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Reportagen - Interviews - Hintergründe - Haller Kreisblatt

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NeueZeiten,neueSeiten<br />

VONANDREASGROßPIETSCH<br />

¥ Borgholzhausen(HK).Unter<br />

dennicht eben wenigenbemerkenswertenBauwerkenimAltkreis<br />

Halle gibt es eines, das<br />

gleich in mehrfacher Hinsicht<br />

herausragt:dieRavensburg.Nur<br />

noch 73 Jahrefehlenihr am stolzenAlter<br />

von1000 Jahren und<br />

aufihremTeuto-Berghat sieim<br />

ansonsten eher flachen Land<br />

auch geographisch eine exponierte<br />

Lage. Aufgrund der<br />

jüngstenEreignisseinihrer an<br />

Wechselfällen durchaus nicht<br />

armen Geschichte hat sie jetzt<br />

auchnochden ungewöhnlichen<br />

Status eines privatisierten<br />

Denkmals.Doch vor allemhat<br />

sieihrenfestenPlatz indenHerzender<br />

Menschen,die zu ihren<br />

Füßen wohnen. Das Bemühen<br />

umihreErhaltungfür dieAllgemeinheit<br />

fügteeineloseAllianz,<br />

die in ihrer Zusammensetzung<br />

wahrlich außergewöhnlich –<br />

und außergewöhnlich erfolgreich–ist.<br />

Ein Denkmal wird privatisiert<br />

Der Staat befreit sich von Aufgaben: Sinnvolle Neuerung oder ein Irrweg?<br />

Zwar gabdieRavensburgdem<br />

umliegendenRavensberger Land<br />

seinen Namen und war in den<br />

ersten 266 Jahrenihres Bestehens<br />

der Sitz eines gleichnamigenGrafengeschlechts,<br />

doch militärisch<br />

undpolitischgesehen spielte sie<br />

meist nur eine Nebenrolle. Mit<br />

der militärischenBedeutung war<br />

es spätestens vorbei, als sie von<br />

demals »Bomben-Bernhard«bekannten<br />

Christoph Bernhard<br />

GrafvonGalen,Fürstbischofvon<br />

Münster,im Jahre 1673 zerstört<br />

wurde.<br />

Doch schonJahrhunderte zuvor<br />

war die Grafschaft RavensbergdurchErbschaften<br />

zu einer<br />

weit entferntenProvinz fremder<br />

Adelsgeschlechter wiedemHaus<br />

Jülich-Kleve-Berg oder später<br />

demHaus Hohenzollerngeworden.<br />

1695 wurde der letzte der<br />

dort residierenden VerwaltungsbeamtenausdembaufälligenGemäuer<br />

abgezogen,womit sieauch<br />

politisch ausgedient hatte. Der<br />

Rest der Burg wurdedemVerfall<br />

preisgegeben.FriedrichWilhelm<br />

Anziehungspunkt: Mit dem Ravensberger Klassenzimmer ist die Burg<br />

wieder zumZiel vonSchulklassengeworden. FOTO:FELDKIRCH<br />

76<br />

Romantisch, aber abbruchreif:Das heutigeRavensberger Klassenzimmer<br />

vor seiner Renovierung. FOTO:A.GROßPIETSCH<br />

I.vonPreußen zogdaraus 1733<br />

die eigentlich logische Konsequenz<br />

undgabdie verbliebenen<br />

Bauwerke quasi als Steinbruch<br />

frei.Bis aufdenTurmoder,wieer<br />

korrekt genannt werdenmüsste,<br />

denBergfried,undeinpaar Mauerreste<br />

war dieRavensburgkurz<br />

danach verschwunden. Und so<br />

hättedie stolzeGeschichteenden<br />

können, wenn<br />

nicht knapp100<br />

Jahre später der<br />

Oberpräsident<br />

der Provinz<br />

Westfalen, Ludwig<br />

von Vincke,<br />

seinHerz für die<br />

Ruine entdeckt<br />

hätte.Zumeinen<br />

lebteer imZeitalter<br />

der Romantik,das sich stark<br />

amMittelalter und seinenÜberbleibseln<br />

orientierte,zum anderen<br />

stander ander Spitzeeiner<br />

Provinz,dieerst kurz zuvor aus<br />

vielengrundverschiedenenTeilen<br />

zusammengesetzt worden war.<br />

UmdieIdentifikationder Bevölkerung<br />

mit der neuen Provinz<br />

Westfalen zu stärken, setzte er<br />

auch auf die Symbolkraft von<br />

Bauwerken.<br />

Die Ravensburg war insofern<br />

einidealer Ansatzpunkt,um regionale<br />

Identität zu fördern.<br />

Trotz schwieriger wirtschaftlicher<br />

Verhältnisse sorgteer für Mittel,<br />

den Verfall nachhaltig zu stoppen.<br />

Die Aussichtsplattform auf<br />

dem Turm stammt aus dieser<br />

Zeit und auch das so genannte<br />

Forsthaus, der Bau neben dem<br />

Bergfried,entstand1868mit dem<br />

Ziel,dieBurgdauerhaft als Ausflugsziel<br />

zu etablieren unddamit<br />

zu erhalten.Dieses Ziel wurdeerreicht,ungezählte<br />

Schulklassen<br />

erwandertenden<br />

Gipfel und erfreuten<br />

sich am<br />

weiten Ausblick<br />

über das Land.<br />

Nicht wenige<br />

ehemalige Schüler<br />

kehrten als<br />

Erwachsene immer<br />

wieder einmal zur Ravensburg<br />

zurück. Das Gebäudeensemble<br />

undder umliegendeWald<br />

gehörten dem Staat und überstanden<br />

in dessen Obhut zwei<br />

weitereJahrhundertwenden und<br />

zweiWeltkriegepraktisch wieim<br />

Dornröschenschlaf.<br />

Dochder Aufwandfür denErhalt<br />

der Burgließ stetignach.Ändern<br />

sollte sichdas erst imneuen<br />

Jahrtausend,als dieMenschenim<br />

Ravensberger Land von der<br />

Nachricht,dass »ihre«Burg zum<br />

Verkauf stehe, aufgeschreckt<br />

wurden.

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