Erfinderwerkstatt Halle: Helle Köpfe und ihre Einfälle
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Flüssigkristalle synthetisiert. Ungefähr 2000 flüssigkristalline<br />
Verbindungen stammen von ihm – vorher<br />
gab es 20 oder 30“, berichtet Tschierske. „Die ersten<br />
Uhren-Displays wurden dann mit Substanzen produziert,<br />
die aus Vorländers Arbeit stammten. Und auch<br />
heute sind in einigen Displays Substanzen dabei,<br />
die irgendwann einmal von halleschen Forschern<br />
entwickelt wurden.“<br />
Die Erkenntnisse über die gr<strong>und</strong>legenden Zusammenhänge<br />
zwischen der molekularen Struktur <strong>und</strong><br />
den flüssigkristallinen Eigenschaften haben wir<br />
demnach Daniel Vorländer zu verdanken. Nur waren<br />
seine Resultate zu seiner Zeit wissenschaftliche<br />
Kuriositäten. „Keiner hat gewusst, was er damit<br />
anfangen soll. Das war Gr<strong>und</strong>lagenforschung“, sagt<br />
Tschierske, selbst ein Gr<strong>und</strong>lagenforscher. Auch<br />
wenn er im Rahmen seiner Doktorarbeit in den<br />
1980er Jahren r<strong>und</strong> 20 Patente angemeldet hat.<br />
Die Materialentwicklung für Displays finde heute<br />
in der Industrie statt. „Das sind feine Variationen,<br />
Optimierungen. Das ist nicht Aufgabe einer Universität“,<br />
meint der 59-Jährige. „Uns geht es um neue<br />
Anwendungsmöglichkeiten. Der flüssigkristalline Zustand<br />
ist ja nicht nur für Displays relevant. Optische<br />
Modulatoren oder die organische Photovoltaik sind<br />
<strong>und</strong>enkbar ohne Flüssigkristalle. Es handelt sich<br />
ohnehin um ein ganz allgemeines Organisationskonzept<br />
der Natur.“ Ein gutes Beispiel sei die DNA<br />
im Zellkern. „Die würde da gar nicht reinpassen,<br />
wenn sie sich nicht im flüssigkristallinen Zustand<br />
befände.“ Auch jede Zellmembran bestehe praktisch<br />
aus einer dünnen Schicht, die flüssigkristalline<br />
Eigenschaften hat.<br />
Die Kombination von Ordnung <strong>und</strong> Beweglichkeit<br />
ist eben eine unabdingbare Voraussetzung für die<br />
Entstehung des Lebens. Wie sich Moleküle zu hochkomplexen<br />
flüssigkristallinen Strukturen spontan<br />
selbstorganisieren können, haben Carsten Tschierske<br />
<strong>und</strong> sein Team in internationaler Kooperation mit<br />
anderen Forschergruppen 2011 im renommierten<br />
Wissenschaftsmagazins „Science“ beschrieben.<br />
Zwei Jahre zuvor hatten sie sich an gleicher Stelle<br />
bananenförmigen Flüssigkristallen <strong>und</strong> deren überraschenden<br />
Eigenschaften gewidmet. Gedanken<br />
über mögliche Anwendungen hält Tschierske für<br />
spekulativ. „Wir betreiben Gr<strong>und</strong>lagenforschung,<br />
bauen neue Moleküle, um zu sehen: Wie organisieren<br />
sie sich?“ Manche mögen das merkwürdig<br />
finden. Vielleicht kennen sie das Vorbild Vorländer<br />
nicht. Carsten Heckmann<br />
Kontakt: Prof. Dr. Carsten Tschierske<br />
Organische Chemie<br />
Telefon: 0345 5525664<br />
E-Mail: carsten.tschierske@chemie.uni-halle.de<br />
scientia halensis 2/2012 titelthema<br />
Daniel Vorländer war der<br />
erste Chemiker, der Flüssigkristalle<br />
systematisch synthetisierte.<br />
(Bild: Universitätsarchiv)<br />
Texturen von Flüssigkristallen,<br />
durch das Polarisationsmikroskop<br />
betrachtet. (Abbildung:<br />
Institut für Chemie)<br />
Fotogalerie mit Vorländers<br />
Zigarrenkisten im Onlinemagazin:<br />
WEBCODE MAG� 14070<br />
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