Wie Sie richtig abklären und behandeln - Medical Tribune
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18 Quintessenz Selecta 3/2007 18. Mai 2007<br />
�Fortsetzung von Seite 17<br />
oder auch innert weniger Tage entwickeln.<br />
Insbesondere bei einer Ersterkrankung<br />
fi ndet sich meist ein Zusammenhang<br />
mit einem belastenden Ereignis.<br />
Mehr als die Hälfte der Betroffenen<br />
machen während ihres Lebens mehrere<br />
depressive Episoden durch, bei ca. 15 %<br />
ist mit einem chronischen Verlauf zu<br />
rechnen. Charakteristika einer depressiven<br />
Episode sind eine gedrückte Stimmungslage<br />
sowie verschiedene Symptome<br />
eines gestörten neurovegetativen<br />
Gleichgewichts wie Schlafstörungen,<br />
Energiemangel, Appetitstörungen, Konzentrationsstörungen<br />
<strong>und</strong> verminderte<br />
physische Aktivität – Symptome, die<br />
Neuere Antidepressiva<br />
Selektive Serotonin-<br />
<strong>Wie</strong>deraufnahmehemmer (SSRI)<br />
Citalopram*, Escitalopram*, Fluoxetin*,<br />
Fluvoxamin*, Paroxetin*, Sertralin*<br />
Serotonin-Noradrenalin-<br />
<strong>Wie</strong>deraufnahmehemmer (SNRI)<br />
Duloxetin*, Venlafaxin*<br />
Noradrenerge <strong>und</strong> spezifi sch<br />
serotoninerge Antidepressiva (NaSSA)<br />
Mirtazapin*<br />
Selektive Noradrenalin-<br />
<strong>Wie</strong>deraufnahmehemmer (NARI)<br />
Reboxetin*<br />
Reversible Monoaminoxidasehemmer A<br />
Moclobemid*<br />
Tabelle 2<br />
auch unser Patient beschreibt: Nach den<br />
ICD-10-Kriterien (s. Tab. 1, S. 17) leidet<br />
er an einer mittelschweren Depression.<br />
Mehrgleisig fahren<br />
Die Behandlung einer Depression erfordert<br />
einen multimodalen Zugang mit<br />
Pharmakotherapie, Psychotherapie <strong>und</strong><br />
Schulung von Patient <strong>und</strong> Angehörigen.<br />
Eine stützende Gesprächstherapie sollte<br />
dabei immer die Gr<strong>und</strong>lage bilden, bei<br />
leichten Depressionen kann sie auch als<br />
Firstline-Therapie eingesetzt werden.<br />
Zeigt sich aber nach vier bis sechs Wochen<br />
keine Besserung, oder sind die somatischen<br />
Symptome ausgeprägt, darf<br />
mit dem Beginn einer Pharmakotherapie<br />
nicht zugewartet werden.<br />
Die Behandlung gliedert sich in drei<br />
Phasen: die Akuttherapie, die Erhal-<br />
tungstherapie <strong>und</strong> die Rezidivprophylaxe.<br />
In der Akutphase (Dauer sechs bis<br />
zehn Wochen) gilt es, eine Remission<br />
zu erreichen. Je nach Ausmass der Symptome<br />
(Suizidalität, Wahnvorstellungen,<br />
Agitiertheit) entscheidet sich, ob ambulant<br />
oder stationär behandelt wird.<br />
Bei mittelschweren bis schweren Episoden<br />
sind Antidepressiva die Therapie<br />
der Wahl. Wegen ihres besseren Sicherheits-<br />
<strong>und</strong> Nebenwirkungsprofi les kommen<br />
in erster Linie SSRI <strong>und</strong> andere<br />
neuere Antidepressiva zum Einsatz (s.<br />
Tabelle 2). Da ihre Wirksamkeit in etwa<br />
vergleichbar ist, werden sie je nach vorherrschender<br />
Symptomatik <strong>und</strong> Begleitumständen<br />
(Komorbidität, Komedikation<br />
etc.) gewählt. Es gibt Hinweise, dass<br />
Substanzen mit einem doppelten Wirkungsansatz<br />
effektiver sind.<br />
Begonnen wird mit einer niedrigen<br />
Dosis <strong>und</strong> dann langsam bis zur optimalen<br />
Dosis gesteigert, regelmässige<br />
Konsultationen sind ein Muss. Bei<br />
fehlendem Ansprechen nach ca. vier<br />
Wochen sollte auf ein anderes Antidepressivum<br />
(andere oder auch gleiche<br />
