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Marxismus_und_Tierbefreiung_Antidot

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22 ― 23Vegan for ProfitÜber «LOHAS-People» <strong>und</strong> grüne Wachstumsmärkte, Life style-VeganerInnen <strong>und</strong> «radikale Bekehrer» – <strong>und</strong> warumTierrechtsbewegte sich fragen sollten, wie der Kapitalismus eigentlich funktioniert.Wer sich noch vor zehn Jahren für einevegane Lebensweise entschloss,dem waren Spott <strong>und</strong> Argwohnsicher. VeganerInnen galten als zartbesaitete Naivlinge, penetrante Müsli-MoralistInnen,VerzichtsethikerInnen <strong>und</strong> quengeligeKostverächterInnen, die einem den Einkauf <strong>und</strong>den Restaurantbesuch vermiesen. EntsprechendGeistreiches bekamen Tierrechts- <strong>und</strong> <strong>Tierbefreiung</strong>saktive bei Infoständen in den Fussgängerzonen zu hören. Die Zahl der Vegan-Versandshops <strong>und</strong> veganen Restaurants warüberschaubar <strong>und</strong> manche Vegan-Produktewaren wirklich ungeniessbar. Und was «vegan»überhaupt heisst, das musste man in diversenWG-Küchen, Cafés <strong>und</strong> Restaurants erst mühsamerklären.Mittlerweile hat sich einiges geändert. Nochnie war es in den westlichen Industrienationenso einfach wie heute, vegan zu leben <strong>und</strong> mitden Gründen dafür auch auf offene Ohren zustossen. Veganismus hat seinen Platz in den Ernährungsplänen<strong>und</strong> den Szenelokalen urbanerMetropolen gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ist zum «Hot Topic»diverser Talkshows <strong>und</strong> Diskussionsr<strong>und</strong>enavanciert. Vegane Supermärkte, Restaurants<strong>und</strong> Imbisslokale spriessen geradezu aus demBoden. Auch in der Schweiz scheint veganeKüche – wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) imvergangenen Juli schrieb – buchstäblich «inaller M<strong>und</strong>e» zu sein. Und das Versprechen istverlockend: Wer vegan lebt, braucht auf nichtsmehr zu verzichten, lebt gesünder <strong>und</strong> tutgleichzeitig etwas für die Tiere, den Planeten<strong>und</strong> sich selbst. Klingt doch prima, oder?Vegan ist Pop Lifestyle-Veganismus ist en vogue.Und das wachsende Interesse an der «grünen»,veganen Lebensweise ist auch ein Indikatorfür einen gesellschaftlichen Wandel: Angesichtsdrohender ökologischer Krisen <strong>und</strong> derdiversen Lebensmittelskandale <strong>und</strong> kriti schenBerichte über die industrielle Fleischpro duktionsuchen Teile der Gesellschaft nach alternativen<strong>und</strong> nachhaltigen Lebensweisen, diesie in ihren konkreten Alltag übersetzen können.Die Öffentlichkeit wird empfänglicher fürdie moralischen, ökologischen <strong>und</strong> sozialenArgumente für eine vegane Lebensweise, <strong>und</strong>derzeit deutet nichts darauf hin, dass sich dasso bald wieder ändern wird. Für Tierrechts<strong>und</strong><strong>Tierbefreiung</strong>sbewegte ja doch eigentlichoptimale Bedingungen.Und hier die schlechte Nachricht: Für die, dieernsthaft an einem f<strong>und</strong>amentalen Wandel imVerhältnis von Mensch <strong>und</strong> Tier interessiertsind, ist der Lifestyle-Veganismus mittlerweileeine echte Bedrohung. Denn der Weg in dieKoch- <strong>und</strong> Talkshows <strong>und</strong> Society-Magazinewird nicht nur mit einer völligen Entpolitisierungerkauft, die die ökologischen <strong>und</strong> moralischenArgumente dem neoliberalen Zeitgeistandienen