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Marxismus_und_Tierbefreiung_Antidot

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38 ― 39Die Einheit im Kampf um dieBefreiung von Mensch <strong>und</strong> TierRezension – Der in der Reihe theorie.org erschienene Band Antispeziesismus von Matthias Rude legt die linken Wurzelnder <strong>Tierbefreiung</strong>sbewegung frei. Das Buch lässt hinsichtlich der Verbindung der Kämpfe um die Befreiung vonMensch <strong>und</strong> Tier einige Fragen offen. Dennoch liefert es einen wertvollen Einstieg für die Entwicklung eines Dialogszwischen MarxistInnen <strong>und</strong> <strong>Tierbefreiung</strong>saktivistInnen.«Das Streben nach der Befrei ungder Tiere <strong>und</strong> der Wunsch, dieMenschheit zu emanzipieren,ve r folg e n k e i ne u nt e r s c h ie d l ic h ­en Zie le oder Interessen; sie lassensich nicht gegeneinander ausspielen,im Gegenteil gilt: <strong>Tierbefreiung</strong>ist Voraussetzung <strong>und</strong>Resultat der Emanzipation desMenschen» (S. 15). So die Gr<strong>und</strong>these des Buches Antispezies is musvon Matthias Rude – geboren1983, Studium der Philosophie<strong>und</strong> Religionswissenschaften inTübingen, aktiv in der AntispeziesistischenAktion Tübingen <strong>und</strong> «in der Linken» (Buchumschlag).Unter dem Begriff «Antispeziesismus» verstehtder Autor eine Theorie <strong>und</strong> Praxis, die sich gegenden Speziesismus, also gegen den «gesamtenKomplex von Vorurteilen gegenüber Tieren»,gegen ihre «Verdinglichung, Verachtung <strong>und</strong>grenzenlose Ausbeutung» richtet (S. 14). Er stelltdabei heraus, dass die «wesentliche Gr<strong>und</strong>lageder Tierausbeutung» nicht eine wie auch immergeartete «speziesistische Ideologie oder derMensch-Tier-Dualismus» ist, «sondern die kapitalistischeProduktionsweise» (S. 183). Er bietetdamit einen materialistischen Ansatz <strong>und</strong>beruft sich auf den Marxisten <strong>und</strong> <strong>Tierbefreiung</strong>saktivistenMarco Maurizi: «Wir beutenTiere nicht aus, weil wir sie für niedriger halten,sondern wir halten Tiere für niedriger, weil wirsie ausbeuten» (S. 183).So wie der Rassismus «als ideologische Rechtfertigungfür europäische Herrschaftsinteressenentstand, bildete sich der Speziesismus alsLegitimationsideologie für das Ausbeutungsverhältnisgegenüber Tieren» (S. 16). Sowohl demRassismus als auch dem Speziesismus fehlen«heute aus wissenschaftlicher Sicht vollkommendie Basis» (S. 16). Sie seien Konstrukte, umdie Herrschafts- <strong>und</strong> Ausbeutungsverhältnisseder kapitalistischen Gesellschaft im Sinne derHerrschenden aufrechtzuerhalten. Rude konstatiert:«Obwohl also die Entwicklung derProduktivkräfte inzwischen einen Stand erreichthat, der es ohne Weiteres ermöglichenwürde, auf die traditionell in der westlichenKultur verankerte Tierausbeutung <strong>und</strong> dasdamit verb<strong>und</strong>ene Leid zu verzichten, wird siefortgesetzt» (S. 13f).Sicherlich darf die Analogie zwischen den Bewegungendes Antirassismus (oder des Anti sexismus)<strong>und</strong> des Antispeziesismus nicht überbetontwerden. «Tatsächlich stehen aber dieIdeologien <strong>und</strong> Herrschaftsverhältnisse, gegendie sie sich richten, derart miteinander in Verbindung,dass die Bestrebungen zur Befreiungder Menschheit ihre Ziele nicht erreichen können,wenn sie ihren Blick vor der Unterdrückungder Natur verschliessen» (S. 17). Genau hiersieht Rude die linke, antikapitalistische Bewegunggefordert. Denn «eine Linke, die Tierausbeutungnicht thematisiert [...], setzt nicht ander Wurzel des Problems an <strong>und</strong> blendet einAusbeutungsverhältnis aus, auf welchem dergesamte kapitalistische Gesellschaftsbau <strong>und</strong>die Herrschaft des Menschen über den Menschenwesentlich gründen» (S. 16). Sie läuft Gefahr,die Radikalität ihrer Kritik einzubüssen<strong>und</strong> «muss sich daher jetzt der Frage stellen, obsie auch