UniReport 5/11 | Goethe-Universität Frankfurt
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Nr. 5 I 21. Oktober 20<strong>11</strong><br />
„Recht, Wissenschaft, Technik“<br />
25. Weltkongress für Rechts- und Sozialphilosophie an der <strong>Goethe</strong>-<strong>Universität</strong><br />
Im August fand auf dem Campus Westend<br />
der 25. Weltkongress der Internationalen<br />
Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie<br />
(IVR) statt. Er war dem Thema „Recht,<br />
Wissenschaft, Technik“ gewidmet. Der in zweijährigem<br />
Turnus durchgeführte Weltkongress<br />
ist die bedeutendste Tagung im Bereich der internationalen<br />
Rechts- und Sozialphilosophie.<br />
Gegründet wurde die IVR, die noch heute<br />
ihren deutschen Namen führt, 1909 in Berlin;<br />
nach der Gründung der <strong>Universität</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
1914 wurden ihre Tagungen dort abgehalten.<br />
Die Tradition der Weltkongresse begann 1957<br />
in Saarbrücken. Zuletzt war der Weltkongress<br />
in Deutschland 1991 in Göttingen abgehalten<br />
worden. Seither war die Internationalisierung<br />
der IVR in großen<br />
Schritten vorangekommen, so<br />
dass die Vereinigung inzwischen<br />
über 40 nationale Sektionen mit<br />
mehr als 2.000 Mitgliedern zählt,<br />
davon circa 400 in Deutschland. Im<br />
Anschluss an die großen Tagungen<br />
im Ausland kehrte der Weltkongress<br />
nun nach Deutschland zurück.<br />
Veranstaltet wurde der fünftägige Kongress<br />
mit mehr als 900 registrierten Teilnehmern von<br />
den <strong>Frankfurt</strong>er Professoren der Rechtswissenschaft<br />
Ulfrid Neumann, Klaus Günther und<br />
Lorenz Schulz. Bei der wissenschaftlichen Planung<br />
des Kongresses wurden sie von den weiteren<br />
Mitgliedern des Organisationskomitees,<br />
den Professoren Robert Alexy (Kiel), Rainer<br />
Forst, Axel Honneth (beide <strong>Frankfurt</strong>), Stefan<br />
Kirste (Heidelberg/Budapest) und Frank<br />
Saliger (Hamburg) unterstützt. An der organisatorischen<br />
Planung und Durchführung der<br />
Tagung waren insbesondere Diana Goldau, Dr.<br />
Denis Basak und Dr. Sascha Ziemann von der<br />
<strong>Goethe</strong>-<strong>Universität</strong> beteiligt.<br />
Tagungsthema waren die Entwicklungen<br />
in Wissenschaft und Technik, die sich in den<br />
letzten Jahrzehnten mit wachsender Schnelligkeit<br />
vollziehen, und die Resonanz, die sie in<br />
Recht und Ethik finden. Dass insbesondere das<br />
Rechtsdenken damit vor neuen Herausforderungen<br />
steht, gilt für die einzelnen Rechtsgebiete<br />
des Zivilrechts, des Öffentlichen Rechts<br />
und des Strafrechts sowie für die zunehmend<br />
wichtigen Überschneidungsbereiche zwischen<br />
diesen Gebieten. Es gilt aber vor allem<br />
für die Rechtsphilosophie, die sich mit grundsätzlichen<br />
Fragen der Struktur des Rechts, seiner<br />
Leistungsfähigkeit als Steuerungsinstrument<br />
der Gesellschaft und mit den normativen<br />
und empirischen Voraussetzungen rechtlicher<br />
Verantwortlichkeit befasst. Dabei geht es aus<br />
der Sicht der Rechtsphilosophie weniger um<br />
die konkreten Inhalte des Rechts als um die<br />
Eignung seiner traditionellen Prinzipien und<br />
Kategorien, den Herausforderungen der neuen<br />
Entwicklungen gerecht zu werden. Diese<br />
Fragen standen im Zentrum des Kongresses.<br />
Das im Vergleich zu früheren IVR-Weltkongressen<br />
eng gefasste Tagungsthema wurde<br />
in einer Reihe von Schwerpunktthemen konkretisiert.<br />
Dabei gelang es, Plenarveranstaltungen<br />
mit Arbeitsgruppen („Special Workshops“)<br />
zu verzahnen, die nachmittags stattfanden.<br />
Dies gelang insbesondere am zweiten<br />
Tag des Kongresses, dessen Plenarprogramm<br />
weitgehend vom Exzellenzcluster „Die Herausbildung<br />
normativer Ordnungen“ gestaltet<br />
wurde. Prof. Klaus Günther griff das Thema<br />
der Verantwortlichkeit zunächst mit der<br />
Frage auf, ob es bei der Meisterung der nicht<br />
wenigen Herausforderungen der Gegenwart<br />
Fotos: Ullstein/Födisch<br />
Als Andenken an den Weltkongress für Rechts- und Sozialphilosophie<br />
erhielten alle Teilnehmer eine eigens entworfene Fest-Medaille<br />
Unverfügbares gibt, mithin<br />
etwas, das dem Zugriff der<br />
rechtlichen Gestaltung entzogen<br />
ist. Nach einer spannenden<br />
Diskussion folgte der Vortrag von Seana<br />
Shiffrin, Juraprofessorin an der University<br />
of California in Los Angeles (UCLA), USA,<br />
zur Begründung der Redefreiheit, die von ihr<br />
in gut US-amerikanischer Tradition vehement<br />
verteidigt wurde. Beim Abendvortrag dieses<br />
