Der Rabe Ralf - GRÜNE LIGA Berlin eV
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Themen, die sonst kaum behandelt<br />
werden. Heimatgefühle statt nur Naturschutzadministration,<br />
Naturbildung<br />
bei Kindern, Geschichtsbewusstsein<br />
gegen den Verfall der schönen landschaftstypischen<br />
Häuser und Scheunen<br />
Brandenburgs aus Feldsteinen, Ziegeln<br />
und Lehm. Eine Videokassetten-Reihe<br />
voller Ratschläge zum Restaurieren<br />
entsteht über fast zehn Jahre, für die die<br />
OZON- Redaktion 2004 den Deutschen<br />
Denkmalschutzpreis erhält. Helfen,<br />
hintergründig informieren, „Reizgas“<br />
sein – das bleiben unsere Ziele.<br />
Umweltkrieg als<br />
neues Thema<br />
Mit den NATO-Angriffen auf<br />
die serbischen Raffi nerien Pancevo<br />
und Novi Sad im Mai und Juni 1999<br />
bekommen Umweltfragen eine neue<br />
politische Dimension. Während in<br />
Deutschland schon kleine Chemieunfälle<br />
zum Alptraum erklärt werden und<br />
Joschka Fischer sie in seiner Zeit als<br />
hessischer Umweltminister noch als<br />
„nicht hinnehmbar“ brandmarkte, setzt<br />
die NATO in Serbien zum ersten Mal<br />
bewusst Schadstoffe frei. Die auf den<br />
Meter genaue Zerstörung der Chlortanks<br />
der PVC-Chemie und der Düngemittellager<br />
mit Raketen geschieht vorsätzlich.<br />
Das ist ein klarer Bruch der Chemiewaffenkonvention.<br />
Selbst das Nervengift<br />
Phosgen wird nach den Angriffen in<br />
der Luft gemessen. Joschka Fischer<br />
als deutscher Außenminister, aber auch<br />
viele Umweltverbände schweigen dazu.<br />
Mutige Wissenschaftler wie Ursula Stephan,<br />
Professorin und Toxikologin aus<br />
Leipzig und Vorsitzende der deutschen<br />
Störfallkommission, und Knut Krusewitz,<br />
Professor an der TU <strong>Berlin</strong>, helfen<br />
uns bei drei aufeinanderfolgenden<br />
OZON-Sendungen und einem langen<br />
Film* für Arte zu diesem „indirekten<br />
Chemiekrieg“.<br />
Die Umweltfolgen moderner Kriege<br />
sind nicht zum ersten Mal Thema in<br />
OZON. Entstanden sind auch Filme<br />
über die Erfi ndung, die Herstellung<br />
und die bis heute folgenreichen Spuren<br />
der deutschen Nervengaskampfstoffe<br />
Tabun und Sarin aus dem Dritten Reich<br />
und OZON-Beiträge über die Spätfolgen<br />
des deutschen Entlaubungsgiftes<br />
Agent Orange in Vietnam und der im<br />
Irak- und im Jugoslawienkrieg eingesetzten<br />
Uranmunition.<br />
Wissenschaft und Umwelt<br />
Mit der Fusion von SFB und ORB<br />
im Jahr 2003 steht auch die Frage,<br />
wie mit den beiden Wissenschaftssendereihen<br />
„Einstein“ vom SFB und<br />
„Wissenschaftsmagazin“ vom ORB<br />
sowie mit OZON verfahren werden<br />
soll. Man entscheidet sich für einen<br />
völligen Neuanfang. Doch mit dem<br />
Bekanntwerden der Pläne in der Öffentlichkeit<br />
beginnt eine Kette von<br />
Protesten für den Erhalt von OZON.<br />
Im November 2003 veröffentlicht die<br />
Landesmitgliederversammlung der<br />
<strong>GRÜNE</strong>N <strong>LIGA</strong> <strong>Berlin</strong> einen Appell<br />
an den neuen RBB: „Erhalten Sie die<br />
Sendereihe OZON“!<br />
Fast alle anderen deutschen Umweltorganisationen<br />
folgen, ebenso<br />
natürlich auch die Brandenburger. Ein<br />
ungewöhnliches, nahezu historisches<br />
Miteinander. Auch Künstlerverbände,<br />
die evangelische Kirche, der <strong>Berlin</strong>er<br />
