Reportagen - Interviews - Hintergründe - Haller Kreisblatt
Reportagen - Interviews - Hintergründe - Haller Kreisblatt
Reportagen - Interviews - Hintergründe - Haller Kreisblatt
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Insgesamt lässt sich ohne<br />
Übertreibung sagen, dass »der<br />
Staat«mit seinemBesitz –besser<br />
ausgedrückt,mit demBesitz der<br />
Bürger –äußerst nachlässig umgegangen<br />
ist. Das betrifft auch<br />
denStandder historischenErforschungder<br />
Ravensburg.Nur im<br />
Engagement mehr oder weniger<br />
fachkundiger Heimatforscher<br />
gab es eine Beschäftigung mit<br />
diesen Fragestellungen. Erst in<br />
jüngster Zeit wurden ernsthaft<br />
archäologische Untersuchungen<br />
und Grabungen durchgeführt.<br />
DieFunde waren wirklichbeeindruckend,schonjetzt<br />
zeigt sich,<br />
dass die»historischen«Bilder der<br />
Burg mehr der Fantasie der jeweiligenKünstler<br />
als der Realität<br />
entlehnt sind.<br />
Positiv zu betrachtenist sicher<br />
auch die Tatsache, dass sich so<br />
viele Menschen für die Ravensburgeingesetzt<br />
haben.Ellenlang<br />
ist dieListeder Spender aufder<br />
Homepageder Stiftung,noch viel<br />
größer ist dieZahlderjenigen,die<br />
anonym kleine Beträge in die<br />
zeitweiligallgegenwärtigenSammelbüchsen<br />
eingeworfen haben.<br />
Viele Firmen halfen mit Geld<br />
oder mit günstigen Preisen für<br />
Arbeitenander Burg.Der Staat<br />
als Auftraggeber hätte diese Ergebnisseniemals<br />
zu diesemPreis<br />
erzielen können,lässt sich ohne<br />
Übertreibung sagen. Und angesichts<br />
der erfreulichen Tatsache,<br />
dass das Stiftungsvermögen auf<br />
eine Million Euro angewachsen<br />
ist, scheint es auch um die Zukunft<br />
der Ravensburg nicht<br />
schlecht bestellt. Doch all diese<br />
erfreulichen Einzelaspekte sind<br />
ebennur dieeineSeiteder Medaille.<br />
Die andere ist, dass die<br />
Rettungder BurgeinSonderfall<br />
ist,der an anderer Stelle so nur<br />
schwer wiederholbar erscheint.<br />
Daist zumeinendieSpendenflut,diedurchdieNachricht<br />
vom<br />
drohenden Verkauf der Ravensburg<br />
ausgelöst wurde.Über alle<br />
Parteigrenzenhinwegfanden sich<br />
Menschen und Gruppierungen,<br />
die sicheinbrachtenindas große<br />
Abenteuer – mit Arbeitsleistungenoder<br />
mit Geld.Es gab selbst<br />
Beerdigungen,beidenendieVerstorbenendieUnterstützungder<br />
Stiftungals letztenWunschandie<br />
Hinterbliebenen hinterlassen<br />
hatten.RundeinVierteldes Kapitalstocks<br />
der Stiftungfür dieBurg<br />
Ravensburg stammt aus diesen<br />
Quellen. Doch ob sich solches<br />
Engagement beliebigoft wiederholenlässt,ist<br />
sehr fraglich.Zumal,<br />
wenn es einem Denkmal<br />
gelten sollte,das zwar vonhistorischem<br />
Wert sein mag, aber die<br />
Menschenemotional weniger berührt<br />
als es bei der Ravensburg<br />
nuneinmal unstrittigder Fallist.<br />
Noch schwieriger zu finden<br />
seindürfteder passende»Motor«<br />
für ein solches Riesenprojekt.Mit<br />
Wolfhart Kansteiner fand sichin<br />
diesemFalleinpassender Antreiber,der<br />
mehrereVorteilein seiner<br />
Person vereint. Als soeben vom<br />
Berufsleben in den nur so genanntenRuhestandgewechselter<br />
Mannnahmer sichder Aufgabe<br />
an, über die er heute sagt:„Ich<br />
würdees nicht nocheinmalmachen.“<br />
Daraus spricht nicht so<br />
sehr Verbitterung über auch viel<br />
unberechtigteKritik,sonderndie<br />
Erkenntnis:„SoeineBurgist ein<br />
SONDERAUSGABE<br />
