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Christine Busta - AA Gruppe Markus Nürnberg

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Als sein Herz stillstand, als sie ihn einmal nochunter der Kuppel des Doms den ,verlassenen Völkernhinlegten, schauten wir ihnals den unverrückbaren Zeiger, der auf der Uhr des Herrndie Stunde der Liebe wies.<strong>Christine</strong> <strong>Busta</strong>VorwortAm Pfingstmontag 1963 stand sein Herz still. 82 Jahre war er alt - und jung. Von einerjungen Kirche träumte er, von einem «Frühling der Kirche», von einem «neuenPfingsten».Angelo Roncalli - Papst Johannes XXIII.Wer war er? Ein Zeiger, der auf der Uhr des Herrn die Stunde der Liebe wies. Ein Wegweiserfür Menschen, die Wege der Liebe gehen wollen. Wege froher Gottes- undgütiger Nächstenliebe. Wege Gottes mitten im Leben - Gottes Wege mit mir.Wer war er? Wie hat er gelebt? Aus welchen Quellen hat er geschöpft? Eine Antwortdeutet sein «Dekalog der Gelassenheit» an. Sein 10-Punkte-Programm für Christ-Sein im Alltag - von der Putzfrau bis zum Papst:«Man kann mit einem Hirtenstab in der Hand heilig werden, aber ebenso mit einemBesen.»Seine zehn Tipps sind auch heute noch - gerade heute - aktuell, anregend, einladend.«Gelassen leben» möchten viele. Mitten im Stress - in Sehnsucht nach mehr Leben.Mitten im Alltag - im Heute Gottes (Frere Roger). Mitten im Vergänglichen - im Ewigen:«Über deinem Alltag kann der Glanz des Ewigen liegen oder er ist eine Verwesungnach Stundenplan» (Franz Werfel).Einige Alltagswege mit dem «Dekalog der Gelassenheit» möchte ich eröffnen.Wochenwege - Monatswege. Wege im Kirchen- und Kalenderjahr. Wer sich auf sieeinlässt, entscheidet selbst, welcher Schritt vorrangig ist - heute. «Wenn wir für dasHeute sorgen, sorgt Gott für das Morgen» (Mahatma Gandhi).Der «Dekalog der Gelassenheit» bietet sich als geistliche Begleitung, als Anregung imAlltag, als Ermutigung zum heute Möglichen an. «Nur für heute» - dies entlastet, lässtgelassen(er) werden. Was heute möglich ist, darf ich getrost selbst in die Hand nehmen.Was heute noch unmöglich erscheint, darf ich gelassen Gott anvertrauen. «Wir leben1


Tag für Tag in den Händen des Herrn» (Johannes XXIII.).Was Papst Johannes voll herzlichem Humor seinen Besuchern gesagt hat, kann auchfür die Leser/innen seiner Gedanken Einladung sein: «Ich bin kein bedeutender Papstwie mein Vorgänger; ich bin kein schöner Papst - seht nur meine Ohren an -, aber ihrwerdet es gut bei mir haben.»Johannes HaasJOHANNES XXIII. (1881-1963)1963)DEKALOG DER GELASSENHEITNur für heutewerde ich mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne das Problem meines Lebens aufeinmal lösen zu wollen.Nur für heutewerde ich die größte Sorge für mein Auftreten pflegen: vornehm in meinem Verhalten;ich werde niemand kritisieren, ja ich werde nicht danach streben, die an~ deren zukorrigieren oder zu verbessernnur mich selbst.Nur für heutewerde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin... nichtnur für die andere, sondern auch für diese Welt.Nur für heutewerde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sichan meine Wünsche anpassen.Nur für heutewerde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen; wie die Nahrung fürdas Leben des Leibes notwendig ist, ist die gute Lektüre notwendig für das Leben derSeele.2


Nur für heutewerde ich eine gute Tat vollbringen, und ich werde es niemand erzählen.Nur für heutewerde ich etwas tun, das ich keine Lust habe zu tun; sollte ich mich in meinenGedanken beleidigt fühlen, werde ich dafür sorgen, daß niemand es merkt.Nur für heutewerde ich ein genaues Programm aufstellen. Vielleicht halte ich mich nicht genaudaran, aber ich werde es aufsetzen. Und ich werde mich vor zwei Übeln hüten: derHetze und der Unentschlossenheit.Nur für heutewerde ich fest glauben - selbst wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten -, daßdie gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemand in derWelt.Nur für heutewerde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich anallem zu freuen, was schön ist, und an die Güte zu glauben.Mir ist es gegeben, das Gute während zwölf Stunden zu wirken; mich könnte esentmutigen, zu denken, dass ich es das ganze Leben durchsetzen muss.»Nur für heute«Kinder mögen Adventkalender. Auch Erwachsene blicken gerne durch die Fenstereines Kalenders, der Tag für Tag zum Fest hinführt.«Nur für heute» - Die Eröffnung des Dekalogs ist wie ein geöffnetes Fenster in einem(Advent-)Kalender. Ich kann mich jeden Tag erneut fragen: Was möchte ich heute?Wie Papst Johannes kann ich mir selbst darauf Antwort geben: «Nur für heute» will ichGut ist es, sich einen solchen Tages-Vorsatz aufzuschreiben; so kann er mich durch denTag hindurch begleiten - im Auto, auf dem Schreibtisch, in der Küche, auf meinemNachtkästchen oder wo immer. Ein kleines Heft eignet sich, die Vorsätze der Reihenach zu notieren, mir einen Überblick über eine längere Wegstrecke zu verschaffen.3


Anregungen (nicht nur) zum Advent• Durch den Advent kann (m)ein Weg zum Weihnachtsfest führen - und über die Jahresschwellein das neue Jahr hinein.• Ähnlich wie der Advent kann für mich auch eine andere Zeit im Jahr zu einerWegstrecke werden: die Einstimmung auf meinen Geburtstag, die Vorbereitung aufeine neue Aufgabe, die Urlaubszeit mit mehr Zeit für mich.• Kalender- und Kirchenjahr bieten Anlässe zur Besinnung - Intensivzeiten, in denenMenschen nachdenklich(er) werden:Jahreswende, Aschermittwoch, «Fastenzeit», Gedenktage, Feste.• Je nach Situation und Stimmung kann mich mancher Punkt im «Dekalog» mehr alsandere Punkte ansprechen. Ein solcher Punkt hat Vorrang - er kann zum Berührungspunktzwischen Gott und mir werden.»Nur für heute« - den Tag erlebenNur für heutewerde ich mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne das Problem meines Lebens aufeinmal lösen zu wollen.An meinem Geburtstag - an Neujahr: 365 Tage kommen auf mich zu. Was wird in ihnenauf mich zukommen? Ich kann es nicht wissen, es manchmal erahnen. WelcheProbleme werden auf mich zurollen? Ich kann sie nicht kennen, sie nicht lösen. JedenTag kann ich auf mich zukommen lassen - in Zuversicht, dass auch dieser Tag ausGottes Hand auf mich zukommt. Jedes Problem kann ich in die Hand nehmen oder esmir aus der Hand nehmen lassen - im Vertrauen, dass es auch bereits von Gott in dieHand genommen ist. Schritt für Schritt kann ich meinen Weg durch das Jahr gehen. Sohat Papst Johannes XXIII. geraten; so hat er es selbst vor-gelebt. Tag für Tag.Ein Problem, das sich mir häufig stellt: Ich möchte, mehrere Probleme möglichst aufeinmal lösen. So wächst vor mir ein Berg von Problemen, der mich übersteigt, michüberfordert, mich entmutigt. Ich verliere den Mut, diesen Berg Arbeit, Sorgen,Schulden... zu besteigen. «Ich schaffe es ja doch nicht», sage ich mir und schiebe denProblemberg vor mir her. Papst Johannes gibt dazu einen Rat, der entlastet: Ich darftäglich leben, «ohne das Problem meines Lebens auf einmal lösen zu wollen». DiesenRat gibt er aus seinem tiefen Gott-Vertrauen heraus, das wahrhaft Berge versetzenkann, wie Jesus seinen Jüngern ankündigt: «Wenn euer Glaube auch nur so groß ist wieein Senfkorn, dann werdet ihr zu diesem Berg sagen: Rück von hier nach dort~., und er4


