03.12.2012 Aufrufe

kinderwunsch — wunschkinder - Deutsche Ullrich-Turner-Syndrom ...

kinderwunsch — wunschkinder - Deutsche Ullrich-Turner-Syndrom ...

kinderwunsch — wunschkinder - Deutsche Ullrich-Turner-Syndrom ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

24<br />

Acht Stunden Mama-Sein Gedanken zum Thema Kinderwunsch von Hannelore<br />

Zunächst möchte ich berichten, wie ich zu meinem Beruf gekommen bin, da dieser<br />

sehr viel mit dem Thema Kinderwunsch zu tun hat. Nach einem gescheiterten<br />

Versuch, das Abitur auf die Mittlere Reife zu setzen, besuchte ich ein Jahr die<br />

Haushaltsschule und entschloss mich, um meine Seele mit meinem Kinderwunsch<br />

zu vereinen, Kinderpflegerin zu werden. Da zunächst in dem Beruf nichts<br />

zu ergattern war, arbeitete ich ein Jahr auf der Nordsee-Insel Norderney, ebenfalls<br />

bei Kindern, die aber an Asthma und Hautkrankheiten litten, wodurch ich<br />

die Idee bekam, noch einen Beruf zu erlernen, in dem man mit kranken Kindern<br />

arbeitet. Und siehe da, ich las in der Zeitung vom Beruf der Heilerziehungspflegerin<br />

und fand eine entsprechende Fachschule, an der ich ihn erlernen konnte<br />

<strong>—</strong> alles ganz normal.<br />

Die Ausbildung war für alle Altersklassen, so dass ich mich nach dem Abschluss<br />

der Ausbildung entschied, mir bei Kindern bis zu 6 Jahren eine Stelle zu suchen.<br />

So arbeitete ich ein viertel Jahr in einer Außenwohngruppe für Erwachsene<br />

und fand dann eine Vollzeitstelle in einer Kindertagesstätte mit Kindern von<br />

drei Monaten bis 6 Jahren. Dort arbeite ich seit fünf Jahren als Springerin in<br />

den vorhandenen Gruppen. Somit habe ich den ganzen Tag Kinder zu betreuen<br />

und der Wunsch nach einem eigenen Kind ist nicht mehr so stark vorhanden.<br />

Es wäre zwar eine sicherlich bereichernde Lebenserfahrung, aber durch meine<br />

tägliche Arbeit mit Kolleginnen, die neben diesem Beruf auch noch eigene<br />

Kinder haben, sehe ich auch, wie schwierig es heutzutage ist, Beruf und Familie<br />

zu koordinieren.<br />

So würde ich nur gemeinsam mit einem Partner ein Kind adoptieren. Eine<br />

künstliche Befruchtung lehne ich ab, weil ich das seelische Auf- und Ab dabei nicht<br />

verkraften würde. Denn die Befruchtung funktioniert wie bei einem Zeugung „alla<br />

natura“ auch nicht bei der ersten Befruchtung. Das würde ich nicht verkraften.<br />

Ich möchte einer Frau auch nicht zumuten, ein Kind auszutragen, um es mir<br />

anschließend abzugeben.<br />

In meinem Beruf kann ich acht Stunden „Mama“ sein, Kinder betreuen und<br />

habe dann Nachtruhe und Freizeit für mich. Wenn mir „Mutter Natur“ das<br />

„Kinderbekommen“ erlauben würde, zöge ich das Kind selbstverständlich groß<br />

und den „Herrn Papa“ mit in die Verantwortung.<br />

Wir sind alle Tanten Von Barbara Keller<br />

Obwohl nun schon sieben Jahre ins Land gegangen<br />

sind, kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, wie<br />

ich Regina in der Universitätsfrauenklinik in Tübingen<br />

besucht habe, bevor ihr Sohn Jonas zur Welt<br />

kam. Ihr Mann Peter war an diesem Nachmittag auch<br />

da. Es lag eine gewisse Spannung, vielleicht auch ein<br />

Gewitter in der Luft. Nachdem eine Schwester Regina<br />

gebeten hatte, in den nächsten Stunden keine feste<br />

Nahrung mehr zu sich zu nehmen, war mir klar, dass<br />

das Baby geholt werden sollte. Mir war ganz flau, aber<br />

Regina war ganz ruhig und sagte nur, zur Sicherheit<br />

sei sie jetzt in der letzten Phase der Schwangerschaft<br />

in der Klinik und freue sich auf die Geburt ihres<br />

Jungen. Ich war ganz aufgeregt und hoffte, dass<br />

der bevorstehende Kaiserschnitt gut und planmäßig<br />

verlaufe, Mutter und Kind danach wohlauf seien. Ein<br />

paar Stunden später kam der erlösende Anruf, dass<br />

alles geklappt habe<br />

Bald darauf fuhr ich nochmals nach Tübingen, um<br />

Regina und Peter zu gratulieren und das Baby Jonas,<br />

welches zu dieser Zeit noch winzig klein im Brutkasten<br />

lag, zu besuchen. Es war einfach ergreifend<br />

und sehr berührend. Für Regina und Peter war ein<br />

absoluter Traum in Erfüllung gegangen. Ihr Glück<br />

war nach zwei Jahren Ehe komplett. Auch in den<br />

folgenden Jahren war und ist dies der Haupteindruck.<br />

Das Familienglück zu Dritt ist einfach perfekt. Jonas<br />

entwickelt sich prächtig und wird im Herbst in die<br />

Schule kommen. Was auch sehr schön ist. Unsere<br />

gesamte Gruppe nimmt Anteil an Jonas. Wir sind alle<br />

„Tanten“ und es macht uns Spaß!<br />

Leider ist so eine Geschichte, wenn man das <strong>Turner</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong> hat, nicht selbstverständlich. Die meisten<br />