Mieterbund, Wissenschaftler, Institute,<br />
das brandenburgische Agrar- und Umweltministerium,<br />
Naturschützer und<br />
viele Einzelpersonen schließen sich<br />
an. Schließlich entscheidet man sich im<br />
RBB, OZON zu erhalten – als neues Magazin<br />
für Wissenschaft und Umwelt. Am<br />
30. November 2004 verabschiedet sich<br />
die alte Umweltsendereihe. Vorgestellt<br />
werden noch einmal „widerspenstige<br />
Frauen“, die sich einsetzen gegen Fluss-<br />
Ausbau, Baum-Umsägen und Abwasser-Anschluss-Zwang.<br />
OZON hat viele<br />
von ihnen in den letzten Jahren begleitet<br />
und erinnert an seinem 15. Geburtstag<br />
daran, dass sie eine Menge erreicht haben:<br />
Vereinfachte Genehmigungen für<br />
Kleinkläranlagen, Dialoge über Alleen<br />
in Brandenburg. Und in Kalifornien<br />
blieb ein 1000-jähriger Mammutbaum<br />
stehen, weil Julia Butterfl y Hill ihn zwei<br />
Jahre besetzte, mit Leib und Seele.<br />
Am 12. Januar 2005 geht OZON<br />
auf dem neuen Sendeplatz am Mittwoch<br />
um 21.45 Uhr wieder an den<br />
Start. Hellmuth Hennberg ist weiterhin<br />
Moderator. Die Sendung eröffnet<br />
mit dem Beitrag „Die Welt des Albert<br />
Einstein“ das internationale Einstein-<br />
Jahr 2005. In weiteren Beiträgen geht<br />
es nach der Seebebenkatastrophe in<br />
Südasien um Frühwarnsysteme aus<br />
dem Geoforschungszentrum Potsdam,<br />
mit denen Tsunami-Flutwellen rechtzeitig<br />
geortet werden können und um<br />
die Veränderungen durch zunehmende<br />
Lichtverschmutzung in den Städten. <strong>Der</strong><br />
Zugewinn an anderen Wissenschaftsthemen<br />
bereichert fortan das Profi l der<br />
Sendereihe, lässt vernetztes Betrachten<br />
in Schwerpunkten zu, geht aber auch zu<br />
Lasten kritischer Beiträge.<br />
Schmalspur-Konjunktur<br />
von Klimathemen<br />
Nach der Veröffentlichung des ersten<br />
Teils des IPCC-Weltklimaberichts<br />
im Februar 2007 verändert sich die<br />
Medienwelt. Was Jahre zuvor noch undenkbar<br />
war, wird plötzlich zur Lawine.<br />
Von der kleinsten Provinzzeitung bis<br />
zum skandalträchtigsten Boulevardblatt<br />
beschäftigen sich Journalisten<br />
auf einmal in seriösen Artikeln mit<br />
Umweltfragen, meist analog zu den<br />
Agenturmeldungen. Die drohende Klimakatastrophe<br />
wird zum Tagesthema,<br />
der Kinofi lm von Al Gore zur Flagge<br />
der Zukunftsmahner. Im Fahrwasser<br />
der Klimaforscher dringen endlich auch<br />
andere Fragen wie Energieerzeugung,<br />
Sparen, Landschaftsverbrauch durch<br />
neue Monokulturen oder die schwindenden<br />
Öl- und Gasvorräte in die öffentliche<br />
Debatte – und auch in den Kontext der<br />
globalen Ökonomiekrise. Ein erfreulicher<br />
Zustand, für den Umweltverbände<br />
25 Jahre lang gestritten haben. Vor der<br />
UMWELTGESCHICHTE<br />
Klimakonferenz in Kopenhagen im<br />
Dezember 2009 erreicht das mediale<br />
Klimafi eber seinen Höhepunkt. Kein<br />
Tag ohne große Artikel, Talkshows,<br />
Konferenzen, unendliche Podiumsdiskussionen<br />
oder Pressekonferenzen von<br />
Umweltverbänden, Wissenschaftlern<br />
und Industrie.<br />
Doch genau an der Klimadebatte<br />
zeigt sich auch das mediale Dilemma.<br />
Zum einen werden beim Blick auf<br />
das CO2 viele andere Klimafaktoren<br />
ausgeblendet: Landschaftszustand, Vegetation,<br />
Kühlung durch Verdunstung,<br />
