Das Prinzip Bart Simpson Fotografisches Um- und Weiterdenken ...
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Jens Ertelt / Jonathan Monk<br />
›Sich ins Bild stellen‹<br />
Die praktische Untersuchung der Starposen fand anhand der vorliegenden<br />
Fotos statt. Jede Gruppe erhielt acht Fotografien mit unterschiedlichem,<br />
teilweise ›offensichtlich inszeniertem‹, teilweise ›spontan‹ entstandenem<br />
Bildmaterial, beispielsweise Paparazzi-Fotos. Die Schülerinnen sollten<br />
die Posen <strong>und</strong> daraus resultierende Images beschreiben <strong>und</strong> fotografisch<br />
nachstellen. Hierbei erhielten die Gruppenmitglieder von mir mittels eines<br />
Arbeitsblattes [M4] unterschiedliche Rollen: ›Regisseure‹ dirigierten die<br />
›Stars‹ ausgehend von einer Fotografie, deren Inhalt den ›Stars‹ vorerst<br />
verborgen blieb. Ziel dieses Abschnittes war die vertiefende Erk<strong>und</strong>ung der<br />
Pose selbst sowie die Untersuchung der fotografischen Komposition<br />
<strong>und</strong> der Botschaft der Fotografie. Wir führten also in diesem Schritt die<br />
beiden zuvor erarbeiteten Aspekte zusammen: die Ausdrucksfähigkeit<br />
der Körpersprache zu benennen <strong>und</strong> zu charakterisieren <strong>und</strong> mittels einer<br />
Fotografie möglichst glaubhaft <strong>und</strong> genau nachzustellen. Der Blick in<br />
den (Kamera-)Spiegel als Auseinandersetzung mit dem fiktiven, konstruierten<br />
Körper <strong>und</strong> der eigenen physischen Präsenz verwies unmittelbar<br />
auf den performativen Charakter des ›Star-Seins‹. Durch die Berührung,<br />
Nachahmung <strong>und</strong> das Erleben des unmittelbaren ›Rollentauschs‹ mit<br />
dem jeweiligen Star wurde die reflexive Aneignung von <strong>und</strong> die Auseinandersetzung<br />
mit Haltungen <strong>und</strong> Posen verstärkt. 19 Dabei wurde weitgehend<br />
auf Requisiten verzichtet, denn die Stars sollten ausschließlich<br />
anhand ihrer Posen erfasst werden, wodurch die Aufgabe einen höheren<br />
Schwierigkeitsgrad aufwies. Die Schülerinnen arbeiteten in diesem Schritt<br />
sehr kooperativ 20 <strong>und</strong> erschlossen sich selbstständig über die genaue<br />
Analyse der Posen ›ihrer‹ Stars die Besonderheiten <strong>und</strong> Erkennungsmerkmale<br />
sowohl auf der Ebene der Kunstfigur ›Star‹ selbst als auch auf der<br />
Ebene der Komposition ihrer Fotografien. <strong>Das</strong> ›Lesen-Lernen‹, also der<br />
kompetente <strong>Um</strong>gang mit der Fotografie, war dabei die Hauptvoraussetzung<br />
für eine konkrete Analyse des Bildmaterials. 21<br />
»Alles passiert aus Versehen, im Vorbeigehen.<br />
Kein genaues Image, wandelbar. Ernster Gesichtsausdruck,<br />
gelangweilt«<br />
Überlegungen von Schülerinnen zu Fotografien<br />
von Kate Moss<br />
»Der sieht total fertig aus«<br />
Statement von Schülerinnen zu Fotografien von<br />
Pete Doherty<br />
Vierter Schritt<br />
Die Begegnung mit<br />
Jonathan Monk<br />
Zur Vergegenwärtigung der sich immer intensiver<br />
aufdrängenden inhaltlichen Konsequenzen unserer<br />
bisher medial orientierten Herangehensweise schien<br />
ein Treffen mit dem Künstler zur Mitte der Unterrichtseinheit<br />
sinnvoll. <strong>Das</strong> Gespräch mit Jonathan Monk<br />
kombinierte ich dabei mit dem Besuch der Ausstellung<br />
The Making of Art in der Schirn Kunsthalle<br />
Frankfurt, wo wir die Gelegenheit hatten, Monks<br />
Werkreihe Untitled (Höhere Wesen befahlen...)<br />
(2007) aus nächster Nähe zu erfahren <strong>und</strong> mit ihm<br />
gemeinsam zu diskutieren. [M5]<br />
In der ersten Phase der Auseinandersetzung mit<br />
Monks Arbeiten wurde deutlich, dass nur ein minimaler<br />
Eingriff an einer sehr sensiblen Stelle der<br />
Arbeit, also bei Polke an der Ecke rechts oben, ihre<br />
Aussage komplett verändert. Wir hatten Polkes<br />
Arbeit am Tag zuvor besprochen <strong>und</strong> die Schülerinnen<br />