wird wegrücken. Nichts wird euch unmöglich sein» (Mt. 17,20). Auch wenn ich keinWunder wirke, darf auch ich die wunderbare Erfahrung machen: Im Vertrauen aufGott, der alle meine Probleme in Seine Hände genommen hat, verschiebt sich mancherBerg in meiner Lebensansicht, verrückt sich manche Lebensaussicht, und mein Blickwird wieder freier für das, worauf es vor Gott ankommt.In solchem Gott-Vertrauen darf auch ich mir vornehmen: «Nur für heute werde ichmich bemühen, den Tag zu erleben.» Immer geht es um den heutigen Tag. Diesen Tagdarf ich er-leben; in ihm darf ich wahrnehmen: Heute hat mich Gott in Seine Händegenommen - mit all meinen Problemen. Heute umsorgt ER mich - in all meinenSorgen. Heute geht ER mit mir - auf Berge und durch Täler, durch Hoch und Tief.Wie kann ich diesen Weg konkret gehen, wie diesen Tag er-leben? Antworten daraufsollten sehr nahe an meinem Alltagsleben ausfallen. Einige Beispiele, die mich anregenmöchten:• Ich drücke mich nicht vor meinen Problemen. Ich schiebe sie nicht beiseite. Ich seheihnen in die Augen. Ich benenne sie. So werden sie für mich klarer, bekommen sie einGesicht, werden sie zu persönlichen Ansichten meines Lebens.• Ich übergebe diese meine Probleme Gott. Im Herzensgebet, wie es der heilige Franzvon Sales (1567-1622), der Lieblingsheilige von Papst Johannes, empfiehlt. InStoßzeiten bleibt oft nur knapp Zeit für ein Stoßgebet, für Stoßseufzer meinerSehnsucht. Das genügt.• Meine Probleme darf ich Gott im Gottesdienst übergeben. Zum Beispiel in der Gabenbereitung:Ich erkläre mich bereit, mein Leben von Gott umwandeln zu lassen.• Meine Probleme abladen kann ich im Gespräch, auch im Beichtgespräch. Ich sprecheaus, was mich belastet, und bekomme Gottes Sorge um mich zugesprochen.• Habe ich meine Probleme grundsätzlich Gott in die Hand gegeben, kann ich sie besserauch der Reihe nach selbst in die Hand nehmen. Ich kann überlegen, was sich mirheute in den Weg stellt, welche Aufgabe mir heute übergeben ist, was ich heute einStück weit einer Lösung näher bringen kann. Die Vorbereitung auf den Ta~, von Franzvon Sales empfohlen, bewährt sich dabei als ein guter Weg in den Tag hinein. DasMorgen- und Abendgebet sowie Zwischenbesinnung untertags können geeigneteStationen sein, an denen ich dem, was heute ansteht, in die Augen sehe.Ein kurzes Gebet kann mich durch denTag, durch die Tage des Monats begleiten. Mit der kleinen Theresia von Lisieux könnteich beten: «Du weißt, mein Gott, um Dich zu lieben, habe ich nur das Heute.»«Nur für heute» - nur mich selbst korrigierenNur für heutewerde ich die größte Sorge für mein Auftreten pflegen: vornehm in meinem Verhalten;5


ich werde niemand kritisieren, ja ich werde nicht danach streben, die anderen zu korrigierenoder zu verbessern... nur mich selbst.«Es ist für mich der schwierigste Punkt», gesteht Monika und lässt durchblicken, wie siemitten in ihrem Leben in Ehe und Familie damit umgeht. «Am Abend überlege ich mir,wie ich diesen Punkt erfüllt habe. Er fällt mir schwer.» Manchmal spricht sie mit ihremMann darüber. In ihrer Küche hängt der «Dekalog der Gelassenheit». Zwischendurchwirft sie einen Blick darauf -einen Blick auf Punkte, die ihr leichter und schwererfallen, ihr mehr oder weniger gelingen. Monika ist mit ihrer Erfahrung sicher nichtallein; vermutlich können ihr viele zustimmen.«Vornehm in meinem Verhalten» will Angelo Roncalli sein. Dies hat er wohl seinemVorbild Franz von Sales abgeblickt, der sich bereits als junger Mann in Padua eine Lebensregelgegeben hat, in der er auch auf sein äußeres Erscheinungsbild Wert gelegt hat.Als «der heilige Gentleman» ist er in die Geschichte eingegangen.«Vornehm in meinem Verhalten» meint allerdings nicht nur äußere Umgangsformen,vielmehr auch innere Verhaltensweisen. Das Äußere spiegelt das Innere, die Körperhaltungdie Seelenhaltung. Wie ich mit anderen umgehe, zeigt etwas von dem, wieich mit mir selbst umgehe. Bin ich zu mir selbst gut, werde ich auch zu anderen gut sein.Lebe ich mit mir selbst in Frieden, werde ich auch mit anderen in Frieden lebenkönnen. Nehme ich mich selbst so an, wie ich bin, werde ich auch andere so annehmenkönnen, wie sie sind. Papst Johannes weiß um diese Zusammenhänge von innen undaußen, von Seele und Leib, von Liebe zu mir und zu anderen. Deshalb setzt er bei sichselbst an: «Ich werde niemand kritisieren», noch mehr: «Ich werde nicht danach streben,die anderen zu korrigieren oder zu verbessern.» Drückt er die Augen zu - auch dort, woes offensichtlich ist, dass jemand verkehrt lebt? Scheut er Kritik auch dann, wennKritik Gebot der Stunde ist? Stellt er sich blind - auch dort, wo Unrechtesunübersehbar ist? So könnte man fragen. Papst Johannes hat dies anders gesehen; er hatsich vorgenommen: Ich will «alles hören, vieles vergessen, einiges verändern». Damit hatder Konzilspapst eine Regel vorgelebt, die Psychologen heute Menschen inFührungspositionen empfehlen. Die «Drei-Augen-Regel» rät: «Das rechte Auge mussalles sehen. Das linke Auge muss das meiste übersehen, ohne sich zu ärgern. Mit beidenAugen muss der Chef das Wesentliche sehen.»Was bedeutet dies für mich? Nicht nur Chefin oder Chef über andere bin ich, ich binvor allem für mich selbst verantwortlich. Ich bin mein eigener Vorgesetzter, der dasWesentliche sehen muss. Mit meinen zwei Augen sollte ich alles sehen: das Gute wiedas Böse, das Reife wie das Unreife. Ich sollte es allerdings möglichst so sehen, wie Gottes sieht. Denn ER ist zutiefst mein Herr. ER hat die größte Übersicht über mein Leben,die entscheidende Sicht. In Seinen Augen entscheidet sich, wer ich wirklich bin. Wennich in meinem Tod vor Ihm stehe, wird Sein Blick «nur mich selbst» betreffen, nichtandere. Im Blick Seiner Barmherzigkeit werden mir die Augen dafür aufgehen, woraufes angekommen ist, was wichtig gewesen wäre, wo die entscheidenden Ansätze fürVeränderung zu suchen waren. Dann wird mir sonnenklar werden, wie wahr das Wort6