Wirkklasse) gewechselt werden, Kombinationen<br />
zweier verschiedener Wirkklassen<br />
sind ebenfalls möglich. Als weitere<br />
Option steht die Augmentation zur<br />
Verfügung: Hierbei wird durch Zugabe<br />
eines Nicht-Antidepressivums (gewisse<br />
Mood Stabilizer wie z.B. Lithium* oder<br />
Lamotrigin*, atypische Antipsychotika,<br />
Schilddrüsenhormone) die Wirkung<br />
des Antidepressivums verstärkt. Bei sehr<br />
schweren oder therapieresistenten Episoden<br />
kann sich eines der älteren Trizyklika<br />
als wirksamer erweisen als die<br />
neueren Antidepressiva. Auch eine Elektrokrampftherapie<br />
kann bei solchen Patienten<br />
zum Einsatz kommen.<br />
Bei unserem Patienten zeigte sich auf<br />
die erste Therapie (SSRI) keine Wirkung,<br />
vielmehr verschlechterte sich sein Zustand,<br />
<strong>und</strong> er musste hospitalisiert werden.<br />
Die stationäre Behandlung <strong>und</strong> der<br />
Wechsel auf einen SNRI (Wirkung über<br />
zwei Neurotransmittersysteme statt eines)<br />
liessen ihn die Remission erreichen.<br />
Damit begann die Erhaltungsphase,<br />
die in der Regel mindestens sechs Monate<br />
dauert. Ziel dieser ist es, residuelle<br />
Symptome zu eliminieren <strong>und</strong> den<br />
Funktionszustand vor der Erkrankung<br />
wiederherzustellen. Dazu werden dieselbe<br />
Medikation <strong>und</strong> Dosierung, die<br />
zur Remission geführt haben, fortgesetzt.<br />
Frühestens nach sechs Monaten<br />
Quintessenz:<br />
1. Depressionen sind in den meisten Fällen<br />
rezidivierend.<br />
2. Die Therapie gliedert sich in drei Phasen.<br />
3. Primär kommen SSRI <strong>und</strong> neuere Antidepressiva<br />
zum Einsatz.<br />
4. Oft sind Therapiewechsel <strong>und</strong> Kombinationen<br />
nötig.<br />
5. Gr<strong>und</strong>lage ist immer eine stützende<br />
Gesprächstherapie.<br />
kann versucht werden, die Therapie<br />
auszuschleichen.<br />
Unser Patient entwickelte im Rahmen<br />
der Erhaltungsphase nach einem Jahr<br />
eine erneute depressive Episode trotz<br />
bestehender Medikation. Mit der Lamotrigin-Augmentation<br />
konnte er erfolgreich<br />
stabilisiert werden.<br />
Bei Patienten mit drei oder mehr<br />
Episoden oder chronischer Krankheit,<br />
milden Residuen oder besonders schweren<br />
Episoden mit hoher Suizidgefahr ist<br />
eine Rezidivprophylaxe (in der Regel<br />
mehrjährig) indiziert. Wird sie über ein<br />
bis drei Jahre durchgeführt, kann das<br />
Rezidivrisiko um zwei Drittel gesenkt<br />
werden. Therapie der Wahl ist wiederum<br />
diejenige, die in der Akutphase<br />
zur Remission geführt hat. Besonders<br />
wichtig in dieser Phase der Therapie ist<br />
die gute Verträglichkeit, da sie die Patientencompliance<br />
während dieser oft<br />
mehrjährigen Periode beeinfl usst. amg<br />
*<strong>Sie</strong>he Präparate-Index Seite 22<br />
Antwort-Coupon auf S. 28<br />
Frage 9: Welche Symptome können zum<br />
Verdacht auf eine Depression führen?<br />
(Mehrere Antworten)<br />
a) Konzentrationsstörungen<br />
b) erholsamer Schlaf d) Einschlafstörungen<br />
c) Gewichtszunahme e) Antriebslosigkeit<br />
Frage 10: Welche Aussage trifft zu?<br />
Depressive Episoden …<br />
a) werden primär mit trizyklischen Antidepressiva<br />
behandelt.<br />
b) haben ein geringes Rezidivrisiko.<br />
c) weisen in 15 % einen chronischen Verlauf auf.<br />
d) sind mit einer stützenden Gesprächstherapie<br />
ausreichend behandelt.<br />
e) bedürfen immer einer Kombinationstherapie.