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Ida Bender: Schön ist die Jugend… - Geschichte der Wolgadeutschen

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nähte für <strong>die</strong> ‚Schauspieler’ grauhaarige Perücken aus Hanf. Proben<br />

fanden an den Abenden in <strong>der</strong> Schule statt. Alfons war auch dabei.<br />

Ob sich das damals schon auf seine spätere Berufswahl ausgewirkt<br />

hat?<br />

Das Dorf lebte in Erwartung <strong>der</strong> Inszenierung, sie war in aller Munde.<br />

So etwas hatte es in Marienfeld noch nie gegeben. An <strong>die</strong> Aufführung<br />

kann ich mich nicht erinnern, aber <strong>die</strong> vielen Vorbereitungen,<br />

<strong>die</strong> Aufregung davor, das blieb in meinem Gedächtnis.<br />

Viele Jahre später, 1975, besuchte Vater <strong>die</strong> Stadt Krassnoturjinsk<br />

im Ural. Dort hatte es während des Krieges mehrere Zwangsarbeitslager<br />

für Russlanddeutsche gegeben. Nachdem <strong>die</strong> Stacheldrahtumzäunung<br />

1948 entfernt wurde, mussten <strong>die</strong> verbannten Deutschen<br />

hier in den Baracken weiter wohnen bleiben. Nur langsam, nach und<br />

nach konnten sie sich bessere Wohnungen errichten. Vater wollte<br />

einen Briefpartner in Krassnoturjinsk aufsuchen, vor einem Haus sah<br />

er zwei Männer, <strong>die</strong> sich unterhielten. Vater fragte auf Russisch: „Wo<br />

finde ich hier <strong>die</strong> Nummer 78 auf <strong>der</strong> Krassnaja Straße?“ Einer <strong>der</strong><br />

Männer guckte ihn forsch an und sagte auf Wolgadeutsch: „Mann,<br />

wie is eier Name? Ich glaab Hollmann, dr Domnik-Lehrer!“ „Ja“, antwortete<br />

mein Vater. „Aber ich kenne Sie nicht. Wer sind Sie?“ „M<br />

Kunrade Scheppe sein Bu, aus Spatzekutter, Marienfeld. Ich war<br />

noch klaa, 6 Johr, awer an <strong>die</strong> Theatervorstellung Kirgisermichel<br />

kann ich mich noch gut erinnern. Des war selemol was Außergewöhnliches.<br />

Kommt, kommt herein, ruht eich aus“.<br />

Das muss wohl wirklich ein außergewöhnliches Ereignis gewesen<br />

sein, dass es 30 Jahre danach noch solche freudigen Erinnerungen<br />

ausgelöst hat.<br />

…<br />

1935. Die Jahre von Vaters Studium gingen dem erfolgreichen Ende<br />

zu. Vier Jahre vollauf angefüllt mit mühevoller Arbeit, mit vielen<br />

Entbehrungen, mit Missständen, großen Anstrengungen, mit Nach-<br />

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