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Ihr Prim. Dr. Georg Pinter & Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf ... - Arzt + Kind

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Sterbehilfe<br />

Sterbehilfe in Österreich – ein Kurzüberblick<br />

über den Rahmen des rechtlich Zulässigen<br />

<strong>Dr</strong>. iur. Nora WALLNER-fRIEDL<br />

ist Richteramtsanwärterin im Sprengel des<br />

Oberlandesgerichts Wien und wissenschaftliche<br />

Assistentin am Institut für Europäisches<br />

Schadenersatzrecht (ETL) der Österreichischen<br />

Akademie der Wissenschaften.<br />

Kontaktadresse:<br />

Oberlandesgericht Wien<br />

Schmerlingplatz 11, 1016 Wien<br />

Institut für Europäisches Schadenersatzrecht<br />

der Österreichischen Akademie der Wissenschaften<br />

Reichsratsstraße 17/2, 1010 Wien<br />

Einleitung<br />

Ärzte stehen regelmäßig vor der Situation,<br />

dass es nicht (mehr) darum<br />

geht, Leben zu retten, sondern ihren<br />

Patienten das Sterben erträglicher zu<br />

machen. Dabei tauchen immer wieder<br />

Unsicherheiten auf, was rechtlich<br />

erlaubt und möglich ist und was nicht.<br />

Der vorliegende Beitrag soll dem juristischen<br />

Laien einen Kurzüberblick über<br />

die rechtlichen Bestimmungen und<br />

die Grenzen des rechtlich Zulässigen<br />

geben.<br />

36<br />

foto@beigestellt<br />

Wesentliche rechtliche<br />

Bestimmungen<br />

Das Spannungsfeld, in dem sich die Diskussion<br />

über die Sterbehilfe befindet, nämlich<br />

dem Konflikt zwischen dem Recht auf Leben,<br />

dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten<br />

und der Fürsorgepflicht des <strong>Arzt</strong>es, zeigt<br />

sich – sehr vereinfacht und reduziert – in folgenden<br />

Bestimmungen der österreichischen<br />

Rechtsordnung:<br />

Eines der höchstrangigen Rechtsgüter unserer<br />

Rechtsordnung ist das Leben, das von<br />

der Empfängnis (bedingt durch Lebendgeburt)<br />

bis zum Eintritt des (Hirn-)Todes<br />

geschützt werden soll. Das ergibt sich schon<br />

daraus, dass das österreichische Strafgesetzbuch<br />

(StGB) in seinem ersten Abschnitt über<br />

die diversen strafbaren Handlungen solche<br />

gegen Leib und Leben regelt (§§ 75 ff StGB).<br />

So sieht § 77 StGB die Strafbarkeit der Tötung<br />

auf Verlangen vor (1), § 78 StGB bestimmt die<br />

Strafbarkeit der Mitwirkung am Selbstmord.<br />

Zwar muss ein (erfolgloser) Selbstmörder<br />

in Österreich keine Bestrafung befürchten,<br />

jedoch derjenige, der dabei „mitwirkt“ (2) –<br />

die Beihilfe zum Selbstmord bzw. der assistierte<br />

Suizid sind somit in Österreich strafbar.<br />

All diese Delikte können nicht nur durch positives<br />

Tun, sondern grundsätzlich auch durch<br />

Unterlassen begangen werden (3). Auch die<br />

unterlassene Hilfeleistung ist gemäß § 95<br />

StGB strafbar.<br />

Diese Bestimmungen schützen das Rechtsgut<br />

Leben, es sind somit auch lebensverkürzende<br />

Maßnahmen an Sterbenden oder unheilbar<br />

Kranken grundsätzlich davon mit umfasst (4).<br />

Sinn und Zweck der strafrechtlichen Bestimmungen<br />

im Rahmen der Sterbehilfe ist,<br />

dass nicht immer nur von fürsorglichen und<br />

wohlmeinenden Ärzten und Angehörigen<br />

ausgegangen werden kann, sondern unter<br />

Umständen auch andere Interessen mit hinein<br />

spielen, wie die Aussicht auf ein rascheres<br />

Erbe, eine hohe Belastung durch die Pflege<br />

des Patienten, Ärzte, die neue Therapien<br />

erforschen oder Krankenkassen, die Geld sparen<br />

wollen.<br />

Gleichzeitig räumt unsere Rechtsordnung<br />

dem freien Willen des Einzelnen, also seiner<br />

Autonomie einen großen Stellenwert ein (5) .<br />

Der Mensch soll über seinen Körper und somit<br />

auch über sein eigenes Sterben bestimmen<br />

können und es soll ihm ein menschenwürdiges<br />

Sterben ermöglicht werden. Daher macht<br />

sich gemäß § 110 StGB strafbar, „[w]er einen<br />

anderen ohne dessen Einwilligung, wenn<br />

auch nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft,<br />

behandelt“ (eigenmächtige Heilbehandlung).<br />

Diese Regelung ist als Ausfluss<br />

des Prinzips des free and informed consent<br />

zu verstehen (6). Das Selbstbestimmungsrecht<br />

des Patienten, der einwilligungsfähig ist<br />

und dem <strong>Arzt</strong> (in welcher Form auch immer)<br />

mitteilt, dass er keine (weitere) Behandlung<br />

möchte, führt also dazu, dass der <strong>Arzt</strong> nicht<br />

nur nicht mehr behandeln muss, sondern<br />

gar nicht mehr behandeln darf. Der <strong>Arzt</strong> hat<br />

also nicht nur das Recht, sondern sogar die<br />

Pflicht, die Behandlung abzubrechen oder<br />

gar nicht erst zu beginnen (7), der Patient hat<br />

ein uneingeschränktes Vetorecht (8).<br />

Dem Prinzip der Autonomie und der Selbstbestimmung<br />

wird mittlerweile auch verstärkt<br />

durch das Patientenverfügungs-Gesetz<br />

(PatVG) (9) sowie durch die Regelungen über<br />

die Vorsorgevollmacht in den §§ 284f bis 284h<br />

ABGB (10) Rechnung getragen. Diese Regelungen<br />

dienen zum einen dem Schutz des<br />

Patienten, zum anderen bieten sie für den Fall<br />

der Einwilligungs-, Urteils- oder Äußerungsunfähigkeit<br />

des Patienten auch Klarstellung<br />

und Sicherheit für die behandelnden Ärzte,<br />

das Pflegepersonal und die Angehörigen.<br />

Durch die Patientenverfügung kann ein Patient<br />

für den Fall, dass er später nicht mehr einsichts-,<br />

urteils- oder äußerungsfähig ist, im<br />

Vorhinein die Ablehnung bestimmter medizinischer<br />

Behandlungen festlegen. Es muss<br />

aus der Patientenverfügung klar hervorgehen,<br />

welche medizinischen Behandlungen<br />

konkret abgelehnt werden bzw. muss sich<br />

das aus dem Gesamtzusammenhang der Verfügung<br />

ergeben (§ 4 PatVG). Zudem muss<br />

die Patientenverfügung nach dokumentierter,<br />

umfassender ärztlicher Aufklärung (§ 5<br />

PatVG) vor einem Rechtsanwalt, Notar oder<br />

einem rechtskundigen Mitarbeiter einer<br />

gesetzlich anerkannten Patientenvertre-

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