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1943 inmitten befreienden Bombenhagels der heutigen ...

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kommen und gehen, aber die Städte und Landschaften bleiben; die<br />

Menschen sollten es ebenso tun.<br />

Er ist ein hochsensibler Romantiker; als sich seine Frau in einen an<strong>der</strong>en<br />

Mann verliebt und sich scheiden läßt, tritt er die einzige Flucht seines<br />

Lebens an. Nicht Leipzig kehrt er den Rücken, nein, dem Leben, er<br />

flüchtet sich in die geistige Umnachtung, in den Wahnsinn, worin er nun<br />

schon fast so lange wie einst Höl<strong>der</strong>lin, seit etwa zwanzig Jahren, verharrt.<br />

Denkt Leo Kleinschmidt an Leipzig in <strong>der</strong> Nacht, ist er nicht um den<br />

Schlaf gebracht, nein, aber er denkt an all seine Freunde dort, an seine<br />

Kindheit, an das verlorene Paradies, das fast ein Inferno geworden wäre.<br />

Ihm fällt eine Geschichte ein, die ihm Freya Kralig, Andreas´ Schwester,<br />

erzählt hat, aus <strong>der</strong> Zeit, als sie im Messebau tätig gewesen ist und für die<br />

Frau eines in Mexiko seiner Krebskrankheit erlegenen Führers <strong>der</strong> DDR<br />

und ehemaligen Bergmanns ein Büro eingerichtet hat. Durch einen Zufall<br />

war sie in die Leipziger Schaltzentrale <strong>der</strong> Macht gelangt, wohin ihr ein<br />

ehemaliger Kommilitone aus Prahlerei und Geltungsbedürfnis Zugang<br />

verschafft hatte. Dort zauberte <strong>der</strong> Prahlhans über die Betätigung verschiedener<br />

Knöpfe unterschiedlichste Plätze, Lokalitäten und Gebäude<br />

<strong>der</strong> Stadt auf den Bildschirm, so daß Freya intime Einsichten in das<br />

Treiben ihrer Leipziger Mitmenschen gewann.<br />

Die Plätze, Straßen und Häuser existieren nicht mehr, zumindest nicht<br />

mehr so, wie sie in Leo Kleinschmidts Erinnerung leben. Hochhäuser<br />

haben die Gärten seiner Kindheit verdrängt, haben dem Boden, auf dem<br />

sie in einem verwunschenen Garten ein Lagerfeuer gemacht haben, um<br />

darin Kartoffeln garen zu lassen, die Unschuld geraubt. Auch die Landsberger<br />

Straße, wo er seine Mutter nach ihren Hamstertouren an <strong>der</strong><br />

Haltestelle Viertelsweg von <strong>der</strong> Straßenbahn abholte, erkennt er kaum. In<br />

<strong>der</strong> Erinnerung sieht er eine junge, bildhübsche und wun<strong>der</strong>bare Frau,<br />

seine Mutter, aus <strong>der</strong> Straßenbahn steigen, zwei volle Eimer mit Kartoffeln<br />

und Gemüse in den Händen, auf dem Rücken einen schweren Rucksack.<br />

Er spürt die Düfte aus <strong>der</strong> Waschküche in seine Nase steigen. Im<br />

Waschkessel rühren die Frauen - Verwandte, Frau Garbe und seine<br />

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