UniReport 5/11 | Goethe-Universität Frankfurt
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Nr. 5 I 21. Oktober 20<strong>11</strong><br />
Chancen zur Rettung der Dorkasgazelle steigen<br />
Nahe Verwandtschaft zwischen entfernt lebenden Gruppen erleichtert Aufzucht von Dorkasgazellen<br />
Dorkasgazellen sind untereinander nah<br />
verwandt – egal ob sie aus Westafrika oder<br />
aus Israel kommen. Das belegt eine genetische<br />
Studie der Abteilung Ökologie, Evolution und<br />
Diversität der <strong>Goethe</strong>-<strong>Universität</strong>. Dank dieser<br />
neuen Erkenntnisse steigen die Chancen,<br />
die seltenen Tiere doch noch zu retten. Denn<br />
gegenwärtig leben nur noch wenige zehntausend<br />
Dorkasgazellen (Gazella dorcas). Wo früher<br />
große Herden durch die Sahara streiften, sind<br />
jetzt nur noch kleine, versprengte Restgruppen<br />
geblieben.<br />
Die Wissenschaftler der <strong>Goethe</strong>-<strong>Universität</strong><br />
konnten in Zusammenarbeit mit dem Biodiversität<br />
und Klima Forschungszentrums<br />
(BIK-F) zeigen, dass die Gazellen bereits in<br />
der Steinzeit auf der Abschussliste standen.<br />
Schon damals hatten die Menschen gelernt,<br />
so effektiv zu jagen, dass selbst diese flinken<br />
Tiere nicht entkommen konnten. Obwohl Gazellen<br />
heute als Nahrung keine Rolle mehr<br />
spielen, verschwinden sie zunehmend. Und<br />
das schneller als je zuvor. Besonders die Jagd<br />
mit Schusswaffe und Jeep ist Ursache für diesen<br />
Verlust. Will man die Bestände retten, muss<br />
man Tiere aufziehen und auswildern.<br />
Unklar war bisher, ob man beispielsweise<br />
Gazellen aus Marokko auch im Sudan aussetzen<br />
könnte. Sind die Tiere genetisch zu unterschiedlich,<br />
kommt es in der Wildnis nicht<br />
zur Vermischung. Wenn die Nachkommen<br />
schlechter an die Umgebung angepasst sind,<br />
pflanzen sie sich auch schlechter fort. Die ge-<br />
Schnecken auf Seefahrt<br />
In der Jungsteinzeit von Sardinien nach Nordafrika<br />
Die Landschnecke Tudorella sulcata führt<br />
ein verstecktes Leben unter Kalksteingeröll<br />
an den mit Pinienwäldern oder<br />
Büschen bewachsenen Küsten des Mittelmeers.<br />
Da sie weder schwimmen noch große<br />
Strecken an Land zurücklegen kann, fragten<br />
sich <strong>Frankfurt</strong>er Biologen, wie sie sich über<br />
die weit auseinander liegenden Küsten<br />
Frankreichs, Sardiniens und Algeriens verbreiten<br />
konnte. Mit Hilfe molekularer Marker<br />
und neuer statistischer Methoden haben sie<br />
jetzt die Besiedlungsgeschichte rekonstruiert<br />
und den Zeitpunkt der Auswanderung aus<br />
dem Ursprungsgebiet ermittelt. Er fällt zusammen<br />
mit dem Aufbau von Handelswegen<br />
in der Jungsteinzeit. Vermutlich reiste<br />
die Landschnecke auf den Booten der neolithischen<br />
Händler mit.<br />
„Seit der Mensch sich aufgemacht hat,<br />
um von Afrika aus die Welt zu besiedeln, hat<br />
er – absichtlich oder unabsichtlich – Tier- und<br />
Pflanzenarten aus ihren Ursprungsgebieten<br />
verschleppt“, sagt Prof. Markus Pfenninger<br />
vom Institut für Ökologie, Evolution und Diversität.<br />
„Insbesondere bei Arten mit einem<br />
fragmentierten Verbreitungsgebiet, aber geringer<br />
Ausbreitungsfähigkeit, ist es deswegen<br />
oft schwer festzustellen, ob die Verbreitung<br />
auf natürlichem Weg oder durch den Menschen<br />
