dann der USPD („Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands“) bei, durch welche er am9.4.1919 wesentlich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt war. Nach deren abruptemEnde im Juli 1919 wurde er verhaftet, wegen Hochverrats angeklagt und zu einer fünfjährigenHaftstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung wurde er 1926 Mitglied der Gruppe RevolutionärerPazifisten. Da Ernst Toller sich als Gegner des NS-Regimes „herausstellte“, wurde er nach derMachtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 von jenen zu einem Exil in den USA gezwungen.Im Mai 1939 nahm er an einem Kongress des P.E.N.-Clubs (internat. Schriftstellervereinigung) teil, woer seine letzte Rede hielt. Er wurde noch von Präsident Roosevelt ins Weiße Haus eingeladen, bevor eram 22.5. schließlich aufgrund seiner schweren psychischen Belastungen den Freitod in New Yorkwählte (nachdem er zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren pflegte, seinen Koffer mit einem Strick zubestücken, wenn er auf Reisen ging).Pazifismus:Bezeichnung für eine ethische Grundhaltung, die Krieg und Gewalt prinzipiell ablehnt und füreinen dauerhaften Frieden eintritt.Münchner Räterepublik:Im April 1919 versuchte die radikale Linke in Bayern eine Räterepublik (→ politisches System,bei dem die Herrschaft von der Bevölkerung über direkt gewählte Räte ausgeübt wird) zuerrichten. Die Regierung wurde aus dem von der „Roten Armee“ (→ kommunistischeMilitäreinheiten zur Verteidigung der Räterepublik) besetzten München vertrieben und wich nachBamberg aus, von wo aus sie einen Gegenschlag durch die „Weißen Truppen“ (→ ausReichswehr und Freikorps bestehende Militäreinheiten) plante, der am 3. Mai 1919 dieNiederschlagung der Münchner Räterepublik herbeiführte.Drama „Masse Mensch“:Dieses bedeutende Werk Ernst Tollers entstand im Oktober 1919 in nur zwei Tageninfolge seiner erzwungenen Untätigkeit während der Haft in Niederschönenfeld undwurde am 15.11.1920 im Stadttheater Nürnberg vor einem geschlossenen Publikumuraufgeführt. Als Reaktion auf die revolutionären Ereignisse im Jahr 1919 ist es denProletariern (Arbeiterschicht) gewidmet. Es ist deutlich zu erkennen, dass Toller indiesem Drama seine durch die Kriegserfahrungen erlangte pazifistische Haltungumsetzt, da er auf eine Kampfansage gegen jede Art von Gewalt anspielt. Wie esdamals für den Expressionismus typisch war, ist dieses Werk aus insgesamt siebenBildern aufgebaut, die teils real sind, teils aber auch als Traumbilder dargestelltwerden. In Bayern wurde es später jedoch wegen „Aufreizung zum Klassenhass“verboten.Das Drama „Masse Mensch“ handelt von der bürgerlichen Frau Sonia Irene L., die für die Befreiungdes Proletariats ohne Gewalt eintritt. Ihr Mann, der gemeinsame Sache mit der Regierung macht, droht,sie deswegen zu verlassen, worauf die jedoch nicht zögert, ihre Liebe für Interessen der „Masse“ zuopfern. In einem ersten Traumbild erscheint ihr der Krieg bzw. die Ausbeutung des Proletariats, woraufdie Frau zum (gewaltlosen) Streik aufruft. Ein „Namenloser“, der hier nicht weiter bestimmt wird,Seite 5
