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Zeitgeist – ab dem 23.11.2007

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„Italien hat gewonnen“entspricht nichtden Tatsachen, dennes war eine Fußballmannschaftwie alleübrigen. Aber wennim Sport behauptetwird, er sei unpolitisch,beweist solchenationalistische Euphoriedas Gegenteil.Abseits dieser politischenVerlogenheitfreue ich mich persönlichüber die Leistungdieser Mannschaft,ohne die derdeutschen Spieler immindesten schmälernzu wollen, weil imFußball erreicht wurde,was man mir aufkünstlerischer Ebeneals segensreiches Erbeder italienischenGesangskunst in 9ortsansässigen Familienhämisch verweigerthat: Kindern dieKunst des Belcantovermitteln zu dürfen.Man wird auch dasErbe dieser Sport-Meisterschaft nichtakzeptieren!ReligionsunterrichtIngo Poppen weihtden unschuldigen Leserin die veränderteschulpädagogischeLandschaft ein. Fristeteder Religionsunterrichtfrüher einNischendasein, ist erheute zum Konfessionsunterrichteinesmodernen Polytheismuserblüht. DasLehrerkollegium, dieEltern und die in dieMitte genommeneGläubigkeit der Kindererheben den Gottdes Fußballs zumWotan oder Zeus.Ihm dienen die Heerscharen.Statt einesJesus mit seinen Jün-Der gestrige Abendzeigte die Entscheidungin einem selbstgeschaffenen und quasiheilig gesprochen Systemder Wettbewerbenicht, wer die besserenFußballer aufs Feldführt, sondern wer indiesen Stunden mitseinen Konditionenzielsicher umgehenkonnte. Das kann sichnatürlich ändern, undalle Schuldzuweisungenin den Reihen derVerlierer sind müßigund entwürdigend.Erst mit <strong>dem</strong> Aussetzendes provinziellenFanatismus kannder Sport wieder freiatmen. Das ist ihm zugönnen, wenn auchschwer vorstellbar.Aber die größtenRaufbolde müssen sichin ihrer Gesinnungnicht geschlagengeben. Das bekümmertund soll-te zu denkengeben.Marlon weint mitseiner Mama um dieWette und geht tränentriefnassins Bett.Aber ein tapferer Jungeerholt sich dochschnell genug, umlächelnd <strong>dem</strong> Unterrichtdes nächstenTages beiwohnen zukönnen. Ein Siegermuss her – also machenwir uns einen! –lautet die Devise derAnführerin der 2d. Eswird eine Achtjährigegekürt – mit 12 Punkten,und schon gibt esVerlierer – sonstschmeckt der Triumphnicht. Und es wird dasFeigenblatt für dieseAn diesem Abend wares im Dorfe ausgesprochenruhig, als die Entscheidunggefallen war.Das hierarchische Systemhatte sich selbstbefriedigt, man warsach- und fachkundigam Bildschirm Zeugegewesen, die Emotionenwurden entsprechendertränkt – mitMaßen – und man fuhrdann aus <strong>dem</strong> kollektivenEnthusiasmus zurückin die nüchterneWelt der Eigenverantwortung..Es fiel auchwohl mal ein Schuss –<strong>dem</strong> maß ich keineBdeutung bei. DasOchsengebrüll derPlastiktröten musstenicht ertragen werden:Man redet wiedermiteinander.Kinder laufen, im Gesicht,vielleicht auch anArmen und Beinen,soweit sichterlaubt, mitden Nationalfarbenbeklebt oder bemalt, alsdie Litfass-Säulen ihrerEltern und Schule herum,sind die Gesinnungsträgereiner medialgeschürten Euphorie,dass ihr Land durch elfGladiatoren repräsentiertwerden kann!Dass Sport auf dieserEbene ein blankes Politikumdarstellt, das auf<strong>dem</strong> Diktat einer fanatisiertenVolksmassedas Selbstbewusstseineiner ganzen Nationerrichtet, wird von denWer sich vor <strong>dem</strong> Wettbewerbsystemdes Nationenvergleichensschüttelt, weilNationalismus die Gesinnungenradikalisiert, darf diesauch mit persönlich erlebtenprivaten Enttäuschungenverknüpfen und sich ggfs.darauf besinnen, was dereinzelne in seinem heimischenLebenskreise wohl anAnerkennung erwiesen bekam– auch, welche er anderenzuzubilligen bereit gewesen.Und erinnert man sich derZynismen der Absagen undder Abqualifi-zierungenerbrachter An-strengungen, istdas Ausblei-ben einesSolidaritätspathos nichtverwunderlich. Wenn nur dieWerte des Tretens noch geltenund die Zugehö-rigkeit zumMassenauflauf, darf man sichgetrost der Wimpel undFähnchen ent-ledigen, dennsie sind, das Wohl dereigenen Nation betreffend,eine Farce.Zu Löw äußern die Achtjährigen,er sei witzig, mache Faxenund kaue auf den Fingernägeln– das sei lustig.Dass man Kindern die Sensibilitätfür ein mitmenschlichstrapazenfreies Benehmen<strong>ab</strong>gewöhnt hat, ist ein Übel.Das andere ist, dass man sie indie Märtyrerrolle der Mitbetroffenheitder Sportszenemanövriert.Das dritte beruht auf der Vermutung,was einem Kindeblüht, das weder <strong>dem</strong> Spruchesich beugen will: „Ich will malein Fußball-Gott werden!“noch sich <strong>dem</strong> Rotationsdenkeneiner konfessionell ausuferndenAnbeterin einerSportart unterwerfen möchte.Der Impfstoff wirkt: „Siehoffen nun auf eine italienischeFinalliederlage“, getreu einemfrüher von mir gelesenenSpruch: „Und jetzt machenwir die Italiener platt!“ – Eine

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