8 <strong>Heinrich</strong> <strong>Schmid</strong> ® <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong>
„Eine Großbaustelle ist ein mindestens so komplexer Vorgang wie ein Industrieunternehmen.“ – Zwei Führungspersönlichkeiten, zwei Sichtweisen, eine Perspektive. Ulrich Bausch: Herr Reuter, Sie haben einen der weltweit größ- ten Industriekonzerne geleitet – was bedeutet für Sie Handwerk? Edzard Reuter: Qualität ist die Wurzel des deutschen Erfolges in der Welt. Wir werden in Zukunft nur dann unseren Rang als füh- rende Exportnation behaupten, wenn wir uns auf diese Wurzeln besinnen: Entscheidend zählt dazu die Tradition des handwerk- lichen Qualitätsbegriffs. Bausch: Herr <strong>Schmid</strong>, Handwerk und Industrie – sind das zwei Welten, die sich nicht allzu viel zu sagen haben … Carl-Heiner <strong>Schmid</strong>: … deshalb ist es höchste Zeit, mehr von- einander zu lernen. Was Arbeitsprozesse angeht, hinken wir der Industrie doch mindestens zwei Generationen hinterher. Bausch: Inwiefern? <strong>Schmid</strong>: Es steckt schon im Namen: Hand-Werker. In unserer Branche wird gearbeitet und gemacht, aber zu wenig analysiert. Eine Großbaustelle ist aber ein mindestens so komplexer Vorgang wie ein Industrieunternehmen. Da lässt sich vieles optimieren, wenn man vorher die Arbeitsabläufe beschreibt und sie an die jeweilige Situation anpasst. Mit ihrem Prozessdenken ist die Industrie viel weiter als das Handwerk. Reuter: Man kann allerdings die Erfahrungen und Abläufe aus der Industrie nicht einfach übernehmen, sondern muss sie auf die Bedingungen im Handwerk übersetzen … <strong>Schmid</strong>: Ich bin da optimistisch. Das Handwerk wird sich wandeln. Wir sind auf dem Weg zu dem, was ich den Handwerker 2.0 nenne. Das ist einer, der die Dinge miteinander verbindet. Der auf der Baustelle nicht nur stur seine Malerarbeiten erledigt, sondern, wenn der Kunde nach einem Gipser oder Bodenleger fragt, antwortet: Das können wir auch. Bausch: Wird also der Wettbewerb unter Handwerkern in Zukunft mehr über die Kundenkommunikation entschieden … <strong>Schmid</strong>: Richtig. Streichen können die Mitbewerber so gut wie wir. Aber das kleine Team vor Ort, die Leute auf der Baustelle, die nicht nur für <strong>Heinrich</strong> <strong>Schmid</strong> arbeiten, sondern <strong>Heinrich</strong> <strong>Schmid</strong> sind, diese Leute entscheiden, ob wir wiederkommen dürfen. <strong>Heinrich</strong> <strong>Schmid</strong> ® <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2010</strong> 9 Bausch: … oder über den Preis? <strong>Schmid</strong>: Die reine Orientierung an den Finanzen hat dazu geführt, dass wir gegen die Mitbewerber rennen. Dabei sollten wir doch für den Kunden rennen. Wenn Sie für den Kunden rennen, wird der Preis zur Nebensache. Der Kundenflüsterer, der einfühlsam mit seinen Kunden umgeht, wird nie Auftragsnöte haben. Reuter: Wissen und Können sind das eine. Doch in allen Bereichen der Wirtschaft ist eben das Bewusstsein gewachsen, dass es daneben auch immer stärker auf die soziale Kompetenz der Mitarbeiter ankommt. Respektvoller Umgang sowohl nach innen wie nach außen. Anstand und Respekt: das sind zutiefst europäische Werte, an die wir uns wieder stärker erinnern müssen. Für eine aus der Sicht der Kunden erfolgreiche Teamarbeit eines Anbieters sind sie unverzichtbar. Die von manchen als Erfolgsgarantie propagierte Ellenbogenmentalität bewirkt das genaue Gegenteil. Wir müssen uns wieder darauf besinnen, was unsere Grundwerte sind. Solidarität und Rücksichtnahme, das bedeutet kluge Zusammenarbeit anstelle des Vorrangs kurzsichtiger Eigeninteressen. Wer sich danach richtet, dient zugleich dem Gemeinwohl. Bausch: In großen Unternehmen ist heute neben der fachlichen Kompetenz die soziale Verantwortung eines neuen Mitarbeiters für die Einstellung mit ausschlaggebend. Und im Handwerk? <strong>Schmid</strong>: Wer das nicht mitbringt, muss es eben lernen. Bei uns gehört der verantwortungsvolle Umgang mit den eigenen Mitarbeitern, aber auch der Auftritt vor Kunden zur Ausbildung genauso dazu. Lernen hört nie auf. Sie bekommen doch heute nur noch gutes Personal, wenn sie dem Einzelnen Herausforderungen bieten. Wenn jemand von morgens bis abends nichts anderes macht, als Wände weiß zu streichen, ist er unterfordert. Seine Gedanken sind woanders, und er sieht die Tätigkeit nur als Ersatz, um Geld zu verdienen, mit dem er sich andere Vergnügungen leisten kann. Geld allein ist eine schlechte Motivationsquelle. Wenn es uns gelingt, dass die Arbeit motiviert, dann sind wir der große Gewinner.