der Bergpredigt Jesu ist, wie wegweisend Jesu Anfrage: «Warum siehst du den Splitter imAuge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?» (Mt. 7,3).Dann wird auch endgültig geklärt sein, was Vorrang hat: «Zieh zuerst den Balken ausdeinem Auge, dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Brudersherauszuziehen» (Mt. 7,5). Das ist die Reihenfolge der Umkehr: Zuerst bin ich an derReihe, dann die anderen. Selbstkorrektur vor Fremdkorrektur. Umkehr beginnt beimir, täglich neu. «Nur für heute» will ich «nur mich selbst» korrigieren.«Nur für heute» - für das Glück geschaffenNur für heutewerde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin nichtnur für die andere, sondern auch für diese Welt.Wozu sind wir Menschen erschaffen? Eine Antwort auf diese Frage haben wir im altenKatechismus gelernt: Wir sind von Gott geschaffen, um die ewige Glückseligkeit zuerreichen. Auch im neuen Katechismus werden Antworten auf diese Kernfrage angeboten.Papst Johannes XXIII. antwortet darauf auf seine persönliche Art. Er sagt vonsich, was sich alle sagen dürfen: Ich darf glücklich sein, denn ich bin für das GlückgeschaffenWir kennen die Redeweise: Jemand ist für etwas «wie geschaffen» Für eine Aufgabe, füreine Rolle, für einen Lebensbereich, für eine Beziehung. Jemand ist dafür besondersbegabt, befähigt, berufen. Es ist diesem Menschen gleichsam von Natur aus in dasLeben mitgegeben, von Gott geschenkt.Von Gott geschenkt ist uns Menschen, was wir von Natur aus für Gott sind: Seine Geschöpfe,Seine Töchter und Söhne. Von Anfang an hat er uns so geschaffen. Dass wires von Anfang an anders sehen, ist unser Problem, die Sehweise der Erbschuld, dieBlindheit der Verblendung. Unsere Augen sind für Gott erblindet, unsere Ohren fürSein Wort taub, unsere Herzen für Seinen Herzschlag ohne Gespür. Wir verlieren dasgöttliche Ziel aus den Augen und laufen menschlichen Zielen nach. Wir verlierenGottes Rufen aus den Ohren und hören Geräusche der Gesellschaft. Wir bilden unsein, wer wir sind, was wir wollen. Das wahre Bild aber, nach dem wir geschaffen sind,übersehen wir: Jesus, das Abbild des Vaters, den Bruder jedes Menschen. Er muss ausunserer verblendeten Blindheit immer wieder auferstehen, damit wir Ihn sehen, wie Erist und wer wir in Gottes Augen sind. Er muss unsere verstopften Ohren immer wiederdurchstoßen, damit wir hören, wozu wir berufen sind. Er muss die Steine vor unserenHerzkammern immer wieder ins Rollen bringen, damit uns zu Herzen geht, wozu unsGott geschaffen hat.Das Osterfest ist das Fest Seiner und unserer Auferstehung. Es ist das höchste Fest imKirchenjahr, damit das Fest, an dem wir unser tiefstes Glück feiern. An diesem Festtag7


darf jeder mit neugeschenkter Freude sagen: «Heute werde ich in der Gewissheitglücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin...» Für das Glück in zwei Welten -• «für die andere» Welt: In Jesu Auferstehung aus seinem Tod darf ich gewiss sein, dassauch ich nach meinem Tod in Gottes Glück hinein auferstehe.• «auch für diese Welt»: Jesu Auferstehung beginnt für mich nicht erst nach meinemTod, sondern bereits jetzt, im Hier und Heute. An jedem Tag darf ich aus Tödlichem inLebendiges auferstehen, aus Schatten in Licht treten, aus Sünde in Neuanfang hineinerlöst werden.«Jeden Sonntag Ostern feiern» sagen wir zu Recht. Und wir dürfen hinzufügen: «jedenTag als Ostertag erleben». Aus österlicher Glaubensgewissheit heraus hat dies PapstJohannes vor-gelebt: «Nur für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ichfür das Glück geschaffen bin.»«Nur für heute» - mich an die Umstände anpassenNur für heutewerde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sichan meine Wünsche anpassen.Frühlingswetter im Mai - wer fühlt dabei nicht in sich selbst Frühling? Anders ist es imApril: Das sprichwörtlich bekannte «Aprilwetter» kann sich auf die Seele legen.Ankündigung von Frühling und Abschied von Winter, Sonnenschein und Regen,Wärme und Kälte - von verschiedenen Seiten zeigt sich die Natur.Mancher Mensch ist wie das Wetter im April: launisch, unausgeglichen, unbeständig,hin und her bewegt. Zwischen Winterwetter und Frühlingserwachen. Etwas von dieserwechselhaften Witterung kennt wohl jeder Mensch - bei sich und bei anderen.Auch Franz von Sales hat um diese Wechselbäder der Seele gewusst. Gerne hat er dievier Jahreszeiten als Bilder für das menschliche Seelenleben gewählt. Ähnlich kenntauch das geistliche Leben Jahreszeiten: Frühling und Sommer, Herbst und Winter. Sowie sein Lieblingsheiliger hat auch Angelo Roncalli gewusst, wie vielfältig der Menschsein kann, wie wankelhaft und unbeständig, wie sehnsuchtsvoll und sehnsuchtsschwer.Er hat dies auch an sich selbst erlebt. Manchmal hat er sich eine andere Großwetterlagegewünscht, als sie gerade war: für die Kirche und auch für sich. In seinem langen Lebengab es Zeiten, in denen er sich nach Veränderung gesehnt hat. Vor allem seine Jahre aufdem Balkan haben ihm bisweilen zu schaffen gemacht. Zunächst war er zehn Jahre lang(1925 bis 1935) Apostolischer Visitator in Bulgarien, dann neun Jahre (bis 1944)Delegat des Vatikans in der Türkei und in Griechenland. In diesen Jahren - zwischenseinem 44. und 63. Lebensjahr - kam er sich manchmal am Rande des Geschehens vor.Ist er vom Vatikan vergessen? In einer solchen Stimmung nimmt er sich vor: «Ich willauf dem Posten meines Gehorsams bleiben bis zum Ende.» Mag es scheinen, er sei vonVerantwortlichen in der Kirche vergessen, Gott weiß um ihn - das lässt ihn standhalten:«Hier stehe ich. Ich kann auch anders.» Oft hat sich Angelo Roncalli auf neue Lebensumständeeinstellen und umstellen müssen. Die Stichworte seiner Aufgaben sind8


