kinderwunsch — wunschkinder - Deutsche Ullrich-Turner-Syndrom ...
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Sarah<br />
Leonie<br />
Tante, nicht Mutter Von Sarah<br />
<strong>kinderwunsch</strong> <strong>—</strong> <strong>wunschkinder</strong><br />
„Es ist erstaunlich. Man betrachtet das Bild der ungeborenen Nichte und<br />
kann sich sehr gut ausmalen, wie der Bruder und vor allem die werdende<br />
Mutter sich gefühlt haben müssen, als sie das gleiche Bild zum ersten Mal<br />
vor Augen hatten. Live. Mit Bewegung.“ Sarah<br />
Normalerweise freue ich mich immer sehr über die E-Mails, die mein Bruder mir<br />
schickt. Da er am anderen Ende der Bundesrepublik lebt, sehen wir uns selten.<br />
Über Mails und Telefonate halten wir uns gegenseitig auf dem Laufenden.<br />
Die Technik macht’s möglich. Doch dieses eine Mal <strong>—</strong> im letzten Herbst war es<br />
<strong>—</strong> musste ich ganz schön schlucken, bevor ich mit der Maus auf „Öffnen“ klickte. Es<br />
war vor allem der Anhang der E-Mail, der mir zu schaffen machte. Eine Bild-Datei.<br />
Kurz zuvor war mein Bruder nämlich mit seiner schwangeren Freundin beim<br />
Frauenarzt gewesen. Sie hatten dort den ersten Ultraschall ihres Babys machen<br />
lassen. „Wir bekommen eine kleine Tochter!“, hatte er mir voller Stolz am Telefon<br />
mitgeteilt und das berühmte Ultraschallbild gleich als E-Mail geschickt.<br />
Dass ich am <strong>Turner</strong>-<strong>Syndrom</strong> leide, weiß ich seit meinem 16. Lebensjahr. Lange<br />
Zeit hat mich der Gedanke an Kinderlosigkeit nicht wirklich beschäftigt. Mir<br />
schwirrten andere Dinge im Kopf herum: Jungs, die neueste Musik im Radio, der<br />
Schulabschluss, die nächste Party: Woran junge Mädchen eben so denken. Doch<br />
schon immer war sie da, diese latente Angst vor dem Moment, der einschlagen<br />
würde wie eine Bombe: Tante kann ich werden, Mutter aber nicht. Und dann kam<br />
dieser Moment in Form einer E-Mail.<br />
Es ist erstaunlich. Man betrachtet das Bild der ungeborenen Nichte und kann<br />
sich sehr gut ausmalen, wie der Bruder und vor allem die werdende Mutter sich<br />
gefühlt haben müssen, als sie das gleiche Bild zum ersten Mal vor Augen hatten.<br />
Live. Mit Bewegung. Und sie mit dem wohlig-kalten Gel vom Ultraschall auf dem<br />
Bauch. Winzig kleine Hände, klitzekleine Füßchen. So hilflos sieht es noch aus,<br />
so verletzlich und doch so real. Die Freude über das erste Kind muss unglaublich<br />
groß sein. Noch jetzt, beim Schreiben dieser Zeilen, kommen mir die Tränen.<br />
Wieder dieser Gedanke: Tante werden kann ich, Mutter aber nicht.<br />
Es freut mich, dass mein Bruder seine Freude so offen zeigt, obwohl er über meine<br />
Situation Bescheid weiß. Dass er mich an seinem Leben teilhaben lässt, dass er<br />
seiner Schwester von seinem jungen Familienglück berichtet, hat mich immer<br />
ungemein berührt. Er hat keine Schuld an meinen Tränen. Denn niemand hat<br />
Schuld daran.<br />
Und dann fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Niemand hat Schuld<br />
daran. Und schon gar nicht meine kleine Nichte, die bald das Licht der Welt<br />
erblickt. Ein neues Leben ist auf dem Weg. Ein neuer Mensch, eine solche<br />
Bereicherung für jede Familie. Ein kleines Mädchen wird unser aller Alltag<br />
ganz schön auf den Kopf stellen. Die ersten Schritte, die ersten Wörter, die<br />
ersten Zähnchen. Helles Kinderlachen wird in Zukunft wieder bei unseren<br />
Familientreffen zu hören sein. Ein kleiner Mensch, der mir sein Lächeln schenkt.<br />
Der Gedanke gefällt mir. Hoffentlich schickt mir mein Bruder auch in Zukunft<br />
viele Bilder seiner Tochter per E-Mail. Ich werde Tante. Und freue mich sehr<br />
darauf!<br />
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