Wasserdampf.** <strong>Der</strong> Mainstreamjournalismus<br />
hat ein neues Katastrophenthema<br />
gefunden und diskutiert mit dem<br />
Klima zwar wichtige Zukunfts- und<br />
Lebenshaltungsfragen wie Energie und<br />
Sparen, blendet aber andere Bereiche<br />
und Zusammenhänge aus. So bleiben<br />
etwa die Proteste der Umweltverbände<br />
gegen die Regenwaldzerstörung durch<br />
Palmölplantagen für deutsche Blockheizkraftwerke<br />
weitgehend ungehört.<br />
Auch die anhaltenden Ausbaupläne für<br />
die Elbe, die alle Prognosen der Klimaforscher<br />
in den Wind schlagen, werden<br />
selten in den Medien diskutiert.<br />
Diese einseitige Wahrnehmung<br />
spiegelt auch das vor der Brandenburger<br />
Landtagswahl 2009 veröffentlichte<br />
„Schwarzbuch Umweltpolitik in Brandenburg“<br />
wider, das gemeinsam von den<br />
Naturschutzverbänden herausgegeben<br />
wird. Die SPD-CDU-Koalition, so der<br />
NABU in seinen Begleittexten, habe<br />
sich auf den Lorbeeren der Nachwendezeit<br />
ausgeruht und Brandenburg zu<br />
einem Bundesland gemacht, das zwar<br />
mit besonderen Problemen etwa durch<br />
den Klimawandel oder den Braunkohlebergbau<br />
fertig werden müsse, aber<br />
in vielen Bereichen von der Lösung<br />
dieser Probleme im Bundesvergleich<br />
am weitesten entfernt sei. Die in dem<br />
Schwarzbuch von unabhängigen Experten<br />
analysierten und beschriebenen<br />
Beispiele spiegeln in den Augen der<br />
Umweltorganisationen zugleich die<br />
August / September 2010<br />
23<br />
Defi zite in der öffentlichen Debatte<br />
durch Presse, Funk und Fernsehen<br />
wider. Denn nicht nur Bereiche wie<br />
der Naturschutz hätten immer weniger<br />
Chancen in den Medien. Genannt werden<br />
auch: „Eine abenteuerliche Energie-<br />
und Klimaschutzpolitik, eine verfehlte<br />
Abwasser- und Abfallpolitik und ein<br />
verantwortungsloser Umgang mit der<br />
Ressource Wasser; eine Forstpolitik, die<br />
sich nicht an den Prinzipien der Nachhaltigkeit<br />
und der biologischen Vielfalt<br />
orientiert, eine auf Intensivierung und<br />
Moorzerstörung gerichtete, einseitige<br />
Agrarpolitik, eine am Bedarf vorbei geplante<br />
Infrastruktur- und Tourismuspolitik<br />
und ein Gebiets- und Artenschutz,<br />
der gezielt von Partikularinteressen<br />
konterkariert wird.“ Beklagt wird der<br />
zunehmende Mangel an kompetenten<br />
Ansprechpartnern in den Medien, vor<br />
allem an Fachredaktionen wie OZON.<br />
Nach ersten positiven Zeichen aus<br />
dem Umweltministerium unter der<br />
neuen Ministerin Anita Tack bleibt den<br />
engagierten Umweltschützern in Brandenburg<br />
nun vor allem die Hoffnung,<br />
dass das Klimathema auf lange Sicht<br />
doch zum Türöffner für alle anderen<br />
wichtigen ökologischen Fragen wird.<br />
Hartmut Sommerschuh<br />
* Sascha Adamek: Bomben auf<br />
Chemiewerke. Eine Dokumentation<br />
des verdeckten chemischen Angriffskrieges<br />
der Zielplaner.<br />
Film, ORB/SWF 28.9.1999, 40 min.<br />
RBB-Archiv<br />
** Wilhelm Ripl, Hermann Scheer:<br />
Memorandum zum Klimawandel.<br />
Notwendige gesellschaftliche<br />
Reformen.<br />
www.coforum.de/?7710<br />
Teil 1 ist in der Ausgabe Juni/Juli<br />
2010 erschienen. Quellenangaben<br />
zu diesem Artikel: <strong>LIGA</strong> Libell 133<br />
(2010), S. 5ff<br />
www.grueneliga.de/bburg<br />
An zei ge