Andrej Bitovs Uroki Armenii - Sarah
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i plavnost’ i tverdost’ armjanskoj bukvy ne protivorečat kamnju“ 161 . Diese Mate-<br />
rialität der Schrift bringt er in Zusammenhang mit der gesprochenen Sprache, die<br />
er akustisch als Kettenrasseln beschreibt „[...] slovo – načertannoe – zvjaknet, kak<br />
cep’“ 162 .<br />
Einerseits künstlerisch monumental, andererseits natürlich wie der unbearbeitete<br />
Stein, zeichnet diese Schrift in einem mimetischen Sinn die armenische Kultur nach<br />
und beinhaltet armenische Formelemente:<br />
„V armjanskoj bukve – veličie monumenta i nežnost’ žizni, biblejskaja<br />
drevnost’ očertanij lavaša i ostrota zapjatoj perca, kudrjavost’ i proz-<br />
račnost’ vinograda i strojnost’ i strogost’ butyli, mjagkij zavitok oveč’ej<br />
šersti i pročnost’ pastuč’ego posocha, i linija pleča pastucha... i linija<br />
ego zatylka... I vse ˙eto v točnosti sootvetstvuet zvuku, kotoryj ona izo-<br />
bražaet“ 163 .<br />
Diese Anschauung begreift die Schrift als ein Medium der Offenbarung: Das Al-<br />
phabet ist nicht lediglich arbiträres Zeichensystem, sondern verkörpert den Inhalt<br />
eines Textes. Die graphische Gestaltung des glagolitischen Alphabets durch die Sla-<br />
venapostel Kyrill und Method im 9. Jahrhundert weist auf ein ähnliches Phänomen<br />
hin: Der Buchstabe „a“ hatte die Form eines Kreuzes. Er war sowohl Ideogramm als<br />
auch Akrostichon für das Personalpronomen „az“ (ich). Dadurch wurde die idealty-<br />
pische Verwandtschaft zwischen Christus und dem Ich dargestellt. 164<br />
In Armenien war es der ehemalige Hofsekretär und Mönch Mesrop Maštoc’ (*zwi-<br />
schen 360-362 n. Chr., gest. 440 n. Chr.), der die armenische Alphabetschrift mit<br />
ursprünglich 36 Buchstaben schuf. Wie die glagolitische Schrift gereichte sie zur<br />
Übersetzung der Heiligen Schrift, die im Jahr 433 vollständig vorlag. 165 Das Altar-<br />
menische (Grabar) war bis ins 11. Jahrhundert die Kirchen- und Literatursprache.<br />
161Im Armenischen gibt es Gruppen von Schrifttypen, die die Bezeichnung „Jerkatagir“ tragen<br />
(von „jerkat=Eisen“ und „gir“=Schrift). Der erste „Urmesropianisch“ genannte Schrifttyp lautet<br />
auf Armenisch „Mesropian boloragidz jerkatagir“, was wörtlich übersetzt „mesropianische<br />
rundlinige Eisenschrift“ bedeutet. Vgl. hierzu Eggenstein-Harutunian, Margret: Einführung in<br />
die armenische Schrift. Hamburg 2000. S. 75-76.<br />
162Bitov, <strong>Uroki</strong> <strong>Armenii</strong>, S.16.<br />
163Ebd., S. 16-17.<br />
164Vgl. Schmid, Ulrich: Russische Medientheorien. In: ders. (Hg.): Russische Medientheorien. In:<br />
Facetten der Medienkultur. Bd. 6. Bern 2005, S. 11-12.<br />
165Die Annahme des Christentums als Staatsreligion war bereits im Jahr 301 erfolgt. Vgl. von<br />
Gumppenberg; Steinbach, S. 20.<br />
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