Ergebnisse des DDA-Monitoringprogramms, Teil II - Dachverband ...
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VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 177<br />
<strong>Ergebnisse</strong> <strong>des</strong> <strong>DDA</strong>-<strong>Monitoringprogramms</strong>, <strong>Teil</strong> <strong>II</strong>:<br />
Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland<br />
1989–2003<br />
Martin Flade & Johannes Schwarz<br />
1. Einleitung und Fragestellungen<br />
Flade, M. & J. Schwarz 2004: Results of the German Common Birds Census, part <strong>II</strong>:<br />
population changes in German forest birds 1989–2003. Vogelwelt 125: 177 – 213.<br />
The German Common Birds Census, which runs since 1989 and is based on territory mapping<br />
and point counts, provi<strong>des</strong> reliable data (TRIM index curves) on the population changes of 52<br />
German forest bird species. Despite free choice of plots and routes, only a quarter of these species<br />
shows significant differences in annual changes or overall trend of the index curves derived from<br />
the two different field methods. These differences could be successfully interpreted by analysis<br />
of sub-samples (post-hoc stratification). Concerning the annual population changes, 11 partly<br />
or short-distance migrants turned out to be sensible against severe winters, most pronounced<br />
in the Wren. Negative correlations between severe winters and the population changes of the<br />
long-distance migrant Wood Warbler are probably caused by delayed growth of the ground<br />
vegetation in spring. Positive responses to severe winters in 11 (optional) seed-feeding residents<br />
and partly migrants as well as four long-distance migrants point to complex interactions between<br />
weather, forest tree seed crop, vegetation growth, insect gradations as well as competition and<br />
predation systems, which are still poorly understood. For 10 (optional) seed-feeding species in<br />
total, positive correlations between forest tree fructification and annual population changes were<br />
found. Negative correlations between forest tree seed crop and annual population changes of<br />
four species could be connected with competition relations, which can be proven for the Pied<br />
Flycatcher (nest-hole competition), which shows significant negative correlations with the annual<br />
changes of Tits and Nuthatch. Within the study period, 21 out of 52 species have significantly<br />
increased, but in 17 of these species this increases happened exclusively outside the forests (in<br />
urban areas like gardens, parks, cemeteries). Seven out of ten declining species are long-distance<br />
migrants. The biggest actual threat for German forest birds, therefore, are adverse changes in<br />
the African environment. But in a medium or long term, the complex effects of global climate<br />
change on the forest ecosystems are incalculable and could lead to tremendous changes, also in<br />
the population dynamics of forest birds. Considering this background, the substantial improvement<br />
and enlargement of the German Common Birds Monitoring, which started in 2004 with<br />
a new scheme, will be of major importance.<br />
Key words: population trends, bird monitoring, forest birds, forest tree seed crop, winter weather,<br />
long-distance migrants.<br />
Über langfristige Bestandsentwicklung und kurzfristige<br />
Bestandsschwankungen häufigerer Waldvogelarten<br />
gibt es in Deutschland nur wenige Daten. Im Fokus <strong>des</strong><br />
Naturschutzes standen in den letzten Jahrzehnten zum<br />
einen eher seltene und gefährdete Arten sowie Arten<br />
der Feuchtgebiete, Trockenbiotope und Agrarlandschaften,<br />
die z. T. starke Bestandsrückgänge zeigten;<br />
zum andern konzentrierten sich andere Langzeit-Erfassungprogramme<br />
vor allem auf Vögel der Röhrichte<br />
und Gebüsche (Fangprogramme der Vogelwarten, vor<br />
allem Mettnau-Reit-Illmitz-Programm, BERTHOLD et<br />
al. 1986, 1993, 1999) sowie tagziehende Arten (z. B.<br />
GATTER 2000). Zwar sind darunter jeweils auch einige<br />
Waldvögel, das Gros der Waldarten wurde jedoch<br />
nicht langfristig untersucht. Etwas besser bekannt ist<br />
die langfristige Bestandsentwicklung zumin<strong>des</strong>t der<br />
selteneren Waldeulen (s. Themenheft der Vogelwelt<br />
2003, Jahrgang 124, Heft 5–6) sowie der Raufußhühner<br />
(s. KLAUS & BERGMANN 2004). Darüber hinaus<br />
sind die Greifvögel über das Monitoring Greifvögel<br />
und Eulen seit etwa Mitte der 1980er Jahre recht gut<br />
erfasst (z. B. MAMMEN & STUBBE 2002), ebenso einige<br />
seltene Großvögel (z. B. Schwarzstorch Ciconia nigra,<br />
einige Greifvogelarten, Kranich Grus grus) über das<br />
<strong>DDA</strong>-Monitoringprogramm seltener Vogelarten.<br />
Arbeiten zur Populationsdynamik häufigerer Arten<br />
beschränken sich auf lokale Studien zu einzelnen Arten<br />
(z. B. Kleiber Sitta europaea im Harz über 22 Jahre,
178 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
ZANG 2003b) und auf Nistkasten-Populationen von<br />
Höhlenbrütern (z. B. BERNDT & WINKEL 1979; WIN-<br />
KEL & FRANTZEN 1991; WINKEL 1993, 1996; WINKEL<br />
& WINKEL 1998; Artbearbeitungen Meisen und Kleiber<br />
in ZANG & HECKENROTH 1998), wobei die Übertragbarkeit<br />
von Befunden über Nistkasten-Populationen<br />
auf die Gesamtbestände teilweise nicht gegeben und<br />
insgesamt zumin<strong>des</strong>t unklar ist (WESOŁOWSKI 1989,<br />
2001; WESOŁOWSKI et al. 2002).<br />
Für die meisten häufigeren Waldvogelarten Deutschlands<br />
ist <strong>des</strong>halb das <strong>DDA</strong>-Monitoringprogramm die<br />
einzige solide Datenquelle zur Bestandsentwicklung in<br />
den letzten 15 Jahren. Immerhin lassen sich Aussagen<br />
zur Bestandsdynamik von 52 Arten treffen.<br />
Aufgrund der langfristigen Prozesse in der Waldentwicklung<br />
(Waldwachstum, Waldgenerationswechsel,<br />
Nutzungszeiträume, langfristige Standortveränderungen)<br />
ist bei den Waldvögeln eine weniger starke<br />
kurz- bis mittelfristige Dynamik zu erwarten als z. B.<br />
in Agrarlandschaften. Auch sind vergleichbar starke<br />
Zu- oder Abnahmen von Waldvögeln aus den letzten<br />
10–20 Jahren kaum bekannt (die drastischen Bestands-<br />
einbrüche von Auerhuhn Tetrao urogallus und Haselhuhn<br />
Bonasa bonasia setzten schon viel früher ein,<br />
BAUER & BERTHOLD 1996). Möglicherweise sind aber<br />
auch deutliche Bestandsveränderungen von häufigeren<br />
Waldvögeln bisher unentdeckt geblieben. Zudem stellt<br />
sich die Frage, wodurch kurzfristige und zyklische Bestandsschwankungen<br />
von Waldvögeln in Deutschland<br />
gesteuert sein könnten. Neben den Auswirkungen <strong>des</strong><br />
Wetters, insbesondere in den Wintermonaten und zur<br />
Brutzeit, kommen hier z. B. die direkten und indirekten<br />
Auswirkungen der Baummast-Intensitäten (Fruktifikationen)<br />
der häufigeren Waldbaumarten in Betracht<br />
(GATTER 2000). Gesicherte Erkenntnisse dieses Funktionskomplexes<br />
wären mit Sicherheit auch hilfreich,<br />
um die langfristigen Auswirkungen der sich beschleunigenden<br />
globalen Klimaerwärmung auf Waldvögel<br />
besser abschätzen zu können.<br />
Auf Basis dieser Ausgangslage ergeben sich daher<br />
folgende Fragestellungen an die Auswertung der Daten<br />
<strong>des</strong> <strong>DDA</strong>-<strong>Monitoringprogramms</strong>:<br />
• Welche Faktoren steuern die kurzfristige Bestandsdynamik?<br />
• Wie verlief die Bestandsentwicklung der etwa 50<br />
häufigsten deutschen Waldvogelarten seit 1989?<br />
Gibt es regionale Unterschiede und Unterschiede<br />
innerhalb und außerhalb von Wäldern?<br />
• Welche Arten haben in den letzten 15 Jahren im<br />
Bestand abgenommen und was könnten die Gründe<br />
sein? Welche Folgerungen sind für Forschung und<br />
Naturschutz zu ziehen?<br />
• Welchen Beitrag leistet das <strong>DDA</strong>-Monitoringprogramm<br />
zur Beantwortung dieser Fragen?<br />
2. Material und Methoden<br />
Die im Rahmen <strong>des</strong> <strong>DDA</strong>-<strong>Monitoringprogramms</strong> verwendeten<br />
Gelände- (Revierkartierung = RK und Punkt-Stopp-Zählung<br />
= PS) und Auswertemethoden sowie die zu beachtenden<br />
Einschränkungen der Aussagefähigkeit <strong>des</strong> Materials besonders<br />
bezüglich der Repräsentanz der untersuchten Flächen<br />
und Routen sind bereits von SCHWARZ & FLADE (2000) ausführlich<br />
dargestellt und diskutiert worden (s. auch Tab. 4).<br />
Eine Wiederholung kann hier entfallen.<br />
Insgesamt sind im Untersuchungszeitraum 1989–2003<br />
die Daten von 697 Punkt-Stopp-Routen und 323 Revierkartierungsflächen<br />
gemeldet und in der Datenbank erfasst worden.<br />
Die jährliche Stichprobengröße liegt bei maximal 497 PS-<br />
Routen und 147 RK-Flächen (Tab. 1–3). Die Schwerpunkte<br />
der regional sehr unterschiedlich verteilten Flächen und Routen<br />
liegen aktuell recht gut über den Osten (Brandenburg),<br />
Nordwesten (Schleswig-Holstein, Hamburg, mittleres Niedersachsen),<br />
Westen (Nordrhein-Westfalen) und neuerdings<br />
Süden (Baden-Württemberg, erst ab 1999) verteilt (Abb. 1<br />
und 2). Zu beachten ist, dass die Daten aus Brandenburg für<br />
die Jahre 2002 und 2003 erst unvollständig in die Datenbank<br />
eingegeben sind und die RK-Daten insgesamt zudem oft erst<br />
mit mehrjähriger Verzögerung eingesandt werden (daher der<br />
starke Abfall gegen Ende <strong>des</strong> Untersuchungszeitraums).<br />
Außerdem ist anzumerken, dass die Daten aus Baden-<br />
Württemberg bisher aus folgenden Gründen nur sehr eingeschränkt<br />
verwendbar sind:<br />
Tab. 1: Zahl der Punkt-Stopp-Routen und Probeflächen, de-<br />
ren Daten in die Datenbank eingegeben sind (Daten aus<br />
Brandenburg für 2001, 2002 und vor allem 2003 noch nicht<br />
vollständig!). – Number of point counts and territory mapping<br />
plots included in the current data analysis (notice: data from<br />
Brandenburg for 2001, 2002 and 2003 are still incomplete).<br />
Jahr<br />
year<br />
Punkt-Stopp-Zählung<br />
point counts<br />
Routen<br />
routes<br />
Zählungen<br />
counts<br />
Revierkartierung<br />
territory mapping<br />
Probeflächen<br />
plots<br />
1989 81 312 65<br />
1990 102 416 72<br />
1991 143 573 86<br />
1992 175 717 100<br />
1993 186 773 102<br />
1994 189 792 95<br />
1995 215 925 101<br />
1996 232 1003 104<br />
1997 233 1052 116<br />
1998 257 1153 147<br />
1999 492 1893 147<br />
2000 497 1896 128<br />
2001 453 1671 92<br />
2002 470 1739 80<br />
2003 207 915 64
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 179<br />
Tab. 2: Verteilung der bearbeiteten Punkt-Stopp-Zählrouten auf die Bun<strong>des</strong>länder von 1989 bis 2003, so weit in die<br />
Datenbank eingegeben. Zu beachten: für Baden-Württemberg 1999–2002 Übernahme der PS- und LT-Daten aus dem<br />
staatlich geförderten Monitoring; keine Prüfung der Datenqualität (siehe Text); Daten aus Brandenburg für 2001 bis<br />
2003 nicht vollständig in der Datenbank. – Distribution of surveyed point count routes 1989 to 2003 of which the data<br />
are included in the data base, according to federal states (notice: data from Baden-Württemberg are not checked for<br />
quality yet; data from Brandenburg are still incomplete for 2001–2003).<br />
Bun<strong>des</strong>land/Jahr<br />
federal state/year<br />
Baden-Württemberg<br />
89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03<br />
3 8 9 14 12 7 4 4 4 4 226 233 237 261 2<br />
Bayern 5 6 5 3 9 9 8 8 7 5 5 2 2 11 10<br />
Berlin 4 6 9 7 4 5 5 4 5 4 5 5 4 5 6<br />
Brandenburg 0 0 7 17 16 16 61 70 84 92 104 109 66 56 44<br />
Hamburg 15 20 13 15 13 13 11 11 11 12 12 13 13 9 9<br />
Hessen 0 0 2 14 15 14 10 14 14 25 27 27 27 26 26<br />
Mecklenburg-<br />
Vorpommern<br />
Niedersachsen mit<br />
Bremen<br />
Nordrhein-<br />
Westfalen<br />
0 0 4 11 12 12 11 9 9 10 8 7 7 8 4<br />
22 27 36 35 33 38 34 37 24 27 25 21 21 21 21<br />
23 26 24 24 32 34 34 40 40 42 43 39 39 34 35<br />
Rheinland-Pfalz 2 2 1 3 10 11 8 7 6 7 5 6 4 5 3<br />
Saarland 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0<br />
Sachsen 0 0 7 6 5 5 7 6 7 9 11 8 7 7 8<br />
Sachsen-Anhalt 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 3 3 26<br />
Schleswig-Holstein 7 7 20 21 18 19 18 18 18 17 15 14 14 15 13<br />
Thüringen 0 0 6 5 7 6 4 4 4 3 6 10 9 9 0<br />
Summe – total 81 102 143 175 186 189 215 232 233 257 492 497 453 470 207<br />
• Das Programm wurde in seiner heutigen Intensität erst<br />
Mitte der 1990er Jahre begonnen, und aus technischen<br />
Gründen sind erst die Daten ab 1999 in die Datenbank<br />
eingegeben.<br />
• Die Methodik weicht deutlich ab: Es wurden kürzere<br />
PS-Routen sowie Linientaxierungen bearbeitet und i.<br />
d. R. nur drei Begehungen (statt fünf) pro Saison an<br />
abweichenden Terminen durchgeführt.<br />
• Die Bearbeitung der Routen erfolgte im Vergleich relativ<br />
diskontinuierlich, d. h. mit vielen jahrweisen Lücken und<br />
Wechseln.<br />
• Durch vorgenannte Besonderheiten bedingt zeigen die<br />
Baden-Württemberger Daten sehr starke Streuungen<br />
(große Standardfehler).<br />
Für die Analyse regionaler Unterschiede und Trends mussten<br />
wir uns also weiterhin auf den West-Ost-Vergleich beschränken<br />
(s. Regionen in Abb. 1 und Ausführungen in SCHWARZ<br />
& FLADE 2000).<br />
Die Verteilung der Zählstopps auf Lebensraumtypen entspricht<br />
nicht der flächenmäßigen Verteilung in Deutschland<br />
(Abb. 3). So sind z. B. Äcker bei den PS-Routen unterrepräsentiert,<br />
Siedlungen/Grünanlagen und Wälder dagegen überrepräsentiert.<br />
Für die hier betrachteten Waldvögel kommen<br />
als Lebensraum außer den Wäldern vor allem Siedlungen<br />
(inkl. Gärten, Parks, Friedhöfen) in Frage. Da Siedlungen<br />
und Wälder etwa in gleichem Maße überrepräsentiert sind<br />
(Abb. 3), braucht dieser Umstand in der folgenden Analyse<br />
nicht weiter berücksichtigt zu werden.<br />
Zur Analyse der kurzfristigen (jahrweisen) Bestandsschwankungen<br />
wurde eine Reihe von Vergleichsdaten herangezogen,<br />
die im Folgenden beschrieben werden:<br />
Für Korrelationen mit Wetterdaten wurden aus Gründen<br />
der Praktikabilität die Daten von drei jeweils für die Regionen<br />
„Nordwest“, „Südwest“ und „Ost“ repräsentativen<br />
Wetterstationen verwendet (Abb. 4): Soltau im mittleren<br />
Niedersachsen, im Zentrum der Bun<strong>des</strong>länder Nordrhein-<br />
Westfalen, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein<br />
(F.-U. SCHMIDT briefl.), Berlin-Tempelhof („Ost“) und Stuttgart-Flughafen<br />
(„Südwest“; J. WAHL briefl., Auswertung von<br />
im Internet verfügbaren Daten). Die Wetterdaten von diesen<br />
Stationen waren unmittelbar verfügbar; außerdem zeigt sich,<br />
dass sich teilweise verfügbare Daten anderer Stationen der<br />
jeweiligen Regionen in der hier verwandten Abweichung<br />
vom langjährigen Mittel nur minimal unterscheiden. Bei<br />
den Stationen Soltau und Berlin-Tempelhof gibt es bei der<br />
Abweichung von der mittleren Januartemperatur, Anzahl<br />
Frost- und Eistage pro Winter im Gesamtverlauf nur geringe<br />
Unterschiede; die Daten von Stuttgart weichen dagegen<br />
stärker ab (Abb. 4). Bei den Frühjahrsniederschlägen gibt es<br />
naturgemäß wesentlich stärkere lokale Unterschiede.
180 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Monitoring häufiger Vogelarten<br />
Lage der Revierkartierungsflächen (Stand Juli 2004)<br />
letztes Bearbeitungsjahr<br />
1998 oder früher<br />
1999 oder später<br />
Abb. 1: Verteilung der im Rahmen <strong>des</strong> <strong>DDA</strong>-<strong>Monitoringprogramms</strong> häufiger Arten untersuchten und in dieser Arbeit<br />
berücksichtigten Revierkartierungs-Probeflächen (sofern Koordinaten bekannt; ca. 10 % fehlen in der Abb.) seit 1989,<br />
unterschieden nach dem Jahr der letzten Bearbeitung. – Distribution of territory mapping plots of the German Common<br />
Birds Census surveyed since 1989 (about 10% are missing, because co-ordinates are unknown) and referred to in this<br />
study; the latest year of survey is indicated.
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 181<br />
Westen – West<br />
Monitoring häufiger Vogelarten 1989–2003<br />
Lage der Punkt-Stopp-Zählrouten (Stand Juli 2004)<br />
letztes Bearbeitungsjahr<br />
1998 oder früher<br />
1999 oder später<br />
Osten – East<br />
Süden – South<br />
Abb. 2: Verteilung der im Rahmen <strong>des</strong> <strong>DDA</strong>-<strong>Monitoringprogramms</strong> häufiger Arten untersuchten und in dieser Arbeit<br />
berücksichtigten Punkt-Stopp-Routen seit 1989 (ca. 10 % fehlen, da Koordinaten nicht bekannt), unterschieden nach<br />
dem Jahr der letzten Bearbeitung; außerdem ist die Aufteilung nach Regionen dargestellt. – Distribution of point count<br />
routes of the German Common Birds Census surveyed since 1989 (about 10% are missing, because co-ordinates are<br />
unknown) and referred to in this study; the last year of survey is indicated; furthermore, the devision into regions(west,<br />
east, south) is shown.
