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Juli/August 2002 (PDF) - An.schläge

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Empowerment. Sofern überhaupt medial<br />

repräsentiert, werden MigrantInnen in<br />

österreichischen Medien bevorzugt entweder<br />

als Naturkatastrophen dargestellt,<br />

wie ein Vergleich mit der Wellen-,<br />

Fluten- und <strong>An</strong>stürme-Rhetorik zeigt<br />

oder in Kontexten thematisiert – wie etwa<br />

in jener der „organisierten ausländischen<br />

Kriminalität“ – , die weniger lustig<br />

und kunterbunt sind und auch weniger<br />

urban-kreativ als das „Kunst in der<br />

Vorstadt“-Ereignis oder die folkloristischen<br />

Kulturdarbietungen im ORF-Programm<br />

„Heimat, Fremde Heimat“. Welches<br />

Potenzial bieten also die flüchtigen,<br />

nach Ottakring gerichteten Medien-<br />

Fühler den MigrantInnen, die als die typische<br />

Wohnbevölkerung des Bezirks<br />

gelten? Wird hier eine Öffentlichkeit geschaffen,<br />

die für politisches Empowerment<br />

genützt werden kann?<br />

Die Einschätzungen der Diskutand-<br />

Innen fielen eher ernüchternd aus. Für<br />

eine subversive Nutzung der erwachten<br />

Neugier am „<strong>An</strong>deren“ in der Stadt fehle<br />

es bereits am hierfür erforderlichen<br />

Bewusstsein dieser Aufmerksamkeit bei<br />

der lokalen Bevölkerung. Die meisten<br />

der kurzerhand zumindest neben das<br />

öffentliche Schaufenster gerückten <strong>An</strong>sässigen<br />

wunderten sich bestenfalls<br />

über die Umtriebigkeit der ins Grätzel<br />

einfallenden TouristInnen aus den Innenbezirken.<br />

Was, warum und wie lange<br />

hier passiere, bleibe den meisten der<br />

auch außerhalb der Kunsttage täglich<br />

in Ottakring lebenden Menschen verborgen.<br />

Schließlich will ja weder die Soho-Initiatorin<br />

noch das Wiener Einkaufsstraßenmanagement<br />

oder die Ottakringer<br />

Bezirksbetreuung die lokale<br />

Bevölkerung zu KünstlerInnen transformieren<br />

und nicht jede/r Marktstand-<br />

ler/in vom Brunnenmarkt soll plötzlich<br />

zum Kunst-Connoisseur werden. Vielleicht<br />

ist Soho ja sogar auch noch irgendwie<br />

ein „Underground-Event“…<br />

Kulturelle Umwertung. Die Verwunderung<br />

mancher DiskussionsteilnehmerInnen<br />

löste auf der anderen Seite den überraschende<br />

Hinweis aus, dass das diesjährige<br />

Motto „Flüchtig daheim“ ursprünglich<br />

ganz unabhängig von den zufälligerweise<br />

auch im 16. Bezirk lebenden und/oder<br />

arbeitenden MigrantInnen konzipiert<br />

wurde. So schnell können die zweifelhaften<br />

Labels des „Ausländerbezirkes“ und<br />

des „Vorstadt- Bazars“ wieder aus den<br />

Gedächtnissen verschwinden. Und<br />

schon ist aus der städtischen Problemzone<br />

mit dem für Wien überdurchschnittlich<br />

hohen <strong>An</strong>teil an ausländischer<br />

Wohnbevölkerung das „Wiener Stadtviertel<br />

mit offensichtlich südlicher Prägung“<br />

(Auszug aus dem Soho-Programm)<br />

geworden. Die Frage nach dem<br />

Grund der kulturellen Umwertung und<br />

vor allem dem „Warum gerade hier im<br />

Brunnenviertel?“ wurde von einigen DiskussionsteilnehmerInnen<br />

ganz explizit<br />

gestellt. Es seien ja nicht nur die leeren<br />

Geschäftslokale und die billigen Mieten,<br />

die dieses Viertel in den letzten Jahren<br />

für KünstlerInnen so attraktiv gemacht<br />

haben. Vielmehr, so der nicht unbegründete<br />

Verdacht, hätten MigrantInnen an<br />

sich an Aufmerksamkeit bei den Kunstschaffenden<br />

gewonnen. „Warum interessieren<br />

sich diese KünstlerInnen jetzt<br />

plötzlich für uns?“ wurde demnach<br />

auch gefragt. Und – so könnte weiter<br />

gefragt werden – zu wessen Nutzen<br />

und in wessen Interesse wird diesem<br />

„neuen Interessensgegenstand“ nun<br />

nachgegangen?<br />

Exotischer Kommerz. Als „Modetrend“ in<br />

der Kunst identifizierbar, ist der Reiz der<br />

Auseinandersetzung mit dem „Fremden“,„Migrantischen“,„Diasporischen“<br />

keineswegs auf diesen engen Bereich<br />

beschränkt. Die Kommerzialisierbarkeit<br />

von Exotischem wurde schon vor langem<br />

entdeckt und gefeiert. Von Kolonialwaren<br />

bis popular culture:„the other<br />

sells“. In dieser Tradition könnte ebenso<br />

das nun auch hierzulande gestiegene<br />

Interesse an den Jugendkulturen der sogenannten<br />

zweiten Generation gesehen<br />

werden. So sehr sich dieses Interesse<br />

auch in tatsächlichen <strong>An</strong>fragen an einschlägige<br />

lokale Institutionen manifestiert,<br />

so kolonialistisch sind diese Missionen<br />

oft beschaffen. So wird zum Beispiel<br />

meistens nicht versucht, mit den Jugendlichen<br />

der zweite Generation an einem<br />

Projekt zu arbeiten, sondern vielmehr<br />

„etwas über diese“ zu machen.<br />

„Etwas über MigrantInnen zu machen“,<br />

erweist sich innerhalb der Mainstream-Medien-Szene<br />

in Österreich<br />

noch immer als schwieriges Unterfangen.<br />

Solche Programme gehören einem<br />

sogenannten Nischen-Bereich an, wobei<br />

Nischen in der Medienlandschaft<br />

und auch anderswo nicht unbedingt an<br />

sich als problematisch angesehen werden.<br />

Wie weit die – zunächst flüchtige –<br />

Veränderung eines von MigrantInnen<br />

belebten Viertels die Chance einer kulturell<br />

neu bewerteten – oder aufgewerteten?<br />

– Nische für die Repräsentation<br />

von MigrantInnen eröffnet oder sogar<br />

die noch attraktivere Alternative einer<br />

„Diversifizierung des (Repräsentations-)<br />

Mainstreams“, kann in ein paar Jahren<br />

wahrscheinlich mit weniger Polemik<br />

und größerer Gewissheit beantwortet<br />

werden. ❚<br />

sohokultur<br />

juli august <strong>2002</strong>an.<strong>schläge</strong> 35

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