fordert die Masse im Gegenzug jedoch zu einer gewaltsamen Revolution auf und findet dabei reichlichAnklang. Sogar die Frau folgt dieser Forderung, da sie sich (bewusst) als Teil der Masse dieser alsGanzes unterordnet. Ein zweites Traumbild zeigt (als Zukunftsvision) die Hinrichtung ihres Mannesdurch die Revolutionäre. Infolge dieser neuen Erkenntnis, dass Gewalt nur wieder neue Gewalt erzeugt,sagt sich die Frau von der Masse los. Daraufhin wirft ihr der Namenlose wegen der unterlassenenGewaltanwendung Verrat vor. Als der Aufstand blutig niedergeschlagen wird, wird die Frau (irrtümlich)als „Anstifterin“ verhaftet. Das dritte und letzte Traumbild stellt die Frau in der Zelle dar, bedrängt vonden Schatten der bei der Revolution Erschossenen, was zur Folge hat, dass sie sich zu ihrer Schuldbekennt, da jeder in der Masse Schuld trägt. Obwohl ihr der Namenlose einen Fluchtversuch anbietet,lehnt die Frau diesen jedoch ab, da die Anwendung von Gewalt hierbei nicht auszuschließen ist. Somitkehrt sie sich endgültig von Gewalt ab. Für diese Überzeugung geht die Frau schließlich auch in denTod.Ernst Toller, dessen Werke als revolutionäre (aber gewaltlose) Anleitung zur gesellschaftlichenVeränderung gelten, schildert in seinem Drama „Masse Mensch“ den Kampf zwischen dem einzelnenIndividuum und breiten Masse als großes Ganzes. Er thematisiert hierbei auch das Grunddilemma einessozialistischen Revolutionärs (sog. „Revolutionsproblematik“): Kann man Gewalt als Mittelrechtfertigen, um Frieden/Gerechtigkeit zu erlangen? Denn Handeln bedeutet, zu unmenschlichenMitteln zu greifen, wohingegen Nicht-Handeln heißt, dass unmenschliche Zustände bestehen bleiben.Dies stellt auch gleichzeitig das Problem politischer Verantwortung in politischenVeränderungsprozessen dar. Toller gelingt es in diesem Werk, eine Spannung zwischen demwandlungsfähigen Individuum einerseits und der starren Gesellschaft andererseits zu erzeugen, wodurcher eine bewusste Reflexion des Lesers über seine eigene politische und soziale Haltung bewirkt.Gottfried Benn (1886 – 1956):Leben:Ein weiterer wichtiger Vertreter des Expressionismus ist der Arzt undLyriker Gottfried Benn, der am 2. Mai 1886 als Sohn eineslutherischen Pfarrers in Mansfeld (Brandenburg) geboren wurde.Bereits seine Kindheit thematisierte er in verschiedenen Gedichten undProsaschriften. Von 1897 bis 1903 besuchte er das Friedrichs-Gymnasium in Frankfurt. Zum Wintersemester 1903/1904 nahm er,wie vom Vater gewünscht, das Studium der Theologie und Philologiein Marburg auf. Ein Jahr später wechselte Benn jedoch nach Berlin,wo von 1905 bis 1910 schließlich Medizin an der Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen studierte. Ab 1910hatte er eine Stelle als Unterarzt beim Militär inne, aus welcher er allerdings wegen gesundheitlicherProbleme bereits 1912 wieder ausschied. Nachdem er im selben Jahr noch die Zulassung als Arzt inBerlin erlangt hatte, arbeitete er dort als Assistenzarzt der Pathologie (Lehre von abnormen undkrankhaften Vorgängen und Zuständen im Körper sowie deren Ursachen) und Serologie (Lehre derAntigen-Antikörper-Reaktionen im Blutserum). Dort entwickelt er beim Protokollieren seiner insgesamtetwa 2000 Obduktionen seinen präzisen Beschreibungsstil. Im Jahr 1913 hatte er ein Liebesverhältnismit der Dichterin Else Lasker-Schüler, der er auch sein Werk „Söhne“ widmete. 1914 reiste er alsSchiffsarzt in die USA, wo er eine Ehe mit Edith Brosnin einging, mit der er die gemeinsame TochterNele hatte. Im Ersten Weltkrieg wurde Benn dann als Oberarzt im besetzten Brüssel eingesetzt. 1917ließ er sich wieder in Berlin als Dermatologe (Facharzt für Hautkrankheiten) und Venerologe (Facharztfür Geschlechtskrankheiten) nieder, wo er auch seine Werke „Gehirne“ und „Fleisch“ veröffentlichte. Inden Jahren 1933 und 1934 setzte er sich vorübergehend durch essayistische Schriften für denNationalsozialismus ein, da er sich durch diesen die Wiedergeburt einer deutschen Nation erhoffte. 1938erhielt Benn durch die Nationalsozialisten ein Schreibverbot, da er sich nun immer mehr gegen diesewendete und sie zugleich eine jüdische Herkunft aufgrund seines Namens „Benn“ vermuteten. Im selbenSeite 6