182 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Tab. 3: Verteilung der bearbeiteten Revierkartierungsflächen auf die Bun<strong>des</strong>länder von 1989 bis 2003 anhand der abgegebenen<br />
Kartierungsbögen, so weit in die Datenbank eingegeben (Achtung: Dateneingabe für Brandenburg ist erst<br />
unvollständig erfolgt!). – Distribution of surveyed territory mapping plots 1989 to 2003 of which the data are included in<br />
the data base, according to federal states (notice: data from Brandenburg are still incomplete).<br />
Bun<strong>des</strong>land/Jahr<br />
federal state/year<br />
Baden-Württemberg<br />
89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03<br />
4 3 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 3 0<br />
Bayern 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 0 1 1 1 1<br />
Berlin 6 7 6 12 14 14 1 1 2 2 3 3 2 2 2<br />
Brandenburg 4 4 4 1 0 0 24 26 34 38 44 62 41 33 24<br />
Hamburg 2 6 11 11 6 2 2 4 3 4 3 3 3 0 4<br />
Hessen 2 5 3 22 25 25 25 25 26 27 28 10 8 10 3<br />
Mecklenburg-<br />
Vorpommern<br />
Niedersachsen mit<br />
Bremen<br />
Nordrhein-<br />
Westfalen<br />
5 5 6 7 8 7 7 8 10 36 37 12 11 10 12<br />
1 2 4 4 6 4 4 4 6 5 4 3 3 3 3<br />
23 24 20 10 10 11 11 12 10 7 6 6 5 3 3<br />
Rheinland-Pfalz 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0<br />
Saarland 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0<br />
Sachsen 2 2 4 6 5 5 7 7 4 5 5 5 1 1 3<br />
Sachsen-Anhalt 3 3 4 5 5 5 5 6 6 4 5 5 4 4 3<br />
Schleswig-Holstein 2 3 3 3 3 2 3 3 4 4 4 4 3 2 2<br />
Thüringen 9 5 16 13 14 14 6 2 5 9 4 10 6 8 4<br />
Summe – total 65 71 86 100 102 95 101 104 116 147 147 128 92 80 64<br />
Bezüglich der Waldbaumfruktifikationen (Abb. 5) wurde<br />
uns eine Gesamtauswertung für das mittlere und nördliche<br />
Deutschland zur Verfügung gestellt, die aus den Blühprotokollen<br />
nach Daten der für Forstwirtschaft zuständigen<br />
Ödland, Heiden<br />
heathland<br />
Gewässer, Moore<br />
wetlands<br />
Wiesen, Weiden<br />
grassland<br />
Siedlungen, Grünanlagen<br />
urban areas<br />
Äcker<br />
arable land<br />
Wald<br />
forest<br />
0,2<br />
2,2<br />
0<br />
2,5<br />
4,6<br />
Flächenanteil Deutschland –<br />
area share Germany<br />
11,6<br />
Anteil Zählstopps > 75 % – share of<br />
counting stopps >75%<br />
16,2<br />
14,9<br />
Abb. 3: Verteilung der Zählstopps der Punkt-Stopp-Zählungen auf Bio-<br />
toptypen im Vergleich mit dem jeweiligen Flächenanteil in Deutschland.<br />
– Distribution of counting stopps from the point count scheme according<br />
to habitat types, in comparison with the area share of these habitat types<br />
in Germany.<br />
18,0<br />
19,5<br />
29,4<br />
37,9<br />
10,0 20,0 30,0 40,0<br />
Lan<strong>des</strong>ämter und -anstalten sowie den Erträgen der forstlichen<br />
Saatgutbestände der Bun<strong>des</strong>länder abgeleitet wurde<br />
(J. STEIGLEDER, Lan<strong>des</strong>forstanstalt Brandenburg). Die<br />
jährlichen Samenerträge der relevanten Baumarten (Buche<br />
Fagus sylvatica, Stiel- und Traubeneiche<br />
Quercus robur, Q. petraea, Waldkiefer Pinus<br />
sylvestris, Fichte Picea abies, Lärche<br />
40,8<br />
%<br />
Larix spec.) wurden jeweils in vier Kategorien<br />
eingeteilt, die gemessen an der maximal<br />
möglichen Mast (= 100 %) folgende<br />
Spannen umfassen:<br />
Vollmast: 71–100 %<br />
Halbmast: 41–70 %<br />
Sprengmast: 11–40 %<br />
Fehlmast: 0–10 %.<br />
Für die Gruppierungen nach „Laubbäumen“<br />
und „Nadelbäumen“ wurden die Daten für<br />
die jeweiligen Arten arithmetisch gemittelt<br />
(d. h. nicht nach Flächenanteil gewichtet).<br />
Insgesamt ist auffallend, dass – sicher<br />
witterungsbedingt – die Fruktifikationen der<br />
Fichte signifikant mit denen der Eichen sowie<br />
hochsignifikant mit denen von Buche und<br />
Laubbäumen insgesamt korrelieren (Tab. 5).<br />
Der negative Einfluss langer und kalter Win-
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 183<br />
Abweichung – deviation<br />
Eistage<br />
Anzahl Tage < 0 °C<br />
number of days < 0 °C<br />
Januar-Temperatur<br />
°C<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
–1<br />
–2<br />
–3<br />
–4<br />
–5<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Schneetage<br />
Anzahl Tage<br />
number of days<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Niederschlag April–Juni<br />
Abweichung – deviation<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
–50<br />
–100<br />
–150<br />
mm<br />
kalter Februar!<br />
Soltau<br />
Berlin Tempelhof<br />
Stuttgart<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
Soltau<br />
Berlin Tempelhof<br />
Stuttgart<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
Soltau<br />
Berlin Tempelhof<br />
Stuttgart<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
Abb. 4: Winterwetter und Frühjahrsniederschläge im Untersuchungszeitraum an den drei Wetterstationen Soltau<br />
(Nordwesten), Berlin-Tempelhof (Osten) und Stuttgart-Flughafen (Südwesten) (Quelle: F.-U. SCHMIDT und J. WAHL,<br />
pers. Mitt., Auswertung von im Internet verfügbaren Daten). Von oben nach unten: Mittlere Januartemperatur (Abwei-<br />
chung vom langjährigen Mittel), Eistage pro Winter (24 h < 0 °C), Schneetage Oktober– April, Frühjahrsniederschläge<br />
(Abweichung der Summe April–Juni vom langjährigen Mittel). – Winter weather and spring rainfall during the study period<br />
at the three weather stations Soltau (north-west), Berlin Tempelhof (east) and Stuttgart airport (south-west). From top<br />
to bottom: mean January temperature (deviation from long-term mean), ice days per winter (24 h < 0 °C), number of<br />
days with snow cover October–April, spring rainfall (deviation from the long-term mean, total April–June).<br />
Soltau<br />
Berlin Tempelhof<br />
Stuttgart
184 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Tab. 4: Übersicht über die bei der PS für jede Art gewerteten Zählperioden (Zählperiode/Monatshälfte). 1 – 2/03, 2 – 2/04,<br />
3 – 1/05, 4 – 2/05, 5 – 1/06, 6 – 2/06. – Overview of the counting periods (fortnight/month), on which the TRIM indices<br />
for the point counts are based on. 1 – 2/03, 2 – 2/04, 3 – 1/05, 4 – 2/05, 5 – 1/06, 6 – 2/06.<br />
Art Zählperiode<br />
Accipiter gentilis<br />
Accipiter nisus<br />
Ae. caudatus<br />
Anthus trivialis<br />
Buteo buteo<br />
C. brachydactyla<br />
Certhia familiaris<br />
C. coccothraustes<br />
Columba oenas<br />
Col. palumbus<br />
Corvus corax<br />
Dendrocopos major<br />
Dendrocopos medius<br />
Dendrocopos minor<br />
Dryocopus martius<br />
Erithacus rubecula<br />
Ficedula hypoleuca<br />
Ficedula parva<br />
Muscicapa striata<br />
Fringilla coelebs<br />
Garrulus glandarius<br />
Hippolais icterina<br />
Jynx torquilla<br />
Loxia curvirostra<br />
Lullula arborea<br />
Lusc. megarhynchos<br />
Milvus milvus<br />
Tab. 5: Signifikante Korrelationen (SPEARMANS Rangkorrelation, zweiseitig) zwischen den Fruktifikationen der wichtigsten<br />
Waldbaumarten (Rotbuche, Traubeneiche, Stieleiche, Kiefer, Fichte, Lärche): * p < 0,05; ** p < 0,01. Beachte die engen<br />
Korrelationen zwischen Laubbäumen (insbesondere Buche) und Fichte. – Signicifant correlations (SPEARMAN’S rank, 2tailed)<br />
between forest tree seed crop of Beech, Sessile and Pedunculate Oak, Scotch Pine, Norway Spruce, larch species:<br />
* p < 0,05; ** p < 0,01. Notice the close correlation between deciduous trees (especially Beech) and Norway Spruce.<br />
Art – tree species Eichen<br />
oaks<br />
Laubbäume<br />
deciduous trees<br />
Kiefer<br />
pine<br />
Fichte<br />
spruce<br />
Buche – beech +0,600* +0,715**<br />
Eichen – oaks +0,958** +0,608*<br />
Laubbäume – deciduous trees +0,677**<br />
Nadelbäume<br />
coniferous trees<br />
Kiefer – pine +0,729**<br />
Fichte – spruce<br />
1 2 3 4 5 6<br />
Art Zählperiode<br />
Oriolus oriolus<br />
Parus ater<br />
Parus caeruleus<br />
Parus cristatus<br />
Parus major<br />
Parus montanus<br />
Parus palustris<br />
Ph. phoenicurus<br />
Phyll. collybita<br />
Phyll. sibilatrix<br />
Phyll. trochilus<br />
Picus canus<br />
Picus viridis<br />
Prunella modularis<br />
Pyrrhula pyrrhula<br />
Regulus ignicapillus<br />
Regulus regulus<br />
Sitta europaea<br />
Sturnus vulgaris<br />
Sylvia atricapilla<br />
Sylvia borin<br />
Tr. troglodytes<br />
Turdus merula<br />
Turdus philomelos<br />
Turdus pilaris<br />
Turdus viscivorus<br />
1 2 3 4 5 6
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 185<br />
ter auf die darauf folgende Fruktifikation von<br />
Laubbäumen und Fichte lässt sich auch anhand<br />
der hier verwendeten Witterungsdaten gut belegen,<br />
wobei die Temperaturen im Hochwinter (Januar)<br />
keine wesentliche Rolle spielen (Tab. 6).<br />
Besonders Eichen, aber auch Buchen, sind hinsichtlich<br />
ihrer Blühintensität und Fruktifikation<br />
empfindlich gegenüber Spätfrösten <strong>des</strong> vorangegangenen<br />
Winters und profitieren diesbezüglich<br />
von warmen trockenen Sommern (höhere<br />
Blühintensität und besserer Fruchtansatz); die<br />
Fruktifikation der Buche korreliert positiv mit<br />
Durchschnittstemperatur und Sonnenscheindauer<br />
der Monate Juni und Juli <strong>des</strong> Vorjahrs und<br />
der Niederschlagssumme im April <strong>des</strong> Jahres<br />
der Blüte (RÖHRIG & GUSSONE 1990 und dort<br />
zitierte Quellen). Nach WACHTER (1964) herrschen<br />
in Jahren vor Buchenmasten gewöhnlich<br />
hohe, das langjährige Mittel der Monate Juni<br />
und Juli um 1,5 °C übersteigende Durchschnittstemperaturen<br />
und ausgeprägte Niederschlagsdefizite<br />
in diesen Monaten oder im Frühjahr. Die<br />
Kiefer, deren Zapfen zwei Vegetationsperioden<br />
zur Reifung brauchen, folgt in ihrer Fruktifikationsintensität<br />
offenbar anderen Mechanismen<br />
(Tab. 5 und 6); hier ergibt sich nur eine signifikant<br />
positive Korrelation (allerdings nur für die<br />
Wetterdaten von Soltau) mit den Niederschlägen<br />
im vorherigen Frühjahr (Tab. 6). Nach RÖHRIG<br />
& GUSSONE (1990) wird die Blütenbildung und<br />
damit die Fruktifikation der Kiefer stimuliert,<br />
wenn im April sowie im Juli und August <strong>des</strong><br />
der Blütenbildung vorangegangenen Jahres (d.<br />
h. über 1,5 Jahre vor der Fruchtreife) warmes,<br />
sonniges Wetter herrscht. – Bei der Fichte wird<br />
die Bildung von Blütenknospen durch warme<br />
Witterung im Frühsommer <strong>des</strong> vorangegangenen<br />
Jahres angeregt (RÖHRIG & GUSSONE 1990).<br />
Für die Niederschläge in der Sahel-Region<br />
wurden im Internet verfügbare Daten (http://www.<br />
cdc.noaa.gov/ClimateIndices/ und http://tao.<br />
atmos.washington.edu/data_sets/sahel/) herangezogen.<br />
Hierbei handelt es sich um die Abweichung<br />
vom 100-jährigen Mittel (1900–2000,<br />
in mm) der Sommerniederschläge der Monate<br />
Juni–September (also in der Regenzeit vor<br />
Eintreffen der mitteleuropäischen Transsahara-<br />
Zieher im September/Oktober) in der gesamten<br />
Sahel-Zone. Eine differenziertere, möglichst<br />
artspezifische Auswertung nach Jahreszeit und<br />
Regionen wäre hier zwar wünschenswert, hätte<br />
aber den Rahmen der vorliegenden Auswertung<br />
gesprengt.<br />
Die Unterschiede zwischen den Indexkurven<br />
verschiedener <strong>Teil</strong>stichproben (RK- und<br />
PS-Daten; Ost-West-Vergleich; Vergleich zwischen<br />
Habitattypen-Gruppen usw.) bezüglich<br />
% Buche Fagus sylvatica<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
%<br />
90<br />
Gesamttrend und Kurvenverlauf (Einfluss der entsprechenden<br />
Kovariablen) wurde mit TRIM berechnet (s. SCHWARZ<br />
& FLADE 2000, PANNEKOEK & VAN STRIEN 1998). Korrelationen<br />
zwischen den jährlichen Zu- und Abnahmen der<br />
Bestandsindizes sowie Witterungs- und Fruktifikationsdaten<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002<br />
Eichen Quercus robur, Qu. petraea<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002<br />
% Kiefer Pinus sylvestris<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002<br />
% Fichte Picea abies<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002<br />
Abb. 5: Waldbaumfruktifikationen in mittleren und nördlichen Deutschland<br />
im Untersuchungszeitraum nach den Blühprotokollen und Erträgen<br />
der Saatgutbestände der für Forstwirtschaft zuständigen Lan<strong>des</strong>behörden<br />
und -betriebe (Zusammenstellung: Lan<strong>des</strong>forstanstalt Brandenburg,<br />
J. STEIGLEDER). – Forest tree seed crop in central and northern Germany<br />
in the study period (source: Brandenburg State Agency of Forestry, J.<br />
STEIGLEDER). From top to bottom: beech, oaks, pine, spruce.<br />
wurden mittels der Rangkorrelation nach SPEARMAN sowie<br />
mit dem MANN-WHITNEY-U-Test geprüft.<br />
Für das Testen der Korrelationen zwischen Bestandsindizes<br />
und Wetterparametern/Waldbaumfruktifikationen wurden<br />
stets die PS-Daten und die RK-Daten (getrennt) herangezo-
186 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Tab. 6: Signifikante Korrelationen (SPEARMANS Rangkorrelation, zweiseitig) zwischen den Fruktifikationen der wichtigsten<br />
Waldbaumarten und Wetterdaten der Stationen Soltau, Berlin-Tempelhof und Stuttgart: * p < 0,05; ** p < 0,01. – Significant<br />
correlations (SPEARMAN’S rank, 2-tailed) between forest tree seed crop (species see Tab. 5) and weather conditions (data<br />
from the weather stations Soltau, Berlin-Tempelhof and Stuttgart): * p < 0,05; ** p < 0,01.<br />
Wetterparameter<br />
weather parameter<br />
Januarmitteltemperatur<br />
– mean January temperature<br />
Anzahl Tage mit<br />
Schneedecke <strong>des</strong><br />
vorigen Winters –<br />
number of days with<br />
snow cover of the<br />
previous winter<br />
Eistage <strong>des</strong> vorigen<br />
Winters – ice days of<br />
the previous winter<br />
(24 h < 0°C)<br />
Regen April–Juni –<br />
total rainfall April–June<br />
Vorjahrsregen<br />
April–Juni – total rainfall<br />
April–June of the<br />
previous year<br />
Wetterstation<br />
weather station<br />
alle<br />
all<br />
Buche<br />
beech<br />
Eichen<br />
oaks<br />
Laubbäume<br />
deciduous<br />
trees<br />
Kiefer<br />
pine<br />
Fichte<br />
spruce<br />
– – – – – –<br />
Berlin –0,645* –0,553* –0,636*<br />
gesamt (Mittel)<br />
all (mean)<br />
Soltau –0,616*<br />
–0,552*<br />
Berlin –0,749* –0,690* –0,773* –0,630*<br />
Stuttgart –0,571* –0,560* –0,667* –0,613*<br />
Gesamt (Mittel)<br />
all (mean)<br />
–0,743** –0,697** –0,769** –0,618*<br />
Nadelbäume<br />
coniferous<br />
trees<br />
Berlin –0,626*<br />
Soltau +0,564* +0,621*<br />
gen. Sofern signifikante Unterschiede in den PS-Indexkurven<br />
für die Regionen „West“ und „Ost“ oder „> 75 % Wald“ und<br />
„< 25 % Wald“ festgestellt wurden (s. Anhang I), wurden<br />
diese regionalen oder habitatspezifischen <strong>Teil</strong>stichproben zusätzlich<br />
ebenfalls mit den Wetter- und Fruktifikationsdaten<br />
korreliert.<br />
3. <strong>Ergebnisse</strong> und <strong>Teil</strong>diskussion<br />
3.1. Übereinstimmung von Revierkartierungs-<br />
und Punkt-Stopp-Index<br />
Da die Stichproben-Verteilung der RK-Flächen und<br />
PS-Routen jeweils nach geografischen Regionen, Habitattypen<br />
und Bearbeitern völlig verschieden ist, ist die<br />
vergleichende Betrachtung der Unterschiede zwischen<br />
beiden Indexkurven von besonderem Interesse. Stimmen<br />
die Indexkurven überein bzw. lassen sich keine signifikanten<br />
Abweichungen in Verlauf und Trend feststellen,<br />
kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen<br />
werden, dass das Ergebnis repräsentativ ist.<br />
Sobald die Bestandsentwicklung einer Art jedoch<br />
regional oder in einzelnen Habitattypen deutlich verschieden<br />
ist, müssen sich auch die RK- und PS-Indexkurven<br />
mehr oder weniger stark unterscheiden, weil<br />
die Stichproben-Verteilung jeweils verschieden ist. In<br />
diesen Fällen kann meist durch die Analyse von <strong>Teil</strong>stichproben<br />
geklärt werden, wodurch die Unterschiede<br />
zustande kommen (vgl. SCHWARZ & FLADE 2000).<br />
Von den 52 hier untersuchten Arten lagen für 38 Arten<br />
genügend Daten vor, dass für den Zeitraum ab 1989<br />
oder 1991 sowohl ein PS- als auch ein RK-Index ermittelt<br />
werden konnte. Bei 28 Arten (74 %) ergibt sich<br />
keine signifikante Abweichung (s. Anhang I, Beispiele:<br />
Abb. 6), bei 10 Arten (26 %) waren signifikante<br />
Unterschiede entweder im Kurvenverlauf oder im Gesamttrend<br />
festzustellen (s. Anhang I, Beispiele: Abb. 7),<br />
die bei der Analyse von <strong>Teil</strong>stichproben oft aufgeklärt<br />
werden konnten (s. unten: z. B. Ost-West- und Waldaußerhalb-Unterschiede<br />
bei Zaunkönig Troglodytes<br />
troglodytes und Rotkehlchen Erithacus rubecula). Es<br />
gibt keine einzige Art mit signifikant gegenläufigen<br />
Trends (PS-Index signifikante Zunahme und RK-Index<br />
signifikante Abnahme, oder umgekehrt) und damit keine<br />
tatsächlich widersprüchlichen <strong>Ergebnisse</strong>.<br />
Bei einzelnen Arten deutet sich an, dass der RK-Index<br />
gegenüber dem PS-Index deutlich aussagekräftiger<br />
und besonders in den jahrweisen Schwankungen besser<br />
interpretierbar ist (z. B. Buntspecht Dendrocopos major,<br />
Trauerschnäpper Ficedula hypoleuca und Kleiber,<br />
s. Kap. 3.2 und 3.4), obwohl ihm weitaus geringeres<br />
Datenmaterial zugrunde liegt. In diesem Zusammenhang<br />
ist das Sommergoldhähnchen Regulus ignicapillus<br />
interessant, <strong>des</strong>sen RK- und PS-Index besonders<br />
stark voneinander abweichen (Abb. 7). Zu dieser Art<br />
gibt es generell nur sehr wenige Langzeitstudien zur
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 187<br />
Bestandsentwicklung, aus dem Untersuchungszeitraum<br />
und -gebiet nur die<br />
Studie von GEORGE (2002) aus dem<br />
Harz. Der RK-Index entspricht sehr<br />
genau dem von GEORGE (2002) für<br />
den Zeitraum 1993 bis 2002 ermittelten<br />
Bestandsverlauf mit fast linearer<br />
Zunahme 1993 bis 2001 und abruptem<br />
Rückgang 2002; im PS-Index ist<br />
dieses Muster nicht erkennbar.<br />
Bei der Gesamtbetrachtung entsteht<br />
insgesamt der Eindruck, dass<br />
bei Arten, deren Bestandsentwicklung<br />
sehr großräumig von den Witterungsbedingungen<br />
oder Ereignissen<br />
in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten<br />
gesteuert wird, PS-<br />
und RK-Indexkurven sehr gut übereinstimmen<br />
(z. B. Mönchsgrasmücke<br />
Sylvia atricapilla, Fitis Phylloscopus<br />
trochilus, im Gesamtverlauf auch<br />
Zaunkönig), während bei Arten mit<br />
lokal oder regional sehr unterschiedlichen<br />
Entwicklungen (z. B. Waldlaubsänger<br />
Phylloscopus sibilatrix)<br />
die Abweichungen zwischen beiden<br />
Indexkurven teilweise stark sind. Außerdem<br />
ergeben sich natürlich um so<br />
stärkere Abweichungen und gleichzeitig<br />
um so größere Standardfehler,<br />
je seltener bzw. schwieriger erfassbar<br />
die Arten sind; zu den diesbezüglich<br />
problematischsten Arten dieser Auswertung<br />
gehören die vier berücksichtigten<br />
Greifvogelarten (Rotmilan<br />
Milvus milvus, Mäusebussard Buteo<br />
buteo, Habicht Accipiter gentilis und<br />
Sperber Accipiter nisus) sowie Mittelspecht<br />
Dendrocopus medius, Heidelerche<br />
Lullula arborea und Zwergschnäpper<br />
Ficedula parva.<br />
3.2. Einfluss harter Winter<br />
Insgesamt waren die meisten Winter<br />
<strong>des</strong> Untersuchungszeitraumes überdurchschnittlich<br />
mild (gemessen am<br />
50-jährigen Mittel), was auch als Zeichen<br />
der globalen Klimaerwärmung<br />
interpretiert werden kann. Jedoch<br />
stechen einige kältere Winter heraus<br />
(Abb. 4, durch Kästen markiert): Besonders<br />
kalt und schneereich war der<br />
„Jahrhundertwinter“ 1995/96 und,<br />
in geringerem Maße, der folgende<br />
Winter 1996/97. Der Winter 1990/91<br />
zeichnete sich außerdem durch einen<br />
ungewöhnlich kalten Februar aus<br />
Index<br />
%<br />
140<br />
130<br />
120<br />
110<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
Index<br />
Index<br />
Index<br />
110<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
Ringeltaube Columba palumbus<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
%<br />
%<br />
160<br />
%<br />
140<br />
130<br />
120<br />
110<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
Heckenbraunelle Prunella vulgaris<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
Mönchsgrasmücke Sylvia atricapilla<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
Zilpzalp Phylloscopus collybita<br />
60<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
PS RK<br />
Abb. 6: Beispiele von Arten (TRIM-Indexkurven), für die die <strong>Ergebnisse</strong> der<br />
Programmteile „Revierkartierung“ (RK) und „Punkt-Stopp-Zählung“ (PS) gut<br />
übereinstimmen: Ringeltaube Columba palumbus, Heckenbraunelle Prunella<br />
modularis, Mönchsgrasmücke Sylvia atricapilla und Zilpzalp Phylloscopus<br />
collybita. – Examples of species (TRIM index curves) with good accordance<br />
of results from the territory mapping (RK) and point count (PS) schemes:<br />
Wood Pigeon, Dunnock, Blackcap, and Chiffchaff.
