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316<br />

Heike Krieger<br />

A. Einführung<br />

AöR<br />

„Wollen Sie von Fremden regiert werden?“, fragt der amerikanische Supreme<br />

Court-Richter Antonin Scalia in Podiumsdiskussionen sein Publikum. 1<br />

Er will damit suggerieren, dass der amerikanische Supreme Court Völkerrecht<br />

bei der Interpretation der amerikanischen Verfassung nicht berücksichtigen<br />

soll. Plakativ fasst diese Frage eine grundlegende demokratietheoretische<br />

Kritik am Völkerrecht zusammen: Führt die völkerrechtliche Bindung<br />

nicht zu einer „Fremdbestimmtheit“, zu einer „Unterwerfung unter nichtdeutsche<br />

Hoheitsakte“ 2 , wie es das Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht im Görgülü-<br />

Urteil formuliert?<br />

Auf den ersten Blick mag eine so grundsätzlich formulierte Kritik abwegig<br />

erscheinen. Das Grundgesetz folgt einer dualistischen Betrachtungsweise,<br />

nach der es sich beim Verhältnis zwischen Völkerrecht und nationalem Recht<br />

um ein Verhältnis zweier unterschiedlicher <strong>Rechts</strong>kreise handelt. Völkerrechtliche<br />

Normen entfalten ihre Wirkung im Rahmen <strong>des</strong> demokratischen<br />

und rechtsstaatlichen Systems <strong>des</strong> Grundgesetzes. 3 Die einschlägigen verfassungsrechtlichen<br />

Vorkehrungen zielen darauf, eine Unterwerfung unter<br />

„nichtdeutsche Hoheitsakte“ auszuschließen und eine demokratische Rückkopplung<br />

zu gewährleisten.<br />

Seit 1990 aber hat das Völkerrecht sein Erscheinungsbild in vielfältiger<br />

Weise geändert. Durch diese Änderungen hat der Einfluss <strong>des</strong> internationalen<br />

<strong>Rechts</strong> auf die innerstaatliche <strong>Rechts</strong>ordnung und damit auf den Bürger<br />

erheblich zugenommen. 4 Diese Entwicklung gehört zu den Auswirkungen der<br />

Globalisierung. Seit den sechziger Jahren hat sich die Anzahl völkerrechtlicher<br />

Verträge stetig erhöht. Während Deutschland z. B. 1968 an etwa 1400<br />

völkerrechtliche Verträge gebunden war, ist es heute Vertragspartner von fast<br />

6000 bi- und multilateralen Verträgen. 5 Vertragsorgane und internationale<br />

Organisationen haben ihre Aktivitäten ausgedehnt. Staaten können sich nur<br />

noch in wenigen Fällen auf die inneren Angelegenheiten berufen, um eine Einmischung<br />

internationaler Organisationen in nationale Sachverhalte auszuschließen.<br />

6 Mittels internationaler Standardsetzung, Resolutionen, Empfehlungen<br />

und Berichten beeinflussen diese Organisationen Entwicklungen der<br />

1 N. Dorsen (Hg.), A Conversation between U. S. Supreme Court Justices, I-CON<br />

Vol. 3, No. 4, 2005, 519 (522).<br />

2 BVerfGE 111, 307 (319).<br />

3 BVerfGE 111, 307 (318).<br />

4 Siehe hierzu und zum folgenden auch: K.-P. Sommermann, Demokratie als<br />

Herausforderung <strong>des</strong> Völkerrechts, in: Völkerrecht als Wertordnung – FS Tomuschat,<br />

2006, 1051 (1053–1055).<br />

5 Siehe Vergleich BGBl. Fundstellennachweis B 1968 und 2006.<br />

6 Vgl. G. Nolte in: B. Simma (Hg.), The Charter of the United Nations, 2002, Art. 2<br />

VII Rn. 1, 18, 39ff., 73.

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