Erfinderwerkstatt Halle: Helle Köpfe und ihre Einfälle
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14 titelthema scientia halensis 2/2012<br />
Dass er seine Entwicklung gegen alle Widerstände<br />
durchgesetzt hat, ist ein großer Verdienst, der vielen<br />
Menschen das Leben gerettet hat.“<br />
Mit der Spritze in den Übungsarm<br />
So dramatisch wie im Fall von Karl-Ludwig Schober<br />
müssen die Umstände freilich nicht zwangsläufig<br />
sein. Die Unzufriedenheit mit den bestehenden<br />
Zuständen war es indes auch, die Dr. Andreas Fichtner<br />
anspornte. Am Anfang seiner Arbeit stand die<br />
Frage: Wie können alle Medizinstudenten unter<br />
gleichen Bedingungen das Blutabnehmen lernen?<br />
Man schrieb das Jahr 2008 <strong>und</strong> der Anästhesist<br />
baute an der Uni Dresden gerade das Skillslab auf,<br />
eine Einrichtung zur Ausbildung von Medizinstudenten.<br />
Bis dato zapften sich die künftigen Ärzte zu<br />
Übungszwecken gegenseitig Blut aus <strong>ihre</strong>n Venen<br />
oder sie übten an wenigen, teuren Modellen. Beides<br />
überzeugte den heute 34-jährigen Fichtner nicht.<br />
Denn jeder Arm hat andere physiologische Merkmale.<br />
Außerdem sollte der Ablauf gr<strong>und</strong>legender<br />
invasiver Routinetätigkeiten beim ersten Mal nicht<br />
am Patienten erlernt werden.<br />
„Jeder Student fand andere Ausbildungsbedingungen<br />
vor“, sagt Fichtner. Und die kommerziell<br />
verfügbaren Modelle boten zwar die gewünschte<br />
immer gleiche Gr<strong>und</strong>situation, waren aber aufgr<strong>und</strong><br />
<strong>ihre</strong>s Materials weit davon entfernt, realistische<br />
Verhältnisse zu simulieren. Zudem waren sie teuer<br />
<strong>und</strong> standen daher nicht in ausreichender Zahl zur<br />
Verfügung. Fichtners Interesse war geweckt.<br />
Und wie so oft, wenn es um Erfindungen geht, kam<br />
dem kreativen Mediziner der Zufall zu Hilfe. In einer<br />
Orthopädiewerkstatt entdeckte er einen speziellen<br />
Schaumstoff zur Anfertigung von Orthesen. Fichtner<br />
begann zu experimentieren: Einen Arm, ein Bein<br />
<strong>und</strong> einen Thorax wollte er bauen. Zunächst aber<br />
musste er geeignete menschliche Vorbilder finden.<br />
„Zwei Jahre habe ich unter meinen Studenten<br />
denjenigen mit dem idealen Verlauf der Armvenen<br />
gesucht“, sagt Fichtner. Den „schönsten“ Arm hatte<br />
schließlich ein befre<strong>und</strong>eter Ingenieur.<br />
Diese optimalen Körperteile wurden nacheinander<br />
in Gips, Gummi <strong>und</strong> Hartplastik abgeformt. So<br />
entstanden Negative <strong>und</strong> schließlich wieder Positive<br />
aus den Abdrücken. Parallel dazu verbesserte<br />
Fichtner das verwendete Material. Er ließ verschiedene<br />
Varianten vom Krankenhauspersonal testen:<br />
Anästhesie-Schwestern schätzten das Stechverhalten<br />
von Kanülen ein <strong>und</strong> bewerteten die gefühlte<br />
Echtheit. Im Ergebnis entstand ein Gemisch aus fünf<br />
Materialschichten, das jeweils lebensecht Knochen,<br />
Muskulatur, Fettgewebe <strong>und</strong> Unterhaut sowie Hautoberfläche<br />
imitierte.<br />
In den ersten beiden Jahren stellten Fichtner <strong>und</strong><br />
sein Team die Modelle selbst her. Das senkte die<br />
Kosten. R<strong>und</strong> 2000 Studenten trainierten pro Jahr<br />
an den Modellen. Als die zunehmend wachsende<br />
Kleinproduktion zu zeitintensiv wurde, ließ Fichtner<br />
sich 2009 seine Arbeit an der Uni Dresden pa-