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BÜCHERGESCHICHTEGottes KriegerRodney Stark bricht eine Lanzefür die KreuzritterDGustav Dore: Die Entdeckung des wahren Kreuzes (1877)as finstere Mittelalter war garnicht finster, mit der islamischenKulturwaresgarnichtsoweither, und die Kreuzzüge waren ziemlichidealistische Unternehmungen,um die Pilgerpfade zu den „heiligenStätten“ der Christen offenzuhaltenund vor muslimischen Räubern zuschützen. Verdient hat daran niemandetwas, im Gegenteil, so ein Abstechernach Jerusalem ging für einenkreuzfahrenden Ritter ziemlichins Portemonnaie und geschah meistnur für Gottes Lohn.Mit derart drolligen Ansichten(und eigentlich keinen Belegen)bring man es in den USA zum„Co-Leiter des Instituts für Studiender Religion an der Baylor University”(so der Klappentext), was nachentschieden mehr klingt, als es ist.Rodney Stark jedenfalls, gelernter„Religionssoziologe“ an der Universitätzu Washington, hat mit GottesKrieger ein Buch geschrieben, dassich vordergründig mit den fünfKreuzzügen zwichen dem 11. und13. Jahrhundert herum befasst. Hintergründigaber gibt Stark bereits imVorwort zu erkennen, dass es ihn ärgere,wenn westliche Autoren heuteden muslimischen Furor mit dem Unrechtder Kreuzzüge begründen.Denn die stellten keinesfalls eine barbarische,frühkolonialistische Invasiondar (wie es die Forschung heutegrößtenteils sieht), sondern ehereine idealistische Notwehr des bedrängtenChristentums gegen einesich aggressiv ausbreitende neueReligion, die dem Christentumkeinesfalls ethisch überlegengewesen sei.Um das zu untermauern, zitiertsich Stark munter durch die Werkeanderer Historiker (er selbst hat keinerleiForschung auf diesem Gebietbetrieben), wobei seine Auslassungen(im doppelten Sinne) recht amüsantund klug gewählt sind, um seineThesen zu stützen. Meistens geht dasbei Stark so: Kolonialismus impliziertdie wirtschaftliche Ausbeutungeines besetzten Landes. Da dieKreuzritter an ihren Kreuzzügennichts verdienten, kann es sich beiden Kreuzzügen nicht um Kolonialismushandeln. Ähnlich geht er vor,wenn es darum geht, „nachzuweisen“,die Kreuzritter seien nicht überdie Maßen antisemitisch gewesen.Der Idee, was die Päpste mit ihrenAufrufen bezweckten, geht Stark sowenig nach wie etwa der Frage, wasdas zwischen westlichen Kreuzritternund muslimischen Ländern eingekeilteByzanz eigentlich hätte tunsollen – außer sich elendig opportunistischzu verhalten.WersicheinbisscheninderGeschichteauskennt, wird sich bei dieserDarstellung der „Kreuzzüge inneuem Licht“ (Untertitel) gut unterhalten– als Beispiel für katholischeRhetorik und apologetisches Eskamotieren.Als Geschichtsbuch ist dasallerdings nicht ernst zu nehmen.Erich SauerRodney Stark: Gottes Krieger. DieKreuzzüge in neuem Licht. Aus demEnglischen von Klaus Binder und BerndLeineweber. Haffmanns & Tolkemitt,Berlin 2013, 384 S., mit zahlr. Abb.,22,95EUROPAGurkentruppeHenryk M. Broder findet dengemeinsamen Markt überschätztr hat die Abweichler gewählt, hatder streitbare Publizist jüngst zu-Die Euroskeptiker, de-Egegeben.nen weniger streitbare Publizistengleich Rechtsabweichung vorwarfen,weil sie die Eurobürokratie öffentlich„entartet“ nannten. So einedumme Blöße gibt sich der in derBILD vorabgedruckte Schlammschmeisserin seiner kleinen PhilippikaDie letzten Tage von Europa. Wiewir eine gute Idee versenken natürlichnicht. Er sammelt nur wohlfeilenÄrger auf (Europa hat uns die Energiesparlampeeingebrockt), geißeltdie Entlohnungspraktiken (ein Übersetzerin Brüssel verdient mehr alsein Facharzt in Braunschweig) undführt den EU-ParlamentspräsidentenMartin Schulz als Kronzeugen gegensich selbst an. Einerseits hat dergesagt „Wäre die EU ein Staat, derdie Aufnahme in die EU beantragenwürde, müsste der Antrag zurückgewiesenwerden – aus Mangel an demokratischerSubstanz.“ Andererseitsdas Paradebeispiel für einen wegenlokalen Versagens zum Zentral-Molochweggelobten Politikers.Er und alle bei der KrakeBeschäftigten, können gar nichtanders, als zum eigenenAuskommen die Maschine weiter zufüttern.Broder findet viel Fürchterlichesan dem Konstrukt Europa, und wenigNützliches. Irischen Whisky gabes auch vorher schon, Konflikte mitWanderarbeitern auch nachhernoch. Aber nie zuvor gab es so vieleAgenturen, die transnationale Papieremit Lösungsvorschlägen produzieren,die vor Ort keiner anpackenwill. Und wenn dann mal ein Gipfel allerArbeitsminister Europas einenSonderetat gegen Jugendarbeitslosigkeitbeschließt, dann kostet dermehr, als die 1400 Euro pro Kopf imBudget.Broder weiß nur einen Ausweg:Ein Moratorium. Erstmal alles aufHalt setzen und von Grund auf neudiskutieren. Etwa so, wie es die Britenwollen. Und vor allem ohne denalternativlosen Automatismus, mitdem sich der Schuldenstaatenbundselbst ruiniert. Da ist was dran. Aberzumindest in Sachen Gurken hat sichdie EU doch als lernfähig erwiesen.Seit 2011 dürfen sie auch wiederkrumm auf den gemeinsamen Marktkommen.WingHenryk M. Broder: Die letzten Tage Europas.Wie wir eine gute Idee versenken.Knaus, München 2013, 223 S.,19,99Das ist Paris. Darin gibt es Wohn- und Arbeitsviertel. Und es gibt eine Stadt-Kultur,die sich aus der Summe aller Geschichten ergibt, die über diese Stadt erzähltwurden. In Die City – Straßenleben in der geplanten Stadt stellt HanneloreSchlaffer Paris als Beispiel für eine Stadt dar, die noch mit ihren Traditionenlebt. Die neue deutsche City ist nur noch jener Knotenpunkt von Banken und Geschäften,an dem sich täglich Besucher und Angestellte treffen, um so zu tun, alswürde die Stadt leben. Abends fahren alle wieder nach Hause – und das befindetsich zunehmend an der Peripherie. Wo Innenstädte von Konzernen geplant werden,die ganz woanders sitzen und denen das Stadtbild völlig egal ist, wo eineStadtverwaltung nur noch danach schaut, wie man aus jedem QuadratmeterStadt möglichst viel Umsatz generieren kann – dort beginnt die öde Konformitätder Demokratie. Das wilde, überraschende, unkorrekte Leben gibt es nur nochselten, vielleicht in Barcelona, Rom oder Paris. Wer ein bisschen darüber nachdenkenmöchte, warum und wo er lebt, dem seien die Aufsätze Schlaffers in diesemkleinen Bändchen ans Herz gelegt. (zu Klampen, Springe 2013, 169 S.,18,00)ULTIMO 21

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