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Marxismus_und_Tierbefreiung_Antidot

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10 ― 11Die Befreiung von Mensch <strong>und</strong> TierEin Kampf mit linker TraditionEs ist noch weitgehend unbekannt, dass es für den Aufbau einer Bewegung für die Befreiung von Mensch <strong>und</strong> Tier zahlreichehistorische Vorbilder gibt: Zur Thematik existiert eine weit zurückreichende, genuin linke theoretische – <strong>und</strong> auchpraktische – Tradition. Die Solidarität mit Arbeitstieren als Ausgebeutete konnte bereits seit den Anfängen der Entwicklungkapitalistischer Gesellschaftsformen als integrales Element revolutionärer Theorie <strong>und</strong> Praxis fungieren.Der Scheidungsprozess von Produzent<strong>und</strong> Produktionsmittel bildet dieGr<strong>und</strong>lage der kapitalistischen Produktionsweise:Die Vertreibung desAckerbauers von Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden entriss ihmseine Mittel zur Selbstversorgung <strong>und</strong> machteihn zum Proletarier, wie es im Kapital von KarlMarx heisst. Diese gesellschaftliche Umwälzungwar eng mit der industriellen Ausbeutung vonTieren verb<strong>und</strong>en: In der Industrie, in welcherdie LohnarbeiterInnen ihre Arbeitskraft verausgabenmussten, wurde vermehrt auch dieArbeitskraft von Tieren eingesetzt. Angehörigeder proletarischen Klasse sahen Gemeinsamkeitenin ihrer eigenen Ausbeutung <strong>und</strong> derjenigenvon Tieren – <strong>und</strong> genau hier liegt der Ursprungdes <strong>Tierbefreiung</strong>sgedankens.Die Anschauung, welche unter der Herrschaftdes Privateigentums <strong>und</strong> des Geldes von derNatur gewonnen werde, sei «die wirkliche Ver ­achtung, die praktische Herabwürdigung derNatur», schreibt Marx <strong>und</strong> bezieht sich in diesemSinne auf den Reformator <strong>und</strong> Revolutionärin der Zeit des Bauernkrieges, ThomasMünzer, der es für unerträglich erklärt hatte,«dass alle Kreatur zum Eigentum gemacht wordensei, die Fische im Wasser, die Vögel in derLuft, das Gewächs auf Erden – auch die Kreaturmüsse frei werden». Im Gang der Geschichtewurde dieser Zusammenhang immer wiedervon progressiven Personen <strong>und</strong> Bewegungenerkannt, die folgerichtig die Erweiterung desemanzipatorischen Imperativs über den Menschenhinaus forderten. «Im Kern meiner Empörunggegen die Starken finde ich, soweit ichzurückdenken kann, meinen Abscheu gegendie Tierquälerei wieder», schreibt z. B. LouiseMichel, die berühmte Kämpferin der PariserKommune, in ihren Memoiren. Weiter heisst esdort: «Von der Zeit, da ich auf dem Land dieGrausamkeiten gegen die Tiere erlebte <strong>und</strong> dasentsetzliche Bild ihrer Lebensbedingungen er ­fasste, stammt mein Mitleid für sie <strong>und</strong> dadurchmein Bewusstsein über die Verbrechender Macht. So handeln die Führenden mit denVölkern! Ich konnte nicht umhin, diese Überlegungirgendwann anzustellen.» Michel fordertnicht weniger als die vollkommene Freiheit:«Alles, alles muss befreit werden, die Geschöpfe<strong>und</strong> die Welt.»Kampf gegen die Sklaverei Im Gegensatz zuden ProletarierInnen sind der versklavte Mensch<strong>und</strong> das domestizierte Tier nicht «frei», ihreArbeitskraft zu veräussern; vielmehr gehörensie selbst vollständig – mit ihrem Körper, ihrerArbeitskraft, ihren Nachkommen – ihren BesitzerInnen.Noch offensichtlicher <strong>und</strong> unvermittelterfindet hier Ausbeutung statt – direkteraber äussert sich mitunter auch die Solidarität:Das Bewusstsein darüber, dass ArbeitstiereLeidensgenossen sind, kommt in den Stimmenvon SklavInnen deutlich zum Ausdruck. FrederickDouglass etwa verglich im 19. Jahrh<strong>und</strong>ertseine Situation mit derjenigen von Ochsen:«Ich sah nun, in meiner Situation, einige Ähnlichkeitmit jener von Ochsen. Sie waren Besitz,<strong>und</strong> so war ich es; sie sollten gebrochen werden,<strong>und</strong> ich ebenso.»Entsprechend spielen Ansätze von <strong>Tierbefreiung</strong><strong>und</strong> Vegetarismus eine wichtige Rolle inder Anti-Sklaverei-Bewegung, <strong>und</strong> zwar vonAnfang an: Eines der ersten Werke, das sichausschliesslich dem Abolitionismus, also derAbschaffung der Sklaverei, widmete, war AllSlave-Keepers that Keep the Innocent in Bondage(1737) von Benjamin Lay – übrigens gedrucktvon Benjamin Franklin. Lays Argumente gegendie Haltung von SklavInnen <strong>und</strong> für denVegetarismus sind nicht zu trennen: Er wollteschlicht keine Erzeugnisse gebrauchen oderDienstleistungen in Anspruch nehmen, die dasErgebnis von SklavInnenarbeit waren – ob diesenun von Menschen oder von Tieren verrichtetworden war. Lay beeinflusste Genera tionenvon Gegnern <strong>und</strong> Gegnerinnen der Sklaverei,die seine Praxis teilweise annahmen <strong>und</strong> fortführten.Frauen- <strong>und</strong> Tierrechtsbewegung Einem kleinenStück einer doppelt verschwiegenen Geschichtekann man auf den versteckt liegendenPfaden des Londoner Battersea-Parks nachspüren:Kaum auffindbar, am Rand eines Wegesnahe des Old English Garden, steht die Statueeines H<strong>und</strong>es. Sie wurde 1985 gestiftet, um einim Jahr 1910 aus dem Park entferntes Denkmalzu ersetzen, das dort stellvertretend für alleOpfer von Tierexperimenten errichtet wordenwar. Die H<strong>und</strong>e-Statue erinnert nicht nur daran,dass im 19. <strong>und</strong> im frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>ertbemerkenswerte Allianzen zwischen der Antivivisektions-<strong>und</strong> der ArbeiterInnenbewegungexistierten – prominente VertreterInnen der Ar ­beiter Innenbewegung unterzeichnen 1896 einManifest gegen die Vivisektion, in dem esheisst: «Solches Experimentieren an lebendenTieren widerspricht den wirklichen Empfindungen<strong>und</strong> wahren Interessen der arbeitendenKlasse», – sondern sie ist auch ein Denkmalfür die engen Verbindungen zwischen derFrauen- <strong>und</strong> der ersten Tierrechtsbewegung.Forscht man nach, so erfährt man, dass die feministischeBewegung im England des frühen20. Jahrh<strong>und</strong>erts derart mit der Tierrechtsbewegungverb<strong>und</strong>en war, dass die MedizinstudentInnendes University College, die ab 1906gegen die Aufstellung des Denkmals protestierten,Antivivisektions- <strong>und</strong> Frauenwahlrechtsbewegunggleichsetzten: Sie störten zahlreicheVeranstaltungen letzterer, um gegen ersterevor zugehen. Die StudentInnen versuchten immerwieder, das Denkmal zu zerstören, stiessendabei aber auf den vehementen Widerstandder VivisektionsgegnerInnen sowie der Bevölkerungdes ArbeiterInnenviertels, die in demH<strong>und</strong> offenbar ein Symbol für ihre eigene Un­

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