kinderwunsch — wunschkinder - Deutsche Ullrich-Turner-Syndrom ...
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Acht Stunden Mama-Sein Gedanken zum Thema Kinderwunsch von Hannelore<br />
Zunächst möchte ich berichten, wie ich zu meinem Beruf gekommen bin, da dieser<br />
sehr viel mit dem Thema Kinderwunsch zu tun hat. Nach einem gescheiterten<br />
Versuch, das Abitur auf die Mittlere Reife zu setzen, besuchte ich ein Jahr die<br />
Haushaltsschule und entschloss mich, um meine Seele mit meinem Kinderwunsch<br />
zu vereinen, Kinderpflegerin zu werden. Da zunächst in dem Beruf nichts<br />
zu ergattern war, arbeitete ich ein Jahr auf der Nordsee-Insel Norderney, ebenfalls<br />
bei Kindern, die aber an Asthma und Hautkrankheiten litten, wodurch ich<br />
die Idee bekam, noch einen Beruf zu erlernen, in dem man mit kranken Kindern<br />
arbeitet. Und siehe da, ich las in der Zeitung vom Beruf der Heilerziehungspflegerin<br />
und fand eine entsprechende Fachschule, an der ich ihn erlernen konnte<br />
<strong>—</strong> alles ganz normal.<br />
Die Ausbildung war für alle Altersklassen, so dass ich mich nach dem Abschluss<br />
der Ausbildung entschied, mir bei Kindern bis zu 6 Jahren eine Stelle zu suchen.<br />
So arbeitete ich ein viertel Jahr in einer Außenwohngruppe für Erwachsene<br />
und fand dann eine Vollzeitstelle in einer Kindertagesstätte mit Kindern von<br />
drei Monaten bis 6 Jahren. Dort arbeite ich seit fünf Jahren als Springerin in<br />
den vorhandenen Gruppen. Somit habe ich den ganzen Tag Kinder zu betreuen<br />
und der Wunsch nach einem eigenen Kind ist nicht mehr so stark vorhanden.<br />
Es wäre zwar eine sicherlich bereichernde Lebenserfahrung, aber durch meine<br />
tägliche Arbeit mit Kolleginnen, die neben diesem Beruf auch noch eigene<br />
Kinder haben, sehe ich auch, wie schwierig es heutzutage ist, Beruf und Familie<br />
zu koordinieren.<br />
So würde ich nur gemeinsam mit einem Partner ein Kind adoptieren. Eine<br />
künstliche Befruchtung lehne ich ab, weil ich das seelische Auf- und Ab dabei nicht<br />
verkraften würde. Denn die Befruchtung funktioniert wie bei einem Zeugung „alla<br />
natura“ auch nicht bei der ersten Befruchtung. Das würde ich nicht verkraften.<br />
Ich möchte einer Frau auch nicht zumuten, ein Kind auszutragen, um es mir<br />
anschließend abzugeben.<br />
In meinem Beruf kann ich acht Stunden „Mama“ sein, Kinder betreuen und<br />
habe dann Nachtruhe und Freizeit für mich. Wenn mir „Mutter Natur“ das<br />
„Kinderbekommen“ erlauben würde, zöge ich das Kind selbstverständlich groß<br />
und den „Herrn Papa“ mit in die Verantwortung.<br />
Wir sind alle Tanten Von Barbara Keller<br />
Obwohl nun schon sieben Jahre ins Land gegangen<br />
sind, kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, wie<br />
ich Regina in der Universitätsfrauenklinik in Tübingen<br />
besucht habe, bevor ihr Sohn Jonas zur Welt<br />
kam. Ihr Mann Peter war an diesem Nachmittag auch<br />
da. Es lag eine gewisse Spannung, vielleicht auch ein<br />
Gewitter in der Luft. Nachdem eine Schwester Regina<br />
gebeten hatte, in den nächsten Stunden keine feste<br />
Nahrung mehr zu sich zu nehmen, war mir klar, dass<br />
das Baby geholt werden sollte. Mir war ganz flau, aber<br />
Regina war ganz ruhig und sagte nur, zur Sicherheit<br />
sei sie jetzt in der letzten Phase der Schwangerschaft<br />
in der Klinik und freue sich auf die Geburt ihres<br />
Jungen. Ich war ganz aufgeregt und hoffte, dass<br />
der bevorstehende Kaiserschnitt gut und planmäßig<br />
verlaufe, Mutter und Kind danach wohlauf seien. Ein<br />
paar Stunden später kam der erlösende Anruf, dass<br />
alles geklappt habe<br />
Bald darauf fuhr ich nochmals nach Tübingen, um<br />
Regina und Peter zu gratulieren und das Baby Jonas,<br />
welches zu dieser Zeit noch winzig klein im Brutkasten<br />
lag, zu besuchen. Es war einfach ergreifend<br />
und sehr berührend. Für Regina und Peter war ein<br />
absoluter Traum in Erfüllung gegangen. Ihr Glück<br />
war nach zwei Jahren Ehe komplett. Auch in den<br />
