Resafa Sonderdrucke 1 (PDF, 6,9 MB) - Aktuell - TU Berlin
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RESAFA-RUSAFAT HISHAM, SYRIEN. ARCHÄOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN I<br />
Das Gebäude [FP 220], ein umaiyadischer Qasr<br />
Etwa 1,2 km südlich vor den Toren der spätantiken<br />
Pilgerstadt <strong>Resafa</strong>-Sergiupolis befindet sich<br />
einer der markantesten und größten archäologischen<br />
Fundpunkte [FP] der frühislamischen Residenz<br />
Rusafat Hisham, der sogenannte FP 220.<br />
Am Ostrand des westlich der Stadt verlaufenden<br />
Wadis (Trockentales) gelegen, stellt sich die heute<br />
vollkommen verschüttete Ruine als ein rechteckiger,<br />
in seiner Grundfläche 120 x 90 m messender,<br />
8 m hoher Hügel dar.<br />
<strong>Resafa</strong>-Sergiupolis/Rusafat Hisham. Kerngebiet der archäologischen<br />
Schutzzone. Umkreist: sog. Palastkomplex VI mit Fundpunkt [FP 220.<br />
(D. Sack und M. Gussone, 2006).<br />
Der Fundpunkt FP 220 war bereits im Jahr 1954<br />
Gegenstand archäologischer Untersuchungen.<br />
Walter Karnapp nahm damals drei kleinere Sondagen<br />
vor, welche eine grobe Datierung des<br />
Bauwerks in umaiyadische Zeit erbrachten, aber<br />
noch keine konkrete Vorstellung über dessen<br />
Architektur vermitteln konnten. Ziel der neueren<br />
Untersuchungen, die auf umfangreiche Vorarbeiten<br />
(Geländebegehungen, Cäsiummagnetogramm,<br />
Geländemodell) der Jahre 1983-2001<br />
zurückgreifen konnten, war es daher zunächst,<br />
den Grundriss und Bautyp des Gebäudes zu erfassen,<br />
um dann, - unter Berücksichtigung der<br />
stratigraphischen Verhältnisse und des geborgenen<br />
Fundguts (Münzen, Keramik, Baudekor) -,<br />
die Stellung des Bauwerks innerhalb der umaiyadischen<br />
Bautradition und der frühislamischen<br />
Residenz Rusafat Hisham besser beurteilen zu<br />
können.<br />
Südliche Außenmauer des Gebäudes [FP 220] mit mittlerem Fassadenturm<br />
(links) und Nebenpforte (rechts). Ansicht gen Norden,<br />
Frühjahr 2007.<br />
In der Frühjahrskampagne 2007 wurden zuerst<br />
die Sondagen des Jahres 1954 gereinigt und erweitert.<br />
Ein bereits von W. Karnapp erfasster ostwestlich<br />
orientierter Mauerzug der Innenbebauung<br />
erwies sich dabei als die Nordmauer eines großen<br />
Innenhofes. Darüber hinaus konnte durch die<br />
Freilegung eines Teils der südlichen Außenmauer<br />
festgestellt werden, dass das Hauptzugangstor<br />
des Gebäudes, nicht wie Katharina Otto-Dorn<br />
(Ars Orientalis 2, 1957) vermutet hat, in der<br />
Südfassade des Gebäudes angelegt war. Aus<br />
dem Verschüttungsbild (Geländemodell) und der<br />
Magnetik (Cäsiummagnetogramm) war vielmehr<br />
absehbar, dass das Haupttor an der Nordfassade<br />
des Gebäudes zu suchen ist, was sich dann in der<br />
Herbstkampagne 2007 auch bestätigte. Neben<br />
dem Hauptzugangstor konnten dann durch Grabungsschnitte<br />
der nordöstliche Eckturm sowie die<br />
nördliche und die östliche Außenmauer des Gebäudes<br />
lokalisiert werden, während die westliche<br />
Außenmauer durch an der Oberfläche sichtbare<br />
Putzkanten in ihrer Lage eindeutig positioniert ist<br />
Vier Bruch an Bruch passende Fragmente eines bogenförmigen Stuckpaneels<br />
mit Lorbeerkranz- und Rankendekor. H: 40,5 cm; B: 36,0<br />
cm; T: 8,5 cm. Vor der nördl. Außenmauer des Gebäudes gefunden,<br />
unmittelbarer neben dem Haupttor, Herbst 2007.<br />
(U.Siegel/T.Horn). Im Inneren des Baues konnten<br />
neben der nördlichen auch die östliche Mauer<br />
eines großen Innenhofes und einige Raumtrennmauern<br />