188 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Index<br />
Index<br />
Index<br />
Index<br />
%<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
280<br />
260<br />
240<br />
220<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
140<br />
130<br />
120<br />
110<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
%<br />
%<br />
%<br />
160<br />
150<br />
140<br />
130<br />
120<br />
110<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
1991<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1995<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1996<br />
Zaunkönig Troglodytes troglodytes<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
Sommergoldhähnchen Regulus ignicapillus<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
Rotkehlchen Erithacus rubecula<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
PS RK<br />
Singdrossel Turdus philomelos<br />
Abb. 7: Beispiele von Arten, bei denen die Indexkurven der Programmteile<br />
„Revierkartierung“ (RK) und „Punkt-Stopp-Zählung“<br />
(PS) einen signifikant verschiedenen Bestandstrend anzeigen:<br />
Zaunkönig Troglodytes troglodytes, Sommergoldhähnchen Regulus<br />
ignicapillus, Rotkehlchen Erithacus rubecula und Singdrossel<br />
Turdus philomelos. – Example of species showing significant differences<br />
in the overall trend from the territory mapping (RK) and point<br />
count (PS) schemes: Wren, Firecrest, Robin, and Song Thrush.<br />
2003<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
(mehr als 2 °C unter dem langjährigen Mittel;<br />
in Abb. 3 nicht zu erkennen). Der Winter<br />
2002/2003 muss schließlich im Vergleich mit<br />
den letzten 50 Jahren als „durchschnittlich“<br />
gewertet werden; im Untersuchungszeitraum<br />
war es aber immerhin der drittkälteste und<br />
-schneereichste Winter und verdient <strong>des</strong>halb<br />
Beachtung.<br />
Bei der Gesamtbetrachtung aller gefundenen<br />
signifikanten Korrelationen zwischen Winterwetter<br />
und Bestandsänderungen der Waldvögel<br />
(Anhang <strong>II</strong>) fällt auf, dass das Wetter im Hochwinter<br />
(charakterisiert durch die mittlere Januartemperatur)<br />
relativ schwachen Einfluss hat<br />
(maximal 8 Korrelationen von 8 Arten mit den<br />
Daten der Wetterstation Soltau). Demgegenüber<br />
haben die Anzahl der Eistage sowie die<br />
Zahl der Tage mit Schneedecke („Schneetage“)<br />
viel stärkeren Einfluss (maximal 24 bzw. 32<br />
Korrelationen mit 16 Arten); diese Parameter<br />
dürften gleichzeitig die Dauer <strong>des</strong> Winters bzw.<br />
die Ausdehnung <strong>des</strong> Spätwinters repräsentieren.<br />
Insgesamt sehr wenige Korrelationen<br />
ergeben sich mit den Daten der Wetterstation<br />
Stuttgart-Flughafen. Dies ist nachvollziehbar,<br />
repräsentieren sie doch die Witterungssituation<br />
im Südwesten bzw. den südlichen Mittelgebirgen<br />
Deutschlands – also einer Region, aus der<br />
nur relativ wenige Monitoringdaten in diese<br />
Auswertung eingeflossen sind. Insgesamt mit<br />
Abstand die meisten Korrelationen ergeben<br />
sich mit den Daten der Wetterstation Berlin-<br />
Tempelhof (Eistage: 24 Datensätze von 12 Arten;<br />
Schneetage: 32 Datensätze von 16 Arten),<br />
wobei sich die Wetterdaten von Soltau und Berlin<br />
hinsichtlich der jährlichen Abweichungen<br />
vom langjährigen Mittel ohnehin relativ stark<br />
ähneln (Abb. 4).<br />
Bei nicht samenfressenden Jahresvögeln,<br />
<strong>Teil</strong>ziehern und evtl. auch Kurzstreckerziehern<br />
(Anhang <strong>II</strong>, Block A) ist zunächst zu erwarten,<br />
dass ihre kurzfristigen Bestandsschwankungen<br />
maßgeblich von der Härte und Länge <strong>des</strong> Winters<br />
mitbestimmt werden. Hinreichend bekannt<br />
und dokumentiert ist dies beim Zaunkönig<br />
(z. B. DEPPE 1990; SCHWARZ & FLADE 2000),<br />
der sich insofern gut als „Testart“ eignet. Der<br />
Zaunkönig zeigt in der Tat von allen Arten<br />
die meisten Korrelationen mit Winterwetter-<br />
Parametern (Anhang <strong>II</strong>) und die erwarteten<br />
Bestandseinbrüche nach härteren Wintern,<br />
auch in 2003 (Abb. 8). Dabei sind interessanterweise,<br />
wie auch beim Rotkehlchen, die<br />
Waldpopulationen wesentlich stärker betroffen<br />
als die Nicht-Wald-Populationen, also hauptsächlich<br />
die Bestände der Siedlungen, Gärten<br />
und Grünanlagen (Abb. 8). Beim Rotkehlchen
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 189<br />
ergeben sich signifikante Korrelationen<br />
sogar ausschließlich mit den Waldpopulationen<br />
(Januar-Mittel, Anhang <strong>II</strong>); in diesem<br />
Zusammenhang ist bemerkenswert,<br />
dass nach GRAJETZKY (2000) die <strong>Teil</strong>populationen<br />
Zieher und Standvögel deutlich<br />
getrennt sind und sogar unterschiedliche<br />
Brutstrategien haben.<br />
Insgesamt kann für 12 Jahresvögel,<br />
<strong>Teil</strong>- und Kurzstreckenzieher ein negativer<br />
Einfluss kalter und/oder langer Winter<br />
nachgewiesen werden (Anhang <strong>II</strong>,<br />
Block A). Kalte Hochwinter wirken sich<br />
negativ bzw. milde Hochwinter positiv<br />
auf die Bestände von Grünspecht Picus<br />
viridis, Zaunkönig (Abb. 9), Heckenbraunelle<br />
Prunella modularis, Rotkehlchen,<br />
Waldbaumläufer Certhia familiaris, Star<br />
Sturnus vulgaris und interessanterweise<br />
auch Heidelerche (indirekter Zusammenhang?)<br />
aus, wobei sich diese Korrelationen<br />
bei Zaunkönig, Waldbaumläufer und Star<br />
nur auf die Daten der Wetterstation Soltau<br />
beziehen.<br />
Unter anhaltenden (besonders wohl<br />
auch späten) Dauerfrost- und Schneeperioden<br />
leiden außer dem Zaunkönig auch<br />
Zilpzalp, Mönchsgrasmücke, Amsel,<br />
Sing- und Misteldrossel Turdus viscivorus,<br />
wobei Kurzstreckenzieher wie Zilpzalp,<br />
Mönchsgrasmücke und Misteldrossel<br />
auf verschiedene Weise betroffen sein<br />
können: Zum einen sind in Deutschland<br />
„harte“ Winter oft auch in Süd- und Südwesteuropa<br />
relativ kalt (z. B. 1995/96 und<br />
1996/97) und treffen die Arten dann auch<br />
im Winterquartier; zum anderen können<br />
frühe Heimkehrer von langen bzw. späten<br />
Winterperioden im Brutgebiet „erwischt“<br />
werden (z. B. die sehr früh brütende Misteldrossel,<br />
vgl. negative Korrelation mit Schneetagen in Abb. 10).<br />
Zum Dritten können sich harte und lange Winter möglicherweise<br />
negativ oder zumin<strong>des</strong>t verzögernd auf die<br />
Entwicklung von Vegetation und Nahrungstieren auswirken.<br />
– Hohe Verluste durch Kältewinter und späte<br />
Schneelagen sind nach BAUER & BERTHOLD (1996)<br />
und den dort zitierten Quellen für Rotkehlchen, Singdrossel<br />
Turdus philomelos und Misteldrossel („späte<br />
Schneeeinbrüche“) belegt.<br />
Rätsel gibt die eindeutig negative Korrelation zwischen<br />
dem Transsahara-Zieher Waldlaubsänger und<br />
der Anzahl an Eis- und Schneetagen <strong>des</strong> vorherigen<br />
Winters auf (Anhang <strong>II</strong>, Block B). Sicher sind es keine<br />
Schein- oder Zufallskorrelationen, denn dazu sind es<br />
zu viele korrelierende Datensätze und zu enge, in drei<br />
Fällen hochsignifikante Zusammenhänge. Also müssen<br />
die Ursachen indirekter Natur sein. Zum einen sind ne-<br />
Index<br />
Index<br />
Anzahl Tage < 0 °C<br />
number of days < 0 °C<br />
%<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
%<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
60,0<br />
50,0<br />
40,0<br />
30,0<br />
20,0<br />
10,0<br />
0,0<br />
Zaunkönig Troglodytes troglodytes<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
> 75 % Wald<br />
> 75% forest<br />
< 25 % Wald<br />
< 25% forest<br />
Rotkehlchen Erithacus rubecula<br />
1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003<br />
> 75 % Wald<br />
> 75% forest<br />
kalter Februar!<br />
< 25 % Wald<br />
< 25% forest<br />
Soltau<br />
Berlin Tempelhof<br />
Stuttgart<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
Abb. 8: Einfluss <strong>des</strong> Winterwetters auf Jahresvögel/<strong>Teil</strong>zieher: Beispiele<br />
Zaunkönig Troglodytes troglodytes und Rotkehlchen Erithacus rubecula;<br />
die vier relativ kalten oder schneereichen Winter sind durch Kästen<br />
markiert (siehe Text). – Impact of the winter weather on resident and<br />
partly migratory birds: examples of Wren and Robin; the four relatively<br />
cold or snow-rich winters are marked with boxes.<br />
gative Auswirkungen harter Winter auf Nahrungstiere<br />
<strong>des</strong> Waldlaubsängers möglich. Zum anderen ist auch<br />
vorstellbar, dass sich lange und kalte Winter verzögernd<br />
auf die Entwicklung der Waldbodenvegetation auswirken<br />
und die Waldlaubsänger <strong>des</strong>halb bei Ankunft noch<br />
keine geeigneten Nisthabitate vorfinden.<br />
Erstaunlich sind die sehr zahlreichen und eindeutigen<br />
positiven Korrelationen zwischen Winterhärte<br />
und den Bestandsänderungen von nicht weniger als<br />
11 Jahresvögeln/<strong>Teil</strong>ziehern. Es handelt sich hier um<br />
im Winter (auch) samenfressende (Meisen, Finken)<br />
und/oder holzbewohnende Arten im engeren Sinne<br />
(Buntspecht, Kleiber, Gartenbaumläufer Certhia brachydactyla).<br />
Der Buntspecht als Samenfresser und<br />
Holzbewohner zeigt die meisten signifikanten Korrelationen.<br />
Diese massiven, eindeutig nicht zufälligen<br />
Korrelationen sind schwer auf Anhieb zu interpretieren.<br />
Am wahrscheinlichsten ist ein Zusammenhang über
190 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
jährliche Bestandsänderung (RK)<br />
annual population changes<br />
(territory mapping index)<br />
jährliche Bestandsänderung (RK)<br />
annual population changes<br />
(territory mapping index)<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
–10<br />
–20<br />
–30<br />
–40<br />
–4 –2 0 2 4 6<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
–10<br />
–20<br />
–30<br />
Zaunkönig und Januartemperatur<br />
Abweichung Januartemperatur vom<br />
langjährigen Mittel (Station Soltau)<br />
January temperature deviation from mean (Soltau)<br />
0<br />
Zaunkönig und Anzahl Eistage<br />
–40<br />
0 10 20 30 40 50<br />
Anzahl Eistage pro Winter<br />
number of ice days (prevíous winter)<br />
Abb. 9: Korrelationen (SPEARMANS Rangkorrelation, zweiseitig)<br />
zwischen den jährlichen Bestandsänderungen <strong>des</strong><br />
Zaunkönigs Troglodytes troglodytes (RK-Index) und a) den<br />
Januar-Mitteltemperaturen (Station Soltau, p = 0,05) sowie<br />
der Anzahl an Eistagen (Mittelwert aller Stationen,<br />
p < 0,01) <strong>des</strong> vorangegangenen Winters. – Correlations<br />
(SPEARMAN’S rank, 2-tailed) between annual population<br />
changes in the Wren (territory mapping index, y-axis) and<br />
a) mean January temperature (Soltau, p = 0.05) and b)<br />
number of ice days (mean of all weather stations, p < 0.01)<br />
of the previous winter.<br />
das Nahrungsangebot im Winter oder Frühjahr, also<br />
z. B. die Förderung bestimmter Nahrungstiere, oder die<br />
Hemmung von Konkurrenten und potenziellen Prädatoren<br />
(z. B. Kleinsäuger, Raubsäuger) oder Parasiten<br />
durch kalte Winter.<br />
Dieser Befund widerspricht zunächst – scheinbar<br />
– den Angaben in BAUER & BERTHOLD (1996) und<br />
zahlreichen anderen Quellen (z. B. Artbearbeitungen<br />
Meisen in ZANG & HECKENROTH 1998), wonach „Extremwinter“<br />
oder „Kältewinter“ bei Buntspecht, Kleiber,<br />
Sumpf-, Weiden-, Hauben-, Blau- und Kohlmeise<br />
starke Verluste und Bestandseinbrüche verursachen;<br />
dabei berufen sich BAUER & BERTHOLD (1996) teilweise<br />
maßgeblich auf die Artbearbeitungen in GLUTZ &<br />
jährliche Bestandsänderung (RK)<br />
annual population changes<br />
(territory mapping index)<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
–10<br />
–20<br />
–30<br />
Misteldrossel und Schneetage<br />
–40<br />
0 10 20 30 40<br />
Anzahl Schneetage pro Winter (Soltau)<br />
number of days with snow cover (previous winter)<br />
Abb. 10: Korrelation zwischen den jährlichen Bestandsänderungen<br />
der Misteldrossel Turdus viscivorus (hier: RK-<br />
Index) und der Anzahl an Tagen mit Schneedecke <strong>des</strong><br />
vorangegangenen Winters (Station Soltau; SPEARMANS<br />
Rangkorrelation, zweiseitig, p < 0,01). – Correlation between<br />
annual population changes of Mistle Thrush (territory<br />
mapping index, y-axis) and the number of days with snow<br />
cover in the previous winter (Soltau, x-axis; SPEARMAN’S<br />
rank correlation, 2-tailed, p < 0.01).<br />
BAUER (1980, 1993). Für Buntspecht, Sumpf-, Weiden-<br />
und Haubenmeise verwerfen GLUTZ & BAUER (1980,<br />
1993) den wesentlichen Einfluss von Kältewintern jedoch<br />
explizit und verweisen bei den übrigen Arten auf<br />
den entscheidenden Einfluss <strong>des</strong> Nahrungsangebots im<br />
Herbst und Winter (z. B. Blaumeise Parus caeruleus:<br />
„hohe Wintermortalität mit z. T. enormen Bestandseinbrüchen<br />
in Abhängigkeit von Nahrungsangebot und<br />
Witterung“, HUDDE in GLUTZ & BAUER 1993; Bestandseinbrüche<br />
nach harten Wintern ohne Angaben<br />
zum Samenangebot beschreiben dagegen z. B. WIN-<br />
KEL & FRANTZEN 1991 und WINKEL & ZANG 1998;<br />
– Kohlmeise Parus major: „Entscheidend dürfte bei<br />
Kälte allerdings das Nahrungsangebot sein.“ SCHMIDT<br />
& ZUB in GLUTZ & BAUER 1993; – Kleiber: „Für die<br />
kurzfristigen Schwankungen ist das Nahrungsangebot<br />
und nicht die Härte <strong>des</strong> Winters verantwortlich“,<br />
WESOŁOWSKI & STAWARCZYK 1991).<br />
Für den Untersuchungszeitraum 1989–2003 und<br />
das mittlere und nördliche Deutschland kann dies voll<br />
bestätigt werden, wobei zumin<strong>des</strong>t zwei extrem kalte<br />
Winter in diesen Zeitraum fallen. Offensichtlich haben<br />
Kältewinter dann keine erheblichen Auswirkungen,<br />
wenn das Angebot an Samennahrung, insbesondere<br />
auch von Waldbäumen, ausreichend gut ist (s. Kap.<br />
3.4.). Die Fruktifikationen von Laubbäumen und evtl.<br />
Fichte werden zwar durch vorherige kalte und lange<br />
Winter gehemmt; dies wirkt sich aber erst im darauf<br />
folgenden Herbst/Winter in Form von Fehlmasten aus.<br />
Demnach müssten die im Winter samenfressenden Vogelarten<br />
zumin<strong>des</strong>t durch zwei aufeinanderfolgende<br />
harte Winter negativ betroffen sein. Eine solche Si
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 191<br />
tuation lag im Untersuchungszeitraum in den Jahren<br />
1995–97 vor (Abb. 4). Bei Buntspecht, Kleiber, Kohl-<br />
und Blaumeise war nach Vollmasten von Buche und<br />
Eichen sowie Halbmasten von Fichte und Kiefer im<br />
Herbst 1995 und nachfolgendem Kältewinter zunächst<br />
ein starker Bestandsanstieg, dann nach witterungsbedingten<br />
Fehlmasten von Buchen und Eichen sowie<br />
Sprengmasten von Fichte und Kiefer im Herbst 1996<br />
ein deutlicher, wenn auch weniger starker Bestandsrückgang<br />
1997 zu verzeichnen (für Buntspecht und<br />
Kleiber siehe Abb. 11). Gartenbaumläufer, Sumpf-,<br />
Weiden- und Haubenmeise Parus palustris, P. montanus,<br />
