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heuler nr. 37 - niquan.com

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darfDarfgottGottesEsmitMitderDerhandHandmachen?Machen?Mittwoch, der 23. Mai 2001. Seit 23.33 Uhr gibt es einigeunumstößliche Gewissheiten: Für eine stetig wachsendeGemeinde von Fußballjüngern hat Olli Kahn soeben denFC Bayern ins Fußballgeschichtsbuch eingetragen unddamit die Sinnkrise der Postmoderne beendet. In einemkleinen Lokal in Rostocks künftiger Spaziermeile sind sichdagegen im gleichen Moment ein paar Hobbystudentenauch ziemlich sicher, nämlich, daß es da eben lautstarkan die Tür der Menschheit geklopft hat. Und, daß es sichbei dem unerwarteten Besuch um nichts geringeres als- Überraschung! - Gott handelt. Und, daß Gott Zigarreraucht - die Zigarre des Erfolges!Die Vorgeschichte ist recht simpel. Friedrich Nietzscheerklärt Gott für tot und der gemeine Engländer erfindetbloß den Fußball dagegen. Dafür erhält er sein Königshaus,Mick Jagger und zwei größere Kriege zugesprochen. DieDeutschen verlieren bis hin zum Verstand erst mal alles,kriegen dazu aber den Fußball, ein bißchen KritischeTheorie und dann doch wieder einen Osten sowie HelmutKohl, der den Kanzler für lebendig erklärt. Gerechterweisevergeht dem Briten beim Roastbeef das Lachen, und fußballerischgibt es, sagen wir mal in zunehmendem Maße,die Hucke voll. Auch von Deutschland. Man könnte alsovon einem relativen Patt sprechen, als alle gemeinsamvon der Globalisierung, der Spaßgesellschaft und der NewEconomy erwischt werden. Die Folge: an Wert und höheremTrost beginnt es bedenklich im Revier zu mangeln.Bis einige Tage im Mai ein für alle mal andeuten, wo dieHarke zu hängen hat. Oder wie der Sänger Xavier Naidooein für alle mal klarsingt: „Es sind SEine Straßen...!“ Nur,wen wird ER (SIe, ES?) mit auf dem Wagen sitzen haben?Hähä, gackst es aus den Reihen der Spötter, wen denn?Am 23. Mai 2001 hat Gott zu diesem Thema endgültig dieHosen heruntergelassen...Stefan „Ich, Effe“ Effenberg („Sie wollen wissen, wiedas ist, wenn man vom Himmel in die Hölle und wiederzurück rast? Ich nehme sie mit...“).Wer dabei noch seine Hand im Spiel hatte, wird allen Atheistenvoller Entsetzen allmählich klar. Oder klargemacht:„Es gibt nur einen Gott, der einem die Kraft gibt, allesdurchzustehen“ (Oliver K., Torhüter). Anton Meixelsberger(65, Pensionist) hat ebenfalls seinen Teil beigetragen:„Ich habe zur Mutter Gottes gebetet...“ Wie auch der omnipotenteFranz Beckenbauer: „So groß ist das Verbrechennicht. Der liebe Gott freut sich über jedes Kind.“Eine kleine Überraschung offeriert der dankbare GiovaneElber: „Ich danke Gott und Kahn.“ Nanu? Handelt es sichetwa um ein Gemeinschaftswerk an sich verschiedenerSpezies? Wie bei Jahwe und Jesus, John und Yoko? IstKahn der Auserwählte? Beim Nachzählen offenbart sichErstaunliches: Die heilige Dreifaltigkeit - dreimal DeutscherMeister am Stück - 23.33 Uhr (s.o.) - Kahn hältirgendwie drei Elfmeter.„Die Faust Gottes“, betitelt nun schon fast automatischerleuchtet die Bild-Zeitung den „Torwart-Titanen“. Derselbst verkündet nach dem Meisterschaftsspiel die erstendrei (!) Kahnschen Imperative: 1. Man kann ja auch feiern,ohne daß man sich die Hucke vollbläst. 2. Ich denke, wirleben im Hier und Jetzt und Heute. 3. Und wer weiß, wasmorgen ist.Wer dazu gesehen hat, wie vollkommen entrückt OliverKahn mit einer Eckfahne Liebe macht, ahnt die Präsenzeiner fremden Kraft. Oder kommt kollegial zu dem Schluß:„Oliver ist positiv gestört.“ (Martin Pieckenhagen). Wasfür ein Glück im Hier und Jetzt und Heute, wo wir vermutlichleben. Gott aber ist groß, und es ist nicht die ersteKinnlade, die SEine Feinde vernichtet, SEine Eckfahnenaber dem Paradies entgege<strong>nr</strong>eißt.An Hinweisen hat es nicht gefehlt. Aber wer hat sie wiedergleich erkannt? Selbstverständlich Deutschlands blühendstesTagesblatt: „BILD fragte (bereits) am Samstag: Wenliebt heute der Fußball-Gott?“ (21.5.2001). Während KommentatorAlfred Draxler das Unglaubliche noch vorsichtigrationalisiert: „Die Bayern haben das Sieger-Gen.“, weißdie Redaktion natürlich bereits, wer da so lieb gehabt wird,und druckt augenblicklich eine spannende Kolumne vonAlles harte Arbeit - oder hat doch der Fußball-Gott geholfen?Die Antwort liegt irgendwo über diesem Satz. Oderunter dem von Stefan „Äffe“ Effenberg: „Mit anderenDingen als dem Erfolg beschäftigen wir uns nicht.“Denn - ist das jetzt schon wieder menschliche Hybris, dieauf einmal ganz modern behauptet, niemals seine Seeleverkauft oder besessen zu haben?Nach den Wundern von Hamburg und Mailand (viele weinendePrimadonnen) und eigentlich sowieso müßte HerrEffenberg sich ab nun bei jedem Verdauungsakt vor einemBlitz oder dem unsterblichen Oliver Kahn vorsehen.Wenn Gott und die Bayern sich aber insgeheim im „Erfolg“getroffen haben, und wenn IHm überirdische Kräfte zurVerfügung stehen, dann sollte man schleunigst prüfen, obdas nicht die Regeln des europäischen Fußballs und derVernunft verletzt hat. Und ob Gott gleichzeitig Gott undArschloch sein kann.Man stelle sich nur vor, was die Hand Gottes im nächstenBundestagswahlkampf a<strong>nr</strong>ichten könnte!Stephan Langhans24

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