Virtuelle Gegenöffentlichkeit und Ausweg aus dem ... - MIK NRW
Virtuelle Gegenöffentlichkeit und Ausweg aus dem ... - MIK NRW
Virtuelle Gegenöffentlichkeit und Ausweg aus dem ... - MIK NRW
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
296 Thomas Pfeiffer<br />
Heute umfasst die Seite eine Sammlung von Diskussionsforen zu zahlreichen Themen<br />
(„Stormfront White Nationalist Community“). Rechtsextremistische Webforen dienen als<br />
Informations- <strong>und</strong> Kontaktbörsen sowie als Unterhaltungsplattform für Szenegänger. In<br />
diesen Funktionen tragen sie erheblich zur Vernetzung bei. Einzelne deutschsprachige Foren<br />
weisen Nutzerzahlen im vierstelligen Bereich auf: So hat sich Anfang 2007 vom mehrsprachigen<br />
„Skadi-Forum“ das deutschsprachige „Thiazi-Forum“ („Germanische Weltnetzgemeinschaft“)<br />
abgespalten, das inzwischen über mehr als 17.000 aktive Nutzer verfügt.<br />
Ein wichtiges Nachrichtenportal für den deutschsprachigen Raum ist darüber hin<strong>aus</strong> der<br />
Weblog „Altermedia“ („World Wide News For People of European Descent“), der auch die<br />
Inhalte des seit 1997 bestehenden Portals stoertebeker.net <strong>aus</strong> Mecklenburg-Vorpommern<br />
spiegelt. Das Portal fordert die Nutzer auf, eigene Beiträge <strong>und</strong> empfehlenswerte Internet-<br />
Einstellungen an die Redaktion zu schicken. Im Unterschied zu „Indymedia“ sind so genannte<br />
„Open Postings“, die unmittelbar im Netz erscheinen würden, nicht möglich. Die<br />
„Altermedia“-Hauptseite in den USA hatte ursprünglich der frühere Klan-Aktivist David<br />
Duke eingerichtet – sie verweist inzwischen auf 23 nationale Bereiche.<br />
In Webforen finden virtuelle Begegnungen mit saloppem, nicht selten rauem Umgangston<br />
statt. In dieser Umgebung entwickelt sich eine tatsächliche oder empf<strong>und</strong>ene<br />
Vertrautheit regelmäßiger User, die Forum-Communities entstehen lässt. Unmittelbare<br />
Kontakte können Forumstreffen stiften, die in den unterschiedlichsten Foren des Internets<br />
recht häufig verabredet werden, gelegentlich auch in rechtsextremistischen. 4 Somit finden<br />
Diskussionen in Webforen zwar in vertraulicher Atmosphäre, gr<strong>und</strong>sätzlich aber<br />
(netz)öffentlich <strong>und</strong> damit ungeschützt statt. Daher sprechen sich rechtsextremistische Aktivisten<br />
seit einigen Jahren dafür <strong>aus</strong>, interne Diskussionen <strong>aus</strong>schließlich in Foren zu führen,<br />
die nur nach Anmeldung eingesehen werden können <strong>und</strong> auf Verschlüsselungssoftware<br />
für vertrauliche Nachrichten zurückzugreifen. Die meisten rechtsextremistischen Foren<br />
umfassen inzwischen durch Passwörter geschützte Bereiche (vgl. B<strong>und</strong>esministerium des<br />
Innern 2008: 49).<br />
Neben den Foren sind Portale der „Aktionsbüros“, „Kameradschaften“ oder kameradschaftsähnlicher<br />
Gruppen wichtige Vernetzungsinstrumente im neonazistischen Teilbereich<br />
des Rechtsextremismus. „Aktionsbüros“ verstehen ihre Websites als Informationsknoten<br />
für Aktivisten <strong>und</strong> Gruppen insbesondere auf regionaler Ebene. Auch im Netz zählt das<br />
„Aktionsbüro Norddeutschland“ zu den aktivsten. Seine Website bietet Verbindungen zu<br />
praktisch allen ihm nahe stehenden neonazistischen Gruppen überwiegend in Hamburg,<br />
Bremen, Niedersachsen <strong>und</strong> Schleswig-Holstein, aber auch zu wichtigen Portalen b<strong>und</strong>esweit.<br />
Die „Aktionsbüros“ liefern aktuelle Übersichten über Termine neonazistischer Demonstrationen<br />
<strong>und</strong> K<strong>und</strong>gebungen (teilweise auch solche der NPD), Hinweise zu rechtlichen<br />
Auflagen, Kontakttelefonnummern oder Mailadressen für Anreiseinformationen sowie<br />
fertig gestaltete Flugblätter <strong>und</strong> Broschüren zum Download <strong>und</strong> weitergehende rechtliche<br />
Hinweise für Aktivisten.<br />
Bernd Nickolay spricht in seiner 1999 abgeschlossenen Studie über das Internet als<br />
Mobilisierungskapital einer rechtsextremistischen Bewegung von „umfassende[n] Vernetzungen“<br />
des „gesamten rechten Lagers im Internet“. Die einzelnen Einheiten seien in hohem<br />
Maße verb<strong>und</strong>en – nicht nur durch Links, sondern „in vielen Fällen auch durch die<br />
gegenseitige Übernahme ideologischer Texte <strong>und</strong> Schriften <strong>aus</strong> den verschiedenen Segmen-<br />
4 Fallbeispiel: vgl. Rechts 2005. Rechts – Extrem erfolgreich im Netz? In: http://www.im.nrw.de/sch/doks/vs/<br />
events.pdf (zuletzt abgerufen am 21.07.2008).