P. cristatus haben jedoch nach kräftiger Zunahme<br />
1996 auch 1997 nicht erkennbar abgenommen. Auf<br />
diese vier Arten wirkten sich also selbst zwei aufeinander<br />
folgende Kältewinter nicht erkennbar negativ<br />
aus.<br />
Fazit: Bei Buntspecht, Kleiber, Gartenbaumläufer<br />
und Meisen kann bestätigt werden, dass Kältewinter<br />
allein keinen negativen Einfluss auf die Bestandsentwicklung<br />
haben; vielmehr werden die jährlichen<br />
Bestandsänderungen wesentlich von den Waldbaumfruktifikationen<br />
bestimmt (Kap. 3.4); erst im Zusammentreffen<br />
mit Fehlmasten führen Kältewinter zu – im<br />
Untersuchungszeitraum mäßigen – Bestandsrückgängen<br />
dieser Arten. Unbenommen dieser generellen Befunde<br />
kann lokal oder regional der Einfluss von harten Wintern<br />
wesentlich stärker sein, insbesondere in den höheren<br />
Lagen der Mittelgebirge (z. B. Kleiber: ZANG 1988).<br />
Schwer interpretierbar sind die eindeutigen und<br />
zahlreichen positiven Korrelationen bei vier Langstreckenziehern<br />
(Wendehals Jynx torquilla, Gartengrasmücke<br />
Sylvia borin, Fitis, Trauerschnäpper) mit<br />
kalten und vor allem schneereichen Wintern (Anhang<br />
<strong>II</strong>, Block D). Am ehesten dürfte die Ursache in der<br />
Entwicklung <strong>des</strong> Nahrungsangebots (Förderung bestimmter<br />
Nahrungstiere durch z. B. lange Schneelagen)<br />
liegen. Denkbar wäre auch eine Hemmung von Parasiten<br />
oder möglichen Konkurrenten und Prädatoren;<br />
dies müsste für die Vögel jedoch nach Rückkehr aus<br />
den afrikanischen Winterquartieren sofort erkennbar<br />
sein und ggf. zu einem Weiterziehen führen (wie dies<br />
für den Waldlaubsänger und hohe Kleinsäugerdichten<br />
wahrscheinlich ist – s. WESOŁOWSKI & TOMIAŁOJĆ<br />
1997; JEDRZEJEWSKA & JEDRZEJEWSKI 1998; Synopse<br />
in GATTER 2000).<br />
3.3 Einfluss von Frühjahrsniederschlägen<br />
Im Vergleich zu den Winterwetter-Parametern sind<br />
die Korrelationen zwischen Bestandsänderungen der<br />
Brutvögel und Frühjahrsniederschlägen vergleichsweise<br />
schwach und teilweise wohl als Scheinkorrelationen<br />
einzuordnen (Anhang <strong>II</strong>I). Ein verregnetes Frühjahr,<br />
insbesondere Dauer- und Starkregen, könnte sowohl zu<br />
vermindertem Bruterfolg und dadurch Bestandsrückgang<br />
im nächsten Jahr als auch zu einer Veränderung<br />
der Aktivität und damit Wahrnehmbarkeit der Arten<br />
führen. Umgekehrt kann ein trockenes und warmes<br />
Frühjahr sich z. B. über stärkere Vermehrung von<br />
Nahrungstieren und geringere Brutverluste positiv<br />
auf Bruterfolg und Bestandsveränderung im nächsten<br />
Jahr auswirken.<br />
Allerdings war der Untersuchungszeitraum insgesamt<br />
durch viele trockene und warme Frühjahre<br />
gekennzeichnet (Abb. 4). Es gab kein einziges Jahr,<br />
in dem an allen drei ausgewerteten Wetterstationen<br />
überdurchschnittlich viele Niederschläge fielen. Am<br />
stärksten fallen noch die feuchten Jahre 1990 und 1995<br />
in Berlin aus dem Rahmen (Abb. 4). Das Frühjahr 1998<br />
war zudem in Soltau und das Frühjahr 2002 in Stuttgart<br />
überdurchschnittlich feucht.<br />
Dennoch ist es wohl kein Zufall, dass 10 von 11<br />
signifikanten Korrelationen (9 von 10 Arten) zwischen<br />
Bestandsänderungen und den Niederschlägen <strong>des</strong> aktuellen<br />
Jahres negativ ausfallen (Anhang <strong>II</strong>I). Diese<br />
negativen Korrelationen beziehen sich allerdings auf<br />
die Daten der Wetterstationen Soltau und Stuttgart und<br />
keine einzige auf Berlin mit den beiden verregneten<br />
Frühjahren (s. oben). Der Zusammenhang könnte darin<br />
bestehen, dass trocken-warme Frühjahre die Gesangsaktivität,<br />
den Bruterfolg und z. T. die Anzahl an Jahresbruten<br />
erhöhen und damit auch die Registrierbarkeit im<br />
Rahmen <strong>des</strong> Monitorings. So ist z. B. beim Rotkehlchen<br />
bekannt, dass trocken-warme Sommer zu mehr<br />
Schachtel- und Drittbruten führen (PÄTZOLD 1979) und<br />
Regen während der Brutzeit bei der Tannenmeise das<br />
Gegenteil bewirkt und die Nestlingssterblichkeit erhöht<br />
(BAUER & BERTHOLD 1996).<br />
Unterschiedlich sind die Korrelationen der Bestandsänderungen<br />
mit den Vorjahresniederschlägen<br />
(Anhang <strong>II</strong>I). Sehr wahrscheinlich kein Zufall sind<br />
die negativen Korrelationen der Bestandsänderungen<br />
<strong>des</strong> Rotkehlchens mit den Frühjahrsniederschlägen in<br />
Berlin; die oben zitierte Aussage von PÄTZOLD (1979)<br />
bestätigt sich hier. Auf ähnlichen Mechanismen könnten<br />
auch die ebenfalls negativen Korrelationen von<br />
Zaunkönig, Haubenmeise, Gartenbaumläufer, Star<br />
und Gimpel Pyrrhula pyrrhula beruhen, jedoch sind<br />
diese im Gegensatz zum Rotkehlchen immer nur für<br />
einzelne Stichproben und Wetterstationen signifikant.<br />
Die z. T. recht engen positiven Korrelationen von Zilp-<br />
zalp, Pirol Oriolus oriolus, Sommergoldhähnchen,<br />
Trauerschnäpper, Singdrossel und Haubenmeise mit<br />
den Vorjahresniederschlägen könnten, so sie nicht auf<br />
Zufall beruhen, auf einen besseren Bruterfolg dieser<br />
Arten in feuchten (aber nicht verregneten) gegenüber<br />
zu trockenen Frühjahren hinweisen.<br />
3.4. Einfluss der Waldbaum-Fruktifikationen<br />
Die Bestandsentwicklung der Waldvögel wurde gegen<br />
die Entwicklung der Masten von Buche, Eichen,<br />
Kiefer, Fichte und Lärche getestet (Abb. 5, Anhang<br />
IV). Wie in Abb. 11 am Beispiel von Buntspecht und<br />
Kleiber dargestellt, gehen Vollmasten der relevanten
192 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Baumarten bei im Winter zumin<strong>des</strong>t fakultativ baumsamenfressenden<br />
Jahresvögeln meist mit Bestandszunahmen,<br />
Fehlmasten mit Bestandsabnahmen im folgenden<br />
Jahr einher. Insgesamt konnten für 10 Arten signifikante<br />
positive Zusammenhänge zwischen Baummasten<br />
und jährlichen Zu- und Abnahmen entweder nach<br />
Index<br />
Index<br />
%<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
1989<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1991<br />
1993<br />
1995<br />
Buntspecht Dendrocopos major<br />
1997<br />
1999<br />
2001<br />
PS RK<br />
2003<br />
% Nadelbäume – coniferous trees<br />
80<br />
%<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
%<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
1989<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1991<br />
1993<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1995<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
PS RK<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
Buche – beech<br />
2001<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
Kleiber Sitta europaea<br />
Abb. 11: Zusammenhang zwischen jährlichen Bestandsschwankungen<br />
von (im Winter) samenfressenden Waldvögeln und den<br />
Waldbaumfruktifikationen in Deutschland am Beispiel von Buntspecht<br />
Dendrocopos major (oben) und Kleiber Sitta europaea<br />
(unten). Vollmast-Jahre der relevanten Baumarten führen zu<br />
Bestandszunahmen (durchgezogene Pfeile), Fehlmasten zu Abnahmen<br />
(gestrichelte Pfeile) im jeweils folgenden Jahr. – Correlations<br />
between annual population changes of forest birds which<br />
are feeding on tree seeds in winter and forest tree seed crop<br />
in Germany, exemplified by Great Spotted Woodpecker (above)<br />
and Nuthatch (below). Full-crop years cause increases (continuous<br />
arrows), poor-crop years decreases (hatched arrows) in the<br />
following year.<br />
2003<br />
dem RK- und/oder nach dem PS-Index nachgewiesen<br />
werden (Anhang IV, Abb. 12–15): Ringeltaube,<br />
Buntspecht, Sumpfmeise, Weidenmeise, Kohlmeise,<br />
Blaumeise, Kleiber, Buchfink Fringilla coelebs, Kernbeißer<br />
Coccothraustes coccothraustes und Gimpel.<br />
Evtl. besteht auch bei der Hohltaube Columba oenas<br />
ein entsprechender Zusammenhang (Abb. 14).<br />
Die meisten direkt interpretierbaren signifikanten<br />
Korrelationen beziehen sich auf Buche<br />
(14 signifikante Korrelationen für 7 Arten) und<br />
Eichen (11 Korrelationen bei 4 Arten; Anhang<br />
IV). Wenige signifikante Korrelationen mit der<br />
Koniferenmast ergaben sich insbesondere beim<br />
Buntspecht (Abb. 11) sowie auch bei Ringeltaube,<br />
Kleiber, Gimpel, Sumpf- und Weidenmeise,<br />
wobei bei der Ringeltaube zumin<strong>des</strong>t die<br />
negative Korrelation mit der Fichtenmast eine<br />
Zufalls-(Schein-)Korrelation sein dürfte.<br />
Auf die Zusammenhänge zwischen Waldmast<br />
und Dynamik von Waldvogelpopulationen hat<br />
GATTER (1998, 2000) ausführlich hingewiesen<br />
und die direkten und indirekten Auswirkungen<br />
auf die Vogelbestände diskutiert. Die direkten<br />
Auswirkungen können darin bestehen, dass bei<br />
Vollmasten die Überlebensrate der entsprechenden<br />
Jahresvögel im Herbst und Winter erhöht<br />
ist, bei Fehlmasten hingegen die Winterverluste<br />
der bei kalten Wintern zunehmend von den<br />
Baumsamen abhängigen Arten wesentlich höher<br />
sind. Dies wirkt sich auf Bestandsdichte, Zu-<br />
und Abwanderung in der folgenden Brutsaison<br />
aus. ZANG (2003b) hat dies eindrucksvoll am<br />
Beispiel <strong>des</strong> Kleibers und der Buchenmast im<br />
Harz über 22 Jahre dokumentiert, wobei für<br />
eine bestimmte Periode eine klare Abhängigkeit,<br />
zeitweise aber auch kein Zusammenhang nachweisbar<br />
war. Interessanterweise waren aber nach<br />
Buchen-Vollmasten zwar die Siedlungsdichten<br />
wesentlich höher, Gelegegröße und Anzahl<br />
flügger Jungvögel pro Brutpaar aber niedriger<br />
als nach Fehlmasten; die Anzahl flügger Junge<br />
pro 10 ha nach Vollmasten war nur im Zeitraum<br />
1993–2003 signifikant höher. Insgesamt kommt<br />
ZANG (2003b) zu dem Schluss, dass sich der<br />
durch den Klimawandel bedingte heftige Wech-<br />
sel zwischen Voll- und Fehlmasten im Zeitraum<br />
1993–2003 bei den populationsbiologischen Parametern<br />
der Kleiberpopulation <strong>des</strong> Harzes eher<br />
negativ auf die Bestandsentwicklung auswirken<br />
dürfte.<br />
Für Ringeltaube, Buntspecht und Kleiber ist<br />
die Aufnahme von Bucheckern und Eicheln als<br />
zeitweilige Hauptnahrung bekannt (GLUTZ &<br />
BAUER 1980, 1993). Die Meisenarten machen<br />
dagegen nur fakultativ bei großem Angebot oder<br />
in Notzeiten von dieser Nahrungsquelle in größerem<br />
Umfang Gebrauch. Kohl- und Blaumeise
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 193<br />
Jährl. Änderung der Kleiberpopulation<br />
yearly Nuthatch population changes<br />
%<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
–10<br />
Kleiber und Buchenmast<br />
Fehlpoor<br />
Sprengscarce<br />
Halbhalf<br />
Vollmast<br />
full beech crop<br />
Abb. 12: Einfluss der Waldbaumfruktifikation <strong>des</strong> Vorjahrs,<br />
Beispiel Kleiber Sitta europaea: Jährliche Änderungen <strong>des</strong><br />
Punkt-Stopp-Indexes (mit einfachem Standardfehler) bezogen<br />
auf die Buchenmast (MANN-WHITNEY-U-Test: p <<br />
0,05). – Effects of forest tree seed crop of the previous<br />
year on birds, example of Nuthatch: Annual changes of the<br />
point count index according to beech crop (MANN-WHITNEY<br />
U-test: p < 0.05).<br />
nutzen Buchenmasten intensiv (in strengen Wintern<br />
wichtigste Nahrungsgrundlage), wobei die Blaumeise<br />
außer Bucheckern deutlich weniger „Partikel von<br />
Eicheln u. a. Baumsamen“ zu sich nimmt (HUDDE in<br />
GLUTZ & BAUER 1993). Die Kohlmeise vermag dagegen<br />
„unter bestimmten Bedingungen auch Hasel- und<br />
Walnüsse zu öffnen“, und nach englischen Untersuchungen<br />
nutzt die Art dort Eicheln, Edelkastanien<br />
und Bucheckern mit Schwerpunkt auf der jeweils am<br />
reichsten fruchtenden Art (BETTS 1953 nach GLUTZ<br />
& BAUER 1993). Entsprechend sind nach den Daten<br />
<strong>des</strong> <strong>DDA</strong>-Monitorprogramms die Korrelationen der<br />
Bestandsänderungen der Blaumeise mit der Buchenmast<br />
stärker und mit der Eichenmast schwächer als<br />
Jährl. Änderung der Buchfinkenpopulation<br />
yearly Chaffinch population changes<br />
%<br />
20<br />
10<br />
0<br />
–10<br />
Buchfink und Buchenmast<br />
Fehlpoor<br />
Sprengscarce<br />
Halbhalf<br />
Vollmast<br />
full beech crop<br />
Abb. 13: Einfluss der Waldbaumfruktifikation <strong>des</strong> Vorjahrs,<br />
Beispiel Buchfink Fringilla coelebs: Jährliche Änderungen<br />
<strong>des</strong> Punkt-Stopp-Indexes (mit einfachem Standardfehler)<br />
bezogen auf die Buchenmast (MANN-WHITNEY-U-Test: 0,05<br />
< p < 0,1). – Effects of forest tree seed crop of the previous<br />
year on birds, example of Chaffinch: Annual changes of the<br />
point count index according to beech crop (MANN-WHITNEY<br />
U-test: 0.05 < p < 0.1).<br />
Jährl. Änderung der Hohltaubenpopulation<br />
yearly Stock Dove population changes<br />
%<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
–20<br />
Hohltaube und Buchen-/Eichenmast<br />
–40<br />
%<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Mittl. Fruktifikation von Eichen u. Buche (85 % = Vollmast)<br />
Mean deciduous tree crop (85 % = full crop)<br />
Abb. 14: Einfluss der Waldbaumfruktifikation <strong>des</strong> Vorjahre,<br />
Beispiel Hohltaube Columba oenas: Jährliche Änderungen<br />
<strong>des</strong> Punkt-Stopp-Indexes bezogen auf die Buchen- und<br />
Eichenmast (klare Tendenz, jedoch nicht signifikant). – Effects<br />
of forest tree seed crop of the previous year on birds,<br />
example of Stock Dove: Annual changes of the point count<br />
index according to beech crop (not significant, but clear<br />
tendency).<br />
bei der Kohlmeise und bilden somit diese Präferenzen<br />
präzise ab (Anhang IV)! – Nach MARCHANT et al.<br />
(1990) kontrolliert bei der Kohlmeise zwar generell<br />
das Nahrungsangebot den Bestand im Herbst und Winter<br />
und bestimmt, wie viele Vögel bis zur nächsten<br />
Brutsaison überleben. Jedoch bevorzugt die Kohlmeise<br />
auch im Winter animalische Nahrung und weicht nur<br />
im Notfall auf Sämereien aus. Ist das Samenangebot<br />
gering, kann bereits ein kurzer Kälteeinbruch zu einer<br />
Bestandsreduktion um 80 % führen, andererseits kann<br />
jährliche Populationsänderungen<br />
yearly population changes<br />
%<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
–10<br />
–20<br />
Kohlmeise Parus major<br />
Ringeltaube Columba palumbus<br />
Blaumeise Parus caeruleus<br />
Buntspecht Picoi<strong>des</strong> major<br />
–30<br />
%<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Mittl. Fruktifikation von Eichen u. Buche (85 % = Vollmast)<br />
Mean decidous tree crop (85 % = full crop)<br />
Abb. 15: Einfluss der Waldbaumfruktifikation <strong>des</strong> Vorjahrs:<br />
Vier Arten mit signifikanten Korrelationen zwischen den<br />
jährlichen Änderungen <strong>des</strong> Punkt-Stopp-Indexes und der<br />
Intensität der Buchen- und Eichenmast. – Effects of forest<br />
tree seed crop of the previous year on birds: four more species<br />
with significant positive correlations between annual<br />
population changes and beech crop.
