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Virtuelle Gegenöffentlichkeit und Ausweg aus dem ... - MIK NRW

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<strong>Virtuelle</strong> <strong>Gegenöffentlichkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausweg</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> „rechten Ghetto“ 293<br />

<strong>NRW</strong> 2006: 54). Diese CDs spiegeln die Verbreiterung der rechtsextremistischen Musiklandschaft<br />

– vom treibenden Skinhead-Rock bis zur melancholischen Ballade. Strafrechtlich<br />

relevante Inhalte sind auf den „Schulhof-CDs“ der NPD nicht zu finden. Die Partei, die<br />

auf eine junge Mitgliederstruktur verweist <strong>und</strong> Jungwähler als zentrale Zielgruppe sieht, ist<br />

auch im Netz besonders aktiv: Auf ihren Websites ist eine rechtsextremistische Agitation<br />

im jugendgerechten Gewand zu finden, zu deren Gr<strong>und</strong>lagen multimediale Wahlwerbung,<br />

Musik als Köder, „jugendaffine Themen <strong>und</strong> <strong>dem</strong>okratiefeindliche Sozial<strong>dem</strong>agogie“ zählen.<br />

2 In Kreis- <strong>und</strong> Landesverbänden der NPD sind zu<strong>dem</strong> mehrere Jugendzeitschriften<br />

entstanden – wie „stachel“ (Berlin/Brandenburg), „Schinderhannes (Rheinland-Pfalz), „Jugend<br />

Rebelliert“ (Sachsen-Anhalt) oder „perplex“ (Sachsen) –, die überwiegend im Vierfarbdruck,<br />

teils in bemerkenswert modernen Designs <strong>und</strong> in einigen Fällen in mehreren<br />

Ausgaben erschienen sind. Darüber hin<strong>aus</strong> hat die rechtsgerichtete <strong>und</strong> vom Verfassungsschutz<br />

<strong>NRW</strong> beobachtete Organisation „pro Köln“ vier Ausgaben der Zeitschrift „Objektiv“<br />

veröffentlicht. In besonders markanter Form zeigen solche Jugendzeitschriften typische<br />

Diskursstrategien, mit denen rechtsextremistische Medien Jugendliche ansprechen: die<br />

Gleichzeitigkeit von Provokation <strong>und</strong> Tarnung. Viele Periodika stellen ihren provokanten<br />

Charakter <strong>aus</strong>drücklich <strong>und</strong> werbewirksam her<strong>aus</strong>, mitunter inszenieren sich die Autoren<br />

als Enthüller unbequemer Wahrheiten, die andere „auf die Palme bringen“ („perplex“) –<br />

andererseits nehmen sie eine wahrhaft <strong>dem</strong>okratische, aufgeklärte (oder auch „objektive“)<br />

Haltung in Anspruch, unterstreichen eine vorgebliche Seriosität durch den Bezug auf<br />

glaubwürdige Quellen oder greifen die öffentliche Warnung vor <strong>dem</strong> Rechtsextremismus<br />

ironisch auf <strong>und</strong> machen sie auf diese Weise lächerlich (vgl. Pfeiffer 2008: 300f.).<br />

Solche (Jugend-)Medien haben entscheidend zum Entstehen einer Erlebniswelt<br />

Rechtsextremismus beigetragen. Diese Erlebniswelt ist von einem modernisierten Erscheinungsbild<br />

geprägt – in ihr verschmelzen Lebensgefühl, Freizeitaktivitäten <strong>und</strong> politische<br />

Botschaften. Der Begriff meint alle Formen jugendgerechter Angebote der Szene, insbesondere<br />

solche, die mit Aktion verb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> Unterhaltungsmöglichkeiten unter<br />

rechtsextremistischen Vorzeichen liefern. Zu den Unterhaltungs- <strong>und</strong> Freizeitangeboten der<br />

Szene zählt neben den Medien ein breiter Fächer unmittelbar politischer oder politisch<br />

aufgeladener Events, wie Demonstrationen, Konzerte, Liederabende, volksfestartige Veranstaltungen<br />

oder Wochenend<strong>aus</strong>flüge. Gruppengefühle – das Versprechen von Kameradschaft,<br />

sozialer Heimat, Zusammenhalt in unsicheren Zeiten – sind zentraler Bestandteil der<br />

Erlebniswelt Rechtsextremismus. Spaß <strong>und</strong> Unterhaltung als Werbemittel sind keine zufälligen<br />

Erscheinungen, vielmehr ist der Aufbau der Erlebniswelt zumindest teilweise ein<br />

bewusster, strategisch motivierter Prozess, der mit <strong>dem</strong> rechtsextremistischen Skinhead-<br />

Aktivisten Ian Stuart in den 1980er Jahren seinen Anfang nahm <strong>und</strong> mit Aktionen wie <strong>dem</strong><br />

„Projekt Schulhof“ bzw. den „Schulhof-CDs“ deutlicher <strong>und</strong> systematischer hervortritt<br />

(vgl. Pfeiffer: 2007: 44ff.). Für die Verknüpfung politischer Inhalte mit jugendaffinen,<br />

unterhaltenden Formen ist das interaktive Multimedium Web 2.0 mit seiner nach wie vor<br />

stark von jungen Menschen geprägten Nutzerschaft ein geradezu ideales Instrument.<br />

2 jugendschutz.net: Jugendgefährdende Inhalte auf NPD-Angeboten. In:<br />

http://www.jugendschutz.net/pdf/Recherchebericht_NPD_Sept06.pdf (zuletzt abgerufen am 10.07.2008)

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