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Ein Trakt, das ist in erster Linie etwas,
das man mit Verdauung oder Gefängnis
in Verbindung bringt und eigentlich nichts,
bei dem man zuerst an Schulleiter, Sekretärin
oder Kaffee trinkende Lehrer denkt.
Es ist also kaum verwunderlich, dass das
Wort in seiner neuen Verwendung erst
einmal für Irritation und Verwunderung
sorgte. Diese doch recht große Veränderung
an unserer innig geliebten Schule,
die sich nicht nur auf das Wort, sondern
den gesamten Komplex bezieht, wurde
der Schülerschaft zu Beginn des Schuljahres
mitgeteilt. Linguistisch war das
Ganze sicherlich ein Geniestreich, wenn
man bedenkt, dass Lehrerzimmer, Direktorenbüro
und Sekretariat ohnehin primär
mit der Aufgabe des Verwaltens beschäftigt
sind (seien es Schulangelegenheiten
oder Schüler) und eine Vereinfachung
des Namens daher nicht nur einen inneren
Bezug herstellt, sondern auch den
brutal überstrapazierten Wortschatz der
Schüler entlastet. Jedoch waren Fragen
nach dem eigentlichen Nutzen einer solchen
Umbaumaßnahme, insbesondere in
Zeiten, in denen auf die Frage nach funktionierenden
Chemie-Utensilien oder benutzbaren
Computerräumen mit dem Totschlagargument
„kein Geld“ geantwortet
wird, unvermeidlich. Doch gerade, wenn
Entstehung und Existenz nicht in Frage
gestellt werden (dürfen), verschafft sich
der aufmerksame Beobachter einen eigenen
Eindruck.
Weiße Wände und sterile Räume vermitteln
dann eher den Eindruck einer geschlossenen
Anstalt als den eines Lehrerzimmers.
Verstärkt wird dieser Eindruck
von Personal, das, wenn schon nicht
in weißen Kitteln, so aber doch mit dem
Ausdruck der Entschlossenheit, welcher
Mitarbeitern einer solchen Einrichtung anhaftet,
durch die Flure wuselt. Auch sind
Praktiken wie die Aufforderung nach freier
Assoziation oder die verbale Zwangsjacke,
insbesondere nach vergessenen
Hausaufgaben, die in diesem Milieu
durchaus üblich sind, gang und gebe. Ein
Kopierraum im Stile einer Besucherzelle
unterstützt dieses groteske Bild und dient
keineswegs seiner Beseitigung. Ob der
Trakt tatsächlich dem „aufgabenbezogenen
Erfassen, Betreuen, Leiten, Lenken
und dem Verantworten dynamischer
Systeme nach stabilen Vorschriften“ dient
(Quelle: Das göttergleiche Wikipedia)
oder doch nur bloß ein weiteres Mittel, um
Schüler zu verunsichern und sich gehörig
zu machen, sei dahingestellt. Mit dieser,
unter Umständen moralisch verwerflichen
Intention wäre das Projekt ein wirklich
cleverer Schachzug, um Schüler zu verängstigen
, denn was ist Angst einflößender
als die Vorstellung eines großen, weißen,
abgeschotteten Trakts, der als letzte
Instanz der schulischen Exekutive gilt.
Doch wirklich viel offenbart dieser Komplex
nicht von sich, denn zwischen noch
auszupackenden Kisten und Malerarbeiten
kommt man sich etwas verloren vor.
Und so zwängt sich jedem die Frage auf,
was zwischen diesen sterilen Wänden
nun wirklich vor sich geht. Da meist eine
Antwort ausbleibt, macht man sich seine
ganz eigenen Antworten, denn es liegt
nur in der Natur des Menschen, fehlende
Kenntnisse über ein solches Paralleluniversum
durch eigene Vorstellungen und
Phantasien zu kompensieren und zu verarbeiten.
Und Phantasie haben alle Schüler,
unabhängig von Alter, Geschlecht und
geistiger Leistungsfähigkeit.
Marcus Kania, Konrad Eucken
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