194 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Trauerschnäpper (RK-Index)<br />
Pied Flycatcher (territory mapping index)<br />
%<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
–20<br />
–40<br />
–60<br />
Trauerschnäpper und Höhlenkonkurrenten<br />
–80<br />
%<br />
–20 –10 0 10 20<br />
Meisen/Kleiber (Mittelwert PS-Index)<br />
Tits/Nuthatch (mean point count index)<br />
Abb. 16: Jahrweise Bestandsänderungen <strong>des</strong> Trauerschnäppers<br />
(RK-Index) einerseits sowie von Kleiber, Kohl-,<br />
Blau- und Sumpfmeise (Mittelwert der Zu-/Abnahme <strong>des</strong><br />
PS-Index) andererseits; die negative Korrelation ist signifikant<br />
(s. Tab. 7). – Annual changes in the territory mapping<br />
index of Pied Flycatcher versus the mean changes of point<br />
count indices of Nuthatch, Great, Blue and Marsh Tits; the<br />
negative correlation is significant (see Table 7).<br />
die Sterblichkeit in Wintern mit langandauernder Kälte<br />
gering bleiben (VAN BALEN 1980; SCHMIDT & ZUB in<br />
GLUTZ & BAUER 1993).<br />
Für die Sumpfmeise sind Sämereien wichtiger als für<br />
alle anderen Meisenarten; „Kiefern- und Fichtensamen<br />
werden nur von Mitte Februar bis Ende Mai gefressen<br />
bzw. gehortet, dann aber in großen Mengen“ (GLUTZ<br />
& BAUER 1993); dem entsprechen die deutlichen Korrelationen<br />
mit der Fichtenmast sowie mit der Nadelbaumfruktifikation<br />
insgesamt (Anhang IV). Auch die<br />
Weidenmeise frisst und hortet u. a. Samen von Fichte,<br />
Kiefer und Lärche, woraus sich die Korrelationen mit der<br />
Fichten- und Nadelbaummast erklären (Anhang IV).<br />
Der Gimpel frisst zwar im Winter bei Schneelagen<br />
zunehmend Samen von Bäumen und Sträuchern, u. a.<br />
Lärche (GATTER 1989), doch dürfte die überraschend<br />
Tab. 7: Signifikante Korrelationen zwischen den jährlichen Bestandsänderungen <strong>des</strong> Trauerschnäppers<br />
einerseits und Kleiber, Kohl-, Blau- und Sumpfmeise andererseits im Zeitraum<br />
1989–2002 (vgl. Abb. 16). – Significant correlations between the annual population changes<br />
of Pied Flycatcher on the one hand and Nuthatch, Great, Blue and Marsh Tits on the other<br />
hand during the period 1989–2002 (see Fig. 16).<br />
Art – species Index Korrelation mit Trauerschnäpper<br />
Ficedula hypoleuca<br />
Rangkorr. (SPEARMAN) PEARSON Korrelation<br />
Kleiber Sitta europaea PS –0,582* –0,640*<br />
Kohlmeise Parus major PS –0,558*<br />
Blaumeise Parus caeruleus PS<br />
Sumpfmeise Parus palustris PS –0,739**<br />
Meisen/Kleiber Mittelwert –<br />
Nuthatch and Tits, mean<br />
PS –0,621* –0,604*<br />
enge Korrelation mit der Nadelbaummast (Anhang IV)<br />
eher einen indirekten Zusammenhang widerspiegeln.<br />
Es ist z. B. wahrscheinlich, dass Jahre mit intensiven<br />
Waldbaumfruktifikationen auch für andere samentragende<br />
Pflanzen günstig sind.<br />
Eine kleine Gruppe von Arten (Trauerschnäpper,<br />
Misteldrossel und die beiden Goldhähnchen) zeigt<br />
negative Korrelationen mit Waldbaumfruktifikationen<br />
(Anhang IV, Block B). Für die Goldhähnchenarten und<br />
die Misteldrossel bietet sich hierfür zunächst keine einfache<br />
Erklärung an. Indirekte und schwerer nachweisbare<br />
negative Auswirkungen von intensiven Waldbaumfruktifikationen<br />
können darin liegen, dass in Mastjahren<br />
samenfressende Kleinsäuger wie Mäuse, Bilche und<br />
Eichhörnchen begünstigt werden können, und zwar wegen<br />
der schnellen Generationsfolge oft noch im selben<br />
Jahr; „die Nager stehen nicht nur in Konkurrenz um<br />
Nahrung zu den Vögeln, sondern konkurrieren auch<br />
um denselben Brutraum und treten vermehrt als Fressfeinde<br />
auf“ (GATTER 2000). Die Goldhähnchenarten<br />
stehen zudem in Nahrungskonkurrenz zu den kleinen<br />
Meisenarten (Tannen-, Hauben- und Weidenmeise), was<br />
dazu führen könnte, dass sie in Jahren, in denen die<br />
Meisen von vorherigen Baummasten profitieren, verdrängt<br />
werden (GATTER 2000 mit Bezugnahme auf experimentelle<br />
Untersuchungen von ALATALO et al. 1985,<br />
1987). Anhand unseres Datenmaterials lässt sich dies<br />
für Deutschland insgesamt allerdings nicht belegen.<br />
Auch kann sich die Begünstigung von Meisenarten<br />
und deren höhere Dichte im Folgejahr wegen der<br />
Höhlenkonkurrenz negativ auf die Fliegenschnäpperarten<br />
auswirken (GUSTAFSSON 1988). Für die negative<br />
Korrelation zwischen Trauerschnäpperbestand und der<br />
Eichen- und Fichtenmast wäre dies eine plausible Erklärung,<br />
zumal „der Trauerschnäpper heute in Deutschland<br />
die am stärksten in ihrem Vorkommen bzw. in<br />
ihrer Häufigkeit vom Nistkastenangebot abhängige<br />
Höhlenbrüterart ist“ (WINKEL & WINKEL 1998) und<br />
das Angebot geeigneter und verfügbarer Nisthöhlen,<br />
wie mehrfach experi-<br />
mentell nachgewiesen,<br />
für diese Art offenbar<br />
den wichtigsten limitierenden<br />
Faktor darstellt.<br />
In der Tat zeigt sich<br />
anhand unserer Daten<br />
eine signifikant negative<br />
Korrelation in den<br />
jährlichen Zu- und Abnahmen<br />
zwischen Trauerschnäpper<br />
einerseits<br />
und Kleiber, Sumpf-,<br />
Blau- und Kohlmeise<br />
andererseits (Tab. 7 und<br />
Abb. 16). Dies betrifft<br />
bezeichnender Weise<br />
beim Trauerschnäpper
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 195<br />
nur den RK-Index, nicht den PS-Index: Die Vögel erscheinen<br />
zwar im Brutgebiet, bilden aber keine festen<br />
Reviere, weil die potenziellen Bruthöhlen belegt sind.<br />
Während sie bei der PS registriert werden und zumin<strong>des</strong>t<br />
teilweise im Datensatz enthalten sind, fallen sie bei<br />
der RK aus der Wertung. Dass sich dieser differenzierte<br />
Zusammenhang anhand unseres weitgestreuten Materials<br />
für einen großen geographischen Raum statistisch<br />
belegen lässt, ist überraschend und bestätigt die Qualität<br />
der Daten, allerdings auch die bessere Aussagekraft<br />
der die jährlichen Schwankungen präziser abbildenden<br />
RK-Daten bei einigen Arten (z. B. auch Buntspecht<br />
und Kleiber, s. Anhang IV und Abb. 11).<br />
Weiterhin gibt es eine relativ große Gruppe von sieben<br />
Arten, deren Bestandsänderungen positiv mit<br />
Waldbaumfruktifikationen korrelieren, obwohl sie<br />
sich durchweg animalisch (überwiegend insectivor)<br />
ernähren und teilweise bei uns gar nicht überwintern<br />
(Grünspecht, Wendehals, Heckenbraunelle, Rotkehlchen,<br />
Singdrossel, Star und Pirol; Anhang IV, Block C).<br />
Diese Zusammenhänge sind für uns bisher im Einzelnen<br />
kaum nachvollziehbar. Offensichtlich gibt es<br />
gemeinsame Faktoren, die sowohl die Baummasten<br />
als auch andere Habitatparameter steuern. So ist es<br />
denkbar, dass die Witterungsbedingungen, die Waldbaumfruktifikationen<br />
begünstigen (warme und trocke-<br />
Tab. 8: Arten mit signifikant unterschiedlichen Indexkurven (Punkt-Stopp-Zählung) in West- und Ostdeutschland (TRIM:<br />
Einfluss der Kovariablen „Region“ ist signifikant; Signifikanzniveau siehe Spalte „Unterschied“). – Species showing<br />
significantly different point count index curves in West- and East-Germany (TRIM: effect of the co-variable ‚region’ is<br />
significant; level of significance see column‚ difference’).<br />
Art – species regionale Trends – regional trends<br />
West<br />
West<br />
Unterschied<br />
difference<br />
a) West-Trend positiver als Ost-Trend – western trends more positive than eastern trends<br />
Ost<br />
East<br />
1. Heidelerche Lullula arborea *) +8,9** (***) +0,2 ns<br />
2. Mittelspecht Dendrocopos medius *) +5,2* (*) +2,1 ns<br />
3. Zilpzalp Phylloscopus collybita +1,2** (***) +0,5 ns<br />
4. Gartengrasmücke Sylvia borin +2,1** (***) 0,0<br />
5. Gimpel Pyrrhula pyrrhula +1,4 ns (*) –1,9 ns<br />
6. Kohlmeise Parus major +0,6 * (***) –1,2 ns<br />
7. Mäusebussard Buteo buteo *) –0,3 ns (***) –1,9*<br />
8. Weidenmeise Parus montanus *) –1,5 ns (*) –3,3 ns<br />
9. Pirol Oriolus oriolus –2,1* (*) –4,3 ns<br />
10. Baumpieper Anthus trivialis –3,5** (**) –4,5*<br />
11. Wendehals Jynx torquilla *) –4,3 ns (*) –5,1*<br />
b) Ost-Trend positiver als West-Trend – eastern trends more positive than western trends<br />
1. Kolkrabe Corvus corax –1,4 ns (**) +9,0**<br />
2. Sommergoldhähnchen Regulus ignicapillus *) +2,0* (**) +8,2**<br />
3. Haubenmeise Parus cristatus *) +0,2 ns (***) +7,7*<br />
4. Zaunkönig Troglodytes troglodytes +1,5** (***) +4,8**<br />
5. Misteldrossel Turdus viscivorus *) –1,1 ns (**) +4,8 ns<br />
6. Gelbspötter Hippolais icterina –1,8* (*) +3,6 ns<br />
7. Star Sturnus vulgaris –1,9** (*) +3,3*<br />
8. Kernbeißer C. coccothraustes –4,0** (**) +3,0 ns<br />
9. Eichelhäher Garrulus glandarius –0,1ns (***) +2,1 ns<br />
10. Ringeltaube Columba palumbus –0,6* (***) +0,5 ns<br />
11. Fitis Phylloscopus trochilus –3,7** (*) –1,7 ns<br />
12. Waldlaubsänger Phylloscopus sibilatrix *) –8,2** (***) –3,4**<br />
*): Trend 1991–2003
196 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
ne Frühjahre/Sommer in den Vorjahren in Verbindung<br />
mit dem Ausbleiben von Spätfrösten, s. Kap. 2), auch<br />
bestimmte Nahrungstierpopulationen der Vögel (z. B.<br />
Ameisen) fördern. Nach den Beobachtungen von S.<br />
BAUMANN (pers. Mitt.) wirken z. B. blühende Eichen<br />
auf den Pirol bei der Nahrungssuche wie ein Magnet,<br />
möglicherweise durch Insekten in den Blüten; dies<br />
könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Nahrungsbedingungen<br />
in Jahren mit hoher Blühintensität der<br />
Eichen besonders günstig sind und sich positiv auf den<br />
Bruterfolg und dadurch auf den Bestand im nächsten<br />
Jahr auswirken.<br />
Denkbar ist auch eine indirekte Wirkungskette über<br />
den physiologischen Zustand der Waldbäume, der dann<br />
wiederum Voraussetzung für die Massenentfaltung<br />
z. B. phytophager oder xylobionter Wirbelloser sein<br />
könnte. So bedeuten Vollmasten durch den vermehrten<br />
Nährstoffverbrauch (bedeutende Festlegung von Kohlenhydraten<br />
und Mineralstoffen, Veratmungsverluste<br />
bei der Blüten- und Fruchtbildung) einen erheblichen<br />
physiologischen Stress für die Waldbäume, der sich<br />
in vermindertem Zuwachs, verminderter Blattmasse<br />
und beeinträchtigter Abwehrkraft gegenüber äußeren<br />
Einflüssen niederschlägt (KRAMER 1988; RÖHRIG &<br />
GUSSONE 1990).<br />
3.5. Bestandstrends 1989–2003<br />
Fast die Hälfte der 52 untersuchten Waldvogelarten hat<br />
im Untersuchungszeitraum signifikant zugenommen<br />
(21 Arten) oder zeigt deutlich positive Tendenzen (vier<br />
Arten); dem stehen nur 10 signifikant abnehmende Arten<br />
und drei Arten mit negativen Tendenzen gegenüber<br />
Tab. 9: Arten mit unterschiedlichen Bestandstrends (Punkt-Stopp-Zählung) in Wäldern (= Zählstopps von >75 % Wald<br />
umgeben) und außerhalb von Wäldern (= Waldanteil < 25 % pro Zählstopp); angegeben ist die mittlere jährliche Zu- oder<br />
Abnahme in % (TRIM, * = p < 0,05; ** = p < 0,01). Darunter ist keine Art, die in Wäldern eine positivere Entwicklung<br />
zeigt als außerhalb. – Species showing different point count index trends in forests (> 75% forest per stop) and outside<br />
forests (< 25% forest); figures indicate the average annual population change in % (TRIM, * = p < 0.05; ** = p < 0.01).<br />
There is not any species which does better in forests than outside.<br />
Art – species Trends Wälder u. außerhalb<br />
trends in and outside forests<br />
> 75 % Wald<br />
> 75% forest<br />
Unterschied<br />
difference<br />
< 25 % Wald<br />
< 25% forest<br />
1. Heidelerche Lullula arborea *) –5,6* ** +10,3**<br />
2. Schwanzmeise Aegithalos caudatus *) –4,8* ** +7,0**<br />
3. Sumpfmeise Parus palustris *) –2,5* * +6,3**<br />
4. Zilpzalp Phylloscopus collybita –0,6* ** +2,3**<br />
5. Rotkehlchen Erithacus rubecula –0,6* * +1,3**<br />
6. Grünspecht Picus viridis +0,2 ns * +6,4**<br />
7. Gartengrasmücke Sylvia borin –2,5 ns ** +4,2**<br />
8. Zaunkönig Troglodytes troglodytes +0,4 ns ** +3,6**<br />
9. Kohlmeise Parus major –0,5 ns * +1,0**<br />
10. Mönchsgrasmücke Sylvia atricapilla +2,4* * +5,5**<br />
11. Buntspecht Dendrocopos major +0,3* ns +2,8**<br />
12. Eichelhäher Garrulus glandarius +1,5 ns ns +3,2**<br />
13. Gimpel Pyrrhula pyrrhula +1,8 ns ns +4,7**<br />
14. Haubenmeise Parus cristatus *) +3,7* ns +8,3*<br />
15. Heckenbraunelle Prunella modularis +0,1 ns ns +2,1**<br />
16. Kleiber Sitta europaea –0,8 ns ns +2,6*<br />
17. Nachtigall Luscinia megarhynchos +2,9 ns ns +4,6**<br />
18. Sommergoldhähnchen Regulus ignicapillus *) +2,2* ns +4,9*<br />
19. Tannenmeise Parus ater +3,8 ns ns +7,1**<br />
20. Weidenmeise Parus montanus *) –4,2* ns +2,5 ns<br />
21. Wintergoldhähnchen Regulus regulus *) –1,1 ns ns +2,8 ns<br />
*) nur Daten 1991–2003 – data for 1991–2003 only.
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 197<br />
absolut<br />
Index<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
1.400.000<br />
1.200.000<br />
1.000.000<br />
800.000<br />
600.000<br />
400.000<br />
200.000<br />
0<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
West Ost<br />
West Ost gesamt<br />
a) Waldlaubsänger<br />
b) Waldlaubsänger<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
Abb. 17 a und b: Hochsignifikante regionale Unterschiede der Indexkurven (PS-Daten) <strong>des</strong> Waldlaubsängers Phylloscopus<br />
sibilatrix (a), sowie (b) durch Gewichtung der regionalen Daten auf Basis der Bestandsschätzungen von 1994<br />
gewonnener nationaler Trend. – Highly significant differences in the regional population changes (point count index) of<br />
the Wood Warbler (a), and (b) the same, but weighted by the population size in 1994 (estimate from the last national<br />
breeding-bird Atlas). The national index curve is gained by combining the weighted regional trends.<br />
(Anhang I). Etwas vereinfacht kann man also sagen,<br />
dass die häufigeren Waldvögel überwiegend noch häufiger<br />
werden.<br />
Die differenziertere Betrachtung ist allerdings lohnend.<br />
So zeigen sich überraschend deutliche regionale Unterschiede<br />
zwischen West- und Ostdeutschland: Nicht<br />
weniger als 23 von 51 in beiden Regionen verbreiteten<br />
Arten zeigen einen signifikant unterschiedlichen<br />
Indexkurven-Verlauf und/oder Trend (Tab. 8). Die<br />
Gesamttrends sind bei 11 Arten im Westen und bei 12<br />
Arten im Osten positiver. Bei einigen Arten decken sich<br />
diese Trends mit denen in den angrenzenden Nachbarländern<br />
(z. B. Mittelspecht, s. SÜDBECK & FLADE<br />
2004).<br />
Für die Ermittlung <strong>des</strong> deutschlandweiten Trends<br />
müssen diese regionalen Unterschiede berücksichtigt<br />
werden. Dies geschieht durch Gewichtung der regionalen<br />
Indexkurven mit den geschätzten Bestandsgrößen<br />
im Jahr 1994 (Beispiel siehe Abb. 17 a und b;<br />
Erläuterung <strong>des</strong> Verfahrens siehe SCHWARZ & FLADE<br />
2000). Alle hier abgebildeten und für Korrelationen<br />
verwendete PS-Indexkurven sind gemäß dieses Verfahrens<br />
regional gewichtet worden.<br />
Überraschender und für das Thema der Arbeit bedeutender<br />
als die regionalen Unterschiede sind die unterschiedlichen<br />
Trends in Wäldern und außerhalb – d. h.<br />
bei den betrachteten Arten vor allem Siedlungen, Gärten<br />
und Grünanlagen. Zehn Arten zeigen signifikant<br />
unterschiedliche Trends in Wäldern und außerhalb<br />
von Wäldern (Tab. 9). All diese Arten weisen außerhalb<br />
der Wälder wesentlich positivere Trends auf; bei<br />
fünf Arten (Heidelerche, Schwanzmeise, Sumpfmeise,<br />
Zilpzalp und Rotkehlchen) ist sogar in Wäldern ein<br />
signifikant negativer, außerhalb ein signifikant positiver<br />
Trend nachweisbar. Hinzu kommen 11 weitere<br />
Arten mit deutlich positiverem Gesamttrend außerhalb<br />
von Wäldern, bei denen der Trendunterschied nicht<br />
signifikant ist (Tab. 9). Von den 21 Waldvogelarten,<br />
die insgesamt signifikant zunehmen, nehmen nur vier<br />
auch in Wäldern signifikant zu!
