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Willkommen zur vielseitigsten Bildungsreise Ihres Lebens.

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»Die Dichtung«). Der zweite Band, »La luna en el laberinto«<br />

(»Der Mond im Labyrinth«), setzt ein mit dem<br />

Umzug in die Hauptstadt Santiago, den wechselnden<br />

Liebesbeziehungen des jungen Bohemiens, und spiegelt<br />

die bitteren Jahre in Ostasien wider. Der dritte Band, »El<br />

fuego cruel« (»Das grausame Feuer«), hat die Jahre in<br />

Spanien zum Gegenstand. Die Chronologie endet hier<br />

mit den Erfahrungen des Exils 1952. Band vier, »El cazador<br />

de raíces« (»Der Wurzeljäger«), erforscht die Geographie<br />

der Heimat, die Wälder, Berge, Flüsse Chiles.<br />

»Sonata crítica« (»Kritische Sonate«), fünfter und letzter<br />

Band, ist eine selbstkritische Auseinandersetzung mit<br />

den politischen Überzeugungen der Vergangenheit, speziell<br />

dem Stalinismus, und eine Überprüfung eigener<br />

poetologischer Maximen. Der Dichter bekennt sich zu<br />

seinen Irrtümern und sagt sich los von allen Dogmen<br />

und starren Anweisungen an die Kunst.<br />

Nach Memorial publizierte Neruda noch acht weitere<br />

Lyrikbände, die seine Hauptthemen behandeln: Liebe<br />

(La barcarola, 1967, Gondellied), Natur/Materie (Arte de<br />

pájaros, 1969, Vogelkunde; Una casa en la arena, 1969,<br />

Ein Haus in den Dünen; Las piedras del cielo, 1970, Die<br />

Steine des Himmels; Geografía infructuosa, 1972, Unfruchtbare<br />

Geographie), Politik/Zeitgeschehen (Fin del<br />

mundo, 1969, Weltende; Aún, 1969, Noch; La espada encendida,<br />

1970, Das flammende Schwert) sowie philosophische/poetologische<br />

Reflexion (Las manos del día,<br />

1968; Die Hände des Tages, 1987, M. López). In den elf<br />

Büchern von Fin del mundo – wieder eine Dichtung<br />

mit epischem Charakter – rechnet der Dichter mit dem<br />

20. Jh. ab. Er zieht eine düstere Bilanz: »Ständig war es in<br />

Todesnot, / ständig lag es im Sterben, / leuchtend am<br />

Morgen und am Abend blutig, / regnend am Vormittag,<br />

weinte es am Abend.« Hoffnungsvoll blickt er besonders<br />

auf Lateinamerika mit seinen aufkeimenden politischen<br />

und intellektuellen Kräften.<br />

Mit Incitación al nixoncidio y alabanza de la revolución<br />

chilena, 1973 (Anstiftung zum Mord an Nixon und<br />

Lob der chilenischen Revolution), schrieb Neruda, bis<br />

zu seinem Tod engagierter Kämpfer auf Seiten des<br />

sozialistischen Präsidenten Allende, sein letztes polemisch-satirisches<br />

Buch, dessen extremer politischer<br />

Überhang eine literarische Beurteilung nicht sinnvoll<br />

erscheinen lässt. In acht 1974 postum veröffentlichten<br />

Werken tritt das Rückschauende, Besinnliche zusehends<br />

in den Vordergrund, ebenso die Themen Einsamkeit,<br />

Alter und Tod (Jardín de invierno, Wintergarten; Elegía,<br />

Elegie; El mar y las campanas, Das Meer und die Glocken;<br />

Defectos escogidos, Ausgewählte Mängel). 2000<br />

greift nochmals die Themen von Fin del mundo auf, formuliert<br />

die Thesen jedoch zunehmend schärfer. El corazón<br />

