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Das Prinzip Bart Simpson Fotografisches Um- und Weiterdenken ...

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56 / 57 kiss<br />

Jens Ertelt / Jonathan Monk<br />

›Sich ins Bild stellen‹<br />

Die praktische Untersuchung der Starposen fand anhand der vorliegenden<br />

Fotos statt. Jede Gruppe erhielt acht Fotografien mit unterschiedlichem,<br />

teilweise ›offensichtlich inszeniertem‹, teilweise ›spontan‹ entstandenem<br />

Bildmaterial, beispielsweise Paparazzi-Fotos. Die Schülerinnen sollten<br />

die Posen <strong>und</strong> daraus resultierende Images beschreiben <strong>und</strong> fotografisch<br />

nachstellen. Hierbei erhielten die Gruppenmitglieder von mir mittels eines<br />

Arbeitsblattes [M4] unterschiedliche Rollen: ›Regisseure‹ dirigierten die<br />

›Stars‹ ausgehend von einer Fotografie, deren Inhalt den ›Stars‹ vorerst<br />

verborgen blieb. Ziel dieses Abschnittes war die vertiefende Erk<strong>und</strong>ung der<br />

Pose selbst sowie die Untersuchung der fotografischen Komposition<br />

<strong>und</strong> der Botschaft der Fotografie. Wir führten also in diesem Schritt die<br />

beiden zuvor erarbeiteten Aspekte zusammen: die Ausdrucksfähigkeit<br />

der Körpersprache zu benennen <strong>und</strong> zu charakterisieren <strong>und</strong> mittels einer<br />

Fotografie möglichst glaubhaft <strong>und</strong> genau nachzustellen. Der Blick in<br />

den (Kamera-)Spiegel als Auseinandersetzung mit dem fiktiven, konstruierten<br />

Körper <strong>und</strong> der eigenen physischen Präsenz verwies unmittelbar<br />

auf den performativen Charakter des ›Star-Seins‹. Durch die Berührung,<br />

Nachahmung <strong>und</strong> das Erleben des unmittelbaren ›Rollentauschs‹ mit<br />

dem jeweiligen Star wurde die reflexive Aneignung von <strong>und</strong> die Auseinandersetzung<br />

mit Haltungen <strong>und</strong> Posen verstärkt. 19 Dabei wurde weitgehend<br />

auf Requisiten verzichtet, denn die Stars sollten ausschließlich<br />

anhand ihrer Posen erfasst werden, wodurch die Aufgabe einen höheren<br />

Schwierigkeitsgrad aufwies. Die Schülerinnen arbeiteten in diesem Schritt<br />

sehr kooperativ 20 <strong>und</strong> erschlossen sich selbstständig über die genaue<br />

Analyse der Posen ›ihrer‹ Stars die Besonderheiten <strong>und</strong> Erkennungsmerkmale<br />

sowohl auf der Ebene der Kunstfigur ›Star‹ selbst als auch auf der<br />

Ebene der Komposition ihrer Fotografien. <strong>Das</strong> ›Lesen-Lernen‹, also der<br />

kompetente <strong>Um</strong>gang mit der Fotografie, war dabei die Hauptvoraussetzung<br />

für eine konkrete Analyse des Bildmaterials. 21<br />

»Alles passiert aus Versehen, im Vorbeigehen.<br />

Kein genaues Image, wandelbar. Ernster Gesichtsausdruck,<br />

gelangweilt«<br />

Überlegungen von Schülerinnen zu Fotografien<br />

von Kate Moss<br />

»Der sieht total fertig aus«<br />

Statement von Schülerinnen zu Fotografien von<br />

Pete Doherty<br />

Vierter Schritt<br />

Die Begegnung mit<br />

Jonathan Monk<br />

Zur Vergegenwärtigung der sich immer intensiver<br />

aufdrängenden inhaltlichen Konsequenzen unserer<br />

bisher medial orientierten Herangehensweise schien<br />

ein Treffen mit dem Künstler zur Mitte der Unterrichtseinheit<br />

sinnvoll. <strong>Das</strong> Gespräch mit Jonathan Monk<br />

kombinierte ich dabei mit dem Besuch der Ausstellung<br />

The Making of Art in der Schirn Kunsthalle<br />

Frankfurt, wo wir die Gelegenheit hatten, Monks<br />

Werkreihe Untitled (Höhere Wesen befahlen...)<br />

(2007) aus nächster Nähe zu erfahren <strong>und</strong> mit ihm<br />

gemeinsam zu diskutieren. [M5]<br />

In der ersten Phase der Auseinandersetzung mit<br />

Monks Arbeiten wurde deutlich, dass nur ein minimaler<br />

Eingriff an einer sehr sensiblen Stelle der<br />

Arbeit, also bei Polke an der Ecke rechts oben, ihre<br />

Aussage komplett verändert. Wir hatten Polkes<br />

Arbeit am Tag zuvor besprochen <strong>und</strong> die Schülerinnen<br />

erkannten Monks Referenz spontan wieder. Die<br />

Fragen, welche sich aus der gemeinsamen Diskussion<br />

vor Ort ergaben, spitzten sich darauf zu, was<br />

Jonathan Monk als Künstler dazu motiviert, sein ›Vor-<br />

Bild‹ zu kommentieren <strong>und</strong> worin er eine Notwendigkeit<br />

zur Handlung sieht.<br />

Monk erläuterte im Gespräch, wie er in seiner Position das reflektiert,<br />

was ihn unmittelbar umgibt, <strong>und</strong> wie er seine künstlerischen Eingriffe<br />