198 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Index<br />
Index<br />
% Zilpzalp Phylloscopus collybita<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
%<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1989<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
> 75 % Wald<br />
> 75% forest<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
Das bedeutet: Die Waldvogelarten nehmen zwar<br />
großenteils im Bestand zu, diese Zunahmen finden aber<br />
fast ausschließlich außerhalb <strong>des</strong> Wal<strong>des</strong> statt!<br />
Die Zunahme der häufigeren Waldvogelarten im weiteren<br />
Sinne ist bereits von FLADE (1994), BUSCHE (1998,<br />
für das westliche Schleswig-Holstein), SCHWARZ &<br />
FLADE (2000) sowie ZANG (2003a, für Niedersachsen)<br />
dargestellt und im Wesentlichen (auch) auf die Zunahme<br />
der Siedlungsfläche (Zersiedelung der Landschaft,<br />
vorwiegend auf Kosten von Agrarflächen) sowie <strong>des</strong><br />
Gehölzvolumens in den Siedlungen zurückgeführt<br />
worden. Diese Aussagen bestätigen sich nun in überraschend<br />
eindeutiger Weise. Zwar ist auch von FLADE<br />
(1994) und GATTER (2000, 2004) vermutet worden,<br />
dass die zunehmend naturnahe und extensivere Nutzung<br />
der Wälder, das steigende Durchschnittsalter und<br />
die wachsenden Holzvorräte auch in den Wäldern zu<br />
Bestandszunahmen der häufigeren Arten geführt haben.<br />
Diese Aussage dürfte über die letzten 60 Jahre betrachtet<br />
zutreffen, lässt sich aber anhand unserer Daten für<br />
den Zeitraum ab 1989 nicht mehr bestätigen.<br />
Nur für wenige der hier untersuchten Arten gibt<br />
es parallele Datenreihen, die eine unabhängige Verifizierung<br />
der im Rahmen <strong>des</strong> <strong>DDA</strong>-Programms<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
Gartengrasmücke Sylvia borin<br />
< 25 % Wald<br />
< 25% forest<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
Abb. 18: Beispiele für Arten, die in Wäldern signifikant andere Trends<br />
aufweisen als außerhalb (Gärten, Parks, Friedhöfe, halboffene Landschaft):<br />
Zilpzalp Phylloscopus collybita und Gartengrasmücke Sylvia<br />
borin (weitere Beispiele siehe Abb. 8). – Examples of species which<br />
show significantly different population trends in forests compared<br />
to habitats outside forests (urban areas, gardens, half-open landscapes):<br />
Chiffchaff and Garden Warbler (more species see Fig. 8).<br />
ermittelten Trends erlauben. Für die vier<br />
hier untersuchten Greifvogelarten gibt es<br />
wesentlich umfassenderes Datenmaterial<br />
aus dem laufenden „Monitoring Greifvögel<br />
und Eulen“ (MAMMEN & STUBBE 2000,<br />
2002). Diese Arten stehen durch ihre relative<br />
Seltenheit und großen Reviere im <strong>DDA</strong>-<br />
Monitorprogramm eindeutig am Rande der<br />
Erfassbarkeit. Für Mäusebussard, Rotmilan<br />
und Sperber lassen sich aus unseren Daten<br />
keine signifikant positiven oder negativen<br />
Trends ableiten, der Habicht hat im PS-Index<br />
signifikant abgenommen. Nach MAM-<br />
MEN & STUBBE (2002) hat der Rotmilan in<br />
Deutschland im Zeitraum 1986–2001 signifikant<br />
abgenommen, Mäusebussard und<br />
Sperber haben signifikant zugenommen und<br />
der Habicht ist im Bestand gleich geblieben.<br />
Ein deutlicher Widerspruch tritt also zumin<strong>des</strong>t<br />
beim Habicht auf. Der (gleich bleibende)<br />
Trend nach MAMMEN & STUBBE (2002)<br />
ist mit Sicherheit belastbarer abgesichert.<br />
– Immerhin gibt es keine widersprüchlichen<br />
signifikanten Zu- und Abnahmen.<br />
Eine weitere, wenn auch zeitlich viel kürzere<br />
Datenreihe bietet das „Integrierte Monitoring<br />
von Singvogelpopulationen (IMS)“ für<br />
einige Arten. Die Auswertung von DORSCH<br />
& KÖPPEN (2004) für Ostdeutschland bezieht<br />
zwischen 10 (1997) und 27 (2003) Gebiete<br />
ein, in denen planmäßig und standardisiert<br />
mit Japannetzen Kleinvögel erfasst wurden.<br />
Ein wesentliches Ziel <strong>des</strong> Programms ist es,<br />
zusätzliche Populationsparameter wie Bruterfolg (über<br />
den Anteil diesjähriger Vögel), Dispersion und Survival<br />
zu erheben. Für sechs Waldvogelarten sind bei<br />
DORSCH & KÖPPEN Indexkurven der Erstfänge von<br />
Altvögeln für den Zeitraum 1997 bis 2002 abgebildet.<br />
Der Vergleich mit den <strong>DDA</strong>-Indexkurven (Region<br />
Ost) ergibt beim Waldbaumläufer eine gute, bei der<br />
Gartengrasmücke eine mäßige und bei Grauschnäpper,<br />
Schwanzmeise, Rotkehlchen und Buchfink eine sehr<br />
schlechte Übereinstimmung. Für diese Arten sind die<br />
Indexkurven <strong>des</strong> <strong>DDA</strong>-Programms wegen der viel größeren<br />
Stichprobenzahl und direkten (nicht indirekten)<br />
Erfassung der Brutbestände mit Sicherheit wesentlich<br />
aussagekräftiger.<br />
3.6. Abnehmende Arten<br />
Insgesamt zeigen 10 der 52 untersuchten Arten signifikante<br />
Bestandsabnahmen (Anhang I; Beispiele s.<br />
Abb. 19) wobei der abnehmende Trend für den Habicht<br />
wohl nicht repräsentativ ist (s. oben) und <strong>des</strong>halb von<br />
einer weiteren Bewertung auszunehmen ist. Die Ab-<br />
und Zunahmen verteilen sich etwa in gleicher Weise<br />
auf Laub- und Nadelwaldbewohner sowie Waldvögel<br />
allgemein (Tab. 10). – Beim Grauspecht könnte der
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 199<br />
Index<br />
Index<br />
%<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
Baumpieper Anthus trivialis<br />
40<br />
1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003<br />
%<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
PS RK<br />
1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003<br />
PS RK<br />
Fitis Phylloscopus trochilus<br />
Abb. 19: Beispiele für weiterhin kontinuierlich abnehmende Arten:<br />
Baumpieper Anthus trivialis und Fitis Phylloscopus trochilus. – Examples<br />
of species with continuous declines: Tree Pipit and Willow<br />
Warbler.<br />
signifikante Rückgang mit veränderten Methoden<br />
der Waldbewirtschaftung, vor allem<br />
dem zunehmenden Verzicht auf Kahlschlagswirtschaft<br />
im Zusammenhang stehen, da die<br />
Art Waldlichtungen und -blößen bevorzugt zur<br />
Nahrungsaufnahme (Ameisen!) aufsucht.<br />
Hinsichtlich der nistökologischen Gilden<br />
sind die Bodenbrüter relativ stark von Abnahmen<br />
betroffen: Je drei Arten nehmen signifikant<br />
ab bzw. zu (Tab. 11). Jedoch handelt es<br />
sich bei den drei abnehmenden Arten Baumpieper,<br />
Fitis und Waldlaubsänger gleichzeitig<br />
um Langstreckenzieher (s. unten). Die Tatsache,<br />
dass auch drei bodenbrütende Arten (Zilpzalp,<br />
Rotkehlchen, Nachtigall) im Bestand<br />
zunehmen, spricht eher gegen die Hypothese<br />
von GATTER (2000), dass die Verluste durch<br />
Prädatoren (Kleinsäuger, Raubsäuger, Wildschweine)<br />
ein erheblicher und zunehmender<br />
Gefährdungsfaktor für Waldvögel sind.<br />
Eindeutig ist jedoch die Aufteilung der<br />
Trends nach Zugstrategien (Tab. 12): Sieben<br />
von neun abnehmenden Arten (außer Habicht)<br />
sind Langstreckenzieher, und von 12 Langstreckenziehern<br />
haben sieben signifikant ab-<br />
und nur drei Arten signifikant zugenommen!<br />
Damit ist naheliegend, dass das Hauptproblem<br />
für die spärlichen bis häufigen Waldvögel<br />
Tab. 10: Zu- und Abnahmen von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003, geordnet nach bevorzugten Waldtypen; (–),<br />
(+) = eher abnehmend bzw. eher zunehmend als gleichbleibend, Trend jedoch nicht signifikant; –, + = deutlich ab- bzw.<br />
zunehmend, Trend wenigstens nach einem Programmteil (RK oder PS) signifikant; – –, ++ = nach beiden Programmteilen<br />
signifikant und stark ab- bzw. zunehmend. – Population trends of forest bird species in Germany 1989–2003<br />
according to preferred forest types; (–), (+) = rather decreasing or increasing than stable, trend not significant; –, + =<br />
distinct decline or increase, at least significant in either point count or mapping scheme; – –, ++ = strong decline or<br />
increase, significant in both schemes.<br />
Wald<br />
allg.<br />
forest in<br />
general<br />
Laubwald<br />
deciduous<br />
forest<br />
Nadelwald<br />
coniferous<br />
forest<br />
– – – (–) 0, ? (+) + ++<br />
Ant.triviali<br />
Picus canus<br />
Phy.sibilatr<br />
Acc.gentilis<br />
Jyn.torquil<br />
Fic.hypoleu<br />
Hip.icterina<br />
Phy.trochil<br />
Ori.oriolus<br />
Lox.curviro<br />
Par.monta<br />
Cer.familia<br />
Stu.vulga<br />
Reg.regulu<br />
Pyr.pyrrhu<br />
Buteo buteo<br />
Acc.nisus<br />
Mil.milvus<br />
Col.palumb<br />
Tur.vicivor<br />
Den.minor<br />
Fic.parva<br />
Par.caerul<br />
Par.major<br />
Par.palust<br />
Coc.coccot<br />
Tur.philome<br />
Den.medius<br />
Mus.striata<br />
Lul.arbore<br />
Parus ater<br />
Den.major<br />
Pru.modula<br />
Phy.collybi<br />
Eri.rubecul<br />
Pho.phoenic<br />
Tur.merula<br />
Aeg.caudat<br />
Gar.glanda<br />
Fri.coelebs<br />
Col.oenas<br />
Sylvia borin<br />
Lus.megarh<br />
Sit.europae<br />
Cer.brachy<br />
Dry.martius<br />
Tro.troglo<br />
Syl.atricapi<br />
Cor.corax<br />
Picus viridis<br />
Reg.ignicapi<br />
Par.cristat
200 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Tab. 11: Zu- und Abnahmen von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003, geordnet nach ökologischen Gilden (Erläuterung<br />
s. Tab. 10). – Population trends of forest bird species in Germany 1989–2003 according to ecological guilds<br />
(explanations see Table 10).<br />
Holzbewohnerwood-inhabit.<br />
species<br />
sonstige<br />
Höhlenbrüter<br />
else holebreeders<br />
Bodenbrüter<br />
groundnesting<br />
Freibrüter<br />
bush- or<br />
canopynesting<br />
– – – (–) 0, ? (+) + ++<br />
Picus canus<br />
Ant.triviali<br />
Phy.sibilat<br />
Jyn.torquil<br />
Fic.hypoleu<br />
Phy.trochil<br />
Acc.gentilis<br />
Hip.icterina<br />
Ori.oriolus<br />
Lox.curviro<br />
Cer.familia<br />
Par.monta<br />
Stu.vulgar<br />
Deutschlands in Afrika bzw. auf dem Weg dorthin zu<br />
suchen ist.<br />
Dass sich die Umweltbedingungen in Afrika dramatisch<br />
verändert haben und auch noch verändern,<br />
ist bekannt. Zu den wichtigsten Faktoren dürften der<br />
Den.minor<br />
Fic.parva<br />
Par.caerul<br />
Par.major<br />
Par.palust<br />
Buteo buteo<br />
Acc.nisus<br />
Mil.milvus<br />
Col.palumb<br />
Tur.vicivor<br />
Reg.regulu<br />
Pyr.pyrrhu<br />
Coc.coccot<br />
Den.medius<br />
Mus.striata<br />
Parus ater<br />
Lul.arbore<br />
Tur.philome<br />
Den.major<br />
Sit.europae<br />
Cer.brachy<br />
Col.oenas<br />
Pho.phoenic<br />
Phy.collybi<br />
Eri.rubecul<br />
Lus.megarh<br />
Pru.modula<br />
Sylvia borin<br />
Tur.merula<br />
Aeg.caudat<br />
Gar.glanda<br />
Fri.coelebs<br />
Dry.martius<br />
Picus viridis<br />
Par.cristat<br />
Tro.troglo<br />
Syl.atricapi<br />
Reg.ignicapi<br />
Cor.corax<br />
Tab. 12: Zu- und Abnahmen von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003, geordnet nach Zugstrategien (Erläuterung<br />
s. Tab. 10). – Population trends of forest bird species in Germany 1989–2003 according to migration strategies (explanations<br />
see Table 10).<br />
Langstrecken-Zieherlong-distance<br />
migrants<br />
Kurzstreckenziehershortdistance<br />
migrants<br />
<strong>Teil</strong>zieher<br />
partly migrants<br />
Jahresvögel<br />
residents<br />
– – – (–) 0, ? (+) + ++<br />
Ant.trivial<br />
Phy.sibilat<br />
Pic.canus<br />
Jyn.torquill<br />
Hip.icterina<br />
Phy.trochil<br />
Fic.hypoleu<br />
Ori.oriolus<br />
Lox.curviro<br />
Acc.gentilis<br />
Stu.vulgar<br />
Par.monta<br />
Cer.familia<br />
Fic.parva<br />
Mil.milvus<br />
Par.palust<br />
Tur.vicivor<br />
Acc.nisus<br />
Col.palumb<br />
Reg.regulu<br />
Par.caerul<br />
Par.major<br />
Pyr.pyrrhu<br />
Coc.coccot<br />
But. buteo<br />
Den.minor<br />
Mus.striata<br />
Lul.arborea<br />
Tur.philome<br />
Parus ater<br />
Den.medius<br />
Sylvia borin<br />
Pho.phoenic<br />
Lus.megarh<br />
Pru.modula<br />
Py.collybi<br />
Col.oenas<br />
Eri.rubecul<br />
Tur.merula<br />
Aeg.caudat<br />
Gar.glanda<br />
Fri.coelebs<br />
Den.major<br />
Sit.europae<br />
Cer.brachy<br />
Syl.atricapi<br />
Reg.ignicapi<br />
Tro.troglo<br />
Dry.martius<br />
Picus viridis<br />
Par.cristat<br />
Cor.corax<br />
Rückgang der Sommerniederschläge in der Sahel-Region<br />
(Abb. 20) sowie Veränderungen wie Zunahme<br />
<strong>des</strong> Pestizidgebrauchs, Intensivierung der Landwirtschaft<br />
insgesamt, Be- und Entwässerungsprojekte,<br />
Ausdehnung der Wüsten und Zerstörung <strong>des</strong> Regen-
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 201<br />
Niederschlag – precipitation<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
–50<br />
–100<br />
–150<br />
mm<br />
1900 1920 1940 1960 1980 2000<br />
Jahr – year<br />
walds gehören. Eine Ergründung der genauen Rückgangsursachen<br />
für die Transsaharazieher unter den<br />
Waldvögeln erfordert jedoch artspezifische gezielte<br />
Forschung.<br />
Auffallend ist aber, dass die sieben abnehmenden<br />
Langstreckenzieher in ihren jährlichen Zu- und Ab-<br />
Vorjahresniederschlag Sahel (Abweichung<br />
vom langjähr. Mittel)– Sahel rainfall<br />
previous year (deviation from mean)<br />
Jährliche Änderungen – yearly changes<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
–20<br />
–40<br />
–60<br />
120<br />
80<br />
40<br />
0<br />
–40<br />
–80<br />
–120<br />
mm<br />
Waldlaubsänger_PS<br />
Wendehals_PS<br />
Baumpieper_PS<br />
Fitis_PS<br />
Gelbspötter_PS<br />
Pirol_PS<br />
Trauerschnäpper_PS<br />
Mittelwert<br />
1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003<br />
1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003<br />
Abb. 20: Abweichung der jährlichen<br />
Sommerniederschläge (Juni<br />
–September) in der gesamten Sahelregion<br />
vom langjährigen Mittel<br />
(NOAA, www.cdc.noaa.gov/Climate<br />
Indices/). – Deviation from the<br />
long-term mean of the total annual<br />
summer rainfall (June–September)<br />
in the whole Sahel region<br />
(NOAA, www.cdc.noaa.gov/Climate<br />
Indices/).<br />
nahmen insbesondere im Zeitraum 1989 bis 1999<br />
weitgehend demselben Muster folgen (Abb. 21); lediglich<br />
der Pirol fällt heraus. Dies spricht dafür, dass<br />
es in den Durchzugs- oder Überwinterungsgebieten<br />
Einflussfaktoren gibt, die die jährlichen Bestandsschwankungen<br />
der meisten dieser Arten gleichsinnig<br />
steuern. Zunächst war es naheliegend,<br />
nach Korrelationen zwischen den<br />
jährlichen Niederschlagssummen<br />
im Sahel (Abb. 21) und diesen Bestandsänderungen<br />
zu suchen – diese<br />
sind aber nicht signifikant. Eine<br />
Ergründung der Ursachen erfordert<br />
also eine wesentlich differenziertere<br />
Betrachtung der jährlich wechselnden<br />
Bedingungen in den mediterranen<br />
und afrikanischen Durchzugs- und<br />
Rastgebieten unter Einbeziehung der<br />
Abb. 21: Jährliche Bestandsänderungen<br />
von Langstreckenziehern unter den<br />
Waldvögeln (Zu- und Abnahme der Indexwerte<br />
nach PS-Daten; oben) sowie<br />
Mittelwert im Vergleich zu den Sommerniederschlägen<br />
(Juni–September;<br />
unten) <strong>des</strong> Vorjahres in der gesamten<br />
Sahelzone (Daten ab 2000 fehlen noch).<br />
Obwohl bei fast allen Arten (Ausnahme:<br />
Pirol) ein ähnliches Muster der jahrweisen<br />
Schwankungen erkennbar ist, lässt<br />
sich kein signifikanter Zusammenhang<br />
mit den Sahel-Niederschlägen nachweisen.<br />
– Annual population changes of<br />
long-distance migrant forest birds (point<br />
count index; above) compared to the<br />
total annual summer rainfall (below) in<br />
the whole Sahel region (data from 2000<br />
onwards are still missing). Despite all<br />
species but Golden Oriole show rather<br />
similar patterns, there is no significant<br />
correlation with the Sahel rainfall.