amarillo (Das gelbe Herz) zielt mit seinen Wortspielen<br />

ins Scherzhafte, Improvisierte, El libro de las<br />

preguntas (Das Buch der Fragen) nähert sich der Apho-<br />

Pablo Neruda �<br />

ristik an und La rosa separada (Die abgeschnittene<br />

Rose) beschäftigt sich in den Wechselgesängen »Die<br />

Menschen« und »Die Insel« mit den monumentalen<br />

Kulturerscheinungen der Osterinsel in der Konfrontation<br />

mit dem Massentourismus.<br />

Neruda nannte seine lyrische Hinterlassenschaft ein<br />

»zähes Skelett aus Worten«. Die Höhen und Tiefen seines<br />

reichen <strong>Lebens</strong> fanden darin ihren Niederschlag. Indem<br />

er sein Werk mitunter dem politischen Tagesgeschehen<br />

unterordnete, setzte er seine Dichtung der<br />

Gefahr des Irrtums und der ideologischen Verblendung<br />

aus und erlag ihr in einigen Fällen wohl auch. Für einige<br />

Kritiker ist Neruda das Paradebeispiel eines an der Politik<br />

gescheiterten Autors. Die Gedichte der ›politischen<br />

Phase‹ lassen sich aber als zeitgebundene Ausschnitte in<br />

ein heterogenes Gesamtwerk integrieren, das auch ausgeprägten<br />

Qualitätsschwankungen ausgesetzt war. So<br />

findet in diesem Œuvre alles Raum, die ›ewigen Themen‹<br />

Liebe, Natur, Einsamkeit, Tod, wie auch die konkreten<br />

Themen des in sein historisches Umfeld eingebetteten<br />

Menschen. Eine Trennung der beiden Bereiche<br />

war für die Dichterpersönlichkeit Neruda undenkbar.<br />

Damit stand er in einer besonderen lateinamerikanischen<br />

Tradition, die ihren Poeten von jeher eine über das<br />

Literarische hinausgehende, gesellschaftliche Funktion<br />

zumisst. Trotz des Wandels seiner ideologischen wie<br />

poetologischen Positionen hielt Neruda an seinem Plädoyer<br />

für eine parteiliche Dichtung fest und forderte für<br />

den Dichter, der seine soziale Verpflichtung anerkennt,<br />

einen »Platz auf der Straße«.<br />

Nerudas Wirkung auf die zeitgenössischen und<br />

nachfolgenden Generationen von lateinamerikanischen,<br />

vor allem chilenischen Lyrikern äußerte sich häufig<br />

auch als Opposition gegen die ideologischen wie<br />

ästhetischen Vorgaben, die er als übermächtig empfundene<br />

Dichterpersönlichkeit hinterlassen hatte. Viele Lyriker<br />

nahmen Gegenpositionen zu seiner allumfassenden<br />

›Heilslehre‹ und seinem zeitweiligen Sendungsbewusstsein<br />

ein. Auch der vergleichsweise ›erhabene‹ Ton<br />

seiner Dichtung gab Anlass zu Gegenentwürfen, so z. B.<br />

Nicanor Ä Parras ›antipoesía‹ (Antipoesie). Auch und<br />

gerade das Leben des chilenischen Poeten in seiner Ambivalenz<br />

zwischen Liebesabenteuern und politischem<br />

Engagement wurde zum Gegenstand poetischer Reflexion<br />

in Literatur und Film, etwa bei Ä Skármeta.<br />

� Ausg.: Obras de P.N., 1982.<br />

� Lit.: R. de Costa: Poetry of P.N., 1979. � F. Caucci: Les voix<br />

d’Éros, 1988. � L. Rosales: La poesía de N., 1990. � T. Fischer: Das<br />

Werk von P.N. im zeitlichen Wandel, 1999. � N. Tello: P.N., 2000. �<br />

J.V. Stackelberg: N., 2002. � A. Feinstein: P.N., 2004.<br />

Elisabeth Graf-Riemann

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