9899Anmerkungen zu Kapitel 71. vgl. Moser 19762. 1. Timotheus 6,113. vgl. Stichwort «Frçmmigkeit», Coenen 1971, S. 394ff.4. «Der Spiegel» 44 (1992), S. 22–325. Schon Sigmund Freud hat sich intensiv mit dem «Unbehagen in <strong>der</strong> Kultur»beschäftigt und in seinem Aufsatz Die Zukunft einer Illusion (1927)argumentiert, die Religion sei nichts an<strong>der</strong>es als eine Stütze zur Erhaltung<strong>der</strong> herrschenden Kultur.8SiebenUrsachen vonreligiçs-neurotischenSpannungenMeine These lautet also, dass nicht die Frçmmigkeitallein krank macht. In jedem Fall ist es ein Zusammenwirkenreligiçser Elemente mit einer übersensiblen,«neurotischen» Grundpersçnlichkeit imKontext eines allgemein-menschlichen Spannungsfeldes. Es sindvor allem zwei Bereiche, die durch die Frçmmigkeit eines Menschengeprägt werden: die subkulturellen Regeln und die Idealeeines Menschen. So kçnnen sich <strong>Konflikt</strong>e ergeben, wenn einMensch mit seinen persçnlichen Bedürfnissen, Trieben und Gefühlennicht mehr im Einklang mit den Regeln in einer Gemeindeo<strong>der</strong> in einer christlichen Familie steht. Diese sind umso stärker,wenn er die Ideale seines <strong>Glaube</strong>ns nicht mit Überzeugung («intrinsisch»)glaubt, son<strong>der</strong>n als äußerlich aufgezwungen («extrinsisch»)erlebt. 1Tabelle 8–1: Sieben Ursachen von religiçs-neurotischenSpannungen1. Innere <strong>Konflikt</strong>haftigkeit im Allgemeinen2. Loyalitätskonflikte3. <strong>Konflikt</strong>e zwischen Ideal und Realität4. Gefühle <strong>der</strong> Angst und des Zweifels5. Schuld- und Versagensgefühle6. <strong>Konflikt</strong> zwischen Hingabe an Gott und Eigenverantwortlichkeit7. <strong>Konflikt</strong> zwischen menschlicher Einengung und christlicherFreiheit
100Die in Tabelle 8–1 beschriebenen Ursachen sind sicher nicht umfassend,doch sie decken einen wesentlichen Bereich ab.1. Innere <strong>Konflikt</strong>haftigkeitDie innere <strong>Konflikt</strong>haftigkeit ist ein prägen<strong>der</strong> Wesenszug bei neurotischenMenschen (vgl. Kapitel 4). Es fällt ihnen schwer, sich unbefangenins Leben einzugeben. Jede Erfahrung, jedes Gefühl, jedeBegegnung, ja je<strong>der</strong> Gedanke und jede Kçrperempfindung <strong>wird</strong> aufmçgliche Probleme abgetastet, hin- und herbewegt in Pro und Contra,oftmals getragen von einer diffusen Unsicherheit und Angst.Diese Grundhaltung überträgt sich auch auf das <strong>Glaube</strong>nsleben.Stärkende und trçstende Aussagen <strong>der</strong> Bibel kçnnen nicht aufgenommenwerden ohne die bange Frage, ob diese auch für die betroffenePerson gelten. Ermahnungs- und Gerichtsworte wecken oftunangenehme Empfindungen und Erinnerungen, regen an zur morbidenSelbstprüfung, weit hinaus über den eigentlichen Sinn desWortes. Selbst harmlose biblische Geschichten o<strong>der</strong> Empfehlungenfür das tägliche Leben kçnnen beim übersensiblen Menschen schonzur konfliktbeladenen Gewissenserforschung führen.Da <strong>der</strong> <strong>Glaube</strong> Richtlinien für den Alltag gibt, leiden sensibleMenschen oft am inneren Zwiespalt zwischen Wollen und Dürfen,zwischen Bedürfnissen und Hemmungen, zwischen Trieben undkulturellen Verboten und Tabus. Während <strong>der</strong> im <strong>Glaube</strong>n Gefestigtehier keine Probleme hat, leidet <strong>der</strong> Sensible und