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Pavel Schmidt - Weltkunst

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Stil der Stillosigkeit<br />

Konrad Tobler<br />

Will man ihn erreichen, erreicht man ihn sicher nicht<br />

dort, wo es zu erwarten wäre: <strong>Pavel</strong> <strong>Schmidt</strong> ist ein<br />

nomadischer Mensch, wenn nicht gar ein ruheloser. Mal<br />

ruft er aus Genua zurück, wo er einmal während eines<br />

halben Jahres ein Stipendiumsatelier hatte, mal aus<br />

Paris, dann wieder aus Heidelberg oder von Irgendwo.<br />

Das Irgendwo ist seine Heimat, auch künstlerisch. Das<br />

mag mit <strong>Schmidt</strong>s Biografie zusammenhängen. Geboren<br />

wurde er 1956 in Pressburg, in der damaligen Tschechoslowakischen<br />

Sozialistischen Republik. 1966 emigrierten<br />

seine Eltern nach Mexico, wo er bis 1968 blieb. Als Staatenloser<br />

kam er in die Schweiz, an den Jurasüdfuss.<br />

Bevor er sich der Kunst zuwandte, studierte er einige<br />

Semester Chemie an der Universität Bern, ging dann<br />

nach München an die Akademie der Künste, und lebt<br />

heute da und dort.<br />

Das Da und Dort ist ihm ins Fleisch und Blut übergegangen.<br />

Geht es darum, eine Enzyklopädie über <strong>Schmidt</strong><br />

zusammenzustellen, wird er in dieser mit Gewissheit<br />

zumindest eine Lücke finden: Galut, das hebräische und<br />

biografische Wort für das Exil. 1<br />

Da und dort<br />

So ist auch das Werk. Es zeichnet sich durch seine Atypie<br />

aus: Es will nie einem anderen Typus verpflichtet sein als<br />

dem eigenen. Und es ist dadurch gewissermassen ortlos,<br />

geprägt durch die Atopie, wie sie Roland Barthes skizziert<br />

hat: „In der Kartei: ich bin vermerkt, einem (intellektuellen)<br />

Ort, dem Wohnsitz einer Kaste (wenn nicht einer<br />

Klasse) zugewiesen. Dagegen gibt es nur eine innere<br />

Doktrin: die der Atopie (des weit abtreibenden Gehäuses).<br />

Die Atopie ist der Utopie überlegen (die Utopie ist reaktiv,<br />

taktisch, literarisch, sie rührt vom Sinn her und setzt ihn<br />

in Gang).“ 2<br />

Ruft man also <strong>Pavel</strong> <strong>Schmidt</strong> an, hört man häufig das<br />

Geräusch des Automotors, weil er ständig unterwegs ist.<br />

Das ist keine Selbststilisierung eines Künstlers und keine<br />

Legendenbildung. Denn eine feste Postadresse hat er in<br />

Tat und Wahrheit nicht. Er kommuniziert per SMS oder<br />

per Mobiltelefon. Mit Vorliebe übernachtet er in Hotels,<br />

wo er sich für längere Aufenthalte relativ günstige Angebote<br />

machen lässt; zu seinen wichtigen Orten gehören<br />

auch Autobahnraststätten. So arbeitet er sozusagen fliegend<br />

– und dementsprechend ist sein Auto zugleich eine<br />

Art von Atelier, kleine Bibliothek inklusive.<br />

2<br />

Denn bei allem Vorläufigen, das dieses Künstlerleben<br />

prägt, ist eine Konstante bei <strong>Pavel</strong> <strong>Schmidt</strong> neben dem<br />

unermüdlichen Schaffen und Suchen das Lesen. Er ist<br />

ein Vielleser und ein Belesener und ein in Kulturgeschichte,<br />

Naturwissenschaften, Literatur und Philosophie<br />

Beschlagener, ein Amateur im besten Sinn, auch<br />

des guten Essens und des guten Weines. Walter Benjamin<br />

hat unter den prototypischen Figuren in Kafkas Welt<br />

„die Studierenden“ ausgemacht, Leute, die erst dann<br />

zum Schlafen kommen können, wenn sie mit dem Studium<br />

zu Ende sind 3 . Wäre <strong>Schmidt</strong> eine Figur in Kafkas<br />

„Prozess“ oder im „Schloss“, er wäre mit Sicherheit ein<br />

Studierender, wenn auch kein asketischer. Dafür spricht<br />

auch, dass es mittlerweile eine ganze <strong>Schmidt</strong>sche Bibliothek<br />

gibt, eine Reihe von Büchern, die das Werk nicht<br />

nur dokumentieren, sondern immer auch reflektieren, in<br />

Frage stellen und neu organisieren. 4<br />

Reflexion und Aberwitz<br />

Der Bezug zu Kafka ist kein zufälliger. Mit dem Prager<br />

Autor beschäftigt sich <strong>Schmidt</strong> seit Jahrzehnten. Seinen<br />

bisherigen Höhepunkt fand das Interesse in einer langen<br />

Zeichnungsserie (2006) und im Buch f.k 5 . Aber bereits<br />

aus dem Jahr 1976 datiert eine vierteilige Zeichnungs-<br />

und Collagenserie mit dem Titel hommage à franz kafka.<br />

Auf einem dieser Blätter ist statt des Kopfes eine Hand<br />

mit Schreib- oder Zeichnungsfeder zu sehen. Dieses Bild<br />

könnte auch auf <strong>Schmidt</strong> übertragen werden – beileibe<br />

nicht so, dass seine Kunstwerke Kopfgeburten wären,<br />

denn dafür sind sie immer auch zu stark der Emotion<br />

und vielfach auch dem unmittelbaren Moment verpflichtet.<br />

Aber seine Kunst ist eine ständige Reflexion, ein<br />

Bezug zu Mythen, Traditionen und zur Kunstgeschichte;<br />

das Nachdenken über das Bildverbot oder über die Grenze<br />

zum Bildverbot spielt da zugleich mit.<br />

Will man <strong>Schmidt</strong>s Werk kunstgeschichtlich verorten,<br />

spielen jedenfalls viele Quellen eine Rolle. Und es zeigt<br />

sich, dass diese Verortung für das Verständnis letztlich<br />

zweitrangig ist – weil dieser Künstler seine Dinge immer<br />

im Fluss hält, bei aller Ernsthaftigkeit ironisch relativiert<br />

und hinterfragt. Und weil eines seiner Prinzipien<br />

die Stillosigkeit ist. Oder anders: Der Stil von <strong>Schmidt</strong><br />

ist die bewusst eingesetzte Stillosigkeit. Das hat bei ihm<br />

System – aber selbstverständlich ist es bei diesem dialektisch<br />

denkenden und arbeitenden Künstler ein System

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