selbst vielfache Einschränkungen ihrer Autonomiebedürfnisseund wenige Möglichkeitender Mitbestimmung und Mitentscheidungerfahren. Wir müssen davon ausgehen, dassPädagoginnen, wenn sie beginnen, KindernAutonomie und ihre Partizipationsrechte zuzuerkennen,versuchen, etwas zu verwirklichen,wozu sie selbst zunächst einmal wenigeigenen Zugang haben.Seit 2002 erleben wir im Projekt „Demokratieleben“ tagtäglich, was es heißt, sich konsequentdie Frage zu stellen: Inwiefern ermöglichenwir den Kindern in der Kita demokratischeLernerfahrungen? Die beteiligten Erzieherinnenreflektieren ihre pädagogische Praxisund tauschen ihre Erfahrungen undErkenntnisse aus. Sie probieren Neues ausund stellen fest, dass Veränderungen auchBereicherungen mit sich bringen. Sie trauenden Kindern mehr zu und erkennen, dass siemehr können und wissen, als sie je erwartethatten. Und dann gehen sie immer weiter. Siesind fortwährend dabei, an ihre Grenzen zugehen und sie zu überwinden.Was diese Auseinandersetzungen konkretbedeuten und welche Herausforderungendamit verbunden sind, möchte ich Ihnenanhand von Beispielen unserer Projektarbeitdarlegen.Beim ersten Beispiel geht es um Autonomieerfahrungenvon Kindern; es geht um das alltäglichstealler Themen, um Essen und Trinken,also um ganz elementare körperlicheGrundbedürfnisse.Wenn wir allgemein davon ausgehen, dassdie Erfahrung von Autonomie - der Selbstbestimmung- immens wichtig für die Entwicklungdes Kindes ist, dann trifft dies auch aufdiesen Bereich zu. Die Kinder sollten dieMöglichkeit haben, zu essen und zu trinken,wann immer sie Hunger und Durst haben. Siesollten so viel (oder so wenig) essen und trinken,wie es ihrem Bedürfnis entspricht. Undsie sollten wählen können, was sie essen undtrinken wollen.Hier klafft eine Lücke zwischen dem, was dieKinder für ihre Entwicklung brauchen, und derRealität in der Kita.Zwar ist es mittlerweile in den Kitas, die ichkenne, üblich, dass den Kindern Getränke zujeder Zeit zugänglich sind. Doch ist dies eherbei den älteren der Fall als bei den kleinerenKindern. Begründet wird dies oft damit, dasskleine Kinder die schwere Kanne noch nichtallein handhaben können. Es braucht nichtviel Ideenreichtum, um eben eine kleineKanne zur Verfügung zu stellen, damit Autonomienicht eine Frage des Alters ist.Auch beim Auftun des Essens beobachtetenwir, dass die Möglichkeit der Selbstbestimmungaltersabhängig ist. Hortkinder habenam ehesten die Chance, selbst zu bestimmen,was und wie viel sie auf ihrem Tellerhaben wollen. Um ein gesundes Verhältniszum Essen zu entwickeln, ist in diesem Alteraber schon der Zug abgefahren. Die Kinderkönnen nicht früh genug anfangen, ein Gefühldafür zu bekommen, was sie wollen und wassie brauchen. Die Krippenerzieherinnenunseres Projekts haben nach anfänglichenZweifeln den Beweis erbracht, dass schonEinjährige sehr wohl in der Lage sind, sichselbst das Essen aufzutun. Hierbei wird auch32 KINDER ERFAHREN DEMOKRATIE …
eine wichtige Bildungschance genutzt: DieKinder lernen, Mengen einzuschätzen unddas Besteck und die verschiedenartigen Konsistenzender Speisen zu handhaben.Ich gehe davon aus, dass heute kein Kind inder Kita mehr gezwungen wird, alles aufzuessen,was auf dem Teller ist. Aber darf ein Kindsich auch irren, bei sehr großem Appetit sichzuviel auftun und erst beim Essen erkennen,dass es nur die Hälfte schafft? Entscheidendist, wie die Erzieherin reagiert: mit Wohlwollenoder mit Ungeduld?Auch in der Aussage: „Ich will nicht mehr“ wirdden Größeren mehr Autonomie zuerkannt alsden Kleineren. Es ist ja tatsächlich vielschwieriger, dies bei kleinen Kindern, dienoch nicht sprechen können, wahrzunehmen.Die Krippenerzieherinnen im Projekt „Demokratieleben“, die sich angewöhnt haben,bewusster auf die Bedürfnisäußerungen dereinzelnen Kinder achten, nehmen viel sensiblerdie unterschiedlichen Äußerungsformenbei Babys wahr. Wenn sie leicht den Oberkörperversteifen, die Augen schließen, den Kopfwegdrehen, heißt das: Nein. Dies sind oftganz feine Bewegungen, die leicht in der Kindergruppeuntergehen können.Dass Kinder nicht zum Essen gezwungenwerden sollen, ist heute nicht nur unterPädagoginnen unzweifelhaft. Aber: Haben dieKinder wirklich die Wahl, was sie essen? Gibtes Alternativen zum Mittagsmahl, das einKind nicht mag, etwa ein belegtes Brot?Bekommen sie auch Nachtisch, wenn sie dasEssen nicht aufessen? Müssen sie allesessen, was angeboten wird? Wird das Angebotzu probieren, wirklich so formuliert, dassdas Kind ermuntert wird, etwas Neues zu entdecken,ohne dass Druck ausgeübt wird?Kann ein Kind auch ablehnen, etwas Neueszu entdecken?Diese Fragen lösen in Teams häufig intensiveund mitunter heftige Diskussionen aus. Oftwerden Sachzwänge oder die Autorität derKüchenkraft ins Feld geführt, wenn eingefleischteGewohnheiten infrage gestellt werden,um die Bedürfnisse der Kinder stärkereinzubeziehen.Immer kommt aber auch die Sorge umgesundheitsfördernde Ernährungsgewohnheitenzum Ausdruck. Denn es gibt Kinder,die von ihrer Familie Essgewohnheiten kennen,die ihrer Gesundheit eher schaden. Wasist, wenn ein Kind sechs Wochen lang nurNachtisch essen will? Wir können doch nichtzugucken, wenn ein Kind sich völlig einseitigernährt! Wenn es keinen Diskurs darüber mitden Eltern gibt, bleibt die Sorge bestehen. Dahilft auch die erprobte Erfahrung nichts, dassKinder, die ihre Nahrungsaufnahme selbstbestimmen können, irgendwann von selbst zueiner Ausgewogenheit finden.Häufig haben es die Erzieherinnen auch mitKindern zu tun, die aufgrund der familiärenVerhältnisse ausschließlich in der Kita eineRegelmäßigkeit erfahren und für die festeStrukturen besonders wichtig sind. Es istgewiss nicht einfach, eine Balance herzustellenzwischen dem Pflegen einer Esskultur inder Gruppe mit den dazugehörenden bedeutsamenRitualen und der Möglichkeit, den individuellenBedürfnissen jedes Kindes Rechnungzu tragen.KINDER ERFAHREN DEMOKRATIE … 33
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