empfindetdieses Leiden zeitweise als «krankmachend».2. Loyalitäts-<strong>Konflikt</strong>eDas innere Band, das uns mit Eltern, Geschwistern und Angehçrigenverbindet, ist bis heute letztlich ein Geheimnis. Und dochbesteht eine innere Loyalität, ein Gefühl <strong>der</strong> Verbundenheit, ja inZeiten <strong>der</strong> Not auch ein Gefühl <strong>der</strong> Verpflichtung, das sich kaumausblenden lässt. Selbst schwere innere Verletzungen in <strong>der</strong> Kindheitkçnnen dieses Band nicht vçllig zerschneiden. Immer wie<strong>der</strong>trifft man bei adoptierten o<strong>der</strong> unehelichen Kin<strong>der</strong>n im Erwachsenenalterdie unstillbare Sehnsucht nach dem Vater o<strong>der</strong> nach <strong>der</strong>Mutter. Letztlich ist die Familie <strong>der</strong> Ort, wo ein Mensch seine101Identität entwickelt, wo ein Kind seine ersten und prägendenLernerfahrungen für das Leben macht – Erfahrungen <strong>der</strong> Geborgenheitund <strong>der</strong> Verantwortung, des Verstandenwerdens und <strong>der</strong>Ablehnung. Es <strong>wird</strong> hin- und hergerissen zwischen dem Wunschnach Zuwendung und Schutz und dem inneren Drang nach Verselbständigungund Abgrenzung. Die Familie ist auch <strong>der</strong> ersteOrt, wo ein Kind lernt, dass es Grenzen gibt, wo es Einengung inseinem Entdeckungsdrang erfährt, Verbote und Regeln, Zurechtweisungund auch Strafe.Es wäre eine Illusion zu glauben, diese Auseinan<strong>der</strong>setzung mitdem heranwachsenden Kind ließe sich so gestalten, dass sich diesesimmer rundum wohlfühlt. Wachsen heißt auch hier: Spannungenaushalten lernen. Allerdings gibt es Extrem-Erfahrungen von Lieblosigkeitund Misshandlung in <strong>der</strong> Kindheit, die es einem Menschenspäter beson<strong>der</strong>s schwer machen kçnnen, sein inneres Gleichgewichtzu finden. Doch lange nicht alle «neurotischen» Menschenhaben solche Extrem-Erfahrungen hinter sich. Viele sind in einemdurchschnittlichen Elternhaus aufgewachsen.Sensible Menschen leiden oft an dem inneren Zwiespalt zwischenLiebe und Dankbarkeit den Eltern gegenüber auf <strong>der</strong> einen Seite undden für sie schmerzlichen Erfahrungen von Einengung, Verboten,Abwertung und Strafe. Je weiter sie sich aus <strong>der</strong> Realität des Elternhausesentfernen, sich ablçsen und zunehmend von den Erinnerungenleben, desto selektiver <strong>wird</strong> die Wahrnehmung <strong>der</strong> Eltern. Oftmalssteigern sich die <strong>Konflikt</strong>e zwischen Liebe und Vorwürfen indie geflügelten Worte: «Die lieben Eltern, wie ich sie hasse!» 2 In <strong>der</strong>Erinnerung neurotischer Menschen werden die Eltern oft groteskentstellt. Nicht selten haben ihre Geschwister eine ganz an<strong>der</strong>e Erinnerungan die gleichen Eltern – ein weiterer Hinweis darauf, dass dieBetroffenen eine verzerrte Sicht ihrer Kindheit entwickelt haben.<strong>Wenn</strong> die Eltern dann auch noch religiçs waren, so neigen Patientenund Therapeuten noch eher dazu, die Probleme auf diesen Faktor zureduzieren.In ähnlicher Weise machen Patienten auch den <strong>Glaube</strong>n verantwortlich,wenn sie sich durch biblische Aussagen, wie das Gebot«Ehre Vater und Mutter», unter dem Druck fühlen, etwas zu tun,was ihren Gefühlen zuwi<strong>der</strong>läuft.
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