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Juli/August 2002 (PDF) - An.schläge

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unterliegt:„Eine schrankenlose Freiheit<br />

könnte zerstörerisch wirken und die<br />

Freiheit selbst ad absurdum führen“,<br />

meint etwa die iranische Vizepräsidentin<br />

Massoumeh Ebtekar im Interview<br />

mit der Autorin Abid. Trotzdem gibt es<br />

im Iran zahlreiche Frauenzeitungen. Sogar<br />

eine „Tageszeitung der Frau“, herausgegeben<br />

von Fa`zeh Haschemi, die sich<br />

über einen Absatz von 50.000 Stück<br />

freuen konnte. – Ich kenne in Europa<br />

kein vergleichbares Projekt. Die Kehrseite<br />

der Medaille: Sie wurde bereits nach<br />

neun Monaten verboten. Wer sich für<br />

weiblichen Journalismus im arabischen<br />

Raum interessiert, wird von „Journalistinnen<br />

im Tschador“ nicht enttäuscht<br />

werden. Frau erhält einen historischen<br />

Überblick über die Entwicklung von<br />

Frauenzeitungen, wobei auf gegenwärtige<br />

Strömungen ein Schwerpunkt gelegt<br />

wird. Die Schilderung politischer<br />

und gesellschaftlicher Zusammenhänge,<br />

ergänzt durch Interviews und einer<br />

Leserinnenbefragung, machen das<br />

Buch auch für Laien interessant. Wer<br />

selbst im feministisch-journalistischen<br />

Bereich tätig ist, kann durch die Lektüre<br />

neue Hoffnung schöpfen!<br />

Heike Ehlers<br />

Lise J. Abid: Journalistinnen im Tschador<br />

Frauen und gesellschaftlicher Aufbruch im Iran.<br />

Brandes & Apsel/Südwind 2001, Euro 16,- (Ö)<br />

Im Fieber<br />

Da tummelt sich Allerlei auf dem sehr<br />

ungewöhnlichen Cover. Da tummeln<br />

sich auch viele Mosaiksteinchen zum<br />

Lebensbild einer Frau. Den Lebensthemen-Reigen<br />

über Liebe, Diskussionen<br />

mit Ernest Hemingway, großen Händen,<br />

Kröten namens Esmeralda und krakeliger<br />

Schrift beginnt die Erzählerin „mit<br />

gezücktem Bleistift auf einem Kamel<br />

reitend“. Sogar am Schluss, als sie beinahe<br />

zur Gänze von einem Krokodil verschlungen<br />

wird, lässt sie sich nicht vom<br />

Schreiben abhalten. Zwar als Roman bezeichnet,<br />

wirft die Autorin Irene Wondratsch<br />

alle Kennzeichen eines solchen<br />

über den Haufen. Kein linearer chronologischer<br />

Ablauf, stattdessen skurrilwitzige<br />

Blitzlichter auf Alltägliches, das<br />

manchmal in etwas ungewohnter Form<br />

auf die LeserIn zukommt. Da macht sich<br />

die Heldin beispielsweise auf in die<br />

Sommerfrische und plötzlich kommt ihr<br />

bei Böheimkirchen eine Herde Kürbisse<br />

„auf kurzen, aber kräftigen Beinen“ entgegen.<br />

Besonders spaßig: die Liebesnacht<br />

mit dem Krampus (die leider<br />

auch nicht erfüllend ist) oder die Rache<br />

des Däumlings, wenn ihn seine Unterkunftgeberin<br />

nicht ausreichend mit Karamellbonbons<br />

füttert (und er sie zur<br />

Strafe nach Simmering umleitet, obwohl<br />

sie ja nach Ottakring will). Dann<br />

gibt es da noch Ludwig, der sich ärgert<br />

über haar-verstopfte Abflüsse oder darüber,<br />

dass seine Liebste sich mit dem<br />

Haus in die Lüfte aufschwingt. Ob er<br />

sich auch ärgert, weil die LeserInnen bei<br />

der Lektüre der fantasievoll-kuriosen<br />

Texte beschwingt glucksen vor Lachen?<br />

Petra Öllinger<br />

Irene Wondratsch: Paris im Fieber wäre mir lieber<br />

Edition die Donau hinunter <strong>2002</strong>, EURO 18,- (Ö)<br />

Verboten, Verfolgt, Verhaftet<br />

Aufgrund ihrer sexuellen Orientierung<br />

werden Menschen in allen Teilen der Welt<br />

verfolgt und diskriminiert. In der dritten<br />

