Senioren-Info 2'12 - Stadt Wolfratshausen
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Buchvorstellung<br />
von <strong>Senioren</strong>beirat Dieter Höflich, Apotheker<br />
Altern wie ein Gentleman<br />
von Sven Kuntze<br />
Verlag C. Bertelsmann<br />
ISBN: 978-3-570-10091-2<br />
Preis 19,99 €<br />
Es ist wohl die Regel: Altern findet zwar<br />
statt, das Thema und die ganze Problematik<br />
hält man sich aber besser vom Leib. So<br />
ist es auch dem Autor, einem bekannten<br />
Fernsehjournalisten, gegangen, doch mit<br />
seiner ersten Rentenzahlung wurde ihm<br />
klar, wie sehr er vom Arbeitsleben beeinflusst<br />
war, wie stark dieses jetzt noch sein<br />
tägliches Bewusstsein prägte. Aber nun<br />
gehörte er als Angehöriger der 68er Generation<br />
plötzlich zum großen, grauen Heer<br />
der Alten. Die 68er beschreibt er als eine<br />
ich-bezogene, selbstsüchtige Spezies, die<br />
der Nachwelt vor allem zwei Dinge hinterlässt:<br />
viel zu hohe Schulden und deutlich<br />
zu wenig Kinder.<br />
Wie fühlt man sich in der neuen Liga als<br />
jemand, der sich für die heutigen sozialen<br />
Schwierigkeiten auch ein bisschen verantwortlich<br />
fühlt? Seine Meinung: das Versagen<br />
in jungen und mittleren Jahren sollen<br />
diese Ichlinge im Alter halbwegs wieder<br />
gutmachen und sich gegenseitig helfen.<br />
Als <strong>Senioren</strong>-Zivis könnten sie die weniger<br />
Rüstigen umsorgen, sie pflegen, in den<br />
Tod begleiten, um so die finanziellen Lasten,<br />
die sie den nachwachsenden Generationen<br />
durch ihren Egoismus aufgehalst<br />
haben, zumindest indirekt zurückzuerstatten.<br />
Das ist angesichts der Überforderung der<br />
Sozialsysteme zwar sehr im Geiste der ehrenamtlichen,<br />
zusammenführenden Tätigkeit,<br />
wird aber angesichts des tief<br />
verwurzelten Anspruchsdenkens wohl<br />
eher ein frommer Wunsch bleiben.<br />
Er scheut sich nicht, weitere originelle<br />
Gedanken zu formulieren: Weg mit den<br />
Alters-Wohngemeinschaften a la Scherf,<br />
weg mit den Mehrgenerationenhäusern,<br />
die er als Nötigung sieht, die Tomate auf<br />
30<br />
der Dachterrasse ist ihm<br />
wichtiger als die alle<br />
Aufmerksamkeit verschlingende<br />
Tagespolitik.<br />
Reflektiert wird über Themen,<br />
die ihm jetzt bedeutsam sind: die<br />
Suche nach Weisheit, Gelassenheit,<br />
Freundschaft, Einsamkeit, Sexualität, das<br />
Verhältnis zu Jüngeren und deren geänderte<br />
Wahrnehmung seiner Person,<br />
seine Erlebnisse als Leihopa, die Entdeckung<br />
des Müßigganges, die neue Lust<br />
an der Natur und seinen Balkonpflanzen,<br />
der Umgang mit Genuss und Genussmittel,<br />
die Bedeutung von Sport und Bewegung<br />
und schließlich die Umstände, unter<br />
denen er sein Leben beschließen möchte.<br />
Die vorläufige Bilanz seines neuen Lebens<br />
(ab S. 245) ist vielleicht der beste Teil des<br />
255seitigen Buches. Er hat es mit einem<br />
Rilke Zitat überschrieben: Wer spricht von<br />
Siegen? Übersteh’n ist alles. Das Zurücklassen<br />
ist das bestimmende Thema geworden.<br />
Man möchte ein anderes Zitat<br />
anfügen, das mir dieser Tage ins Auge fiel:<br />
Die Einsamkeit ist die einzige Gefängniszelle,<br />
die nur von innen zu öffnen ist. Er<br />
weiß jetzt um die vielfältigen Formen des<br />
Verfalls und die damit verbundenen Leiden.<br />
Das war der Preis seiner Überlegungen<br />
und Nachforschungen. Wäre er nicht<br />
besser mit einem Bruchteil der wenig erfreulichen<br />
Erkenntnisse gefahren, derweil<br />
seine Alterskollegen vorläufig damit beschäftigt<br />
sind nicht alt zu sein?<br />
Sollte man also nicht zu tief in die Altersprobleme<br />
eindringen? Das mag jeder für<br />
sich beantworten, jedenfalls ist uns die<br />
Gabe der Verdrängung, des Vergessens<br />
und der Hoffnung gegeben.<br />
Fazit: der professionelle Journalist hat<br />
einen unterhaltenden, kurzweiligen Stil,<br />
nie wird einem langweilig, die Aussagen<br />
sind frisch und flott geschrieben. Ich habe<br />
mich nie gelangweilt.<br />
Empfehlenswert!