbringen Sie Ihre Freizeit am<br />

liebsten? Mit anatomischen Studien in den<br />

Meckelschen Sammlungen, mit Nachforschungen<br />

vor allem im Universitätsarchiv <strong>und</strong> mit<br />

anatomischem Unterricht. Und Spaziergänge mit<br />

meiner Frau <strong>und</strong> Dackel Lumpi.<br />

18 | Was wären Ihre drei Bücher für die Insel?<br />

Erich Maria Remarque „Im Westen nichts Neues“,<br />

Leo Tolstoi „Krieg <strong>und</strong> Frieden“, Karl Marx „Das<br />

Kapital“, die Bibel. Diese Werke sind hochinteressant,<br />

in ihnen steckt ein hohes geistiges Potenzial.<br />

19 | Wenn Sie einen Wunsch frei hätten …?<br />

Lernen aus den Fehlern der Vergangenheit für alle<br />

Menschen <strong>und</strong> eine Frau als B<strong>und</strong>espräsidentin.<br />

20 | Ihr Motto? Möglichst noch lange ges<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> aktiv zu bleiben.<br />

scientia halensis 2/2012 personalia<br />

Aus der Vita<br />

geb. 1939<br />

Studium der Medizin <strong>und</strong><br />

Promotion in <strong>Halle</strong><br />

ab 1966 wissenschaftlicher<br />

Assistent im Anatomischen<br />

Institut zu <strong>Halle</strong>, Facharzt<br />

für Anatomie<br />

1987 Berufung zum<br />

ordentlichen Professor<br />

nach <strong>Halle</strong><br />

1987-1992 Direktor des<br />

Instituts für Anatomie<br />

1993-2004 Leiter des<br />

makroskopisch-anatomischen<br />

Arbeitsbereiches<br />

des Instituts für Anatomie<br />

<strong>und</strong> Zellbiologie<br />

seit 1993 Leiter der<br />

Meckelschen Sammlungen<br />

seit 2004 im Ruhestand<br />

seit 2007 Vorsitzender des<br />

Fördervereins Meckelsche<br />

Sammlungen der Martin-<br />

Luther-Universität<br />

<strong>Halle</strong>-Wittenberg e. V.,<br />

2010 Verleihung des<br />

Meckel-Preises des Fördervereins<br />

41


42 zeitgeist scientia halensis 4/2011<br />

Der Zeitgeist, Jahrgang<br />

1760, tauchte zuerst bei<br />

Johann Gottfried Herder<br />

auf. Auch Johann Wolfgang<br />

von Goethe setzte<br />

ihm ein Denkmal, indem<br />

er Faust vom „Geist der<br />

Zeiten“ sprechen ließ.<br />

Inzwischen wirkt er -<br />

unübersetzt oder als „spirit<br />

of the times“ - längst auch<br />

in der englischsprachigen<br />

Welt.<br />

Welche Folgen die Erfindung<br />

eines Neologismus haben<br />

kann, erfahren Sie im Onlinemagazin:<br />

WEBCODE MAG� 14076<br />

QR� CODE<br />

Eine uns bekannte Redaktion nahm sich anlässlich<br />

des Wissenschaftsjahres 2012 vor, über die Früchte<br />

der Wissenschaft im hiesigen <strong>Halle</strong> zu schreiben.<br />

Während in illustrer Themenfindungs- <strong>und</strong> -auswahlr<strong>und</strong>e<br />

Neuronen feuerten, kritisierte eine<br />

Geisteswissenschaftlerin: „Das sind ausschließlich<br />

naturwissenschaftlich-technische Themen.“ Stille,<br />

Zustimmung.<br />

„Aber eine Erfindung ist ein Ding, etwas Technisches,<br />

womit sich zum Beispiel ein Verfahren optimieren<br />

lässt. Was für ein Ding ist eine geisteswissenschaftliche<br />

Erfindung?“ Mag man sich der Praxis<br />

halber fürs Heft darauf geeinigt haben – eröffnet<br />

war <strong>und</strong> ist es doch, das mentale Schlachtfeld, auf<br />

dem sich Natur- <strong>und</strong> Geisteswissenschaftler gegenüberstehen<br />

<strong>und</strong> die Frage diskutieren: Können nur<br />

Naturwissenschaftler Erfinder sein?<br />

Wikipedia – unausweichlich, hier schreibt schließlich<br />

Dr. Zeitgeist (sic!) – definiert Erfindungen als<br />

„schöpferische Leistungen auf technischem Gebiet,<br />

durch die eine neue Problemlösung […] ermöglicht<br />

wird“. Und: „Wenn sie gewerblich nutzbar sind,<br />

können sie durch Patent oder Gebrauchsmuster<br />

geschützt werden […].“<br />

Diese Bestimmung scheint sowohl den Ingenieuren<br />

(siehe Editorial) als auch dem werten Redaktionsmitglied<br />

Recht zu geben. Tatsächlich aber schließt<br />

sie geisteswissenschaftliche Erzeugnisse nicht aus:<br />

Eine Erfindung ist nicht zwangsläufig ein Ding. Denn<br />

„technisch“ – vom griech. τέχνη – bezeichnet nicht<br />

Dr. Usus Zeitgeist<br />

Das Ding in der Hand?<br />

Zeichnung: Oliver Weiss<br />

nur Gegenstände wie Maschinen o. ä., sondern<br />

auch Fertigkeiten sowohl physischer als auch geistiger<br />

Natur.<br />

Etwas anderes, dem Geist der Zeit Zugehöriges,<br />

scheint einigen dergestalt ins Denken zu fahren,<br />

dass sie meinen, die Erfindung müsse ein Ding naturwissenschaftlichen<br />

Ursprungs sein. Eine ordentliche<br />

Prise kapitalistischer Prägung. In einer Zeit, in<br />

der Menschen als Humankapital – mit gestutzter<br />

Ausbildungs- <strong>und</strong> gestreckter Arbeitszeit – gedacht<br />

werden, in verschiedenen Formen angeordneter<br />

Müll als zu erstehendes Kunstwerk vermarktet wird,<br />

<strong>und</strong> ohnehin möglichst aus allem Profit geschlagen<br />

werden soll, da geschieht es schon mal, dass harmlosen<br />

Begrifflichkeiten Eigenschaften hinzugedichtet<br />

werden, die wirtschaftliche Wirksamkeit zur<br />

Bedingung machen.<br />

Auch die großen Politologen von der Antike bis in<br />

die jüngere Zeit, denen Gr<strong>und</strong>gedanken <strong>und</strong> –pfeiler<br />

von Demokratie <strong>und</strong> anderen Staatsformen zu<br />

verdanken sind, lassen sich ganz klar als Erfinder<br />

bezeichnen. Ebenso ist ein Neologismus wie Lichtenbergs<br />

„Verschlimmbessern“ eine Erfindung – ein<br />

Wort, dessen Nutzen darin besteht, eine komplexe<br />

Aussage wie „etwas in der Absicht, es zu verbessern,<br />

verschlechtern“ zu ersetzen.<br />

Und, werte Naturwissenschaftler, die Erfinder von<br />

der „Geistesfront“ erweisen sich oft als großzügiger:<br />

Anwendung von Demokratie <strong>und</strong> Verwendung von<br />

„Verschlimmbessern“ sind kostenlos!


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