auf diesem Feld den Kampf aufnimmtoder es bürgerlichen Bewegungen überlässt,womit sie hinter diese zurückfallen <strong>und</strong> dieChance preisgeben würde, eine wahrhaft befreiteGesellschaft zu erreichen» (S. 18).Historische Beispiele Insgesamt beschränktder Autor seine inhaltliche Argumentation fürden Antispeziesismus allerdings stärker, alsdas ein Buch in der Reihe theorie.org erwartenliesse. Beispielsweise bleibt im Dunkeln, wasgenau unter dem Begriff «Tierausbeutung» zuverstehen ist <strong>und</strong> welche Formen diese in derheutigen Gesellschaft annimmt. Unklar bleibtebenso, wie eine Befreiung der Tiere konkretaussehen würde.Der Hauptteil des Buches bietet eine Art historischerAbriss, verb<strong>und</strong>en mit der Intention,die «zahlreichen Verbindungen <strong>und</strong> Wechselwirkungen»aufzuzeigen, die zwischen derTierrechts- <strong>und</strong> «der Arbeiter-, Frauen- <strong>und</strong>Friedensbewegung bestanden» (S. 11) <strong>und</strong> auchheute noch bestehen. Es ist eine Art Streifzugdurch die revolutionären Bewegungen des17. – 20. Jahrh<strong>und</strong>erts (bürgerliche Revo lu tionenin England <strong>und</strong> Frankreich, Abolitionismus-Be wegung in den USA, Pariser Kommune,deutsche ArbeiterInnenbewegung) – mit kurzenExkursen etwa in das zaristische Russland oderauch in den realen Sozialismus.Dabei stellt Rude heraus, «dass der Vegetarismus[...] als integrales Element revolutionärerTheorie dienen konnte» (S. 51). Genannt werdendabei u. a. Persönlichkeiten wie Benjamin Lay,Jean-Jacques Rousseau, Sylvester Graham, LewTolstoj, Louise Michel («die Rote Wölfin»),Bertha von Suttner, die 1898 mit der Veröffentlichungihres Buches «Schach der Qual» dieTierschlachtung <strong>und</strong> Tierexperimente anprangerte,<strong>und</strong> der Kommunist Friedrich Wolf.Als besondere Persönlichkeit hebt er RosaLuxemburg hervor. Rude schreibt: «Das DenkenRosa Luxemburgs ist bestimmt von einernatürlich empf<strong>und</strong>enen, gr<strong>und</strong>sätzlichen Verb<strong>und</strong>enheitmit allen fühlenden Wesen, mankann von einem Solidaritätskonzept sprechen,für das Speziesgrenzen keine Rolle spielen»(S. 114). Und: «Das Denken Rosa Luxemburgs»kann in Hinsicht auf die «Solidarität mit denUnterdrückten [...] egal, welcher Spezies sieangehören [...] tatsächlich visionäre Impulsegeben» (S. 110). Das besondere an Rosa Luxemburgsei das Bewusstsein, Tiere als Individuenwahrzunehmen: «Luxemburg bedient sicheiner Sprache, die frei von speziesistischenWendungen ist; Tiere nimmt sie keineswegs alsblosses Exemplar oder als Objekt von Studienwahr, im Gegenteil begegnen sie ihr stets alsIndividuen mit eigener Persönlichkeit» (S. 112).Am 7. Januar 1917 schreibt sie in einen Brief anHans Diefenbach: «Sie wissen, ich fühle <strong>und</strong>leide mit jeglicher Kreatur» (S. 115).Zu kritisieren ist an diesem historischen Abrissaber sowohl die eklektizistische Herangehensweise,als auch der Fokus auf eine reine Personen-<strong>und</strong> Ideengeschichte. Es gelingt demAutor, weder einen tatsächlichen «roten Faden»durch die Geschichte zu ziehen, noch die materiellen– sprich: ökonomischen – Ursachen fürdas Aufkommen einer Tierrechtsbewegung auf ­zuzeigen. Ein Kapitel, in dem Rude den «Ursprungder <strong>Tierbefreiung</strong>sidee» in dem sich entwickelndenKapitalismus lokalisiert, bleibt inden Ansätzen stecken (S. 28f). Und auch bei denPersönlichkeiten, die er aufzählt, scheint daseinzige Kriterium zu sein, dass sie sowohl imSinne der Tierrechtsbewegung als auch der ArbeiterInnen-,Frauen- bzw. Friedensbewegunggewirkt haben. Es werden allerdings auch Personenwie Gustav Struve, Clara Wichmann oderMagnus Schwantje <strong>und</strong> Gruppierungen wieder Internationale Sozialistische Kampfb<strong>und</strong> (ISK)oder die Lebensreformbewegung ge n a n nt ,ohne genauere politische Einordnung <strong>und</strong> Ein­

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