folgenden Jahren war und ist dies der Haupteindruck.<br />
Das Familienglück zu Dritt ist einfach perfekt. Jonas<br />
entwickelt sich prächtig und wird im Herbst in die<br />
Schule kommen. Was auch sehr schön ist. Unsere<br />
gesamte Gruppe nimmt Anteil an Jonas. Wir sind alle<br />
„Tanten“ und es macht uns Spaß!<br />
Leider ist so eine Geschichte, wenn man das <strong>Turner</strong>-<br />
<strong>Syndrom</strong> hat, nicht selbstverständlich. Die meisten<br />
müssen sich mit ihrer Kinderlosigkeit abfinden, ihr<br />
Leben ohne Kinder planen und annehmen. Manchmal<br />
ist das gar nicht so einfach. Man hat trotzdem<br />
alle Möglichkeiten, sich mit Kindern zu beschäftigen<br />
und ihnen eine gute Tante zu sein. Natürlich sollte<br />
man sich nicht zu sehr durch seine Kinderlosigkeit<br />
definieren lassen, damit tut man sich selbst nicht<br />
gut, man sollte sich nicht Dingen aufhalten, die dann<br />
letztendlich doch nicht eintreffen. So platt es vielleicht<br />
klingt, aber es gibt mit Sicherheit noch andere<br />
Dinge im Leben, die genauso wichtig und schön sind,<br />
<strong>kinderwunsch</strong> <strong>—</strong> <strong>wunschkinder</strong><br />
„Meine Aufgabe in meinem Leben ist es, das Beste daraus zu machen und<br />
nicht den Dingen nachzuweinen, die ich ohnehin nicht ändern kann. Es ist<br />
also bestimmt nicht so, dass ich keinen Kinderwunsch gehabt hätte, aber<br />
zur Adoption, die für meine Generation die einzige Option gewesen wäre,<br />
fehlte mir halt auch immer der Mann <strong>—</strong> leider!“ Barbara Keller<br />
genauso erfüllen wie Kinder. Um ein Kind erziehen zu<br />
können, sollte man eigentlich eine Familie an seiner<br />
Seite haben, um alle anstehenden Aufgaben arbeitsteilig<br />
bewältigen zu können. In diesem sicheren<br />
Umfeld kann sich ein Kind optimal entwickeln, kann<br />
man einem kleinen Menschen den Start ins Leben<br />
erleichtern beziehungsweise den richtigen Start ins<br />
Leben erst ermöglichen.<br />
Und jetzt kommt noch einmal eine Binsenweisheit:<br />
der Mensch möchte vor allem das haben, was er<br />
partout nicht haben oder erreichen kann. Das ist<br />
eine zutiefst menschliche Regung. Selbstverständlich<br />
ist eine Familie nach dem herkömmlichen<br />
Rollenverständnis erst dann vollständig, wenn ein<br />
oder mehrere Kinder dazukommen. Natürlich kann<br />
man auch Kinder adoptieren. Aber das ist mit vielen<br />
Hürden behaftet und für manche Paare kommt das<br />
auch gar nicht in Frage, weil sie es sich einfach nicht<br />
vorstellen können, ein fremdes Kind aufzunehmen<br />
und zu erziehen. Diese Entscheidung ist wirklich sehr<br />
schwierig und individuell.<br />
Auf alle Fälle spielt auch die Erziehung in dieser Frage<br />
eine Rolle. Welches Rollenbild wurde von den Eltern<br />
vermittelt? Kann man sich ein Leben ohne eigene<br />
Kinder vorstellen? Welches Gewicht misst man selbst<br />
als <strong>Turner</strong>-<strong>Syndrom</strong>-Betroffene diesem Aspekt zu?<br />
Wie weit lässt man es zu, dass diese Fassette des<br />
<strong>Turner</strong>-<strong>Syndrom</strong>s zu übermächtig wird und Raum<br />
zugebilligt bekommt, der ihm eigentlich gar nicht<br />
zukommt? Abgesehen davon steht es außer Frage,<br />
dass man sich als Betroffene auf jeden Fall mit der<br />
Thematik der Kinderlosigkeit auseinandersetzen<br />
muss, um Klarheit darüber zu erhalten, in welcher<br />
Art und Weise man diese Tatsache in sein Leben<br />
einbauen kann und welche Konsequenzen dies letztendlich<br />
hat, was man zulassen kann und möchte. Das<br />
alles zu bedenken, ist auf jeden Fall nicht einfach,<br />
aber man kann sich sein Leben sehr gut auch ohne<br />
Kinder, zumal als „ledige Tante“ einrichten. Ich<br />
hoffe, dass neben mir auch andere Betroffene diese<br />
Erfahrung machen durften. Meine eigene Kinderlosigkeit<br />
begreife ich nicht als Makel, der mein Leben<br />
überschattet oder mein Leben als weniger wertvoll<br />
erscheinen lässt.<br />
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