Stationen seines Weges: Schüler und Student im Knaben- und Priesterseminar,Bischofssekretär und Dozent, Sanitäter im Krieg, Studenten- und Frauenseelsorger,Präsident des Päpstlichen Missionswerks in Italien, Apostolischer Visitator in Bulgarien,Delegat in der Türkei und in Griechenland, Nuntius in Frankreich, Patriarch inVenedig, schließlich mit 77 Jahren Übergangs- und Überraschungspapst.Er hat sich seine Aufgaben nicht selbst ausgesucht, sie wurden ihm übergeben. Er hatsie mit seiner Hingabe ausgefüllt, so gut als ihm möglich war. Bei aller Veränderung ister sich selbst treu geblieben: seiner Berufung als Christ, Priester und Bischof. Er hatsich nicht an neue Situationen angebiedert, vielmehr hat er sie mit seinem Humor undseiner Heiligkeit erfüllt. So manche Situation war wohl nicht nach seinem Geschmack,nicht nach seinem Wunsch. Und doch hat er sich in sie hineinbegeben, um in ihr Gottund Menschen zu dienen. Er hat sich auf fremde Erfahrungen eingelassen, auf andereAnsichten und Weltanschauungen. Dabei wurde er in seinem Geist weit, in seinemHerzen feinfühlig, in seinem Handeln offen. So konnte er zu jenem Vater allerMenschen werden, der den Menschen in und außerhalb der Kirche zurief: «Ich binJoseph, euer Bruder!»Solche Weite des Herzens ist Frucht lebenslanger Offenheit für Neues. Fruchttäglicher Öffnung für das, was dieser Tag an Eindrücken und Einsichten bringt:«Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen ...» Dabei kann er täglich neulernen, was ihm das Leben an Erfahrungen schenkt. Nicht er macht sich zum Maßstabdes Lebens, sondern das Leben wird ihm zur Lehre, die Geschichte zur Lehrerin für dieGegenwart und Zukunft. So lernt er sowohl aus der Kirchengeschichte wie aus denZeichen der Zeit, dass es Gottes Wille für Seine Kirche ist, in einem neuen KonzilGottes Geist wehen zu lassen. Als er das Konzil eröffnete, hat er davon gesprochen:Gott spricht durch die Geschichte und die Zeichen der Zeit. «Die Stimme der Zeit istGottes Stimme.» Gottes Geist weht, wo und wie er will (vgl. Joh. 3,8) - weniger dort, wound wie wir es gerne hätten.Was lässt sich daraus für uns heute ableiten? Für mich in meinem Alltag? Ich könntedaraus lernen:• Wenn ich mich zum Maßstab mache, verkürze ich das Leben. Das Leben ist vielfältigerund bunter, Ms ich es sehen kann, als ich es einsehen will.• Wenn ich meine, die Menschen müssten sich an mich anpassen, verpasse ichWertvolles für mein Leben. Gerade in Menschen, die mir zunächst wenig sympathischerscheinen, kann mir Wichtiges geschenkt werden.• Und wenn ich meine, die Wirklichkeit müsse sich meinen Wünschen beugen, dannwerde ich vermutlich bald in einer Sackgasse landen. Ich werde schmerzhaft einsehenmüssen: «Alles wirkliche Leben ist Begegnung» (Martin Buber). Gerade in derBegegnung zwischen mir und anderen, in der Auseinandersetzung mit mir fremdenMenschen und Situationen komme ich dem Leben auf die SpurAus Angelo Roncalli wäre nie Johannes XXIII. geworden, hätte er nicht an vielenTagen seines Lebens diese Lektion gelernt:Die Situation, in die ich hineingestellt bin, ist eine Schule der Liebe. Die Aufgabe, die9


mir anvertraut ist, ist ein Lernfeld der Gottes- und Nächstenliebe. Die Menschen, mitdenen ich zusammen bin, können mir zu Lehrern echten Lebens werden. MeinWunsch, im Hier und Heute zu lieben, kann zum Ort werden, an dem sich mir etwasvon Gottes Willen mit mir zeigt. Deshalb: «Nur für heute .«Nur für heute» - gute LektüreNur für heutewerde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen; wie die Nahrung fürdas Leben des Leibes notwendig ist, ist die gute Lektüre notwendig für das Leben derSeele.«Bei ihm findet man immer ein gutes Gespräch und gutes Essen.» So sagte man in Parisüber Nuntius Roncalli. Tischgemeinschaft und Gemeinschaft im Gespräch gehörten fürihn untrennbar zusammen, seit seiner Kindheit. Arm ist er aufgewachsen. Meist hat esnur Polenta gegeben, Kuchen war die große Ausnahme. Aber immer gab es guteGemeinschaft, Gespräch zwischen Jung und Alt, Austausch von Ansichten,Zusammengehörigkeit rund um den Familientisch. Sorge für Leib und Seele - das gehörtfür den Bauernsohn aus Bergamo zusammen. So kann er aus Überzeugung sagen:Wie die Nahrung für das Leben des Leibes notwendig ist, so die gute Lektüre für dasLeben der Seele. Er könnte diese Einsicht in verschiedener Hinsicht ergänzen; für dasseelisch-geistliche Leben ist auch anderes notwendig: Gebet und Gottesdienst, Lebenaus den Sakramenten und aus dem Kirchenjahr. Zu all diesen und zu anderen wichtigenLebensbereichen hat er sich immer wieder Vorsätze gemacht - wie zur Lektüre: «Nur fürheute werde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen.»Als Schüler und Student hat sich Angelo mit großem Eifer in die Schatzkammern desStudiums begeben. Von Franz von Sales hat er gelernt, das Studium sei für den Priesterwie das achte Sakrament. Doch Lernen darf nie Leerlauf werden, Studium nichtSelbstzweck. «Das Studium ist ein Auge - sagen wir das linke -, doch wenn das rechteAuge fehlt, wie wenig wert ist ein Auge allein, beziehungsweise das Studium für sichallein.» Sosehr sich Angelo Wissen angeeignet hat, es ging ihm nie nur um dieQuantität, vielmehr um die Qualität. Auch wenn er einmal von sich sagt:«Ich habe eine ganze Bibliothek in meinem Kopfe», so betont er, worauf es ihm ankommt:«Lesen, soviel ich kann, daraus lernen, um mir wahrhaft gesunde und klarePrinzipien zu verschaffen.» Nicht der Umfang, vielmehr die Empfänglichkeit, nicht dasWissen des Verstandes, vielmehr die Weisheit des Herzens ist das Ziel. Deshalb rätRoncalli zum Wenigen: «Lest wenig, aber gut. Und was für die Lektüre gilt, wendet aufalles an: wenig, aber gut.» Beim Lesen ist ratsam, was Lebensweisheit empfiehlt:• lieber weniger als (zu) viel,• lieber verdauen als verbrauchen,10