Weithin sichtbares Wahrzeichen:Die Ravensburg hat jetzt die Chance,<br />
noch vieleJahrediesemZweckim umgebendenRavensberger Land zu<br />
dienen.Als »Leuchtturmprojekt«für privatisiertenDenkmalschutz ist die<br />
Eignungdes Gemäuers aber eher fraglich. FOTO:HANNEFORTH<br />
79<br />
richtiges kleines Unternehmen.<br />
Nebenberuflich ist das nicht zu<br />
machen.“<br />
EinBeispielist dieAnstellung<br />
von Christoph Amend, der die<br />
Idee des Ravensburger Klassenzimmers<br />
mit Lebenerfüllen soll.<br />
Ohne ein solches Nutzungskonzept<br />
für die Burg hätten andere<br />
StiftungendieBurgnicht unterstützen<br />
können oder wollen.<br />
Dochjetzt ist der PädagogeAngestellter<br />
der StiftungBurgRavensberg.Unddamit<br />
fällt jedeMenge<br />
unvermeidbarer Papierkraman–<br />
Steuern undSozialversicherungs-<br />
NeueZeiten,neueSeiten<br />
beiträge müssen gezahlt werden<br />
und vieles mehr.Zusammenmit<br />
der notwendigenBilanzerstellung<br />
für die Stiftung ergibt sich ein<br />
immenser Aufwand,„der beieinem<br />
Steuerberatungsbüro leicht<br />
ein paar tausend Euro pro Jahr<br />
kosten würde“, wie Kansteiner<br />
feststellt. „Das ist Geld, das die<br />
Stiftungnicht hat undnicht ausgeben<br />
kann“,sagt er.Denn sehr<br />
viele Stifter legten besonderen<br />
Wert darauf,dass ihr Geld ausschließlich<br />
dem Erhalt der Burg<br />
zugutekommen sollte.Und trotz<br />
eines höheren Stiftungskapitals<br />
als ursprünglich geplant stehen<br />
die verfügbaren Summen nicht<br />
im besten Verhältnis zu den<br />
wachsendenAusgaben.<br />
Das zeigt das Beispiel des<br />
Forsthauses, das nach Meinung<br />
des Landes in akzetablem ZustandandieStiftung<br />
übergeben<br />
wurde, sich tatsächlich aber als<br />
Sanierungsfallentpuppte.ErheblicheInvestitionensindnotwendig,umes<br />
aneinenPächter übergeben<br />
zu können.Undauchdie<br />
Ausgrabungen,diegesichert werden<br />
sollen undnicht einfach wieder<br />
zugeschüttet,erfordern weitere<br />
ungeplante Ausgaben. „Ich<br />
tröste mich immer damit, dass<br />
ichmir sage,wenndies oder jenes<br />
fertigist,gibt es weniger Arbeit“,<br />
sagt Wolfhart Kansteiner.Aus Erfahrung<br />
weißer allerdings, dass<br />
es nicht so sein wird.<br />
Soist der Kiosk,der für viele<br />
einfach zur Ravensburg dazugehört,<br />
in großen Teilen marode.<br />
Undauchdas Brunnenhaus wird<br />
eines nicht allzu fernenTages sicherlichweitereInvestitionenerfordern.Außerdemgibt<br />
es noch<br />
vieleStellen,andenen sinnvollerweisearchäologischeGrabungen<br />
durchgeführt werdenkönnen,einenGarten,deraufWiederbelebung<br />
wartet und und und.<br />
Für Kansteiner ist das Fazit<br />
klar:„Mankannnicht sagen,das<br />
läuft alles besser,weiles privatisiert<br />
ist.MeineErfahrungen sind<br />
eher so, dass es nicht angehen<br />
kann,dass sichder Staat aus immer<br />
mehr Bereichen wie Denkmal-<br />
oder Naturschutz einfach<br />
zurückzieht.“ Ein Modell könne<br />
die Ravensburg nicht sein. „Es<br />
waren immer mal wieder Menschenda,die<br />
über ähnlicheProjektenachdachten.Nachdemich<br />
denenerzählt hatte,was alles zu<br />
beachten und zu tunist,habeich<br />
vondenProjektennie wieder etwas<br />
gehört“,sagt Wolfhart Kansteiner.Vonder<br />
Ravensburg wird<br />
man sicher noch viel hören –<br />
doch hoffentlich nicht die Begründung,<br />
dass der Staat sich<br />
nach dem erfolgreichen Testlauf<br />
Ravensburg aus weiterenAufgaben<br />
zurückziehen will.