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48<br />

ADEL<br />

Inzwischen tut sich auch kulturell einiges im Ort.<br />

Abgesehen von einem Sack voll<br />

Zucker, Mehl und einer Speckseite,<br />

die unter den Windeln des<br />

Kleinsten mit im Kinderwagen<br />

lag, besaßen die Levetzows<br />

nichts mehr, als sie in Niedersachsen<br />

ankamen. Die Mutter<br />

fand Arbeit in einer Chemiefabrik<br />

Ein guter Kuchen für die Bauarbeiter,<br />

das gehört dazu.<br />

bei Verden an der Aller, der Vater<br />

schlug sich als Vertreter durch,<br />

alle Kinder machten später eine<br />

Lehre. Auch für Joachim begann<br />

das Berufsleben mit einem Knochenjob:<br />

Er wurde Betonbauer.<br />

Mit Akkordarbeit in den Semesterferien<br />

schaffte er es jedoch,<br />

sich das Fachhochschulstudium<br />

zu finanzieren und Bauingenieur<br />

zu werden, um später noch ein<br />

Studium als Diplomkaufmann<br />

draufzusetzen.<br />

In verschiedenenGesellschaften<br />

der<br />

Baustoffindustrie<br />

war von<br />

Levetzow späterGeschäftsführer.<br />

Er engagierte<br />

sich<br />

deutschlandund<br />

europaweit in der Verbandsarbeit<br />

und wurde Vater von zwei<br />

Söhnen. Wie es dazu kam, dass er<br />

nach der Wende ins Land seiner<br />

Urahnen zurückkehrte? „Ich wollte<br />

meinen Kindern gerne so etwas<br />

wie ein richtiges Elternhaus bieten<br />

können und hatte die romantische<br />

Vorstellung, dass Lelkendorf, wo<br />

immerhin 800 Jahre Familiengeschichte<br />

geschrieben wurden, so<br />

etwas sein könnte.“ Mit rund 100<br />

000 DM Sanierungskosten hatte<br />

er nach einem ersten, oberflächlichen<br />

Blick auf das Anwesen<br />

gerechnet. Tatsächlich investierte<br />

er inzwischen rund vier Millionen<br />

Euro. Sein Finanzierungsmodell: Er<br />

teilte das Schloss kurzerhand in elf<br />

Wohnungen auf, von denen zehn<br />

bereits verkauft sind und teilweise<br />

als Ferienwohnungen vermietet<br />

werden. Weitere sieben Quartiere<br />

entstehen gerade oben unterm<br />

Dach. Der Baron atmet erleichtert<br />

auf: „Wenn wir die auch noch an<br />

den Mann gebracht haben, dann<br />

sind wir schuldenfrei.“<br />

Bei allem Trubel, den die Sanierung<br />

eines solchen Bauwerks mit<br />

sich bringt, waren die zurückgekehrten<br />

Schlossherren in den ver-<br />

gangenen<br />

Jahren auch<br />

noch Mitbegründer eines kleinen<br />

Tierparks, in dem Haustierrassen,<br />

die nicht mehr profitabel sind,<br />

trotzdem als Genpool erhalten<br />

werden. Und sie hoben den Kulturförderverein<br />

Lelkendorf mit<br />

aus der Taufe, der derweil etwa 50<br />

Mitglieder hat und regelmäßig<br />

Musik, Theater und Ausstellungen<br />

aufs Land holt. Ihr Hintergedanke:<br />

Wenn man aufs Land zieht,<br />

dann muss man selber etwas tun,<br />

um Abwechslung in den Alltag zu<br />

bringen. Die Besucherzahlen bei<br />

ihren Veranstaltungen geben den<br />

Vereinsgründern Recht.<br />

Nur ein kleines Stück vom<br />

Schloss, eine 90 Quadratmeter-<br />

Wohnung im Seitenflügel, hat<br />

Joachim von Levetzow nach all<br />

der Arbeit für sich und seine Frau.<br />

Doch er ist zufrieden: „Ich finde,<br />

wir leben hier ein Luxusleben. Ich<br />

kann in die Natur hinausgehen,<br />

Pilze und Beeren sammeln und<br />

wenn mir so ist, dann greif ich zu<br />

meinem Jagdgewehr und schieß<br />

mir das Stück Fleisch, das ich<br />

haben will.“<br />

Katja Bülow (Text & Fotos)<br />

Das Wappen:<br />

Das Familienwappen der<br />

mecklenburger Uradelsfamilie<br />

von Levetzow zeigt ein<br />

rotes Drillgatter aus sieben<br />

spitzen Pfählen und zwei Balken.<br />

Schon im 13. Jahrhundert<br />

taucht dieses Wappen in<br />

Mecklenburg als Siegel auf.<br />

Die dazu gehörige Sage entstand<br />

erst deutlich später. Sie<br />

erzählt, wie so viele dieser<br />

Geschichten, von einem Knappen,<br />

der seinen Herrn aus dem<br />

Hinterhalt gerettet hat. Im<br />

deutsch-schwedischen Krieg,<br />

so heißt es, sei eine Delegation<br />

zu Verhandlungen in eine<br />

Stadt geladen worden. Freies<br />

Geleit war den Männern<br />

zugesichert, doch als sie das<br />

drehbare Stadttor gerade passiert<br />

hatten, sollte dieses<br />

geschlossen werden. Besagter<br />

Knappe bemerkte die Finte,<br />

schlug Alarm und hielt mit all<br />

seiner Kraft das Tor geöffnet,<br />

bis sein Herr entkommen war.<br />

Er wurde noch mit blutigen<br />

Schultern zum Ritter geschlagen<br />

und durfte fortan das Tor<br />

als Symbol seines Mutes auf<br />

dem Schilde tragen. „Levet so!<br />

Lebet so!“, lautete der Spruch,<br />

der ihm dazu ins Wappen<br />

geschrieben wurde. Joachim<br />

von Levetzow in Lelkendorf<br />

kommentiert diese Sage:<br />

„Mein Großvater hat schon<br />

immer beteuert, dass eine<br />

Geschichte nicht unbedingt<br />

wahr sein muss, sie muss nur<br />

gut erzählt sein.“<br />

<strong>ROSTOCK</strong> delüx 4/2010

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