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unterliegt:„Eine schrankenlose Freiheit<br />
könnte zerstörerisch wirken und die<br />
Freiheit selbst ad absurdum führen“,<br />
meint etwa die iranische Vizepräsidentin<br />
Massoumeh Ebtekar im Interview<br />
mit der Autorin Abid. Trotzdem gibt es<br />
im Iran zahlreiche Frauenzeitungen. Sogar<br />
eine „Tageszeitung der Frau“, herausgegeben<br />
von Fa`zeh Haschemi, die sich<br />
über einen Absatz von 50.000 Stück<br />
freuen konnte. – Ich kenne in Europa<br />
kein vergleichbares Projekt. Die Kehrseite<br />
der Medaille: Sie wurde bereits nach<br />
neun Monaten verboten. Wer sich für<br />
weiblichen Journalismus im arabischen<br />
Raum interessiert, wird von „Journalistinnen<br />
im Tschador“ nicht enttäuscht<br />
werden. Frau erhält einen historischen<br />
Überblick über die Entwicklung von<br />
Frauenzeitungen, wobei auf gegenwärtige<br />
Strömungen ein Schwerpunkt gelegt<br />
wird. Die Schilderung politischer<br />
und gesellschaftlicher Zusammenhänge,<br />
ergänzt durch Interviews und einer<br />
Leserinnenbefragung, machen das<br />
Buch auch für Laien interessant. Wer<br />
selbst im feministisch-journalistischen<br />
Bereich tätig ist, kann durch die Lektüre<br />
neue Hoffnung schöpfen!<br />
Heike Ehlers<br />
Lise J. Abid: Journalistinnen im Tschador<br />
Frauen und gesellschaftlicher Aufbruch im Iran.<br />
Brandes & Apsel/Südwind 2001, Euro 16,- (Ö)<br />
Im Fieber<br />
Da tummelt sich Allerlei auf dem sehr<br />
ungewöhnlichen Cover. Da tummeln<br />
sich auch viele Mosaiksteinchen zum<br />
Lebensbild einer Frau. Den Lebensthemen-Reigen<br />
über Liebe, Diskussionen<br />
mit Ernest Hemingway, großen Händen,<br />
Kröten namens Esmeralda und krakeliger<br />
Schrift beginnt die Erzählerin „mit<br />
gezücktem Bleistift auf einem Kamel<br />
reitend“. Sogar am Schluss, als sie beinahe<br />
zur Gänze von einem Krokodil verschlungen<br />
wird, lässt sie sich nicht vom<br />
Schreiben abhalten. Zwar als Roman bezeichnet,<br />
wirft die Autorin Irene Wondratsch<br />
alle Kennzeichen eines solchen<br />
über den Haufen. Kein linearer chronologischer<br />
Ablauf, stattdessen skurrilwitzige<br />
Blitzlichter auf Alltägliches, das<br />
manchmal in etwas ungewohnter Form<br />
auf die LeserIn zukommt. Da macht sich<br />
die Heldin beispielsweise auf in die<br />
Sommerfrische und plötzlich kommt ihr<br />
bei Böheimkirchen eine Herde Kürbisse<br />
„auf kurzen, aber kräftigen Beinen“ entgegen.<br />
Besonders spaßig: die Liebesnacht<br />
mit dem Krampus (die leider<br />
auch nicht erfüllend ist) oder die Rache<br />
des Däumlings, wenn ihn seine Unterkunftgeberin<br />
nicht ausreichend mit Karamellbonbons<br />
füttert (und er sie zur<br />
Strafe nach Simmering umleitet, obwohl<br />
sie ja nach Ottakring will). Dann<br />
gibt es da noch Ludwig, der sich ärgert<br />
über haar-verstopfte Abflüsse oder darüber,<br />
dass seine Liebste sich mit dem<br />
Haus in die Lüfte aufschwingt. Ob er<br />
sich auch ärgert, weil die LeserInnen bei<br />
der Lektüre der fantasievoll-kuriosen<br />
Texte beschwingt glucksen vor Lachen?<br />
Petra Öllinger<br />
Irene Wondratsch: Paris im Fieber wäre mir lieber<br />
Edition die Donau hinunter <strong>2002</strong>, EURO 18,- (Ö)<br />
Verboten, Verfolgt, Verhaftet<br />
Aufgrund ihrer sexuellen Orientierung<br />
werden Menschen in allen Teilen der Welt<br />
verfolgt und diskriminiert. In der dritten<br />
Auflage von „Das Schweigen brechen“<br />