Tages sprach schließlich vor großem Publikum<br />
der Kieler Rechtsphilosoph und Verfassungsrechtler<br />
Prof. Robert Alexy zum Grundsatzproblem<br />
eines überzeugenden Ansatzes zur<br />
Begründung der Menschenrechte generell.<br />
Die rasanten Entwicklungen reflektieren<br />
Gemäß dem Kongressthema thematisierten<br />
die Referenten der Plenarvorträge und der<br />
vielen Hundert Vorträge in den Special Workshops<br />
und Working Groups insbesondere die<br />
rechtstheoretische und rechtsethische Reflexion<br />
von Regelungs- und Verantwortungsstrukturen<br />
in verschiedenen Bereichen. Im<br />
Feld Finanzen ging es unter anderem um die<br />
Analyse der Finanzkrise, Verteilungsgerechtigkeit<br />
und die rechtlichen und praktischen<br />
Schwierigkeiten der Institutionalisierung einer<br />
effizienten Aufsicht. Im Gebiet der Medizin<br />
wurden gentechnische Entwicklungen,<br />
Embryonenforschung, Sterbehilfe und Fragen<br />
der Verteilungsgerechtigkeit beim Einsatz begrenzter<br />
medizinischer Ressourcen diskutiert.<br />
Im Bereich der Hirnforschung standen „Neuro-Enhancement“<br />
und die Gefahr des „Perfektionismus“<br />
beim Einsatz medizinischer Techniken<br />
im Mittelpunkt. Zum Thema Medien<br />
wurden die Erosion des Urheberrechts und<br />
die Folgen der globalen Vernetzung angesprochen,<br />
während im Bereich Wissenschaft die<br />
Rolle der Ökonomischen Analyse des Rechts<br />
zur Debatte stand.<br />
Daneben wurden traditionsgemäß klassische<br />
Themen der Rechtsphilosophie aufgegriffen,<br />
beispielsweise die Konzeptionen der<br />
großen deutschen Rechtsphilosophen Hans<br />
Kelsen und Gustav Radbruch. Nicht wenige<br />
Vorträge standen auch in der Tradition der<br />
diskurstheoretischen Begründung des Rechts,<br />
die von Jürgen Habermas ausgeht.<br />
Der Kongress gab auch Gelegenheit zur<br />
Vorstellung international ausgerichteter<br />
rechtsphilosophischer Projekte, an denen<br />
<strong>Frankfurt</strong>er Wissenschaftler maßgeblich beteiligt<br />
sind. Dazu zählt insbesondere die neue<br />
Europäische Akademie für Rechtstheorie<br />
(EALT), an der neben der <strong>Goethe</strong>-<strong>Universität</strong><br />
eine Reihe renommierter europäischer <strong>Universität</strong>en<br />
beteiligt sind.<br />
Auf dem <strong>Frankfurt</strong>er Kongress wurde darüber<br />
hinaus das Präsidium der IVR für vier<br />
Jahre neu gewählt. Präsident wurde Ulfrid<br />
Neumann. Generalsekretär ist für seine Amtszeit<br />
Lorenz Schulz.<br />
Zum Rahmenprogramm des Kongresses<br />
gehörte ein großer Empfang der Stadt <strong>Frankfurt</strong><br />
im Römer, in dessen Mittelpunkt eine<br />
Ansprache der Bundesjustizministerin Sabine<br />
Leutheusser-Schnarrenberger zum Problem<br />
der Kodifikation stand. Sowohl Oberbürger-<br />
UniCampus<br />
meisterin Petra Roth als auch Prof. Rainer<br />
Klump, Vizepräsident der <strong>Goethe</strong>-<strong>Universität</strong>,<br />
wiesen in ihren Ansprachen darauf hin, dass<br />
der <strong>Frankfurt</strong>er Unternehmer und Sozialpolitiker<br />
Wilhelm Merton (1848 bis 1916), der<br />
die „Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften“<br />
und spätere <strong>Universität</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
mitbegründete, Gründungspatron der IVR war.<br />
Ein „Farewell Dinner“ im Casino auf dem<br />
Campus Westend bildete schließlich den gemütlichen<br />
und zugleich eindrucksvollen Abschluss<br />
des Kongresses.<br />
Die Plenarreferate sowie die Beiträge zu<br />
ausgewählten Workshops werden als Beihefte<br />
zum „Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie“<br />
(ARSP) veröffentlicht, der internationalen<br />
wissenschaftlichen Zeitschrift der IVR.<br />
Weiterhin ist die Publikation von Kongressbeiträgen<br />
in Sammelbänden und in Form von<br />
Beiträgen zu Fachzeitschriften geplant.<br />
Dass sich <strong>Frankfurt</strong> bei der Vergabe des<br />
Weltkongresses gegen starke internationale<br />
Konkurrenz, unter anderem die US-amerikanische<br />
Stanford University, hatte durchsetzen<br />
können, unterstreicht die Bedeutung der<br />
– in Deutschland in dieser Form einmaligen<br />
– Grundlagenorientierung des juristischen<br />
Fachbereichs der <strong>Goethe</strong>-<strong>Universität</strong>. Zugleich<br />
betont es die Stellung der <strong>Universität</strong><br />
als eines Zentrums der praktischen Philosophie,<br />
für die mehrere Fachbereiche verantwortlich<br />
zeichnen. UR<br />
Informationen: www.ivr20<strong>11</strong>.org<br />
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