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Programmheft herunterladen - Münchner Philharmoniker

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Mahler gegen Mitte des Aufenthalts von der<br />

heftigen Affäre, die seine Frau Alma seit Anfang<br />

Juni mit dem Architekten Walter Gropius<br />

unterhält. Die Enthüllung vernichtet für ihn jäh<br />

alle familiäre Sicherheit. Verlustängste quälen<br />

ihn fortan, und sie tun es, wie man heute weiß,<br />

nicht grundlos: Denn trotz einer Aussprache<br />

mit Gropius verfolgt Alma die intime Beziehung<br />

heimlich weiter. Um der unmittelbaren<br />

psychischen Folgen der Ehekrise Herr zu werden,<br />

reist Mahler noch Ende August ins südholländische<br />

Leiden und sucht in einem therapeutischen<br />

Gespräch Rat bei Sigmund Freud.<br />

Doch Freuds Psychoanalyse gewährt keine<br />

dauerhafte Besserung: Von dieser Zeit an vermitteln<br />

Mahlers Briefe das erschütternde<br />

Zeugnis eines seelisch höchstgradig labilen<br />

Menschen.<br />

Das Zerwürfnis mit Alma bildet den chaotischen<br />

Hintergrund, vor dem die 10. Symphonie<br />

entsteht – „dennoch entsteht“, müsste<br />

man sagen – , und dieser künstlerische Kraftakt<br />

weckt umso mehr Erstaunen, wenn man<br />

die trotz allem erreichten Ausmaße der Ar beit<br />

betrachtet. Für die Komposition einer fünfsätzigen<br />

Symphonie von nahezu 2000 Takten<br />

und knapp 80 Minuten Spieldauer brauchte<br />

Mahler, alle Unterbrechungen ab gerechnet,<br />

kaum mehr als 50 Tage.<br />

Gust av Ma h ler : 10. Sy mphon ie<br />

Carl Moll: Totenmaske Gustav Mahlers (abgenommen am 18. Mai 1911)<br />

– 2 6 –<br />

Unsichere Quellenlage<br />

Allerdings gedieh das Werk in diesem Sommer<br />

nicht über mehr oder minder ausführliche Entwürfe<br />

hinaus. Auf durchschnittlich vier Notensystemen<br />

sind in einem Particell von 93 Seiten<br />

Umfang immerhin der gesamte melodische<br />

Verlauf der Symphonie sowie weite Strecken<br />

der Harmonisierung festgehalten; überdies<br />

entsteht noch in Toblach ein unvollständiger<br />

Partiturentwurf für die ersten drei Sätze. Nach<br />

seiner Gewohnheit hätte Mahler die letzte Stufe<br />

der Komposition, die Partiturreinschrift, im folgenden<br />

Winterhalbjahr in New York erstellt.<br />

Aus „einer Art Scheu, sich damit zu befassen“<br />

(Alma Mahler), nimmt er jedoch die Arbeit an<br />

der „Zehnten“ nicht wieder auf – und so bleibt<br />

es bei dem in Toblach erreichten Werk stadium.<br />

Am 18. Mai 1911 stirbt Gustav Mahler in<br />

Wien.<br />

Das Werk muss danach als unvollendet gelten.<br />

Da dennoch der gesamte musikalische<br />

Ablauf fixiert wurde, ist die Symphonie kein<br />

echtes Fragment. Unklar bleiben vereinzelte<br />

Harmonien und Kontrapunkte sowie weite<br />

Teile der Instrumentation. Liegen die ersten<br />

drei Sätze immerhin in mehrfacher, wenngleich<br />

unvollständiger Ausführung vor, so beschränken<br />

sich die Skizzen für die beiden letzten<br />

ganz auf das flüchtige Particell. Mit jeder<br />

Lücke wachsen die Spielräume für spätere<br />

Bearbeiter, und entgegen landläufiger Meinung<br />

bildet sogar der am detailliertesten ausgeführte<br />

Kopfsatz hierin keine Ausnahme:

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