will, statt diesen als Teil des Problemszu kritisieren. Schlimmer noch: Er funktioniertgerade durch die Abgrenzung von den vermeintlich«extremen», «intoleranten» <strong>und</strong>«radi kalen» <strong>Tierbefreiung</strong>saktivistInnen <strong>und</strong>bemüht dazu das Bild vom militanten Tierschutz-Fanatismus,mit dem man Tierrechtsbewegteseit jeher diffamieren will. Der Lifestyle-Veganismuslenkt das Streben nach einemgesellschaftlichen Wandel in konformistische,marktförmige Bahnen <strong>und</strong> diskreditiert dabeiauch noch jene, die der Tierausbeutung ernsthaftein Ende bereiten wollen.Ein Wachstumsmarkt «Man kann die traditionellengrossen Lebensmittelkonzerne [...] nichtschlagen. Aber man kann sie kaufen. Wenn siesehen, dass mit Tofu <strong>und</strong> Soja im grossen StilGeld zu machen ist, sogar weltweit, werden sieumdenken», meint Jan Bredack, Gründer <strong>und</strong>Geschäftsführer der veganen SupermarktketteVeganz, in seinem Buch Vegan für alle. Der ehemaligeMercedes-Manager, der nach einem Burn-Out sein Leben umkrempelte <strong>und</strong> Veganerwurde, präsentiert sich darin als geläuterterÖko-Unternehmer, der den Kapitalismus jetztnutzen will, um Veganismus salonfähig <strong>und</strong>die Welt besser <strong>und</strong> grüner zu machen. SeinCredo: «Solange wir in einem System des BigBusiness leben, ist Big Business also nicht derFeind – sondern der Schlüssel für alle Veränderung.»Bis Ende 2015 soll es in ganz Europa21 Veganz-Filialen geben.Auf die Zauberkräfte der Marktwirtschaft vertrautman auch im von der veganen gesellschaftdeutschland herausgegebenen vegan magazin:«Die vegane Bewegung ist ein Wachstumsmarkt<strong>und</strong> setzt weltweit Schritt für Schritteinen ethischen Bewusstseinswandel in Gang»,wird dort euphorisch verkündet. Bei der amKiosk erhältlichen Zeitschrift ist man deshalbsichtlich bemüht, sich als vegane Version gängigerLifestyle- <strong>und</strong> Society-Magazine à la VanityFair zu inszenieren.Damit liegen die hippen VeganerInnen ziemlichim Trend: Der Lifestyle of Health and Sustainability,kurz LOHAS, ist auf dem Vormarsch. DieBeweggründe für eine vegane oder «grüne»Lebensweise sind unterschiedlich, eines habendie «Neuen Ökos» <strong>und</strong> Lifestyle-VeganerInnenjedoch gemein: Nicht klassischer politischerAktivismus, sondern der eigene Konsum <strong>und</strong>die individuelle Lebensführung sollen die Weltzu einem besseren, faireren Ort machen. Mitihren Vegan-Shops, Kochbüchern <strong>und</strong> Bio-Fair-Vegan-Bistros wollen sie dazu einen Beitragleisten.Grüne Klassenversöhnung Damit keine Mis s-verständnisse aufkommen: Niemand behauptet,dass wir grüne technologische Innovation,faire <strong>und</strong> nachhaltige Produkte sowie eineVeränderung unserer Lebensweisen nicht tatsächlichbräuchten. Und auch Öko-UnternehmerInnenwie Jan Bredack mögen nette Typensein, die nur das Beste wollen. Das Probleman der LOHAS-Ideologie ist ein anderes: Sieschiebt Probleme, die der Wachstumszwang derkapitalistischen Marktwirtschaft <strong>und</strong> ihr aufbrutale Konkurrenz gegründetes Wettbewerbssystemnotwendig erzeugen müssen, auf dasindividuelle Konsumverhalten <strong>und</strong> die Verantwortungder KonsumentInnen ab. Nicht nurdie Ursache, sondern auch die gesellschaftlichhöchst ungleich verteilten Möglichkeiten zurLösung dieser Probleme werden damit verschleiert.Die ökologische <strong>und</strong> die soziale Frage

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