202 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
regionalen und zeitlichen Niederschlagsverteilung sowie<br />
weiterer möglicher Steuerungsfaktoren (z. B. Massenvermehrungen<br />
der Wanderheuschrecke o. ä.). Eine<br />
solche differenzierte Analyse war im Rahmen dieser<br />
Auswertung nicht möglich. Sie wäre aber sinnvoll, da<br />
die <strong>Ergebnisse</strong> auch konkrete Hinweise auf die langfristigen<br />
Rückgangsursachen geben könnten.<br />
4. Gesamtdiskussion und Fazit<br />
4.1. Aussagefähigkeit <strong>des</strong> Programms<br />
Insgesamt besteht der Eindruck, dass Qualität und<br />
Interpretierbarkeit der Daten <strong>des</strong> <strong>DDA</strong>-Monitorprogramms<br />
trotz der bekannten methodischen Schwächen<br />
(freie Probeflächenwahl, ungleiche Verteilung<br />
der Flächen und Routen auf Regionen und Lebensräume)<br />
überraschend gut sind. Durch die differenzierte<br />
Auswertung von <strong>Teil</strong>stichproben insbesondere<br />
<strong>des</strong> sehr umfangreichen PS-Materials ist es möglich,<br />
die Bestandsveränderungen der häufigeren deutschen<br />
Waldvögel differenziert nachzuzeichnen und zu interpretieren.<br />
Hinsichtlich der Identifizierung der Ursachen<br />
und treibenden Faktoren der kurz- und langfristigen<br />
Bestandsänderungen sind mit der vorliegenden Analyse<br />
längst noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.<br />
So ließen sich die Wetterdaten noch wesentlich differenzierter<br />
analysieren und mit den Bestandsdaten<br />
korrelieren (Erweiterung <strong>des</strong> Parametersets auf Frühjahrs-<br />
und Sommertemperaturen, Temperaturen und<br />
Niederschläge im Spätwinter, wesentliche Erweiterung<br />
der berücksichtigten Messstationen, Einbeziehung der<br />
Witterung in Süd- und Westeuropa u. a.). Dies muss<br />
aber späteren Analysen vorbehalten bleiben.<br />
Überraschend eindeutig und aussagekräftig sind die<br />
zahlreichen signifikanten Korrelationen von Bestandsänderungen<br />
und Waldbaumfruktifikationen, bis hin zu<br />
signifikanten Hinweisen auf eine Konkurrenzsituation<br />
zwischen samenfressenden Jahresvögeln und insektivoren<br />
Langstreckenziehern am Beispiel der Höhlenkonkurrenz<br />
von Meisen/Kleiber und Trauerschnäpper.<br />
Eine Darstellung dieser komplexen Beziehungen und<br />
Wechselwirkungen zwischen Wetter, Baummasten,<br />
Vogelgruppen unterschiedlicher Gilden und Zugstrategien<br />
ist unseres Wissens für einen derart großen geographischen<br />
Raum und auf einer so breit gestreuten<br />
Datenbasis bisher noch nicht gelungen; zuvor gab es<br />
zu diesen Fragen nur lokale und z. T. experimentelle<br />
Fallstudien (Synopse siehe GATTER 2000). Allerdings<br />
bedarf es einer vertieften Analyse und weiterer Forschung,<br />
um die ursächlichen Faktoren klar herauszuarbeiten.<br />
4.2. Bestandstrends deutscher Waldvögel<br />
Die spärlichen bis häufigen Waldvogelarten Deutschlands<br />
sind aktuell nicht erkennbar gefährdet. Fast die<br />
Hälfte der Arten nahm seit 1989 zu, jedoch fanden<br />
diese Zunahmen fast ausschließlich außerhalb der ge-<br />
schlossenen Wälder, d. h. im urbanen und suburbanen<br />
Bereich statt. Bei sieben von neun abnehmenden Arten<br />
liegen die Rückgangsursachen höchstwahrscheinlich<br />
außerhalb von Deutschland und deuten auf dramatische<br />
Veränderungen auf dem afrikanischen Kontinent hin.<br />
Diese generelle Einschätzung der Gefährdungssituation<br />
betrifft zumin<strong>des</strong>t das mittlere und nördliche<br />
Deutschland in seiner Gesamtheit. Auf die besondere,<br />
bisher nicht vergleichbare und teilweise dramatische<br />
Situation in den stark immissionsgeschädigten Wäldern<br />
der Mittelgebirgs-Hochlagen (z. B. Harz, Erzgebirge,<br />
Thüringer und Bayerischer Wald) geht ZANG (2004)<br />
ausführlich ein. Bisher haben diese regionalen Entwicklungen<br />
jedoch keinen entscheidenden Einfluss auf<br />
die Gesamtentwicklung in Deutschland.<br />
„Samenerträge aus dem Wald sind wahrscheinlich<br />
der wichtigste Steuerungsfaktor für die Populationsdynamik<br />
von samenfressenden Vögeln und Kleinsäugern<br />
der Wälder“ (GATTER 2000). Diese Aussage konnte<br />
durch unsere Datenanalyse eindrucksvoll bestätigt<br />
werden, wobei die oft schwer durchschaubaren indirekten<br />
Wirkungen (über Konkurrenten, Prädatoren,<br />
Nahrungstiere usw.) offensichtlich auch zahlreiche<br />
insektivore Kurz- und Langstreckenzieher betreffen.<br />
Insgesamt sind unsere Waldvögel in ein sehr komplexes<br />
ökologisches Wirkungsgefüge aus Waldzustand,<br />
Witterung, Baummasten, Insektengradationen, Nahrungs-<br />
und Konkurrenzbeziehungen eingebunden,<br />
<strong>des</strong>sen Dynamik sie zwar differenziert widerspiegeln,<br />
aber <strong>des</strong>sen innere Zusammenhänge in weiten <strong>Teil</strong>en<br />
noch unerforscht sind.<br />
Die hier nachgewiesenen Abhängigkeiten der Bestandsschwankungen<br />
von <strong>Teil</strong>ziehern und Jahresvögeln<br />
von Winterwetter und Baummasten sind nicht<br />
allgemein auf alle Gebiete Mitteleuropas übertragbar.<br />
So bestehen bei den Brutvögeln im Urwald von Bialowieza<br />
(Ost-Polen) nur bei wenigen Arten (Mittelspecht,<br />
Wintergoldhähnchen) Korrelationen mit dem<br />
Winterwetter und – außer beim Buntspecht (positive<br />
Korrelation mit der Laubbaummast <strong>des</strong> Vorjahres)<br />
– keine signifikanten Abhängigkeiten von der Hainbuchen-/Eichen-/Ahornmast<br />
sowie der Fichtenmast (die<br />
Rotbuche kommt dort nicht vor); dies wird auf das hier<br />
besonders reichhaltige Angebot an nahrungsökologischen<br />
Nischen und Pflanzensamennahrung zurückgeführt,<br />
so dass die Arten bei Ausfall einer wichtigen<br />
Nahrungsquelle im Winter immer auf Alternativen<br />
zurückgreifen können (WESOŁOWSKI 1994).<br />
Die oben skizzierte, insgesamt günstige gegenwärtige<br />
Bestandssituation der Waldvögel in Deutschland ist<br />
jedoch in einen weiteren zeitlichen Rahmen einzuordnen.<br />
Wälder insgesamt und naturnahe Waldgesellschaften<br />
erst recht nehmen zurzeit nur einen Bruchteil ihre<br />
potenziellen Areals in Deutschland sein. Die Tendenz<br />
zum Waldumbau in Richtung naturnaher Waldgesellschaften<br />
und naturnäherer Bewirtschaftungsmethoden<br />
in der Forstwirtschaft ist <strong>des</strong>halb beizubehalten und zu
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 203<br />
verstärken. Durch zunehmen<strong>des</strong> Durchschnittsalter und<br />
zunehmende Holzvorräte der Wälder seit dem zweiten<br />
Weltkrieg (z. B. GATTER 2004), die bessere Nährstoffversorgung<br />
der Waldböden (auch) durch Immissionen aus<br />
der Atmosphäre, immissionsbedingte Waldschäden (Synopse:<br />
ZANG 2004), Waldumbau, naturnähere Methoden<br />
der Forstwirtschaft, die Klimaerwärmung, Stickstoffeinträge<br />
sowie die damit zusammenhängenden und durch<br />
das Älterwerden der Wälder begünstigten viel größeren<br />
Samenerträge haben sich die Lebensbedingungen vieler<br />
Waldvogelarten im 20. Jahrhundert insgesamt verbessert,<br />
allerdings auch die Bedingungen für potenzielle Konkurrenten<br />
und Prädatoren (umfassende Synopse hierzu s.<br />
GATTER 2000, GATTER 2004). Andererseits sind die langfristigen<br />
Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung<br />
und der hohen Stoffeinträge auf die Waldökosysteme<br />
und die oben umrissenen funktionalen Zusammenhänge<br />
noch nicht absehbar und könnten noch im Verlauf<br />
<strong>des</strong> 21. Jahrhunderts zu einer dramatischen Gefährdung<br />
zahlreicher Waldvogelarten führen.<br />
In diesem Zusammenhang ist die Fortführung, Ausweitung<br />
und methodische Verbesserung <strong>des</strong> nationalen<br />
Brutvogelmonitorings, wie in 2004 mit einem neuen<br />
Programm begonnen, von großer Bedeutung (neues<br />
5. Zusammenfassung<br />
<strong>DDA</strong>-Monitorprogramm mit geschichteter, repräsentativer<br />
Zufallsstichprobe, siehe <strong>DDA</strong>-Aktuell 1/2004 in<br />
der Vogelwelt 125, Heft 1). Gleichzeitig wird deutlich,<br />
dass sich der Naturschutz in Deutschland verstärkt mit<br />
den Problemen der globalen Klimaerwärmung und den<br />
Veränderungen der Umweltbedingungen auf dem afrikanischen<br />
Kontinent befassen sollte.<br />
Dank: Die vorliegende Datenanalyse basiert auf dem großen,<br />
ganz überwiegend ehrenamtlichen Engagement von über 500<br />
Kartierern in allen <strong>Teil</strong>en Deutschlands. Stellvertretend danken<br />
wir dem Geschäftsführer der AG „Monitoring häufiger Arten<br />
im <strong>DDA</strong>“, F.-U. SCHMIDT, sowie den aktuellen regionalen Koordinatoren<br />
T. RYSLAVY, W. SCHULZ, G. BUSCHE, E. MEYER,<br />
A. MITSCHKE, H. EICHSTÄDT, R.-R. STRACHE, S. FISCHER,<br />
A. SKIBBE, E. FUCHS, J. WIESNER, D. KOSITSCHIK, E. LIP-<br />
POK, H.-G. BAUER und H. LEPPELSACK für ihre hervorragende<br />
Mitarbeit. F.-U. SCHMIDT und J. WAHL stellten dankenswerter<br />
Weise die Wetterdaten zur Verfügung, und J. STEIGLEDER<br />
danken wir für die äußerst wertvolle Aufarbeitung der Daten<br />
zu den Waldbaumfruktifikationen. S. BAUMANN, F. BAIRLEIN,<br />
W. GATTER, M. LÜTKEPOHL, P. SÜDBECK und C. SUDFELDT<br />
danken wir für wertvolle fachliche Hinweise und Ratschläge,<br />
sowie S. WINTER und K. SCHERTLER für die teilweise Aufbereitung<br />
und statistische Analyse <strong>des</strong> Datenmaterials (SPSS<br />
Statistik, Signifikanztests).<br />
Flade, M. & J. Schwarz 2004: <strong>Ergebnisse</strong> <strong>des</strong> <strong>DDA</strong>-<strong>Monitoringprogramms</strong>, <strong>Teil</strong> <strong>II</strong>: Bestandsentwicklung von Waldvögeln<br />
in Deutschland 1989–2003. Vogelwelt 125: 177 – 213.<br />
Das auf der Basis von Revierkartierungen (RK) und Punkt-<br />
Stopp-Zählungen (PS) seit 1989 durchgeführte „Monitoringprogramm<br />
häufige Arten“ <strong>des</strong> Dachverban<strong>des</strong> Deutscher<br />
Avifaunisten erlaubt Aussagen zur Bestandsentwicklung von<br />
etwa 50 spärlichen bis häufigen Waldvogelarten, für die Bestandsindexkurven<br />
(TRIM) ermittelt werden konnten. Bei<br />
nur etwa einem Viertel der Arten zeigen sich signifikante<br />
Unterschiede im Kurvenverlauf oder Gesamttrend zwischen<br />
RK- und PS-Index, die durch die nicht-repräsentative Verteilung<br />
der von den Kartierern selbstgewählten Flächen und<br />
Routen in Verbindung mit regional und landschaftstypenbezogen<br />
unterschiedlichen Bestandsentwicklungen entstehen.<br />
Durch die Analyse von <strong>Teil</strong>stichproben können diese<br />
Differenzen jedoch weitgehend aufgeklärt und interpretiert<br />
werden. Hinsichtlich der jährlichen Bestandsänderungen<br />
konnten für 12 <strong>Teil</strong>- und Kurzstreckenzieher die signifikant<br />
negativen Auswirkungen harter Winter aufgezeigt werden,<br />
die am stärksten beim Zaunkönig ausgeprägt sind. Die negativen<br />
Korrelationen zwischen Bestandsänderungen und Kältewinterparametern<br />
beim Langstreckenzieher Waldlaubsänger<br />
werden mit der verzögerten Bodenvegetationsentwicklung im<br />
Frühjahr erklärt. Positive Korrelationen mit harten Wintern<br />
bei 11 meist fakultativ samenfressenden Jahresvögeln und<br />
<strong>Teil</strong>ziehern sowie 4 Langstreckenziehern deuten auf kom-<br />
plexe Wechselwirkungen zwischen Wetter, Waldbaumfruktifikationen,<br />
Entwicklung von Vegetation und Nahrungstieren<br />
sowie Konkurrenz- und Prädationsbeziehungen hin. Insgesamt<br />
für 10 (auch) samenfressende Arten konnten signifikant<br />
positive Zusammenhänge zwischen Waldbaummasten und<br />
jährlichen Bestandsänderungen gefunden werden. Negative<br />
Korrelationen zwischen Baummasten und der Bestandsentwicklung<br />
von vier Arten deuten auf Konkurrenzwirkungen<br />
hin, die im Falle <strong>des</strong> Trauerschnäppers, der in Höhlenkonkurrenz<br />
zu Meisenarten und Kleiber steht, auch anhand unseres<br />
Materials bestätigt werden konnten. Insgesamt 21 der 52<br />
untersuchten Arten haben im Untersuchungszeitraum signifikant<br />
zugenommen, jedoch fanden bei 17 dieser Arten diese<br />
Zunahmen ausschließlich außerhalb geschlossener Wälder<br />
(d. h. im Siedlungsraum) statt. Sieben von zehn signifikant<br />
abnehmenden Arten sind Langstreckenzieher. Die größte Gefährdung<br />
für unsere häufigeren Waldvogelarten geht daher<br />
wahrscheinlich von Veränderungen auf dem afrikanischen<br />
Kontinent aus. Mittel- bis langfristig sind jedoch die komplexen<br />
Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Waldökosysteme<br />
kaum absehbar und könnten zu dramatischen<br />
Verschiebungen führen. Auch vor diesem Hintergrund ist<br />
die begonnene Verbesserung und Erweiterung <strong>des</strong> Brutvogelmonitorings<br />
von größter Bedeutung.
