Einsteins Kolleginnen - Kompetenzzentrum
Einsteins Kolleginnen - Kompetenzzentrum
Einsteins Kolleginnen - Kompetenzzentrum
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Seit 1908 arbeiteten die Physikerin Lise Meitner und<br />
der Chemiker Otto Hahn (1879 – 1968) als »Forscherteam«<br />
zusammen über Fragen der Radioaktivität.<br />
Über die Zusammenarbeit mit Otto Hahn und<br />
das »Geheimnis« ihres 30-jährigen interdisziplinären<br />
Arbeitens erzählte Lise Meitner im Alter:<br />
»Wir waren beide begeistert von der großen Fülle<br />
der Probleme, die wir sozusagen jeden Tag vor uns<br />
gefunden haben, und wir waren voll Bewunderung<br />
für die erstaunliche Entwicklung der Physik und<br />
Chemie. Daß Hahn der beste lebende radioaktive<br />
Chemiker, also Radio-Chemiker, war und daß ich<br />
immer eine wasserreine Physikerin geblieben bin,<br />
für die die einfachste Formel aus der organischen<br />
Chemie immer Mystik bedeutete, war doch eine gute<br />
Grundlage und eine gute Ergänzung in unserer Zusammenarbeit«<br />
(Lise Meitner, Tonbandaufnahme,<br />
zitiert nach Sexl/Hardy (2002), S. 46)<br />
Erstes gemeinsames Resultat war 1919 die Entdeckung<br />
des Protactiniums, wofür beide zwar mehrfach<br />
für den Nobelpreis vorgeschlagen wurden, ihn<br />
aber nicht erhielten. Von 1919 bis 1933 untersuchte<br />
Lise Meitner mit Mitarbeitern ihrer Abteilung für<br />
radioaktive Physik am KWI für Chemie in Berlin-<br />
Dahlem (dessen Direktor ihr Freund und Kollege<br />
Otto Hahn inzwischen war) vor allem alpha- und<br />
beta-Strahlen und publizierte einige wichtige Arbeiten<br />
dazu. An der Universität in Berlin-Mitte hielt die<br />
Privatdozentin Meitner zwar keine Vorlesungen, bot<br />
aber regelmäßig Praktika in radioaktiver Physik in<br />
ihrer Abteilung in Berlin-Dahlem an.<br />
»Unsere Madame Curie« wurde von Albert Einstein<br />
und Niels Bohr hoch geschätzt, erhielt Einladungen<br />
zu internationalen Tagungen und Konferenzen, bekam<br />
Bittbriefe um Gastaufenthalte in ihrer Abtei-<br />
<strong>Einsteins</strong> <strong>Kolleginnen</strong> Physikerinnen – gestern und heute<br />
lung aus dem In- und Ausland sowie Bitten um eine<br />
Stelle bei ihr. Sie war die geachtete, von Studenten<br />
wegen ihrer Strenge zum Teil gefürchtete, in ihrer<br />
Abteilung bewunderte Physikerin, der scheinbar<br />
alles mühelos gelang.<br />
Dann begann die NS-Herrschaft in Deutschland und<br />
damit das Ende einer 30-jährigen erfolgreichen und<br />
anerkannten Arbeit Lise Meitners. Infolge des NS-<br />
Regimes kam es zum Bruch mit Kollegen und Freunden<br />
und zu Enttäuschungen. Es gab Denunziationen<br />
von Kollegen am KWI für Chemie und schließlich<br />
eine abenteuerliche illegale Flucht, die ihr besonders<br />
schwer fiel. Bei Flucht und Rettung Lise Meitners<br />
halfen ihr Freunde und Kollegen, insbesondere Otto<br />
Hahn, Max von Laue und Paul Rosbaud, Elisabeth<br />
und Gertrud Schiemann, Dirk Coster in den Niederlanden<br />
und Niels Bohr in Dänemark. Stationen ihrer<br />
Flucht waren Amsterdam, Kopenhagen und Stockholm.<br />
Über ihre Flucht berichtete sie neun Jahre später<br />
an ihre Kollegin Gerta von Ubisch:<br />
»Die Geschichte meines Herauskommens war ein<br />
Colportage Roman.«<br />
(Lise Meitner an G. von Ubisch, 1.7.1947,<br />
zitiert nach Sexl/Hardy (2002), S. 82)<br />
In Stockholm begann »das zweite Leben« der Physikerin<br />
Lise Meitner. Die bis 1933 mit Anerkennungen,<br />
Ehrungen und Auszeichnungen verwöhnte Physikerin<br />
war 60 Jahre alt, als das Exil für sie begann.<br />
Ein Leben in der Fremde, in der Kälte (klimatisch)<br />
und ohne Kenntnis der Landessprache Schwedisch,<br />
eine befristete Assistentenstelle (für die ehemalige<br />
Leiterin) und die jährlich zu beantragende Aufenthaltserlaubnis<br />
(um die jedes Mal gebangt werden<br />
29