müssen sich mit ihrer Kinderlosigkeit abfinden, ihr<br />

Leben ohne Kinder planen und annehmen. Manchmal<br />

ist das gar nicht so einfach. Man hat trotzdem<br />

alle Möglichkeiten, sich mit Kindern zu beschäftigen<br />

und ihnen eine gute Tante zu sein. Natürlich sollte<br />

man sich nicht zu sehr durch seine Kinderlosigkeit<br />

definieren lassen, damit tut man sich selbst nicht<br />

gut, man sollte sich nicht Dingen aufhalten, die dann<br />

letztendlich doch nicht eintreffen. So platt es vielleicht<br />

klingt, aber es gibt mit Sicherheit noch andere<br />

Dinge im Leben, die genauso wichtig und schön sind,<br />

<strong>kinderwunsch</strong> <strong>—</strong> <strong>wunschkinder</strong><br />

„Meine Aufgabe in meinem Leben ist es, das Beste daraus zu machen und<br />

nicht den Dingen nachzuweinen, die ich ohnehin nicht ändern kann. Es ist<br />

also bestimmt nicht so, dass ich keinen Kinderwunsch gehabt hätte, aber<br />

zur Adoption, die für meine Generation die einzige Option gewesen wäre,<br />

fehlte mir halt auch immer der Mann <strong>—</strong> leider!“ Barbara Keller<br />

genauso erfüllen wie Kinder. Um ein Kind erziehen zu<br />

können, sollte man eigentlich eine Familie an seiner<br />

Seite haben, um alle anstehenden Aufgaben arbeitsteilig<br />

bewältigen zu können. In diesem sicheren<br />

Umfeld kann sich ein Kind optimal entwickeln, kann<br />

man einem kleinen Menschen den Start ins Leben<br />

erleichtern beziehungsweise den richtigen Start ins<br />

Leben erst ermöglichen.<br />

Und jetzt kommt noch einmal eine Binsenweisheit:<br />

der Mensch möchte vor allem das haben, was er<br />

partout nicht haben oder erreichen kann. Das ist<br />

eine zutiefst menschliche Regung. Selbstverständlich<br />

ist eine Familie nach dem herkömmlichen<br />

Rollenverständnis erst dann vollständig, wenn ein<br />

oder mehrere Kinder dazukommen. Natürlich kann<br />

man auch Kinder adoptieren. Aber das ist mit vielen<br />

Hürden behaftet und für manche Paare kommt das<br />

auch gar nicht in Frage, weil sie es sich einfach nicht<br />

vorstellen können, ein fremdes Kind aufzunehmen<br />

und zu erziehen. Diese Entscheidung ist wirklich sehr<br />

schwierig und individuell.<br />

Auf alle Fälle spielt auch die Erziehung in dieser Frage<br />

eine Rolle. Welches Rollenbild wurde von den Eltern<br />

vermittelt? Kann man sich ein Leben ohne eigene<br />

Kinder vorstellen? Welches Gewicht misst man selbst<br />

als <strong>Turner</strong>-<strong>Syndrom</strong>-Betroffene diesem Aspekt zu?<br />

Wie weit lässt man es zu, dass diese Fassette des<br />

<strong>Turner</strong>-<strong>Syndrom</strong>s zu übermächtig wird und Raum<br />

zugebilligt bekommt, der ihm eigentlich gar nicht<br />

zukommt? Abgesehen davon steht es außer Frage,<br />

dass man sich als Betroffene auf jeden Fall mit der<br />

Thematik der Kinderlosigkeit auseinandersetzen<br />

muss, um Klarheit darüber zu erhalten, in welcher<br />

Art und Weise man diese Tatsache in sein Leben<br />

einbauen kann und welche Konsequenzen dies letztendlich<br />

hat, was man zulassen kann und möchte. Das<br />

alles zu bedenken, ist auf jeden Fall nicht einfach,<br />

aber man kann sich sein Leben sehr gut auch ohne<br />

Kinder, zumal als „ledige Tante“ einrichten. Ich<br />

hoffe, dass neben mir auch andere Betroffene diese<br />

Erfahrung machen durften. Meine eigene Kinderlosigkeit<br />

begreife ich nicht als Makel, der mein Leben<br />

überschattet oder mein Leben als weniger wertvoll<br />

erscheinen lässt.<br />

25

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!