Auflage von „Das Schweigen brechen“<br />

dokumentiert die Menschenrechtsorganisation<br />

amnesty international zahlreiche<br />

neue Fälle von Menschenrechtsverletzungen.<br />

Im ersten Kapitel werden rechtliche<br />

Aspekte diskutiert. Obwohl das Menschenrechtskomitee<br />

der Vereinten Nationen<br />

dazu aufruft, Gesetze abzuschaffen,<br />

die Homosexualität diskriminieren, gibt<br />

es solche Gesetze noch immer in etwa<br />

siebzig Ländern. Beispiele für Menschenrechtsverletzungen<br />

an Lesben, Schwulen<br />

und Transgenderpersonen werden im<br />

zweiten Kapitel angeführt. Schließlich<br />

wird in einem dritten Kapitel die Arbeit<br />

zahlreicher Menschenrechtsorganisationen<br />

dokumentiert. Am Ende des Buches<br />

findet sich ein Überblick über die rechtlichen<br />

Bestimmungen in den einzelnen<br />

Ländern. Ein materialreiches Nachschlagewerk<br />

und ein wichtiger Beitrag,„das<br />

Schweigen zu brechen“.<br />

Verena Fabris<br />

Das Schweigen brechen: Menschenrechtsverletzungen<br />

aufgrund sexueller Orientierung<br />

Hg. von Wolfgang Dinkelberg, Eva Gundermann, Kerstin Hanenkamp<br />

und Claudia Koltzenburg. Querverlag 2001 EUR 12,90 (Ö)<br />

neu.land<br />

Jasmina Jankovic’<br />

Ein bestimmtes Stück Papier<br />

lese.zeichen<br />

Foto: Pez Hejduk<br />

Mi und Ma haben endlich einen Termin zur Verleihung der<br />

Staatsbürgerschaft bekommen, sage ich zu No. So ein<br />

Glück! Was soll daran so positiv sein? Nun ja, an sich ein<br />

bürokratischer Umstand, den du nicht beeinflussen kannst,<br />

der aber dein Leben positiv oder negativ bestimmt. Ein bestimmtes<br />

Stück Papier mit einer bestimmten Landbezeichnung,<br />

einem bestimmten Staatswappen, das dann bestimmt,<br />

wohin du reisen darfst, ob du wählen darfst, ob du<br />

eine geförderte Wohnung kaufen darfst oder nicht. Ein<br />

Stück Papier bestimmt, dass du Mensch zweiter Klasse bist.<br />

Immerhin leben wir in einer Klassengesellschaft. In diesem<br />

Land. In welchem du nicht auf der Durchreise bist, sondern<br />

in ihm lebst. Und arbeitest. Und Steuern zahlst. Und Wohnbauförderung<br />

finanzierst. Für andere. Weil dein bestimmtes<br />

Stück Papier nicht für dieses Land bestimmt ist. Deshalb<br />

kannst du mit deiner Stimme nicht bestimmen. Erst<br />

wenn du das für dieses Land bestimmte Stück Papier in den<br />

Händen hast, darfst du von deinen (staats)bürgerlichen<br />

Rechten Gebrauch machen und versuchen, mit deiner Stimme<br />

zu bestimmen. Was ja nicht automatisch heißt, dass du<br />

tatsächlich bestimmen wirst. Und dass du kein/e Ausländer/in<br />

mehr bist. Mi und Ma fragen, ob sie bei der Verleihung<br />

der Staatsbürgerschaft die Bundeshymne vorsingen<br />

müssen. Vielleicht, wer weiß? Aber eines ist sicher: Mit<br />

dem bestimmten Stück Papier dürfen sie eine geförderte<br />

Wohnung kaufen und können glücklich sein, dass sie einen<br />

ach so günstigen Kredit lebenslang zurückzahlen dürfen.<br />

Und No meint auch weiterhin: Was soll daran so positiv<br />

sein? Nun, der gute alte Brecht wusste Bescheid und<br />

schrieb schon damals, vor zweiundsechzig Jahren: „Der<br />

Pass ist der edelste Teil von einem Menschen.“<br />

Mit dem für dieses Land bestimmten Stück Papier bekommen<br />

Mi und Ma ihren edelsten Teil. Und können hoffen,<br />

dass sie durch dieses edle Stück Papier vielleicht auch als<br />

Menschen zur Gänze anerkannt werden. In diesem (staatsbürgerlich)<br />

bestimmten Land.<br />

juli august <strong>2002</strong>an.<strong>schläge</strong> 41

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