geschehen ist.“ In einer Kooperation<br />
des Biodiversitäts- und Klima Forschungszentrums<br />
<strong>Frankfurt</strong> (BiK-F), der <strong>Goethe</strong>-<br />
<strong>Universität</strong> und der <strong>Universität</strong> Montpellier<br />
Fotos: Lerp<br />
ist es jetzt gelungen, den Ursprung der Art<br />
auf Sardinien auszumachen. Von dort hat sie<br />
sich in einem ersten Schritt nach Algerien<br />
ausgebreitet, um anschließend die Küste der<br />
südfranzösischen Provence zu besiedeln.<br />
Da die Besiedlung eines neuen Gebietes<br />
immer auch mit einer Vergrößerung der Population<br />
verbunden ist und diese ihre Spuren<br />
in den Genen hinterlässt, konnte die erste<br />
Ausbreitungswelle auf circa 8.000 Jahre vor<br />
der Gegenwart datiert werden. Zu dieser Zeit<br />
besiedelten gerade neolithische Siedler die<br />
westlichen Mittelmeerregion, was zu regem<br />
Handel – beispielsweise mit Feuersteinen<br />
– führte, aber auch zu einem heute noch<br />
genetisch nachweisbaren Kontakt der Bevölkerungen<br />
Sardiniens und Nordafrikas.<br />
„Deshalb liegt es nahe, dass diese Siedler<br />
auch die etwa daumennagelgroße, weiß bis<br />
orange oder rötlich schimmernde Schnecke<br />
in den Maghreb gebracht haben, sei es als<br />
Schmuck oder nur zufällig“, so Pfenninger.<br />
Dafür spricht auch, dass die versteckte Lebensweise<br />
der Schnecke einen natürlichen<br />
Transport mit Strömungen, Zugvögeln oder<br />
Wind praktisch ausschließt.<br />
Anne Hardy<br />
Informationen:<br />
Prof. Markus Pfenninger, Institut für<br />
Ökologie, Evolution und Diversität<br />
Biologie-Campus Siesmayerstraße<br />
Tel: (069) 798- 24714<br />
pfenninger@bio.uni-frankfurt.de<br />
netischen Untersuchungen haben<br />
nun aber gezeigt, dass dieses<br />
Risiko nicht besteht. Alle heute<br />
lebenden Tiere sind nah miteinander<br />
verwandt und können problemlos<br />
Nachkommen zeugen.<br />
Die <strong>Frankfurt</strong>er Forscher verglichen mit<br />
Hilfe von Kollegen einer Aufzuchtstation in<br />
Saudi-Arabien die Erbsubstanz verschiedener<br />
Gazellen. Dabei konnten sie feststellen, dass<br />
alle Dorkasgazellen einer genetischen Linie<br />
angehören. Und das unabhängig von ihrer<br />
Herkunft. Folglich kann man die Gazellen aus<br />
UniForschung<br />
Links: Dorkasgazellen in<br />
der Aufzuchtstation in<br />
Saudi Arabien. Die farbigen<br />
Bänder um den Hals<br />
dienen zur Identifikation<br />
der Weibchen<br />
Unten: Gazellenschädel im<br />
Wüstensand. In der Sahara<br />
werden Dorkasgazellen<br />
noch immer massiv bejagt<br />
Marokko zielgerichtet dort auswildern,<br />
wo die Tiere am stärksten<br />
bedroht sind und so die Bestände<br />
schützen. „Doch das so<br />
gefürchtete Artensterben kann<br />
nur dann abgewendet werden,<br />
wenn die Jagd stärker sanktioniert<br />
wird“, warnt Hannes Lerp,<br />
der die verwandtschaftlichen<br />
Verhältnisse im Rahmen seiner<br />
Doktorarbeit untersuchte. Gelingt<br />
es den örtlichen Behörden nicht, stärker<br />
zu kontrollieren, werden alle Auswilderungsbemühungen<br />
letztlich vergeblich sein.<br />
Anne Hardy<br />
Informationen:<br />
Hannes Lerp, Institut für Ökologie, Evolution<br />
und Diversität, Biologie-Campus Siesmeyerstraße<br />
Tel: (069) 798-24718, hannes.lerp@gmx.de<br />
http://bio.uni-frankfurt.de/ee<br />
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