erkannten Monks Referenz spontan wieder. Die<br />
Fragen, welche sich aus der gemeinsamen Diskussion<br />
vor Ort ergaben, spitzten sich darauf zu, was<br />
Jonathan Monk als Künstler dazu motiviert, sein ›Vor-<br />
Bild‹ zu kommentieren <strong>und</strong> worin er eine Notwendigkeit<br />
zur Handlung sieht.<br />
Monk erläuterte im Gespräch, wie er in seiner Position das reflektiert,<br />
was ihn unmittelbar umgibt, <strong>und</strong> wie er seine künstlerischen Eingriffe<br />
strategisch plant <strong>und</strong> umsetzt. An der Arbeitsweise von Monk wurde den<br />
Schülerinnen verständlich, dass eine intensive Auseinandersetzung mit<br />
dem künstlerischen Handlungspotenzial eines Vorbildes notwendig ist<br />
<strong>und</strong> die Arbeit in ihrer inhaltlichen Qualität beeinflusst.<br />
Fünfter Schritt<br />
Anwendung des ›<strong>Prinzip</strong>s <strong>Bart</strong> <strong>Simpson</strong>‹<br />
Eine weitere Reminiszenz auf ein bekanntes popkulturelles Phänomen<br />
sollte uns die Überleitung zur Erarbeitung eines ästhetisch-künstlerischen<br />
Produktes ermöglichen. Konkret fasst die Kunstfigur <strong>Bart</strong> <strong>Simpson</strong>,<br />
welche Jonathan Monk in unseren Gesprächen in seinem Atelier häufiger<br />
ansprach, die Aspekte zusammen, die wir bislang zum Thema ›Posen‹,<br />
›Image‹ <strong>und</strong> ›Star-Verhalten‹ erarbeitet hatten; sie diente so als pointiertes<br />
Sinnbild für den Abschluss des Projektes. Die Schülerinnen erhielten den<br />
Auftrag, ein eigenes Image zu entwerfen <strong>und</strong> fotografisch zu inszenieren,<br />
wofür der gesamte Schultag genutzt wurde. Hierfür erhielten sie noch<br />
einmal die gesammelten Arbeitsergebnisse zu den Themen ›Image‹ <strong>und</strong><br />
›Fotografie‹. [M6, M7] <strong>Das</strong> Erzählen stand dabei im Vordergr<strong>und</strong>; die<br />
Schülerinnen nutzten die bisher erarbeiteten Aspekte der künstlerischen<br />
Strategie, der Präzision <strong>und</strong> Haltung Monks, um ihre medialen Vorbilder<br />
zu kommentieren, zu zitieren, zu ironisieren oder sich von ihnen abzugrenzen.<br />
22 Die Teilnehmerinnen führten Diskussionen, legten Skizzen an<br />
<strong>und</strong> suchten sich Orte innerhalb des Schulgeländes, an denen sie ihre<br />
entwickelten Stars optimal in Szene setzen konnten.<br />
Die meisten Schülerinnen konzentrierten sich darauf,<br />
ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ›inszeniertem‹<br />
<strong>und</strong> ›vorgef<strong>und</strong>enem‹ Bildmaterial herzustellen,<br />
was teilweise darin gipfelte, dass neben<br />
den Fotografien auch Autogramme, Wikipedia-<br />
Artikel <strong>und</strong> Werbematerial entwickelt wurden. Die<br />
Überlegungen der Schülerinnen betrafen also<br />
auch die mit der Körperinszenierung verb<strong>und</strong>ene<br />
Produktorientierung.<br />
19 Bosse, Dorit; Messner, Rudolf: Idole in der Entwicklung<br />
von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, a.a.O., ebd.<br />
20 Die Unterrichtseinheit wurde in einer kooperativen Form im<br />
Sinne von Johnson/Johnson durchgeführt. <strong>Das</strong> Motto für<br />
die einzelnen Ergebnisse lautete sprichwörtlich »sink and<br />
swim together«, denn mit dem unterstützenden <strong>und</strong><br />
produktiven Klima in den einzelnen Gruppen stand <strong>und</strong> fiel<br />
das Projekt. Vgl. Johnson, David W.; Johnson, Roger T.:<br />
Learning Together and Alone. Cooperative, Competitive<br />
and Individualistic Learning, Needham Heights 1999, S. 75.<br />
21 Vgl. hierzu Glas, Alexander: »Bildkompetenz im Medienzeitalter«,<br />
in: Billmayer, Franz (Hg.): Angeboten. Was die<br />
Kunstpädagogik leisten kann, München 2008, S. 63.<br />
22 Kirschenmann, Johannes: Medienbildung in der<br />
Kunstpädagogik. Zu einer Didaktik der Komplementarität<br />
<strong>und</strong> Revalidierung, Weimar 2003, S. 64 <strong>und</strong> S. 70.