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Andrej Bitovs Uroki Armenii - Sarah

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Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass es sich in diesen Reisetexten nicht<br />

um eine einfache Beschreibung von geographischem Raum handelt, sondern vielmehr<br />

um die Beschreibung subjektiver Wahrnehmungsmuster und -strategien, angewendet<br />

auf geographischen, aber auch kulturellen Raum.<br />

Ob Mandel’štam Belyjs Reisetexte gelesen hatte, ist gemäss Sippl nicht bekannt.<br />

Obwohl in den Texten eine sehr unterschiedliche Ästhetik zu Tage tritt, gibt es<br />

parallele Phänomene: Einerseits der Bezug auf Puškin, Goethe sowie auf die antike<br />

Mythologie, andererseits der Diskurs subjektiver künstlerischer Wahrnehmung. Die<br />

Reisebeschreibungen der Moderne weisen besonders in den bisher zitierten Stellen<br />

Theoriebildung und einen Hang zur Didaktik auf. Daher können <strong>Andrej</strong> <strong>Bitovs</strong> <strong>Uroki</strong><br />

<strong>Armenii</strong> diesbezüglich als deren Fortsetzungslektionen gelesen werden.<br />

2.4 Vom Forscherblick zur meditativen Betrachtung<br />

In den drei ersten Oberkapiteln Urok jazyka, Urok istorii und Urok geografii nimmt<br />

Bitov ausdrücklich Bezug auf die beiden Texte der Moderne. Insbesondere im dritten<br />

Oberkapitel geht er auf visuelle Wahrnehmungsmuster ein: „I ja sleduju obrazu, kak<br />

metodu. Nevooružennym glazom ja ničego ne vižu – nado tut rodit’sja i žit’, čtoby<br />

videt’“ 62 .<br />

Markanterweise wird hier ein analytischer Blick thematisiert, der den Erzäh-<br />

ler jedoch zu keinerlei Erkenntnis bringt, denn in diesem Text erlangt der reisen-<br />

de Protagonist die sehende Erkenntnis weniger durch ein „učit’sja“, wie es Belyj<br />

oft anführt, sondern vielmehr durch das Vergessen und Abrücken von gewohnten<br />

Wahrnehmungskonventionen.<br />

Bitov findet insbesondere in Mandel’štam einen literarischen Weggefährten: „‚Ax,<br />

ničego ja ne vižu, i bednoe ucho oglochlo...‘ Velikaja po˙ezija vsegda konkretna. A obra-<br />

zov nikakich net“ 63 . Mit diesem Zitat eines Gedichts aus Mandel’štams lyrischem<br />

Armenien-Zyklus 64 ergänzt Bitov seine Beschreibung der Helligkeit am Sevansee:<br />

„Zakladyvaet uši, slezjatsja glaza“. Wichtig erscheint dabei die Bemerkung, dass<br />

grosse Poesie konkret und frei von „obrazy“ (übernommenen Bildern) sei. Dies deu-<br />

tet auf die <strong>Bitovs</strong>che Raum- und Zeitwahrnehmung hin, welche sich vom naturwis-<br />

62 Bitov, <strong>Uroki</strong> <strong>Armenii</strong>, S. 44.<br />

63 Ebd., S. 56.<br />

64 Vgl. Mandel’štam, Armenija, Gedicht Nr. 2, S. 187.<br />

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