dokumentiert die Menschenrechtsorganisation<br />
amnesty international zahlreiche<br />
neue Fälle von Menschenrechtsverletzungen.<br />
Im ersten Kapitel werden rechtliche<br />
Aspekte diskutiert. Obwohl das Menschenrechtskomitee<br />
der Vereinten Nationen<br />
dazu aufruft, Gesetze abzuschaffen,<br />
die Homosexualität diskriminieren, gibt<br />
es solche Gesetze noch immer in etwa<br />
siebzig Ländern. Beispiele für Menschenrechtsverletzungen<br />
an Lesben, Schwulen<br />
und Transgenderpersonen werden im<br />
zweiten Kapitel angeführt. Schließlich<br />
wird in einem dritten Kapitel die Arbeit<br />
zahlreicher Menschenrechtsorganisationen<br />
dokumentiert. Am Ende des Buches<br />
findet sich ein Überblick über die rechtlichen<br />
Bestimmungen in den einzelnen<br />
Ländern. Ein materialreiches Nachschlagewerk<br />
und ein wichtiger Beitrag,„das<br />
Schweigen zu brechen“.<br />
Verena Fabris<br />
Das Schweigen brechen: Menschenrechtsverletzungen<br />
aufgrund sexueller Orientierung<br />
Hg. von Wolfgang Dinkelberg, Eva Gundermann, Kerstin Hanenkamp<br />
und Claudia Koltzenburg. Querverlag 2001 EUR 12,90 (Ö)<br />
neu.land<br />
Jasmina Jankovic’<br />
Ein bestimmtes Stück Papier<br />
lese.zeichen<br />
Foto: Pez Hejduk<br />
Mi und Ma haben endlich einen Termin zur Verleihung der<br />
Staatsbürgerschaft bekommen, sage ich zu No. So ein<br />
Glück! Was soll daran so positiv sein? Nun ja, an sich ein<br />
bürokratischer Umstand, den du nicht beeinflussen kannst,<br />
der aber dein Leben positiv oder negativ bestimmt. Ein bestimmtes<br />
Stück Papier mit einer bestimmten Landbezeichnung,<br />
einem bestimmten Staatswappen, das dann bestimmt,<br />
wohin du reisen darfst, ob du wählen darfst, ob du<br />
eine geförderte Wohnung kaufen darfst oder nicht. Ein<br />
Stück Papier bestimmt, dass du Mensch zweiter Klasse bist.<br />
Immerhin leben wir in einer Klassengesellschaft. In diesem<br />
Land. In welchem du nicht auf der Durchreise bist, sondern<br />
in ihm lebst. Und arbeitest. Und Steuern zahlst. Und Wohnbauförderung<br />
finanzierst. Für andere. Weil dein bestimmtes<br />
Stück Papier nicht für dieses Land bestimmt ist. Deshalb<br />
kannst du mit deiner Stimme nicht bestimmen. Erst<br />
wenn du das für dieses Land bestimmte Stück Papier in den<br />
Händen hast, darfst du von deinen (staats)bürgerlichen<br />
Rechten Gebrauch machen und versuchen, mit deiner Stimme<br />
zu bestimmen. Was ja nicht automatisch heißt, dass du<br />
tatsächlich bestimmen wirst. Und dass du kein/e Ausländer/in<br />
mehr bist. Mi und Ma fragen, ob sie bei der Verleihung<br />
der Staatsbürgerschaft die Bundeshymne vorsingen<br />
müssen. Vielleicht, wer weiß? Aber eines ist sicher: Mit<br />
dem bestimmten Stück Papier dürfen sie eine geförderte<br />
Wohnung kaufen und können glücklich sein, dass sie einen<br />
ach so günstigen Kredit lebenslang zurückzahlen dürfen.<br />
Und No meint auch weiterhin: Was soll daran so positiv<br />
sein? Nun, der gute alte Brecht wusste Bescheid und<br />
schrieb schon damals, vor zweiundsechzig Jahren: „Der<br />
Pass ist der edelste Teil von einem Menschen.“<br />
Mit dem für dieses Land bestimmten Stück Papier bekommen<br />
Mi und Ma ihren edelsten Teil. Und können hoffen,<br />
dass sie durch dieses edle Stück Papier vielleicht auch als<br />
Menschen zur Gänze anerkannt werden. In diesem (staatsbürgerlich)<br />
bestimmten Land.<br />
juli august <strong>2002</strong>an.<strong>schläge</strong> 41