• lieber Qualität als Quantität,• lieber in Ruhe als in Hektik,• lieber regelmäßig als ab und zu.Deshalb legt Papst Johannes auf die tägliche Lektüre Wert; täglich wenigsten's zehnMinuten qualitativen Lesestoff wünscht er sich. Er hat sich seine Gewohnheiten aufgebaut,zum Beispiel: «Jeden Tag, besonders vor dem Schlafengehen, will ich in einemguten Buche lesen, das mir geistigen Gewinn bringt.»Und wie steht es mit meinen Lese-Gewohnheiten? Sorge ich dafür, dass ich regelmäßigNahrung für mein geistig - geistliches Wachstum empfange? Wann sind für michgünstige Lese-Zeiten? Wie wähle ich Lesestoff aus? Ist es eher zufällig, ob ich Guteslese? Ist es nötig, einer meiner Lese-Gewohnheiten entgegenzusteuern? Fragen, diedurchaus im Gespräch mit Freunden, in der geistlichen Begleitung, im Bußsakramentaufkommen können. Fragen zur Planung meines Alltags. Dabei kann ich von gutenErfahrungen anderer lernen:• Jemand liest täglich einen Abschnitt aus der Heiligen Schrift.• Die Lesung und das Evangelium des Tages kann eine Quelle sein.• Ein Buch aus der großartigen geistlichen Tradition oder auch aus der Gegenwartkann mir Anregungen schenken. Zum Beispiel die »Philothea« des heiligen Franz vonSales oder das «Geistliche Tagebuch» von Papst Johannes XXIII., das sich wie eine«Philothea im 20. Jahrhundert» liest. Was Angelo mit zwanzig Jahren entdeckt hat, hater sein ganzes Leben lang treu vertieft:«In der Philothea ist genug enthalten, einen Heiligen aus mir zu machen, dessen Gestaltsich von Tag zu Tag in ständigem Fortschritt verschönt.»«Nur für heute» - eine gute TatNur für heutewerde ich eine gute Tat vollbringen, und ich werde es niemand erzählen.Wer einem guten Menschen begegnet, wird sich fragen: Warum ist dieser Mensch sogütig? Was ist die Quelle, aus der er lebt? Was ist das Ziel, das ihn bewegt? Was sind dieWege, die er geht? Was ist das Geheimnis, das dieser Mensch in sich trägt? Menschenwie Mutter Teresa von Kalkutta müssen sich solche Fragen gefallen lassen. Journalistensind ihnen auf der Spur. Denn die Antworten interessieren viele, die sich fragen: Wiekann ich selbst so leben, dass in mir etwas mehr Güte wächst?Er ist «die Güte in Person». Mit guten Gründen konnte man dies von Papst JohannesXXIII. sagen. Er war der «papa buono», der gütige Vater aller Menschen. Er sprach«Worte der Güte», wie ein Buchtitel ankündigt.«Agere sequitur esse» - das Tun folgt aus dem Sein. Einen solchen Grundsatz der11


Schultheologie hat sich der Bauernsohn aus Sotto il Monte als junger Studenteinverleibt und sich sein Leben lang davon prägen lassen. Ähnlich wie ein andererLehrsatz der Scholastik: «ens et bonum convertuntur» - das Sein und das Gute sindaufeinander bezogen. Das Gute kommt aus dem Sein, denn das Sein ist gut. Was abstraktklingt und verkopft wirkt, das war bei Johannes XXIII. sehr konkret und keineswegsverkopft. Im Gegenteil: Es hat ihn ganzheitlich geprägt - so sehr, daß er zu einemausgezeichneten Beispiel dafür wurde. Bei ihm konnten die Menschen erleben:Was er tut, das kommt aus ihm; wie er handelt, so ist er. Er tut Gutes, denn er ist gut.Seine Güte war wie eine reife Frucht, aus Frühlingsknospen in der Sommersonne gereift.Viele Jahre stand Angelo Roncalli mehr im Schatten als im Licht der Öffentlichkeit.Unzählige Tage seines Lebens waren wenig herausragende Arbeitstage. ImAlltag war gereift, was am Ende seines Lebens weltweit sichtbar wurde. Gerade ansolchen Tagen, an denen kaum jemand von seinem Tagewerk Notiz nahm, erlebte er imGebet: Gott sieht mich und das genügt mir. Gerade in Zeiten, in denen die großeKirchengeschichte scheinbar an ihm vorbeiging, lebte er aus seinem tiefen Ver37trauen: Gott lebt mit mir Seine Heilsgeschichte - und darin bin ich geborgen. Gott lässtzu allen Zeiten wachsen, was Er will, blühen, wo Er will, fruchtbar werden, wann Erwill. In Seinen Augen hat bleibend Wert, was in Menschenaugen wankend wertvoll ist -mal mehr, mal weniger. Mein Schöpfer sieht mein Tagewerk, und mit ihm darf ichrückblickend sagen: «Es war gut» (Gen 1,31). Mit Papst Johannes darf auch ich «ininnigem Gespräch mit dem Herrn» sein und mir vornehmen: «Ich muss mir immerklarer darüber Rechenschaft geben, dass das die am besten verwandten Augenblickemeines Lebens sind» (6. Oktober 1939).«Nur für heute» nimmt sich Johannes XXIII. vor, eine gute Tat zu vollbringen. SeinVorsatz ist offensichtlich viel mehr als das Pfadfindermotto «täglich eine gute Tat». Esgeht ihm weniger um einzelne Taten, vielmehr um das Werk dieses Tages. MeinTagewerk heute möge gut werden, es möge etwas von der Güte Gottes an sich haben.Aus der Begegnung mit dem Schöpfer möchte ich diesen Tag gestalten. Was ich heutein die Hand nehme, möchte ich gut behandeln - so gut als mir möglich seinwird. In jeder Begegnung, in jeder Situation, in jeder Aufgabe wird es darauf ankommen,dass sich das Gute durchsetzt, dass zwischen uns Güte aufkommt, dass ich -bei allen meinen Grenzen - sagen darf: Auch heute habe ich mich mit meinem gutenWillen, mit meinen guten Absichten eingebracht. Dabei darf ich vertrauen: Auch vondiesem Tag wird Gott sagen, «es war gut». So gesehen wird verständlich, warum JohannesXXIII. «es niemand erzählen» will, was er Gutes tut. Naheliegender ist es fürihn, von Gott zu erzählen, der in ihm Gutes wirkt. Angemessener ist es, im Gebet Gottzu sagen, was ihm dieser Tag an Aufgaben und Herausforderungen bringt. In GottesGüte wird er Gutes tun, gütig sein dürfen. Zuerst das Sein, dann das Tun - der alteLehrsatz war ihm täglicher Vorsatz: zuerst die Begegnung mit Gott, dann mit Menschen;zuerst Sein mit Gott, dann Zusammensein mit Menschen. Im täglichenBegegnen mit Gott, dem Geber alles Guten und Vater aller Menschen, wird er selbstzum «papa buono», zum gütigen «Heiligen Vater», zum Bruder aller.12