strategisch plant <strong>und</strong> umsetzt. An der Arbeitsweise von Monk wurde den<br />

Schülerinnen verständlich, dass eine intensive Auseinandersetzung mit<br />

dem künstlerischen Handlungspotenzial eines Vorbildes notwendig ist<br />

<strong>und</strong> die Arbeit in ihrer inhaltlichen Qualität beeinflusst.<br />

Fünfter Schritt<br />

Anwendung des ›<strong>Prinzip</strong>s <strong>Bart</strong> <strong>Simpson</strong>‹<br />

Eine weitere Reminiszenz auf ein bekanntes popkulturelles Phänomen<br />

sollte uns die Überleitung zur Erarbeitung eines ästhetisch-künstlerischen<br />

Produktes ermöglichen. Konkret fasst die Kunstfigur <strong>Bart</strong> <strong>Simpson</strong>,<br />

welche Jonathan Monk in unseren Gesprächen in seinem Atelier häufiger<br />

ansprach, die Aspekte zusammen, die wir bislang zum Thema ›Posen‹,<br />

›Image‹ <strong>und</strong> ›Star-Verhalten‹ erarbeitet hatten; sie diente so als pointiertes<br />

Sinnbild für den Abschluss des Projektes. Die Schülerinnen erhielten den<br />

Auftrag, ein eigenes Image zu entwerfen <strong>und</strong> fotografisch zu inszenieren,<br />

wofür der gesamte Schultag genutzt wurde. Hierfür erhielten sie noch<br />

einmal die gesammelten Arbeitsergebnisse zu den Themen ›Image‹ <strong>und</strong><br />

›Fotografie‹. [M6, M7] <strong>Das</strong> Erzählen stand dabei im Vordergr<strong>und</strong>; die<br />

Schülerinnen nutzten die bisher erarbeiteten Aspekte der künstlerischen<br />

Strategie, der Präzision <strong>und</strong> Haltung Monks, um ihre medialen Vorbilder<br />

zu kommentieren, zu zitieren, zu ironisieren oder sich von ihnen abzugrenzen.<br />

22 Die Teilnehmerinnen führten Diskussionen, legten Skizzen an<br />

<strong>und</strong> suchten sich Orte innerhalb des Schulgeländes, an denen sie ihre<br />

entwickelten Stars optimal in Szene setzen konnten.<br />

Die meisten Schülerinnen konzentrierten sich darauf,<br />

ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ›inszeniertem‹<br />

<strong>und</strong> ›vorgef<strong>und</strong>enem‹ Bildmaterial herzustellen,<br />

was teilweise darin gipfelte, dass neben<br />

den Fotografien auch Autogramme, Wikipedia-<br />

Artikel <strong>und</strong> Werbematerial entwickelt wurden. Die<br />

Überlegungen der Schülerinnen betrafen also<br />

auch die mit der Körperinszenierung verb<strong>und</strong>ene<br />

Produktorientierung.<br />

19 Bosse, Dorit; Messner, Rudolf: Idole in der Entwicklung<br />

von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, a.a.O., ebd.<br />

20 Die Unterrichtseinheit wurde in einer kooperativen Form im<br />

Sinne von Johnson/Johnson durchgeführt. <strong>Das</strong> Motto für<br />

die einzelnen Ergebnisse lautete sprichwörtlich »sink and<br />

swim together«, denn mit dem unterstützenden <strong>und</strong><br />

produktiven Klima in den einzelnen Gruppen stand <strong>und</strong> fiel<br />

das Projekt. Vgl. Johnson, David W.; Johnson, Roger T.:<br />

Learning Together and Alone. Cooperative, Competitive<br />

and Individualistic Learning, Needham Heights 1999, S. 75.<br />

21 Vgl. hierzu Glas, Alexander: »Bildkompetenz im Medienzeitalter«,<br />

in: Billmayer, Franz (Hg.): Angeboten. Was die<br />

Kunstpädagogik leisten kann, München 2008, S. 63.<br />

22 Kirschenmann, Johannes: Medienbildung in der<br />

Kunstpädagogik. Zu einer Didaktik der Komplementarität<br />

<strong>und</strong> Revalidierung, Weimar 2003, S. 64 <strong>und</strong> S. 70.

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