archäologisch erfasst werden. So ist nunmehr<br />
bekannt, dass das Gebäude [FP 220] einen<br />
annähernd rechteckigen Außengrundriss von rund<br />
75,5 x 73,0 m besaß. An den Ecken der Außenmauer<br />
standen massive Rundtürme. Zwischen den<br />
Ecktürmen standen an den Außenfassaden halbrunde<br />
Zwischentürme. Das Haupttor führte durch<br />
den Nordflügel des Gebäudes zu einem 47,5 x<br />
46,0 m messenden Innenhof, der auf allen vier<br />
Seiten von Gebäudetrakten umstanden war.<br />
Der damit in seinen Grundzügen rekonstruierbare<br />
Grundriss des Gebäudes [FP 220] klassifiziert es<br />
als sog. Qasr (pl. Qusur), einen bekannten Bautypus<br />
umaiyadischer Zeit, der in Syrien wie Jordanien<br />
und Palästina in zahlreichen Beipielen vertreten<br />
ist. Der Qasr [FP 220] von Rusafat Hisham ist mit<br />
rund 5.500 qm umbauter Fläche nach Mshatta<br />
in Jordanien der größte Vertreter dieses Bautypus<br />
und bereichert unser Wissen um mehrere, bislang<br />
Christoph Konrad<br />
TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN, FAKULTÄT VI, INSTI<strong>TU</strong>T FÜR ARCHITEK<strong>TU</strong>R<br />
UNIV.-PROF. DR.-ING. DOROTHÉE SACK, FACHGEBIET HISTORISCHE BAUFORSCHUNG, MASTERS<strong>TU</strong>DIUM DENKMALPFLEGE,<br />
STRASSE DES 17. JUNI 152, SEKR. A 58, 10623 BERLIN, TEL. 030-314-796 11, MAIL: msd@tu-berlin.de<br />
MSD Jahrbuch 2006-08, <strong>Berlin</strong> 2008<br />
Gebäude [FP 220]. Vorläufige Teilrekunstruktion des Grundrisses<br />
nach den ersten beiden Grabungskampagnen im Jahr 2007.<br />
unbekannte Komponenten resp. Varianten. Während<br />
die anderen Qusur im Ideal einen quadratischen<br />
Grundriss besitzen, ist der Qasr [FP 220]<br />
rechteckig. Diese Form scheint für Rusafat Hisham<br />
typisch, denn auch der zweite Qasr Rusafas, der<br />
in den Jahren 1952 und 1954 von K. Otto-Dorn<br />
(a.O.) untersuchte Fundpunkt [FP 106] vertritt diese<br />
Grundrissform. Außergewöhnlich ist ferner die<br />
besondere Betonung eines der Gebäudeflügel.<br />
Mit 23,90 m ist der Nordflügel des Qasr [FP 220]<br />
wesentlich breiter als der Ost- und der Westflügel<br />
mit rund 15,7 m oder der Südflügel mit etwa<br />
8,5 m Breite. Auch in der Bauausführung ist der<br />
Nordflügel durch die Verkleidung der Lehmziegelwände<br />
mit Gipsbruchsteinmauerwerk besonders<br />
aufwendig gestaltet.<br />
In seiner Bauausstattung folgt der Qasr [FP 220]<br />
mit einem reichen Stuckdekor den bekannten<br />
umaiyadischen Qusur. Die auf vegetabilen oder<br />
geometrischen Einzelmotiven aufbauenden Ornamente<br />
der Stucke dieses Qasr [FP 220] stehen<br />
dabei den Ornamenten des Qasr von Djabal Sais<br />
und der umaiyadischen Eingangshalle der Zitadelle<br />
in Amman besonders nahe.<br />
Fundpunkt [FP 220]. Raum mit gemauerten Liegebänken vor der Südfassade<br />
des Qasr Gebäude [FP 220], Frühjahr 2007.<br />
Ein kleiner Bau, der sich unmittelbar vor der<br />
Südfassade des Qasr befindet, mit diesem aber<br />
- wie die durchlaufenden Fundamente beweisen<br />
- sicherlich gleichzeitig errichtet worden ist, vertritt<br />
einen für umaiyadische Zeit bisher völlig unbekannten<br />
Bautyp. In dem Raum waren entlang der<br />
Wände Liegebänke gemauert, wodurch er wohl<br />
als Speiseraum anzusprechen ist. Möglicherweise<br />
ist er Teil einer ausgedehnten Gartenanlage,<br />
die sich vielleicht südlich dieses Qasr [FP 220]<br />
erstreckte [FP 222-223].<br />
Die archäologischen Untersuchungen an diesem<br />
Qasr [FP 220] sollen 2008 fortgesetzt werden.<br />
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