204 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
6. Literatur<br />
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ZANG, H. & H. HECKENROTH 1998: Die Vögel Niedersachsens<br />
und <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Bremen, Bartmeisen bis Würger.<br />
Natursch. Landschaftspfl. Niedersachs. B, Heft 2.10.<br />
Manuskripteingang: 21. Jan. 2005 Dr. Martin Flade, Dorfstr. 60, D-16230 Brodowin.<br />
Annahme: 25. Jan. 2005 E-Mail: martin.flade@lua.brandenburg.de<br />
Johannes Schwarz, Zehntwerderweg 125 a,<br />
D-13469 Berlin. E-Mail: j.schwarz-dda@gmx.de
206 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Anhang I: Bestandstrends von 52 Waldvogelarten in Deutschland 1989–2003 nach Daten <strong>des</strong> <strong>DDA</strong>-Monitorprogrammes häufiger Arten.<br />
Angegeben ist die mittlere jährliche Zu- oder Abnahme in %, das Signifikanzniveau <strong>des</strong> Trends (TRIM, * = p < 0,05; ** = p < 0,01; n.b. = nicht berechnet), sowie für die<br />
Punkt-Stopp-Daten auch die regionalen Trends West und Ost sowie die Trends innerhalb und außerhalb von Wäldern. – Population trends of 52 forest bird species in<br />
Germany in the period 1989–2003 according to data from the German Common Birds Census. Figures indicate the average annual population change in % and the<br />
level of trend significance (TRIM, * = p < 0.05; ** = p < 0.01; n.b. = not calculated).For the point count data, also the regional trends (East- and West-Germany) and the<br />
trends within and outside forests are indicated (Unterschied = difference).<br />
Trend ges.<br />
overall<br />
trend<br />
Wälder u. außerhalb (PS)<br />
in vs. outside forests<br />
West- u. Ostdeutschland<br />
West- vs. East-Germany<br />
Art – species Revierkart.– Punkt-Stopp<br />
mapping vs. point counts<br />
< 25 %<br />
Wald<br />
Unterschied<br />
Ost (PS) > 75 %<br />
Wald<br />
Unterschied<br />
PS West<br />
(PS)<br />
RK Unterschied<br />
Amsel Turdus merula +1,5** ns +0,7* +0,9** ns +0,2 ns +1,1 ns ns +1,2** +<br />
Baumpieper Anthus trivialis –1,7 ns ns –4,2** –3,5** (**) –4,5* –6,8** ns –2,9** – –<br />
Blaumeise Parus caeruleus +0,5 ns ns +0,3 ns +0,2 ns (***) +0,6 ns +3,3* ns +0,7* 0<br />
Buchfink Fringilla coelebs +2,5** * +0,7* +0,3 ns ns +1,3 ns +1,5 ns ns +0,5 ns +<br />
Buntspecht Dendrocopos major +1,2* ns +0,9* +0,9** (***) +1,0 ns +0,3* ns +2,8** +<br />
Eichelhäher Garrulus glandarius +2,7* ns +0,6 ns –0,1ns (***) +2,1 ns +1,5 ns ns +3,2** +<br />
Fichtenkreuzschnabel Loxia curvirostra*) n.b. –5,8* –6,5* ns –8,8* n.b. n.b. – –<br />
Fitis Phylloscopus trochilus –0,8 ns ns –2,9** –3,7** (*) –1,7 ns –0,9 ns ns –3,5** –<br />
Gartenbaumläufer Certhia brachydactyla +5,1** * +0,9 ns +0,1 ns ns +3,5 ns +5,9 ns ns +1,8* +<br />
Gartengrasmücke Sylvia borin +3,0** * +1,2 ns +2,1** (***) 0,0 –2,5 ns ** +4,2** +<br />
Gartenrotschwanz Phoenicurus phoenicurus +0,7 ns ns +3,4** +3,6** ns +3,9 ns +5,3 ns ns +3,2** +<br />
Gelbspötter Hippolais icterina –3,4** ns +0,9 ns –1,8* (*) +3,6 ns n.b. n.b. –<br />
Gimpel Pyrrhuly pyrrhula +2,4 ns ns +0,5 ns +1,4 ns (*) –1,9 ns +1,8 ns ns +4,7** 0<br />
Grauschnäpper Muscicapa striata +6,3** * –1,8 ns –0,7 ns ns –3,0 ns –1,9 ns ns –0,6 ns (+)<br />
Grauspecht Picus canus *) n.b. –7,3** –6,5** ns –9,2 ns n.b. n.b. – –<br />
Grünspecht Picus viridis +1,8 ns ns +4,7** +3,4** ns +7,9* +0,2 ns * +6,4** +<br />
Habicht Accipiter gentilis n.b. –6,3** –7,7** ns –4,8 ns –2,9 ns ns +9,8 ns –<br />
Haubenmeise Parus cristatus *) n.b. +4,1* +0,2 ns (***) +7,7* +3,7* ns +8,3* ++<br />
Heckenbraunelle Prunella modularis +0,2 ns ns +1,5** +1,6** ns +1,6 ns +0,1 ns ns +2,1** +<br />
Heidelerche Lullula arborea *) n.b. +1,3 ns +8,9** *** +0,2 ns –5,6* ** +10,3** (+)<br />
Hohltaube Columba palumbus *) n.b. +5,0** +1,1 ns ns +9,9* n.b. n.b. +<br />
Kernbeißer Coccothraustes coccothraustes +2,0 ns ns –0,4 ns –4,0** (**) +3,0 ns +2,4 ns ns –4,4** 0
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 207<br />
Kleiber Sitta europaea +2,7** * +0,3 ns +0,2 ns ns +0,4 ns –0,8 ns ns +2,6* +<br />
Kleinspecht Dendrocopos minor *) +1,3 ns ns +0,4 ns –0,5 ns ns +0,9 ns +0,8 ns ns +1,0 ns 0<br />
Kohlmeise Parus major +0,1 ns ns –0,2 ns +0,6 * (***) –1,2 ns –0,5 ns * +1,0** 0<br />
Kolkrabe Corvus corax *) n.b. +7,5** –1,4 ns (**) +9,0** n.b. n.b. ++<br />
Mäusebussard Buteo buteo *) +1,2 ns ns –1,0 ns –0,3 ns (***) –1,9* n.b. n.b. 0<br />
Misteldrossel Turdus viscivorus *) +0,8 ns ns –0,3 ns –1,1 ns (**) +4,8 ns +0,8 ns ns –0,5 ns 0<br />
Mittelspecht Dendrocopos medius *) n.b. +2,2 ns +5,2* (*) +2,1 ns n.b. n.b. (+)<br />
Mönchsgrasmücke Sylvia atricapilla +4,5** ns +3,8** +3,6** ns +4,7** +2,4* * +5,5** ++<br />
Nachtigall Luscinia megarhynchos +0,2 ns ns +5,4** +2,2* ns +7,2** +2,9 ns ns +4,6** +<br />
Pirol Oriolus oriolus –3,1* ns –3,9 ns –2,1* (*) –4,3 ns –6,3 ns ns –1,6 ns –<br />
Ringeltaube Columba palumbus +0,4 ns ns –0,3 ns –0,6* (***) +0,5 ns –0,8* ns –0,3 ns 0<br />
Rotkehlchen Erithacus rubecula +2,0** * +0,1 ns +0,1 ns ns +0,2 ns –0,6* * +1,3** +<br />
Rotmilan Milvus milvus *) n.b. –1,0 ns –1,5 ns ns –0,9 ns n.b. n.b. 0<br />
Schwanzmeise Aegithalos caudatus *) +4,6* ns +0,3 ns –0,8 ns ns +1,2 ns –4,8* ** +7,0** +<br />
Schwarzspecht Dryocopus martius n.b. +6,0** +5,7** ns +6,4 ns n.b. n.b. ++<br />
Singdrossel Turdus philomelos +3,5** ** –0,2 ns –0,4 ns ns +0,4 ns –3,5* ns –0,7 ns (+)<br />
Sommergoldhähnchen Regulus ignicapillus *) +11,8** ** +3,0** +2,0* (**) +8,2** +2,2* ns +4,9* ++<br />
Sperber Accipiter nisus *) n.b. –2,2 ns –1,1 ns ns –4,6 ns n.b. n.b. 0<br />
Star Sturnus vulgaris –1,6** ns +0,2 ns –1,9** (*) +3,3* –1,6 ns ns +0,4 ns (–)<br />
Sumpfmeise Parus palustris *) +2,3 ns ns –1,3 ns –0,6 ns ns –2,3 ns –2,5* * +6,3** 0<br />
Tannenmeise Parus ater +2,4 ns ns +1,6 ns +0,9 ns ns +2,8 ns +3,8 ns ns +7,1** (+)<br />
Trauerschnäpper Ficedula hypoleuca –1,8 ns ns –3,6** –2,5** ns –4,7** –2,2 ns ns –3,0* –<br />
Waldbaumläufer Certhia familiaris *) n.b. –1,9 ns –2,9* ns –1,0 ns –2,6* ns –2,3 ns (–)<br />
Waldlaubsänger Phylloscopus sibilatrix *) +0,3 ns * –5,7** –8,2** (***) –3,4** –5,8** ns –4,9** – –<br />
Weidenmeise Parus montanus *) –0,3 ns ns –2,4 ns –1,5 ns * –3,3 ns –4,2* ns +2,5 ns (–)<br />
Wendehals Jynx torquilla *) n.b. –4,4* –4,3 ns (*) –5,1* n.b. n.b. –<br />
Wintergoldhähnchen Regulus regulus *) +1,2 ns ns –0,2 ns –0,7 ns ns +0,1 ns –1,1 ns ns +2,8 ns 0<br />
Zaunkönig Troglodytes troglodytes +6,4** ** +2,1** +1,5** (***) +4,8** +0,4 ns ** +3,6** ++<br />
Zilpzalp Phylloscopus collybita +1,3* ns +0,3* +1,2** (***) +0,5 ns –0,6* ** +2,3** +<br />
Zwergschnäpper Ficedula parva *) n.b. –0,8 ns n.b. –0,8 ns n.b. n.b. 0
208 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Anhang <strong>II</strong>: Korrelationen (Spearmans Rangkorrelation, zweiseitig) zwischen Winter-Wetterparametern und jährlichen Bestandsänderungen von Waldvogelarten in<br />
Deutschland (RK = Revierkartierung, PS = Punkt-Stopp-Zählungen): (*) = 0,05 < p < 0,1; * p < 0,05; ** p < 0,01; n.b. = nicht berechnet. – Correlations (Spearman’s rank,<br />
2-tailed) between winter weather parameters and annual population changes in forest birds in Germany (RK = territory mapping, PS = point counts): (*) = 0.05 < p < 0.1;<br />
* p < 0.05; ** p < 0.01; n.b. = not calculated.<br />
Tage m. Schneedecke im vorherigen Winter<br />
– days with snow cover in the previous<br />
winter<br />
Eistage im vorherigen Winter –<br />
ice days in the previous winter<br />
Januartemperatur (Abweich. v. langj. Mittel)<br />
– mean January temperature<br />
Datensatz<br />
sample<br />
Art<br />
species<br />
Soltau Berlin Stuttgart gesamt Soltau Berlin Stuttgart gesamt Soltau Berlin Stuttgart gesamt<br />
A) Winterempfindliche Jahresvögel, <strong>Teil</strong>- und Kurzstreckenzieher – winter-sensitive residents, partly and short-distance migrants<br />
Picus viridis PS gesamt +0,66* +0,687* n.b. +0,647*<br />
PS gesamt +0,581* +0,636* +0,65* +0,65*<br />
Lullula<br />
arborea<br />
PS West-D +0,66*<br />
PS Ost-D +0,678* +0,58*<br />
RK +0,461(*) -0,793** -0,867** -0,642* -0,878** -0,82** -0,692**<br />
Troglodytes<br />
troglodytes<br />
PS gesamt +0,506(*) -0,667** -0,673** -0,715** -0,556* -0,552*<br />
PS West-D -0,539* -0,607* -0,614*<br />
PS Ost-D +0,545* -0,735** -0,508* -0,728* -0,723** -0,556*<br />
PS Wald -0,579* -0,728* n.b. -0,746** -0,767** n.b. -0,56*<br />
PS Nichtwald -0,596* n.b. -0,638* n.b.<br />
Prunella modularis PS gesamt +0,651* +0,697* +0,556* +0,727**<br />
PS gesamt -0,586* -0,557* -0,631*<br />
Phylloscopus<br />
collybita<br />
PS West-D -0,588* -0,574* -0,613*<br />
PS Ost-D -0,629*<br />
PS Wald -0,579* -0,728* n.b. -0,746** -0,583* n.b. -0,657*<br />
PS Nichtwald –0,596* n.b. -0,638* –0,648* n.b. -0,596*<br />
PS gesamt -0,701*<br />
Sylvia atricapilla<br />
PS Wald -0,578*<br />
PS Nichtwald -0,587*<br />
Erithacus rubecula PS Wald +0,624* +0,676** n.b. +0,682**<br />
PS Nichtwald<br />
Turdus philomelos RK -0,566*
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 209<br />
Turdus viscivorus RK -0,758**<br />
PS gesamt -0,625* -0,622*<br />
PS Ost -0,852** -0,722* -0,746**<br />
Turdus merula PS gesamt -0,552* –0,789*<br />
Certhia familiaris PS gesamt +0,578*<br />
Sturnus vulgaris RK +0,55*<br />
B) Langstreckenzieher mit negativen Korrelationen mit Kältewinter-Parametern – long-distance migrants showing negative correlations with severe winters<br />
RK -0,65*<br />
Phylloscopus<br />
sibilatrix<br />
PS Gesamt -0,944** -0,718* -0,743* -0,671*<br />
PS West-D -0,69* -0,616* -0,609* 0,629*<br />
PS Ost-D -0,754** -0,578* - -0,49(*)<br />
C) Jahresvögel/<strong>Teil</strong>zieher mit positiven Korrelationen mit Kältewinter-Parametern – resident/partly migrant species showing positive correlations with severe winters<br />
Dendrocopos major RK +0,546* +0,612* +0,59* +0,837**<br />
PS gesamt +0,665* +0,598* +0,635 *<br />
PS West-D +0,656* +0,774** +0,563* +0,772** +0,824* +0,587*<br />
Parus palustris PS gesamt +0,599* +0,727**<br />
Parus montanus PS West-D +0,634*<br />
Parus major PS gesamt +0,594* +0,563*<br />
PS Wald +0,564* +0,546* n.b. +0,534*<br />
PS Nichtwald +0,579* +0,612* n.b. +0,557* +0,622*<br />
Parus caeruleus PS West-D +0,574*<br />
Parus cristatus PS gesamt +0,585* +0,725** +0,694* +0,65* +0,594*<br />
PS West-D +0,72* +0,58*<br />
Sitta europaea RK +0,644*<br />
PS gesamt +0,537*<br />
RK -0,691** -0,591* +0,692** +0,556*<br />
Certhia brachydactyla<br />
PS gesamt +0,533*<br />
Fringilla coelebs RK +0,548* +0,578*<br />
PS gesamt +0,541* +0,689** +0,642* +0,67**
210 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Tage mit Schneedecke im vorherigen<br />
Winter – days with snow cover in the<br />
previous winter<br />
Eistage im vorherigen Winter – ice days in the<br />
previous winter<br />
Januartemperatur (Abweich. v. langj.<br />
Mittel) – mean January temperature<br />
Datensatz<br />
sample<br />
Art<br />
species<br />
Soltau Berlin Stuttgart gesamt Soltau Berlin Stuttgart gesamt Soltau Berlin Stuttgart gesamt<br />
PS gesamt +0,734* +0,574* +0,547*<br />
Coccothraustes<br />
coccothraustes<br />
PS Ost-D +0,69* +0,541*<br />
Pyrrhula pyrrhula PS Ost +0,631* +0,581*<br />
D) Langstreckenzieher mit positiven Korrelationen mit Kältewinter-Parametern – long-distance migrants showing positive correlations with severe winters<br />
Jynx torquilla PS gesamt +0,58*<br />
PS West-D +0,782** +0,781** +0,809** +0,783*<br />
PS Ost-D -0,599*<br />
Sylvia borin PS Wald +0,541*<br />
RK +0,771** +0,657*<br />
Phylloscopus<br />
trochilus<br />
PS gesamt +0,697** +0,754**<br />
Ficedula hypoleuca PS gesamt +0,559* +0,635*<br />
Summe Korrelationen Arten/Daten- 8/8 5/5 2/ 3 4/5 16/22 12/24 3/7 11/20 4/7 16/32 3/3 7/15<br />
sätze – total of correlations (species/<br />
samples)
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 211<br />
Anhang <strong>II</strong>I: Korrelationen (Spearmans Rangkorrelation, zweiseitig) zwischen Frühjahrsniederschlägen und jährlichen<br />
Bestandsänderungen von Waldvogelarten in Deutschland (RK = Revierkartierung, PS = Punkt-Stopp-Zählungen): * p <<br />
0,05; ** p < 0,01. – Correlations (Spearman’s rank, 2-tailed) between spring rainfall (April–June) and annual population<br />
changes in forest birds in Germany (RK = territory mapping, PS = point counts): * p < 0.05; ** p < 0.01.<br />
Art<br />
species<br />
Datensatz<br />
sample<br />
Sylvia borin PS Wald -0,535*<br />
Niederschläge April–Juni – total rainfall<br />
April–June<br />
Aegith. caudatus RK -0,595* -0,741**<br />
Parus palustris RK -0,594*<br />
Parus ater RK -0,67**<br />
PS gesamt -0,752**<br />
Vorjahresniederschläge April–Juni – total<br />
spring rainfall of the previous year<br />
Soltau Berlin Stuttgart gesamt Soltau Berlin Stuttgart gesamt<br />
Anthus trivialis PS gesamt -0,569* -0,557*<br />
Hippolais icterina PS gesamt -0,692** +0,582**<br />
Phyll. collybita RK +0,697** +0,64*<br />
Oriolus oriolus RK -0,627*<br />
PS gesamt +0,574*<br />
P. pyrrhula RK -0,693**<br />
PS Ost-D -0,552*<br />
T. troglodytes PS Nichtwald -0,64*<br />
Regulus ignicapillus<br />
RK +0,783*<br />
PS Ost-D +0,678*<br />
Fic. hypoleuca Rk +0,636* +0,556*<br />
Erithacus rubecula<br />
PS gesamt -0,67**<br />
PS West -0,552*<br />
PS Ost-D -0,684**<br />
PS Nichtwald -0,666**<br />
Turd. philomelos RK +0,638*<br />
Turd. viscivorus PS Ost-D +0,585*<br />
Parus cristatus PS gesamt +0,713**<br />
PS West -0,578*<br />
PS Ost +0,755**<br />
C. brachydactyla PS gesamt -0,719*<br />
Fringilla coelebs PS gesamt +0,556*<br />
Sturnus vulgaris RK -0,64*<br />
Summe Korrelationen (Arten/<br />
Datensätze)<br />
4/4 1/1 6/6 0 7/7 3/6 4/4 4/5
212 M. FLADE & J. SCHWARZ: Bestandsentwicklung von Waldvögeln in Deutschland 1989–2003<br />
Anhang IV: Korrelationen (SPEARMANS Rangkorrelation, zweiseitig; z.T. U-Test nach MANN-WHITNEY) zwischen Waldbaumfruktifikation<br />
und jährlichen Bestandsänderungen von Waldvogelarten in Deutschland (RK = Revierkartierung,<br />
PS = Punkt-Stopp-Zählungen): (*) = 0,05 < p < 0,1; * p < 0,05; ** p < 0,01. Bedeutung der fettgedruckten Korrelationen<br />
siehe Text. – Correlations (SPEARMAN’S rank, 2-tailed, in some cases MANN-WHITNEY U-test) between forest tree seed<br />
crop and annual population changes in forest birds in Germany (RK = territory mapping, PS = point counts): (*) = 0.05<br />
< p < 0.1; * p < 0.05; ** p < 0.01. Meaning of the bold correlations is explained in the text.<br />
Art<br />
species<br />
Datensatz<br />
sample<br />
Buche<br />
beech<br />
Eichen<br />
oaks<br />
Laubbäume<br />
deciduous<br />
Kiefer<br />
pine<br />
Fichte<br />
spruce<br />
Nadelbäume<br />
coniferous<br />
A) Baumsamenfressende Jahresvögel und <strong>Teil</strong>zieher mit positiven Korrelationen mit Waldbaumfruktifikationen –<br />
Resident and partly migrant species with positive correlations with forest tree seed crop<br />
Parus major PS-gesamt +0,599* +0,69** +0,685**<br />
PS West-D +0,677** +0,592* +0,59*<br />
PS Ost-D +0,597* +0,583*<br />
PS Wald +0,693* +0,56* +0,566*<br />
PS Nichtwald +0,563* +0,665* +0,623*<br />
Parus caeruleus RK-Daten +0,631*<br />
PS gesamt +0,775** +0,619* +0,666**<br />
PS West +0,746** +0,592* +0,652*<br />
PS Ost +0,782** +0,585* +0,648*<br />
Fringilla coelebs PS gesamt U-Test: *<br />
C. coccothraustes PS Ost-D +0,533*<br />
Sitta europaea RK-Daten +0,49(*)<br />
PS gesamt U-Test: * +0,617*<br />
Columba palumbus RK-Daten -0,571*<br />
PS gesamt +0,59* +0,597*<br />
PS Ost-D +0,686** +0,597* +0,687 +0,615*<br />
Dendrocopos major RK-Daten +0,595* +0,644* +0,606* +0,581* +0,582*<br />
Parus palustris PS gesamt +0,622* +0,688*<br />
Parus montanus PS West-D +0,579* +0,653*<br />
Pyrrhula pyrrhula PS gesamt +0,684**<br />
PS Ost-D +0,551*<br />
B) Arten mit negativen Korrelationen mit Waldbaumfruktifikationen – species with negative correlations with forest<br />
tree seed crop<br />
Reg. ignicapillus RK-Daten -0,79** -0,593*<br />
Regulus regulus RK-Daten -0,66*<br />
Ficedula hypoleuca RK-Daten -0,566* -0,61*<br />
Turdus viscivorus RK-Daten -0,631*<br />
C) Vorwiegend carnivore (insektivore) Arten mit positiven Korrelationen mit Waldbaumfruktifikationen – predominantly<br />
carnivorous (insectivorous) species with positive correlations with forest tree seed crop<br />
Picus viridis PSNichtwald +0,628* +0,628* +0,535*<br />
Jynx torquilla PS gesamt +0,766** +0,778*<br />
PS Ost-D +0,788** +0,803**<br />
Prunella modularis RK-Daten +0,62* +0,647* +0,667** +0,737**<br />
Erithacus rubecula PS gesamt +0,573*<br />
PS Nichtwald +0,681**
VOGELWELT 125: 177 – 213 (2004) 213<br />
Art<br />
species<br />
Datensatz<br />
sample<br />
Buche<br />
beech<br />
Eichen<br />
oaks<br />
Laubbäume<br />
decidous<br />
Kiefer<br />
pine<br />
Fichte<br />
spruce<br />
Turd. philomelos PS gesamt +0,61* +0,681* +0,769**<br />
Sturnus vulgaris PS gesamt +0,633* +0,617* +0,624*<br />
PS West-D +0,574* +0,661*<br />
PS Ost-D +0,633* +0,592*<br />
Oriolus oriolus RK-Daten +0,629*<br />
Summe Korrelationen (Arten/<br />
Datensätze) – total of correlations<br />
(species/samples)<br />
Nadelbäume<br />
coniferous<br />
PS gesamt +0,566*<br />
8/16 11/20 10/19 2/2 10/11 9/10