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Das gehört einfach dazu. Wie auch<br />
die persönlichen Besuche zu den<br />
runden Geburtstagen ab dem 90.<br />
und die Glückwünsche zu den<br />
Hochzeiten ab der „Diamantenen“<br />
einfach zu den Pflichten eines Bürgermeisters<br />
gehören. Auf seinen<br />
Wegen durch die Stadt treffen ihn<br />
die Güstrower immer auf dem Rad<br />
an. Manchmal fährt er mit der<br />
Bahn nach Rostock und Schwerin -<br />
und allein mit dieser Sichtbarkeit<br />
in der Stadt fällt ein großer Teil der<br />
Popularität ab, die ein Amtsinhaber<br />
braucht, wenn er wieder<br />
gewählt werden möchte. Alles<br />
andere ist Arbeit.<br />
Arne Schuldt ist Ingenieur geblieben:<br />
Welche Ziele erreiche ich mit<br />
welchen Mitteln unter welchen<br />
Gegebenheiten? Dass Güstrow<br />
eine schrumpfende Stadt ist,<br />
erwähnt er als sachliche Feststellung<br />
in einem Nebensatz. Erst auf<br />
eine Nachfrage hin stellt er klar:<br />
„Die 2500 neuen Arbeitsplätze,<br />
die Anfang der 70er Jahre im „VEB<br />
Landmaschinenbau“ geschaffen<br />
wurden, waren kein natürliches<br />
Wachstum. Die war eine planwirtschaftliche<br />
Anordnung des<br />
Politbüros. Trotz dieser Ansiedlung<br />
verfiel die Innenstadt immer<br />
mehr.“ Nach der Abwicklung des<br />
Kombinatsbetriebes war die<br />
Schließung der modernen und<br />
leistungsfähigen Zuckerfabrik<br />
fast schwerer zu verkraften.<br />
Schließlich hatten sich die umliegenden<br />
Landwirtschaftsbetriebe<br />
schon seit Jahrzehnten auf die<br />
Zuckerrübe verlegt. Aber gegen<br />
die Entscheidung der EU aus dem<br />
Jahre 2005, ihre Zuckerexporte zu<br />
begrenzen, war kein Kraut<br />
gewachsen.<br />
Die 10.000 Einwohner, die Güstrow<br />
seit der Wende verloren hat, resultieren<br />
aus diesen Gegebenheiten.<br />
Derzeit wohnen rund 30 000 Einwohner<br />
in Güstrow.<br />
„Uns wurden für dieses Jahr auch<br />
schon 26 000 Einwohner prognostiziert“,<br />
sagt Arne Schuldt. „Und<br />
gelästert, dass wir im Natur- und<br />
Umweltpark schon die Wölfe und<br />
Bären züchten, die irgendwann in<br />
den Wäldern leben sollen.“ Aber<br />
darauf kommt es für Arne Schuldt<br />
nicht an: „Die Stadt kann schöner<br />
und lebenswerter werden, ohne<br />
dass sie größer wird.“ Das Ziel<br />
<strong>ROSTOCK</strong> delüx 4/2010<br />
„Güstrow – umweltgerechte Stadt“<br />
stammt nicht von ihm, auch das<br />
Bioenergiekraftwerk von der<br />
NAWARO AG hat er nicht „hergeholt“.<br />
Aber er hat dafür gesorgt,<br />
dass den Investoren die Entscheidung<br />
für den Standort Güstrow<br />
leicht gefallen ist. Der Inselsee-<br />
Kanal wurde frei gebaggert und<br />
ermöglicht jetzt eine touristische<br />
Rundfahrt mit dem elektrisch<br />
betriebenen Fahrgast-Kutter. Der<br />
Natur- und Umweltpark präsentiert<br />
sich als preiswerte Alternative zum<br />
Rostocker Zoo und seit ein paar<br />
Wochen ist auch der Künstler Ernst<br />
Barlach Ehrenbürger der Barlachstadt<br />
- wie Güstrow sich schon offiziell<br />
seit 2006 nennt. Auch als Bildungsstandort<br />
des Landes hat sich<br />
Güstrow etabliert. Die Fachhochschule<br />
für öffentliche Verwaltung,<br />
Polizei und Rechtspflege sowie das<br />
Berufsschulzentrum für grüne<br />
Berufe und das Landeszentrum für<br />
Hörgeschädigte nutzen die günstige<br />
Lage der Stadt am Eisenbahnkreuz<br />
zwischen Schwerin und Neubrandenburg,<br />
Rostock und Berlin.<br />
Die Sanierung der Güstrower Altstadt<br />
geht voran - auch hier setzt<br />
Arne Schuldt eher auf Solidität als<br />
auf Schnelligkeit. Schließlich weiß<br />
er, welches Kleinod die Stadt mit<br />
diesen 62 Hektar besitzt: Geschichte<br />
trifft auf Natur, Kunst auf Bildung.<br />
„Für eine Familie mit Kindern<br />
ist Güstrow ein sehr guter Ort zum<br />
Leben.“ Arne Schuldt sagt es ohne<br />
Pathos, aber gerade deshalb auch<br />
sehr überzeugend.<br />
Inzwischen sind auch die Pressefotos<br />
von der närrischen Revolution<br />
im Kasten. Arne Schuldt hat in seiner<br />
kurzen Ansprache der Büttenrednerin<br />
Isabell Peters auch gleich<br />
den ersten Gag zugespielt: Die<br />
letzten Taler aus der Stadt hätten<br />
sich in Bonbons verwandelt. „Kein<br />
Wunder, wenn das Stadtsäckel leer<br />
ist, wenn die Taler so vom Balkon<br />
runtergeschmissen werden!“<br />
Beide lachen über den gemeinsamen<br />
Witz.<br />
„Was machen wir jetzt mit dem<br />
Rathausschlüssel?“ fragt Arne<br />
Schuldt. Isabell Peters winkt ab:<br />
„Warum sollte ich den jetzt mitschleppen?“<br />
Arne Schuldt nickt<br />
und zieht seine Schublade auf: Bis<br />
zum nächsten elften Elften.<br />
Frank Schlößer (Text & Fotos)