«Nur für heute» - Gottes Willen tunNur für heutewerde ich etwas tun, das ich keine Lust habe zu tun; sollte ich mich in meinen Gedankenbeleidigt fühlen, werde ich dafür sorgen, dass niemand es merkt.Etwas tun wollen, wozu ich keine Lust habe - das ist kaum gefragt. Betont ist vielmehr,was Lust bereitet. «Lust, nicht Last» oder «lieber Lust als Last» - an einem solchenLebensmotto orientieren heute viele ihr Leben.Etwas wollen, was ich nicht mag - das schmeckt nach alter Askese. Sich etwasauferlegen, sich selbst ein Kreuz bereiten -früher mag mancher Christ dies für erstrebenswertgehalten haben, heute ist dies nicht mehr so. Kreuze kommen auf mich zu,auch wenn ich sie nicht selbst suche. Schweres lastet auf mir, auch wenn ich es mir nichtselbst auflade.Der Rat von Papst Johannes kann mitten in mein Leben hinein sprechen. Auch wennich mir nicht eigens etwas suche, zu dem ich keine Lust habe, es gibt in meinem Alltagimmer wieder etwas, das mir mehr Lastals Lust bereitet. Es sind die alltäglichen Sachen, die Alltagspflichten, die banalenDinge des täglichen Lebens. Eigentlich wollte ich schon längst abspülen, aufräumen,etwas besorgen oder entsorgen, etwas vor- oder nachbereiten. Ein lange versprochenerBesuch steht an. Ein verschobener Termin rückt näher. Ich spüre, wie ich dafür wenigmotiviert bin.Fachleute für Tagesplanung raten, sich alles aufzulisten, was in nächster Zeit voraussichtlichauf mich zukommt. Auf dieser Liste stelle ich eine Reihenfolge auf undlege fest, was ich zuerst, was ich später tun will. Dabei spielt auch die Frage mit, was ichgern, was ich ungern tue. Es ist ratsam, Unangenehmes rechtzeitig in die Hand zunehmen. Ist es erledigt, schafft es Freiraum. Bleibt es unerledigt, bedrängt es michweiter; es kann in mir mehr Raum als nötig beanspruchen, mir Freiraum für anderesrauben.Der heilige Franz von Sales hat ähnliches geraten. In der Vorbereitung auf das Tagewerk(«Philothea» 11,10) empfiehlt er, im voraus zu überlegen, «welche Arbeiten, Geschäfteund Gelegenheiten dir an diesem Tag ~ werden, Gott zu dienen». Dabei geht esihm nicht nur um eine nüchterne Vorausüberlegung, sondern auch um einegefühlsmäßige Willenseinstellung, um einen klaren Entschluss, mich heute in allem aufGott auszurichten, heute Gottes Willen zu tun.Auf dieses Ziel hin hat auch Johannes XXIII. gelebt. Deshalb hat er täglich seineGedanken und Gefühle, seine Wünsche und seinen Willen auf Gott ausgerichtet. «Ichhabe immer den Willen Gottes erfüllen wollen, immer, immer!» gestand er sterbend.Maßgebend waren für ihn Gottes Gedanken, in denen jeder Mensch geborgen ist.Gerade auch dann, wenn er sich selbst in seinen Gedanken unruhig erlebt, beleidigtgefühlt hat.Diese Erfahrung kennt wohl jeder: etwas geht mir «gegen den Strich», «läuft mir über13


die Leber», durchkreuzt meine Pläne, enttäuscht und ärgert mich, ist mir innerlichzuwider. In mir brodelt und kocht es. Wie kochendes Wasser in einem Topf den Deckelhebt, ist auch in mir «das Maß voll», läuft das Gefäß über. Ist jemand in meiner Nähe,der mich darin versteht, so kann ich bei ihm «Dampf ablassen». Ist aber niemand da, sokann es allzu leicht geschehen, dass ich bei jemandem meinen Arger ablasse,der damit nichts zu tun hat. Ich reagiere mich unangemessen und ungerecht ab.Angemessener wäre es, ich würde zunächst meinen Arger bei mir behalten. Vielleichtgibt es auch andere Möglichkeiten, mit mir umzugehen: etwas Abstand, Stille, einSpaziergang, Sport.Auch kann es sein, dass ein Problem über mich hinauswächst, wenn ich es zu schnell«ausposaune». Manches Problem löst sich leichter, wenn ich es zunächst noch im Innenraumlasse, wenn ich es in Gedanken und Gebeten bewege.Es wird immer wieder neu darauf ankommen, das rechte Maß zu finden. Einmal wird esrichtiger sein, aus mir herauszugehen. Einmal wird es besser sein, in michhineinzuhorchen. Immer aber darf ich vertrauen: Gottes Geist ist der Raum, in dem ichmein Leben zur Sprache bringe, sei es zusammen mit Menschen, sei es mit mir allein.Auch wenn ich niemandem erzähle, was ich getan habe, Gott kennt mich in meinen gutenund schlechten Seiten. Auch wenn ich ein Problem vor anderen verberge, es istbereits in Gott geborgen.«Nur für heute» -in Gottes Plan mit mirNur für heutewerde ich ein genaues Programm aufstellen. Vielleicht halte ich mich nicht genaudaran, aber ich werde es aufsetzen. Und ich werde mich vor zwei Übeln hüten: derHetze und der Unentschlossenheit.Programm und Papst Johannes - passt dies zusammen? Erweckte nicht gerade dieserPapst den Eindruck, er habe keine Programmpunkte in seinem Kalender? Gab nichtgerade er seinen Gesprächspartnern das Gefühl, er habe für sie beinahe unbegrenztZeit, sie seien für ihn gerade jetzt die wichtigsten Menschen auf der Welt?Ein genaues Programm? Papst Johannes war doch alles andere als ein Pedant, derminutiös genau darüber Buch führt, was er heute bereits getan und noch zu tun hat. Erhat die Zeit gut ausgeschöpft, sie nicht vergeudet. «Ich will danach trachten, viele Dingein möglichst kurzer Zeit zu erledigen auch nicht eine Minute mit unnützen Dingen zuverlieren.»Programm - das war für Johannes XXIII. auch ein Arbeitsprogramm, aber vor allem eingeistliches Programm.Heute fragen sich viele: Wie bewältige ich mein Arbeitspensum? Wie komme ich in derVielfalt meiner Verpflichtungen über die Runden? Gefragt sind Techniken, wie ich14


