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Marxismus_und_Tierbefreiung_Antidot

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Technologie könnte dann die zunehmendenNaturverbräuche bestenfalls verlangsamen. Eswäre für eine Wende hin zu substanzieller Naturentlastungnicht ausreichend, da eben dieWachstumsausmasse die Effizienzsteigerungenum ein Mehrfaches übersteigen. D.h. der Einsatzgrüner Technologie kann nur auf demHintergr<strong>und</strong> abnehmender ökonomisch-stofflicherProzesse ein wirksamer Beitrag zurLösung der ökologischen Krise sein.Wenn man also das Wachstumsdogma nicht inFrage stellt, bleibt erstens das Hoffen auf fastschon schlagartige Entwicklungen des technischenFortschritts, die u.a. dazu führen, dassder Verbrauch fossiler Brennstoffe nahezu vollständigreduziert wird <strong>und</strong> die Materialeigenschaftenherbeiführen, die zur Folge haben,dass nur ein Bruchteil von dem verbraucht wird,was bisher zum Wachstum der Ökonomie erforderlichist. Zweitens bleibt die Hoffnung aufdie rasche Umsetzung dieser (fiktiven) Technologienin nahezu sämtlichen ökologischbedeutenden ökonomischen Prozessen; <strong>und</strong>das muss drittens angesichts einer inzwischenglobalen Ökonomie weltweit ablaufen. Diesesteils unmögliche, teils sehr unwahrscheinlicheSzenario als Ausweg aus der globalen ökologischenKrise zu proklamieren, ist daher keineswegszielführend.Blosse moralische Apelle an die ProtagonistInnendes Wachstums – das Gros der PolitikerInnen,die KonsumentInnen der Massenware<strong>und</strong> insbesondere die UnternehmerInnen –haben bisher nicht ausgereicht <strong>und</strong> werdenauch in Zukunft nicht reichen, die Problemedes destruktiven Umgangs mit der Natur zulösen. Denn auch ohne die mangelnde moralischeIntegrität, die subjektive Gier nach Macht<strong>und</strong> Geld oder ohne die (teils vermeintlichen)Bedürfnisse nach den schönen, vielen Dingender Warenwelt, die den Alltag überfüllen, <strong>und</strong>auch mit einer hocheffizienten, von Technologiebestimmten Ökonomie, bleibt die innereLogik einer Wirtschaftsweise wirksam, die aufnichts abzielt, ausser auf die endlose Profitmaximierung.Bleibt es also bei einer blossenKritik an subjektiven Verhaltensweisen <strong>und</strong>Werthaltungen, ignoriert man weiterhin dieStruktur <strong>und</strong> wesentliche Funktionsweisender kapitalistischen Ökonomie, in der Wert<strong>und</strong> Stoff untrennbar sind.Kapitalismus <strong>und</strong> Wachstum: Eine untrennbareDauerbeziehung Um nun den Wachstumszwangdes Kapitalismus verstehen zu kön ­nen, muss man innere Funktionsweisen diesesSystems aufdecken. Das Kapital jagt im globalenKonkurrenzgeflecht mit anderen Kapitalennach bestmöglichen Standorten, grösstmöglichenMarktanteilen, immer neuen Investitionsräumen<strong>und</strong> immer höheren Renditen. Die(Natur)Stoffe, ebenso wie die Arbeitskraft,durch deren Einsatz die Profite hervorgehensollen, dienen in dieser Struktur lediglich alsMittel dem Zweck, die eingesetzte Kapitalsummeweitestgehend zu übertreffen. DiesemQuanti tativismus haben sich Menschen, Tiere<strong>und</strong> die übrige Natur instrumentell zu fügen.In seinem Buch Der Preis des Wohlstands bringtElmar Altvater diese kapitalistische Praxis aufden Punkt: «Die nichtnutzbaren Arten sindwertlos; Pflanzen sind Unkraut, nicht nutzbareBäume bilden den Unwald, Tiere sind Schädlinge<strong>und</strong> Stoffe sind Abraum. Über das ökologischeSystem, in dem Unkraut, Unwald <strong>und</strong>Schädlinge nützliche Wesen sind, wird die Folieder Selektion nach den Kriterien der Verwertbarkeitgelegt.»Es geht also primär nicht (mehr) um den ursprünglichenZweck einer Ökonomie – die Befriedigungvon Bedürfnissen; sie selbst, dieStoffe ihrer Befriedigung