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Empowerment. Sofern überhaupt medial<br />
repräsentiert, werden MigrantInnen in<br />
österreichischen Medien bevorzugt entweder<br />
als Naturkatastrophen dargestellt,<br />
wie ein Vergleich mit der Wellen-,<br />
Fluten- und <strong>An</strong>stürme-Rhetorik zeigt<br />
oder in Kontexten thematisiert – wie etwa<br />
in jener der „organisierten ausländischen<br />
Kriminalität“ – , die weniger lustig<br />
und kunterbunt sind und auch weniger<br />
urban-kreativ als das „Kunst in der<br />
Vorstadt“-Ereignis oder die folkloristischen<br />
Kulturdarbietungen im ORF-Programm<br />
„Heimat, Fremde Heimat“. Welches<br />
Potenzial bieten also die flüchtigen,<br />
nach Ottakring gerichteten Medien-<br />
Fühler den MigrantInnen, die als die typische<br />
Wohnbevölkerung des Bezirks<br />
gelten? Wird hier eine Öffentlichkeit geschaffen,<br />
die für politisches Empowerment<br />
genützt werden kann?<br />
Die Einschätzungen der Diskutand-<br />
Innen fielen eher ernüchternd aus. Für<br />
eine subversive Nutzung der erwachten<br />
Neugier am „<strong>An</strong>deren“ in der Stadt fehle<br />
es bereits am hierfür erforderlichen<br />
Bewusstsein dieser Aufmerksamkeit bei<br />
der lokalen Bevölkerung. Die meisten<br />
der kurzerhand zumindest neben das<br />
öffentliche Schaufenster gerückten <strong>An</strong>sässigen<br />
wunderten sich bestenfalls<br />
über die Umtriebigkeit der ins Grätzel<br />
einfallenden TouristInnen aus den Innenbezirken.<br />
Was, warum und wie lange<br />
hier passiere, bleibe den meisten der<br />
auch außerhalb der Kunsttage täglich<br />
in Ottakring lebenden Menschen verborgen.<br />
Schließlich will ja weder die Soho-Initiatorin<br />
noch das Wiener Einkaufsstraßenmanagement<br />
oder die Ottakringer<br />
Bezirksbetreuung die lokale<br />
Bevölkerung zu KünstlerInnen transformieren<br />
und nicht jede/r Marktstand-<br />
ler/in vom Brunnenmarkt soll plötzlich<br />
zum Kunst-Connoisseur werden. Vielleicht<br />
ist Soho ja sogar auch noch irgendwie<br />
ein „Underground-Event“…<br />
Kulturelle Umwertung. Die Verwunderung<br />
mancher DiskussionsteilnehmerInnen<br />
löste auf der anderen Seite den überraschende<br />
Hinweis aus, dass das diesjährige<br />
Motto „Flüchtig daheim“ ursprünglich<br />
ganz unabhängig von den zufälligerweise<br />
auch im 16. Bezirk lebenden und/oder<br />
arbeitenden MigrantInnen konzipiert<br />
wurde. So schnell können die zweifelhaften<br />
Labels des „Ausländerbezirkes“ und<br />
des „Vorstadt- Bazars“ wieder aus den<br />
Gedächtnissen verschwinden. Und<br />
schon ist aus der städtischen Problemzone<br />
mit dem für Wien überdurchschnittlich<br />
hohen <strong>An</strong>teil an ausländischer<br />
Wohnbevölkerung das „Wiener Stadtviertel<br />
mit offensichtlich südlicher Prägung“<br />
(Auszug aus dem Soho-Programm)<br />
geworden. Die Frage nach dem<br />
Grund der kulturellen Umwertung und<br />
vor allem dem „Warum gerade hier im<br />
Brunnenviertel?“ wurde von einigen DiskussionsteilnehmerInnen<br />
ganz explizit<br />
gestellt. Es seien ja nicht nur die leeren<br />
Geschäftslokale und die billigen Mieten,<br />
die dieses Viertel in den letzten Jahren<br />
für KünstlerInnen so attraktiv gemacht<br />
haben. Vielmehr, so der nicht unbegründete<br />
Verdacht, hätten MigrantInnen an<br />
sich an Aufmerksamkeit bei den Kunstschaffenden<br />
gewonnen. „Warum interessieren<br />
sich diese KünstlerInnen jetzt<br />
plötzlich für uns?“ wurde demnach<br />
auch gefragt. Und – so könnte weiter<br />
gefragt werden – zu wessen Nutzen<br />
und in wessen Interesse wird diesem<br />
„neuen Interessensgegenstand“ nun<br />
nachgegangen?<br />
Exotischer Kommerz. Als „Modetrend“ in<br />
der Kunst identifizierbar, ist der Reiz der<br />
Auseinandersetzung mit dem „Fremden“,„Migrantischen“,„Diasporischen“<br />
keineswegs auf diesen engen Bereich<br />
beschränkt. Die Kommerzialisierbarkeit<br />
von Exotischem wurde schon vor langem<br />
entdeckt und gefeiert. Von Kolonialwaren<br />
bis popular culture:„the other<br />
sells“. In dieser Tradition könnte ebenso<br />
das nun auch hierzulande gestiegene<br />
Interesse an den Jugendkulturen der sogenannten<br />
zweiten Generation gesehen<br />
werden. So sehr sich dieses Interesse<br />
auch in tatsächlichen <strong>An</strong>fragen an einschlägige<br />
lokale Institutionen manifestiert,<br />
so kolonialistisch sind diese Missionen<br />
oft beschaffen. So wird zum Beispiel<br />
meistens nicht versucht, mit den Jugendlichen<br />
der zweite Generation an einem<br />
Projekt zu arbeiten, sondern vielmehr<br />
„etwas über diese“ zu machen.<br />
„Etwas über MigrantInnen zu machen“,<br />
erweist sich innerhalb der Mainstream-Medien-Szene<br />
in Österreich<br />
noch immer als schwieriges Unterfangen.<br />
Solche Programme gehören einem<br />
sogenannten Nischen-Bereich an, wobei<br />
Nischen in der Medienlandschaft<br />
und auch anderswo nicht unbedingt an<br />
sich als problematisch angesehen werden.<br />
Wie weit die – zunächst flüchtige –<br />
Veränderung eines von MigrantInnen<br />
belebten Viertels die Chance einer kulturell<br />
neu bewerteten – oder aufgewerteten?<br />
– Nische für die Repräsentation<br />
von MigrantInnen eröffnet oder sogar<br />
die noch attraktivere Alternative einer<br />
„Diversifizierung des (Repräsentations-)<br />
Mainstreams“, kann in ein paar Jahren<br />
wahrscheinlich mit weniger Polemik<br />
und größerer Gewissheit beantwortet<br />
werden. ❚<br />
sohokultur<br />
juli august <strong>2002</strong>an.<strong>schläge</strong> 35