möglichst treffend vorausplanen kann, was auf mich zukommt. Gesucht sind Wege, wieich möglichst gut bewältigen kann, was mir abverlangt wird. Der Ruf nach Planung istlaut. Programme werden angeboten: Tipps zur Zeit- und Arbeitsplanung,Zeitplantechnik, Teamwork-Schulung, Programme von Managern für Manager,Methoden von Machern für Macher.Ein Kontrastprogramm dazu bietet der Konzilspapst an. Er war ja alles andere als einManager. Für ihn war klar: Leben lässt sich nicht «machen». Planen ist nie nurmenschliches Planen, immer zugleich und zutiefst Planung in Gottes Plan mit unsMenschen. Aus Gottes Vorsehung hat er gelebt, auf sie hin sein tägliches Leben entworfen.Vor Gott hat er verantwortet, was er an jedem Tag getan hat. Deshalb betont erfür sich: «Nur für heute» will ich.«Nur für heute werde ich ein genaues Programm aufstellen.» Er hat sich wohl zumBeginn jedes neuen Tages, vielleicht auch bereits am Vorabend, gefragt: Was kommtheute auf mich zu? Wann, wo, wie, von wem bin ich gebraucht? Wann sind Zeiten, indenen ich beruflich gebunden bin? Wann Zeiten, die ich noch gestalten kann? Wannergeben sich günstige Zeiten für Gebet und Gottesdienst, für Briefe, für Lektüre, fürGäste, für einen Besuch? Dabei war ihm klar: Ob Arbeits- oder Freizeit, ob GottesoderMenschendienst - jede Zeit ist Gottes Zeit, jede Stunde Gottes Stunde. Alles, wasich heute voraussehe, ist bereits im Blickfeld von Gottes Vorsehung. Alles, was ichheute vorherplane, ist bereits im Heilsplan von Gottes Liebe.Eine solche Sichtweise eröffnet Gesichtspunkte, die im Alltag meist ausgeblendetbleiben. Eine solche Haltung bewahrt vor Hetze. Für Papst Johannes war Hetze einÜbel, ebenso Unentschlossenheit. Zwischen diesen beiden Polen ist er seinen Weggegangen, Schritt für Schritt den Weg der Vorsehung. Darin wurde er zu einem reifenMenschen voll weiser Gelassenheit. Wer einem solchen Menschen begegnet, darf fürsich erfahren:• Im langen Atem von Gottes Vorsehung darf auch ich mein kurzatmiges Hetzendurch den Alltag auflösen lassen.• Im Vertrauen auf Gottes Wege mit mir darf auch ich mein Zögern aufgeben. Ichdarf mich unverzüglich auf das einlassen, was heute für mich ansteht.• Ich brauche weder zu hetzen noch unentschlossen zu zögern. Gott kennt meineSchritte, meine Schrittgeschwindigkeit~, meine Möglichkeiten, mein Maß. Er wirdmich weder über- noch unterfordern. Er wird mit mir mitgehen - vorausgesetzt: Ichlasse mich auf Seine Wege ein. Ich lasse in meinem Planen Spielraum für Gottes Plänemit mir.«Nur für heute» - in Gottes VorsehungNur für heute -werde ich fest glauben - selbst wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten -, dassdie gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemand in der15


Welt.Wie Muttermilch hat er es in sich aufgenommen: Vertrauen in Gottes Vorsehung. AmFamilientisch hat er von klein auf gelernt, mit Gottes Gaben großzügig umzugehen, inihnen Gottes Zuwendung zu erleben. Auch wenn viele in der Familie Platz habenmussten, für sie alle blieb das Gefühl: Ich habe an unserem Tisch meinen Platz. «Wirwaren arm, aber zufrieden mit unserer Lage und voll Vertrauen auf die Hilfe derVorsehung. Auf unserem Tisch gab es nie Brot, nur Polenta; keinen Wein für Kinderund Jugendliche, selten Fleisch, höchstens zu Weihnachten und zu Ostern einStücklein hausgemachten Kuchen. Die Kleidung und das Schuhwerk für den Kirchgangmussten für viele Jahre herhalten. Und doch gab es, wenn ein Bettler sich an der Türeunserer Küche zeigte, wo die Kinder, an die zwanzig, ungeduldig auf ihren Teller Suppewarteten, immer noch einen Platz, und meine Mutter beeilte sich, jenen Unbekanntenneben uns zum Sitzen einzuladen.» Solche Erinnerung an seine Kindheit wird AngeloRoncalli sein Leben lang begleitet haben. Auch in Zeiten, in denen er sich ziemlichverlassen vorkam. Seine Zeit auf dem Balkan - in Bulgarien, in Griechenland, in derTürkei - war für ihn bisweilen wie Leben im Schatten. Fern seiner Heimat, entferntvom Vatikan, fast wie vergessen, tat er treu seinen Dienst. Auf der Höhe seinerSchaffenskraft sehnte er sich weniger nach einer kirchlichen Karriere, vielmehr nacheinem Leben in Gottes Willen. Mit 47 Jahren schrieb er 1928 aus Sofia: «Wegenmeiner Zukunft mache ich mir keine Sorgen und habe keine Wünsche. ,Zu uns kommedein Reich, dein Wille geschehe...' Das genügt.» Und seinem Geistlichen Tagebuchvertraute er an: «Mögen die andern tun und sagen, was sie wollen, sich vordrängen - ichwerde mich wegen meiner Zukunft nicht beunruhigen.»«Selbst wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten», er will an Gottes Vorsehungglauben, auf Gottes Absichten vertrauen. Menschlich gesehen, sah es zeitweise für ihnso aus, er sei übersehen und vergessen. Von Gott her gesehen, sah es für ihn anders aus.Von Gott erlebte er sich angesehen, nicht übersehen, beim Namen gerufen, nichtvergessen. Für Gott war er einzigartig - so sehr, «dass die gütige Vorsehung Gottes sichum mich kümmert, als gäbe es sonst niemand in der Welt».In dieser Gotteserfahrung begegnete er sich selbst und unzählig vielen Menschen.Immer wieder durfte jemand in seiner Nähe erahnen und erleben, wie sehr jeder Menschvor Gott einzigartig, einmalig ist. Wie eine Mutter, wie ein Vater den Kindern schenkteer Menschen das Gefühl: Bei Gott bin ich angesehen, geschätzt wie ein kostbarerSchatz, geliebt wie eine Tochter, wie ein Sohn.Etwas davon darf auch ich erahnen, wenn ich mich auf solche Gotteserfahrung einlasse.Zum Beispiel, indem ich• diesen Satz auswendig lerne und ihn längere Zeit hindurch als meinen Vorsatzausspreche: «Nur für heute will ich .• dieses Wort an einigen Stellen verändere, so dass es noch mehr zu meinem Wort wird.Ich könnte «die gütige Vorsehung Gottes» umsprechen und bekennen, «dass Gott fürmich da ist». Ich könnte den Schluss ergänzen mit «als gäbe es niemanden in der Welt -als nur mich».16