u.v.m. dienen derKapitalverwertung. So existiert eine verkehrteÖkonomie, die nicht primär dem Leben derSubjekte dient; die Subjekte, die restlicheNatur u.v.m. dienen einer zum Ersatzgottaufge blähten, verselbständigten Struktur des«immer mehr» mit konkreten, oftmals destruktivenFolgen.Die sogenannte Marktwirtschaft oder treffenderdie kapitalistische Ökonomie, in die dieMasslosigkeit wesentlich eingeschrieben ist,kann daher nicht einmal hellgrün sein. Siekann – um bei dem Farbengleichnis zu bleiben –bestenfalls einen sehr leichten Grünstich erhalten,nämlich dann, wenn grüne Technologie den Raubbau an der Natur verlangsamt.Wachstumsbegrenzungen oder gar -schrumpfungenwidersprechen dem Wesen der aufgrenzenloses Wachstum abzielenden kapitalistischenÖkonomie. Selbst bei der Realisie rung(bisher) unmöglicher Effizienzfortschrittemüs sten diese im Kampf gegen die Masslosigkeitimmer neue Stufen erklimmen. Immermehr Aufwand, d.h. auch stofflicher <strong>und</strong> energetischerAufwand, müsste betrieben werden,um dem fortschreitenden Wachstum folgen zukönnen.So «frisst» sich nicht nur das Wachstum selbstauf, indem immer mehr Wirtschaftsleistungaufgebracht werden muss, um die zerstörerischenFolgen des masslosen Wachstums zureparieren. Auch der technische Fortschritt«frisst sich selbst» <strong>und</strong> abgesehen davon istjeder Stoffumwandlungsprozess in der Naturbegrenzt <strong>und</strong> jeder Effizienzfortschritt stösstirgendwann an seine Grenzen. Das Kapitalkann dementgegen theoretisch endlos wachsen.Es kennt keine letzte Zahl bzw. eine Profithöhe,von der es heisst, «jetzt reicht es»; dennein Ende der «Jagd nach mehr» bedeutet imGeflecht der Konkurrenz die Gefahr des Scheiternsals KapitalunternehmerIn. So steigt dieGefahr, dass der kapitalistische Umgang mitder Natur auch grossräumige Ökosysteme unumkehrbarzerstört, denn Ressourcen sindnicht endlos verfügbar <strong>und</strong> die natürlicheAufnahmefähigkeit von Schadstoffen ist z. T.schon jetzt überschritten.Resümee Ein Green New Deal innerhalb desKapitalismus mit dem Ziel der Entkopplung vonWirtschaftswachstum <strong>und</strong> Naturverbrauch<strong>und</strong> -zerstörung ist gleichbedeutend mit demVersuch, zu duschen, ohne nass zu werden. Sogilt es – besser gestern als heute –, diesem «Widerspruch»entgegenzuwirken. Mit anderenWorten: Es sind Strukturen einer Wirtschaftsweiseder Masslosigkeit, die es zu veränderngilt. Ein GND in bisherigen Konzeptionen <strong>und</strong>im Rahmen der kapitalistischen Ökonomie istdaher ungeeignet zur Wende gegenwärtigergesellschaftlicher Naturverhältnisse; grüneTechnologien in Postwachstums- <strong>und</strong> postkapitalistischenGesellschaften sind aber geeignet,zur Lösung ökologischer Krisen beizutragen.Es gibt keine Alternative zur Natur <strong>und</strong> es gibtauch keine Alternativen zur Ökonomie, aber esgibt Alternativen zur kapitalistischen Form derÖkonomie. So gilt es, andere Formen des Wirtschaftens(solidarische, konviviale, entschleunigteu.a.) kollektiv zu erkämpfen <strong>und</strong> zu entwickeln;<strong>und</strong> das heisst auch, Lebensqualitätneu zu verstehen, in der Zeitsouveränität nichtmit Langeweile verwechselt wird <strong>und</strong> Genügsamkeitnicht mit Verlust <strong>und</strong> Mangel.Athanasios Karathanassis ist Lehrbeauftragteran den Universitäten Hannover <strong>und</strong> Hildesheim.Seine Arbeitsschwerpunkte sind gesellschaftlicheNaturverhältnisse, Krisen <strong>und</strong> Strukturentwicklungenim globalisierten Kapitalismus<strong>und</strong> Soziale Bewegungen. Sein neuestes BuchKapitalistische Naturverhältnisse. Ursachenvon Naturzerstörungen – Begründungen einerPostwachstumsökonomie erscheint imDezember 2014.

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