Gebe ich solcher Gotteserfahrung in mir Raum, so übe ich jene Haltung ein, in derAngelo Roncalli zu allen Zeiten seines langen Lebens von sich sagen konnte, einst aufdem Balkan und später im Vatikan, im Schatten wie im Licht der Öffentlichkeit:«Gott weiß, dass ich da bin. Das genügt mir.» Auch dieses Wort bietet sich an, daß es zumeinem Wort wird, in dem ich mein Vertrauen ausdrücke: Gott kümmert sich ummich, als wäre ich der einzige Mensch.«Nur für heute» - keine Angst habenNur für heute -werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich anallem zu freuen, was schön ist, und an die Güte zu glauben.Novemberstimmung legt sich wie Nebel auf die Seele - nicht nur im November. Stimmungvon Allerseelen und Totensonntag kommt auf. Fragen nach den «Letzten Dingen»im Leben stellen sich ein. Persönliche Fragen, die ich mir stelle: mein Tod - wann,wo, wie? Angst vor dem, was auf mich zukommen wird: Kummer? Krise? Krankheit?Krebs?Solche Fragen hat sich natürlich auch Angelo Roncalli gestellt, z.B. in Exerzitien undbei Geburtstagen. In seinem Geistlichen Testament schreibt er sich von der Seele, wasihn im Angesicht seines Todes bewegt: «Das Wissen um meine Armseligkeit und meinNichts hat mir immer gute Gesellschaft geleistet, machte mich bescheiden und ruhigund schenkte mir die Freude, mich zu meinem Besten im Gehorsam und in der Liebezu den Seelen und für die Interessen des Reiches Jesu, meines einzigen Herrn, üben zudürfen. Ihm gebührt die Ehre. Für mich und mein Verdienst genügt seineBarmherzigkeit. Mein Verdienst ist das Erbarmen des Herrn. Herr, du weißt alles, duweißt, dass ich dich liebe. Das allein genügt mir» (29.6.1954). «Herr, es ist Abendgeworden. Das Leben ist ein großes Geschenk des himmlischen Vaters. Dreiviertelmeiner Zeitgenossen sind schon hinübergegangen. Darum muss auch ich mich fürdiesen großen Augenblick bereithalten. Der Gedanke an den Tod beunruhigt michnicht. Ich will bereit sein, auch unverhofft abberufen zu werden» (Juni 1957). SeinemBruder Zaverio schreibt der Papst: «Die vergangenen 80 Jahre beweisen mir, dass ammeisten zählt, gut und immer auf den plötzlichen Abruf vorbereitet zu sein. Daswichtigste ist: uns das ewige Leben zu sichern im Vertrauen auf die Güte des Herrn, deralles sieht und für alles vorsorgt» (3.12.1961).Güte ist ein Schlüsselwort seiner Spiritualität - von seiner Jugend bis in sein hohesAlter. Auf diesem geistlichen Hintergrund ist verständlich, dass sich Papst Johannes als«guter Hirte» verstanden hat, der wie eine Mutter und ein Vater auf Menschen zugeht:«Ein gütiger Hirte und Vater zu sein – „pastor et pater“-, darin liegt das Ideal meinesLebens als Bischof. Güte und Nächstenliebe, welch große Gnaden!» Lange bevor erPapst wurde, hat er sich eine Mutter-Kirche für alle Menschen gewünscht: «Überall, woRom ist, müssen sie mütterliche Güte finden» (1940).17


Bei allen Ängsten, die sicherlich auch er in sich spürte, hat Angelo Roncalli anderessich entfalten lassen: Freude am Schönen, Vertrauen auf das Gute, Glaube an die Güte.«Ich nehme die Menschen alla buona, d.h., ich setze das Gute in jedem voraus -eine imtiefsten noch unverlorene und gute Gesinnung -, das schlägt die Brücke.» Die Brückezwischen mir und Menschen, denen ich begegne - auch die Brücke zwischen mir unddem, was auf mich zukommt. Getrost kann ich meinem Tod ins Auge sehen, wenn ichmich auf einem Weg der Güte bewege. Novemberstimmung in mir wandelt sich inadventliche Stimmung - Angst in Vertrauen, dass mich nicht Tod, sondern Lebenerwartet, nicht Todesgrauen, vielmehr Gottes Güte.«Nur für heute» - das Gute wirkenMir ist es gegeben, das Gute während zwölf Stunden zu wirken; mich könnte es entmutigen,zu denken, dass ich es das ganze Leben durchsetzen muss.24 Stunden hat der Tag, nicht mehr. Acht Stunden Arbeit ist (m)ein durchschnittlichesTagespensum. «Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Gebet, acht Stunden Schlaf»,empfiehlt eine geistliche Regel.Wie kann ich damit umgehen, ich in meinem Alltag? In meinem Beruf, der mich in diePflicht ruft? In meinem Pensum Arbeit, das auf mir lastet? In meinem Bündel vonAufgaben, die mich beanspruchen? In meinem Netz von Beziehungen, die mich zeitlicheinfordern? Ich, der ich manchmal an meine Grenzen gerate und seufze: «Auch meinTag hat nur 24 Stunden.»An diesen Grenzen scheitert nicht das Christ- Sein, in ihnen entwickelt es sich. So hatFranz von Sales gelehrt, so hat er gelebt. An ihm hat sich Johannes XXIII. orientiert,an seinem Leben wie an seiner Lehre. Für den Heiligen der Gottesliebe im Alltag warjede Stunde eine Stunde mit Gott, jeder Augenblick ein Augen-Blick zwischen Gottund mir. Er hat gezeigt, wie es möglich ist, «rund um die Uhr» mit Gott verbunden zusein. Rund um die Uhr - 24 Stunden hindurch, bei Tag und Nacht, vom Aufwachen biszum Einschlafen, von hellwach bis todmüde, jederzeit, an jedem Ort. Rund um die Uhrwollte auch Johannes XXIII. liebevoll mit Gott verbunden sein. Er, der auf der Uhr desHerrn die Stunde der Liebe wies (<strong>Christine</strong> <strong>Busta</strong>). Dabei blieb er bescheiden, zufriedenmit dem, was ihm tagtäglich möglich war: «Mir ist es gegeben, das Gute während zwölfStunden zu wirken.» Ihm war klar: Gutes tun erwächst aus Gottes Gnade. Nicht ichmuss es mir geben, es ist mir von Gott auf- gegeben. Seine Gabe will für mich zurAufgabe werden. Seine Güte will in mir Gutes wachsen lassen. Ich darf gut sein, weilich für Gott zutiefst gut bin. Nicht Unmögliches muss ich leisten, das mir Möglichedarf ich tun. Im Rahmen meiner Möglichkeiten das Tägliche möglichst gut tun - dasgenügt. Gutes tun - an einem Tag mehr, am anderen weniger. An jedem Tag darf ichvertrauen: Gottes Güte umgibt mich - rund um die Uhr. Mag mein Leben wie einZifferblatt sein, es ist ein Blatt auf der Uhr des Herrn.18


Darf ich wie ein Uhrzeiger sein, so darf ich anzeigen: Jede Stunde - gerade auch dieseStunde jetzt - ist zutiefst eine Stunde Gottes mit mir und dir. Diese Stunde kann fürMenschen zu einer Stern-Stunde werden, in der Gottes Liebe aufleuchtet wie ein Stern.Dieser Tag kann zu einer Tür werden, in der der Herr steht, auf mich wartet, micherwartet. Eine Tür, in der ich stehe und spüre: ER klopft bei mir an. Nicht nur derletzte Tag - mein Todestag-, jeder Tag meines Lebens kann eine solche Tür sein:Schwelle der Begegnung zwischen IHM und mir. An jedem Tag kann ich mich daraufeinstimmen, mich besinnen, «worauf es ankommt, wenn ER kommt», wie ein Liedanklingen lässt.Johannes XXIII. hat darauf auf seine Weise geantwortet: «Der Herr wird denen entgegenkommen,die verstehen, in den Tag zu leben.» Bei allem Willen, heute Gutes zu tun,hat er sich die Gelassenheit bewahrt, heute nur das zu tun, was möglich ist, und andereszu lassen, es getrost Gott zu überlassen. Gott ist es, der das Gute gibt und be-wirkt.Gott ist der Gute, die Güte in Person. «Erschienen ist die Güte und MenschenliebeGottes» (Tit 3,4). Ähnliches haben Menschen in der Begegnung mit dem «papa buono»gespürt:Als sein Herz stillstand,als sie ihn einmal nochunter der Kuppel des Domsden verlassenen Völkern hinlegten,schauten wir ihn als denunverrückbaren Zeiger,der auf der Uhr des Herrndie Stunde der Liebe wies.<strong>Christine</strong> <strong>Busta</strong>19

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